Sozialversicherungspflicht einer Kurierfahrerin für ein Unternehmen
Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit
Anforderungen an die Beurteilung des unternehmerischen Risikos
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beigeladene zu 1) bei der Klägerin in der Zeit vom 01.08.2007 bis 25.04.2008 abhängig beschäftigt war
und ob Versicherungspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung bestand.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH ein Unternehmen mit dem Gegenstand "Vermittlung von Transportaufträgen
aller Art ausgenommen Personenbeförderung und Güterverkehr" (Handelsregister B des Amtsgerichts Stuttgart, Nummer HRB 14576).
Die Beigeladene zu 1) war als Kurierfahrerin bei der Klägerin zunächst abhängig beschäftigt. Zum 01.08.2007 meldete sie ein
Gewerbe an für Kurierfahrten bis 3,5t zul Gesamtgewicht. Am 31.07.2007 schlossen die Klägerin als Agentur und die Beigeladene
zu 1) als Unternehmer folgende Vereinbarung:
§ 1 Gegenstand der Vereinbarung
1.1. Die Parteien vereinbaren, dass der Unternehmer für die Agentur nach Maßgabe dieser Vereinbarung Sachen, nicht aber Personen
transportiert.
1.2. Der Unternehmer führt diese Fahrten mit seinem Kraftfahrzeug durch. Er benutzt derzeit folgendes Kraftfahrzeug: Fiat
Transporter, Ducato Kastenwagen 30 L 1H1, amtl Kennzeichen: S- ....
1.3. Der Unternehmer macht der Agentur unaufgefordert Mitteilung, wenn er ein anderes Fahrzeug einsetzt.
1.4. Der Unternehmer wird das von ihm für die Durchführung der Fahrten verwendete Fahrzeug stets in ordnungsgemäßem und verkehrssicherem
Zustand halten und die erforderlichen behördlichen Untersuchungen durchführen lassen. Alle durch den Betrieb dieses Fahrzeugs
anfallenden Kosten trägt der Unternehmer.
...
§ 3 Pflichten des Unternehmers
3.1. Der Unternehmer kann sich während der Zeiten, in denen die Zentrale besetzt ist, für Fahraufträge zur Verfügung halten.
Zu diesem Zweck teilt er unaufgefordert mit, wo er sich aufhält und wie er erreichbar ist. Beabsichtigt er, für einen bestimmten
Zeitraum keine Fahrten auszuführen, so teilt er dies vorher rechtzeitig mit.
3.2. Für Fahrten des Unternehmers außerhalb der Zeit, in denen die Zentrale besetzt ist, werden besondere Vereinbarungen getroffen.
3.3. Der Unternehmer ist verpflichtet, die von ihm übernommenen Transportaufträge sorgfältig, gewissenhaft und zeitnah durchzuführen.
3.4. Der Unternehmer ist ausdrücklich nicht verpflichtet, sich zu bestimmten Zeiten zur Verfügung zu halten. Er hat jederzeit
die Möglichkeit, die Annahme von einzelnen oder mehreren Fahraufträgen abzulehnen. Er ist nicht verpflichtet, die Transporte
selbst durchzuführen.
§ 4 Durchführung von Transportaufträgen
Transportaufträge werden entweder über Auftragslisten oder als Bargeldaufträge abgerechnet. Dazu gelten folgende Bestimmungen:
4.1. Bei Aufträgen, die über Auftragslisten abgewickelt werden, erhält der Unternehmer für jeden Transport eine Auftragsnummer,
genannt ARNO, welche er, um sie abrechnen zu können, vom Absender bzw vom Empfänger unterzeichnen lässt. Nicht ordnungsgemäß
ausgefüllte Auftragslisten können von der Agentur nicht berücksichtigt werden.
4.2. Die Ausführung von Transportaufträgen als Bargeldaufträge ist auf Ausnahmefälle zu beschränken. In diesem Fall hat der
Unternehmer von dem Kunden die sich aus der aktuellen Preisliste ergebenden Beträge einzufordern. Der Unternehmer hat eine
Liste zu führen, in der die Barumsätze sofort einzutragen sind.
...
§ 5 Vergütung
5.1. Alle Fahrtenpreise werden im Einzelnen zwischen der Agentur und dem Unternehmer frei vereinbart. Darüber verpflichtet
sich die Agentur, wie der Unternehmer Buch zu führen.
5.2. Für die Vermittlung der Fahrten erhält die Agentur vom Unternehmer eine Vermittlungsprovision von 20% des netto vereinbarten
Preises.
5.3. Der Unternehmer erhält monatlich eine Aufstellung über die erbrachten Fahrten mit den vereinbarten Werten. Auf dieser
Grundlage hat der Unternehmer eine Rechnung mit Rechnungsnummer, Angabe des Zeitraums, seiner Steuer-Nummer und Bankverbindung
an die Agentur zu stellen.
5.4. Nach Erhalt der Rechnung erhält der Unternehmer seine ihm zustehende Vergütung am 15. des übernächsten Monats, Grundlage
ist die Abrechnungsperiode, jedoch nicht bevor der Kunde der Agentur die Rechnung nicht vollständig bezahlt hat.
5.5. Hat die Agentur an den Unternehmer Vergütung bezahlt, obwohl der Kunde an die Agentur noch nicht oder nicht vollständig
bezahlt hat, entfällt der Anspruch des Unternehmers gegen die Agentur auf Vergütung dann und insoweit, als der Kunde an die
Agentur nicht leistet. Bereits empfangene Beträge sind zurück zu gewähren bzw werden mit einer der folgenden Abrechnungen
verrechnet.
5.6. Die Agentur hat einen Rahmenvertrag für mobile Telefone abgeschlossen. Jeder Unternehmer erhält ein Handy um für die
Agentur jederzeit erreichbar zu sein. Für die Bereitstellung und Nutzung wird zusammen mit einer pauschalen Verwaltungsvergütung
die Abrechnung des Unternehmers um netto 118,62 € reduziert.
6.1. Der Unternehmer stellt die Agentur von allen Ansprüchen frei, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmers
gegenüber der Agentur erhoben oder geltend gemacht werden.
6.2. Dies schließt ausdrücklich mögliche Haftung der Agentur für die Erfüllung der Aufträge und Verletzung insoweit bestehender
Pflichten entstehender Schadensersatzansprüche ein. Die Agentur übernimmt keinerlei Gewähr oder Haftung für Anzahl, Art und
Beschaffenheit der einzelnen Transportaufträge. Sein unternehmerisches Risiko trägt der Unternehmer selbst.
6.3. Dem Unternehmer haftet die Agentur, gleich aus welchem Rechtsgrund nur, wenn hier grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt.
In jedem Fall ist die Haftung auf den Betrag von EUR 50.000,-- beschränkt.
...
§ 7 Verschwiegenheitspflicht, Wettbewerbsverbot
...
7.2. Der Unternehmer ist verpflichtet, sich in Bezug auf alle Kunden der Agentur, auch deren ehemalige Kunden, zum Kundenschutz.
Er wird für solche Kunden Transportaufträge weder selbst noch mittelbar entgegen nehmen, durchführen und unterstützen. Für
den Fall der Zuwiderhandlung ist eine Vertragsstrafe von EUR 1.000,-- vereinbart.
...
Zugleich schlossen die Klägerin und die Beigeladene zum 01.08.2007 eine Vereinbarung über betriebliche Kfz-Nutzung, wonach
die Klägerin der Beigeladenen zu 1) das Transportfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen S- ... zur Verfügung stellt gegen
eine monatliche Nutzungsgebühr von 650 € netto zzgl MWSt und sämtliche Schäden während der Nutzungsdauer in vollem Umfang
zu Lasten der Beigeladenen zu 1) gehen.
Am 11.07.2012 beantragte die Beigeladene zu 1) bei der Beklagten die Prüfung des sozialversicherungsrechtlichen Status für
die Tätigkeit als Kurierfahrerin bei der Klägerin. Sie gab an, es habe sich um eine Tätigkeit als Kurierfahrerin gehandelt.
Die Aufträge seien per Telefon erteilt worden, es habe eine feste Tourenplanung gegeben, teilweise Vorgaben, wann Autoteile
abgeliefert werden mussten. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation habe nicht vorgelegen, sie habe keine Werbung und
keine Preisgestaltung vorgenommen; sie habe Benzinkosten, die Miete für das Fahrzeug und Telefonkosten aufbringen müssen.
Für den Zeitraum 01.08.2007 bis 25.04.2008 rechnete die Beigeladene zu 1) gegenüber der Klägerin insgesamt 14.839,07 € ab.
Auf Nachfrage der Beklagten führte die Beigeladene zu 1) aus, es habe morgens eine feste Tour (kleine Schwarzwaldtour) gegeben,
danach verschiedene Auslieferungen (zB Koffer, Briefe, Blumen, CD usw). Es habe eine Verpflichtung zur Annahme bestimmter
Aufträge bestanden. Sie habe die Tätigkeit Dritten nicht übertragen dürfen und keine eigene Kundenwerbung betrieben. Zur Höhe
der Entlohnung gab sie an: "Was man fährt wurde abgerechnet".
Nach Anhörung mit Schreiben vom 16.05.2013 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 27.05.2013 fest, dass die Tätigkeit als Kurierfahrerin
vom 01.08.2007 bis 25.04.2008 im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt worden sei und Versicherungspflicht in allen
Zweigen der Sozialversicherung bestehe. Als Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis führte die Beklagte an:
- Die Transporte erfolgten gemäß Tourenplan.
- Es bestand eine Ausschließlichkeitsklausel (§ 7.2 des Vertrags).
- Die persönliche Auftragsausführung war geschuldet.
- Es bestanden bezüglich der Durchführung der Transportaufträge seitens des Auftraggebers konkrete Vorgaben (§ 4 des Vertrags).
- Es bestand für die Auftragnehmerin keine Möglichkeit der eigenen Preisgestaltung.
- Die Abrechnung erfolgte nicht mit dem Endkunden, sondern über den Auftraggeber.
Als Merkmal für eine selbstständige Tätigkeit wertete die Beklagte die Ausführung der Tätigkeit mit einem Fahrzeug des Auftraggebers,
für das eine Nutzungspauschale entrichtet wurde.
Mit ihrem Widerspruch vom 14.06.2013 führte die Klägerin aus, die Beigeladene zu 1) hätte jederzeit auch andere Aufträge annehmen
und habe Aufträge der Klägerin ablehnen können. Ein Betriebsprüfungsbescheid der DRV Baden-Württemberg vom 19.11.2009 für
den Prüfzeitraum 01.01.2005 bis 31.12.2008 habe keine Beanstandungen ergeben. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2013 wies
die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtet sich die am 15.01.2014 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage. Die Beklagte gehe fälschlich von einer Eingliederung in die Arbeitsabläufe der Klägerin aus. Schon aus §
3 3.4 der Vereinbarung ergebe sich Gegenteiliges. Das gesamte unternehmerische Risiko habe bei der Beigeladenen zu 1) gelegen.
Die Fahrpreise seien frei zwischen der Beigeladenen zu 1) und ihren jeweiligen Kunden vereinbart worden. Die Beigeladene zu
1) habe dann der Klägerin eine Rechnung gestellt, was typisch für eine selbstständige Tätigkeit sei. Ihr habe es freigestanden,
Fahrten abzulehnen. Zudem sei die Beklagte für den Bescheid nicht zuständig gewesen. Das Anfrageverfahren nach §
7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV) stehe nach Beendigung der Beschäftigung nicht mehr offen (unter Hinweis auf Bayerisches Landessozialgericht <LSG> 07.01.2004,
L 5 KR 163/03). Der Wechsel der Beigeladenen zu 1) in die Selbstständigkeit sei auf deren eigenen Wunsch erfolgt. Die Beigeladene zu 1)
habe zwar eine Tour vorgegeben bekommen, habe aber danach Aufträge frei annehmen können. Weisungen habe sie nicht unterlegen.
Auch sei die Beigeladene zu 1) weitestgehend frei gewesen, wie viel und wann sie arbeite, insbesondere ob sie samstags arbeite.
Mit Urteil vom 26.01.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte sei für den Erlass des Bescheids zuständig gewesen.
Das Anfrageverfahren stehe gleichwertig neben den Verfahren der Einzugsstelle und der Rentenversicherungsträger als Prüfstellen,
abgegrenzt werde nach der zeitlichen Vorrangigkeit. Die Statusfeststellung sei auch auf bereits beendete Auftragsverhältnisse
anwendbar (unter Hinweis auf Bundessozialgericht <BSG> 04.06.2009, B 12 KR 31/07 R). Die von der Klägerin in Bezug genommene Entscheidung des Bayerischen LSG habe sich auf einen Tätigkeitsbeginn vor Inkrafttreten
des §
7a SGB IV am 01.01.1999 bezogen. Das SG sei überzeugt, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin im streitigen Zeitraum im Rahmen einer abhängigen
Beschäftigung ausgeübt worden sei. Die Beigeladene zu 1) sei regelmäßig werktäglich eine "kleine Schwarzwaldtour" gefahren,
für die ein Festpreis vereinbart gewesen sei. Nach dieser Tour habe die Beigeladene zu 1) weitere Fahrten für die Klägerin
durchgeführt, wobei sie sich bei der Klägerin gemeldet habe, um die Aufträge telefonisch zu erhalten. Die konkrete Ausgestaltung
spreche für eine abhängige Beschäftigung. Die Vergütung sei so geregelt, dass die Klägerin mit den Endkunden die für die Kurierdienste
zu erbringende Geldleistung vereinbart habe und der Beigeladenen zu 1) die Tour zu diesem Preis angeboten worden sei. Die
Preisgestaltung sei damit durch die Klägerin geprägt worden. Es seien auch keine Transportaufträge vermittelt worden, die
vertragliche Verpflichtung gegenüber den Endkunden sei bei der Klägerin verblieben, welche die Beigeladene zu 1) zur Durchführung
eingesetzt habe. Die Beigeladene zu 1) sei nicht für einzelne Fahrten bezahlt worden sondern habe monatlich die für die Klägerin
erzielten Umsätze in Rechnung gestellt, wovon eine Vermittlungsgebühr, eine pauschale Verwaltungsgebühr und eine Überlassungspauschale
für das Fahrzeug abgezogen worden seien. Bereits diese Art der Abrechnung sei nicht typisch für eine selbstständige Tätigkeit.
Gegen eine selbstständige Tätigkeit spreche auch, dass bei Ausfall der Beigeladenen zu 1) diese nicht selbst für einen Ersatz
für die vereinbarte kleine Schwarzwaldtour zu sorgen hatte, sondern der Geschäftsführer der Klägerin selbst für Ersatz habe
suchen müssen. Zudem habe das gemietete Fahrzeug die Aufschrift "C. K." gehabt, so dass die Beigeladene zu 1) nach außen gegenüber
den Endkunden als Mitarbeiterin der Klägerin aufgetreten sei. Zudem seien ihr von der Klägerin zur Quittierung der Leistungen
durch die Kunden Listen zur Verfügung gestellt worden, womit sie ebenfalls nach außen als Mitarbeiterin der Klägerin aufgetreten
sei. Dem Umstand, dass die Beigeladene zu 1) das Fahrzeug gemietet habe, komme keine so überragende Bedeutung zu, dass sich
hieraus eine selbstständige Tätigkeit begründen lasse.
Gegen das den Bevollmächtigten der Klägerin am 09.02.2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 03.03.2016 eingelegte Berufung.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ein Weisungsrecht nicht vorgelegen habe. Zudem habe das SG das unternehmerische Risiko unzutreffend verneint bzw nicht korrekt in die Abwägung eingestellt. Bei der sog "kleinen Schwarzwaldtour"
(richtig: Tagestour 02 - Schwarzwald) habe es sich nicht um eine feste Tour gehandelt sondern um die Möglichkeit, Aufträge
in einem bestimmten Gebiet anzunehmen, weshalb die "kleine Schwarzwaldtour" auch immer unterschiedlich gestaltet gewesen sei
(zB Abrechnung am 24.10.2007 mit 14 Stopps, am 05.11.2007 mit 5 Stops und am 04.12.2007 mit 13 Stopps). Hierfür sei ein Festbetrag
von 160 € vereinbart worden. Hier habe sich ein unternehmerisches Potenzial verwirklicht. Je schneller die Beigeladene zu
1) die Tour absolviert habe, desto mehr Zeit sei für andere Aufträge gewesen. Die Ausgestaltung der Vergütung spreche nicht
für abhängige Beschäftigung. Die Klägerin sei als Vermittlerin zwischen Endkunden und der Beigeladenen zu 1) aufgetreten.
Hätte die Beigeladene zu 1) regelmäßig Touren abgelehnt, wäre es an der Klägerin gewesen, im Sinne der Beigeladenen zu 1)
die Preise zu verhandeln. Die Beigeladene zu 1) sei auch für einzelne Aufträge bezahlt worden, hierzu würden Listen mit Zielen
und Preisen vorgelegt. Die Aufschrift an dem Fahrzeug sei kein maßgebliches Kriterium, die Beigeladene zu 1) habe ähnlich
einer Franchisenehmerin eine "Marke" gestellt bekommen, unter der sie gefahren sei. Mit der Miete des Fahrzeugs habe sie auch
ein eigenes unternehmerisches Risiko getragen. Soweit das SG ausgeführt habe, bei Ausfall der Beigeladenen zu 1) habe die Klägerin für die "kleine Schwarzwaldtour" einen Ersatzfahrer
besorgen müssen, handele es sich wohl um ein Missverständnis. Selbstverständlich habe die Beigeladene zu 1) die Tour ablehnen
können und es sei dann Sache der Klägerin gewesen, einen anderen Fahrer einzusetzen. Soweit Listen zur Quittierung eingesetzt
worden seien, handele es sich um eine reine Arbeitserleichterung. Bei der Schwarzwaldtour habe es keine feste Route gegeben,
es seien auch keine Vorgaben gemacht worden. Aufgrund der räumlichen Lage der Ziele habe es natürlich sinnvolle und weniger
sinnvolle Routen gegeben; die Klägerin habe die Beigeladene zu 1) dementsprechend informiert. Gegen eine abhängige Beschäftigung
spreche auch, dass die Klägerin nicht die vollständige Arbeitskraft der Beigeladenen zu 1) in Anspruch genommen habe. Dass
sich diese möglicherweise für verpflichtet gesehen habe und faktisch ihre ganze Arbeitskraft der Klägerin zur Verfügung gestellt
habe, könne eine abhängige Beschäftigung nicht begründen. Fest angestellte Fahrer der Klägerin würden nach Monats- bzw Stundenlohn
bezahlt, die Beigeladene zu 1) habe dagegen die durch die Klägerin vermittelten Umsätze erzielt und hiervon eine Vermittlungsgebühr
abführen müssen. Die Beigeladene zu 1) sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Transporte selbst durchzuführen (Ziff 3.4
der Vereinbarung). Auch das wirtschaftliche Risiko der Nichtzahlung durch die Endkunden habe bei der Beigeladenen zu 1) gelegen
(Ziff 5.5 der Vereinbarung). Neben dem Fahrzeug habe die Beigeladene zu 1) auch weitere Betriebsmittel vorgehalten (Zahlung
der Handypauschale) und zudem hafte sie nach der Vereinbarung über die Kfz-Nutzung für sämtliche Schäden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.01.2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27.05.2013 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12.12.2013 aufzuheben und festzustellen, dass bezüglich der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) für
die Klägerin im Zeitraum 01.08.2007 bis 25.04.2008 keine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung,
der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach den §§
143,
144,
151 Abs
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 27.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 12.12.2013, mit dem festgestellt worden ist, dass die Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 01.08.2007 bis 25.04.2008 in ihrer
Tätigkeit für die Klägerin abhängig beschäftigt war und der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung,
der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zu Recht abgewiesen, da der Bescheid vom 27.05.2013 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 12.12.2013 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Die Beigeladene zu 1)
übte ihre Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 01.08.2007 bis 25.04.2008 im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung aus.
Die Beklagte hat zu Recht für den streitigen Zeitraum das Bestehen von Versicherungspflicht in den jeweiligen Zweigen der
Sozialversicherung festgestellt.
Nach §
7a Abs
1 Satz 1
SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach §
7a Abs
1 Satz 3
SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger
hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte
entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§
7a Abs
2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. §
7a Abs
6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des
SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Abs 7 der
Vorschrift ordnet die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch bezüglich der Fälligkeit der Beiträge an (Satz 1). Mit
dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl 2000 I, Seite 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden;
zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drucks 14/1855, Seite 6). Einen entsprechenden Antrag auf
Statusfeststellung hat die Beigeladene zu 1) am 11.07.2012 bei der Beklagten gestellt. Ein vorheriger Antrag bei der Einzugsstelle
ist nicht ersichtlich.
Die Beklagte war auch zuständig für die Entscheidung. Insoweit wird auf die zutreffenden und überzeugenden Entscheidungsgründe
im angefochtenen Urteil Bezug genommen und zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf verwiesen (§
153 Abs
2 SGG). Der angefochtene Bescheid ist auch ansonsten formell rechtmäßig. Die Beklagte hat die Beteiligten vor Erlass der Entscheidung
angehört (§ 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch <SGB X>), worauf die Klägerin mitgeteilt hat, sie werde sich im Anhörungsverfahren
nicht weiter äußern. Die Beklagte hat auch keine (unzulässige) Elementenfeststellung vorgenommen. Sie hat mit dem Bescheid
vom 27.05.2013 die Anforderungen an eine Statusfeststellung auch hinsichtlich des Bestimmtheitsgrundsatzes erfüllt, die das
BSG in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat (BSG 11.08.2009, B 12 KR 11/07 R, BSGE 108, 17; BSG 04.06.2009, B 12 R 6/08 R, [...]). Sie hat ausdrücklich entschieden, dass Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung besteht.
Die Entscheidung ist auch inhaltlich zutreffend. Die Beigeladene zu 1) unterlag in ihrer Tätigkeit als Kurierfahrerin für
die Klägerin vom 01.08.2007 bis 25.04.2008 als abhängig Beschäftigte der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterlagen im streitgegenständlichen Zeitraum in der Kranken-, Pflege-,
Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch
<SGB V>, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch <SGB XI>, § 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch <SGB
VI>, §
25 Abs
1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch <SGB III>). Nach §
7 Abs
1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung
des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in
einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer,
Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich
bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein.
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen
Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und
Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten
Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Zur Feststellung des Gesamtbilds
kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Ausgangspunkt
für die Beurteilung ist demnach zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen
Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig
ist (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111,257 mwN).
Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen
Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche
Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen
erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit
der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel"
handelt, der uU als Scheingeschäft iS des §
117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts
festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende
Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren
Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 25).
Zur Überzeugung des Senats steht im vorliegenden Fall fest, dass die Beigeladene zu 1) ausschließlich für die Klägerin tätig
war und nicht für deren Kunden. Die Klägerin setzte die Beigeladene zu 1) ein, um ihrerseits ihre vertraglich versprochenen
Beförderungsleistungen gegenüber ihren Kunden zu erfüllen. Entgegen dem Vortrag der Klägerin und ihrem eigentlichen Unternehmensgegenstand
hat sie vorliegend keine Transportleistungen vermittelt, sondern die Beigeladene zu 1) hat sich allein gegenüber der Klägerin
zur Erbringung von Transportleistungen verpflichtet (Ziff 1.1 der Vereinbarung) gegen eine Vergütung, die zwischen der Klägerin
und der Beigeladenen zu 1) vereinbart wurde (Ziff 5.1 der Vereinbarung). Vertragliche Beziehungen bestanden nur zwischen der
Klägerin und der Beigeladenen zu 1) sowie der Klägerin und deren Kunden, nicht jedoch zwischen der Beigeladenen zu 1) und
den Kunden. Damit ist jedoch noch keine Aussage über den Status der Beigeladenen zu 1) getroffen, denn die Klägerin kann grundsätzlich
die gegenüber ihren Kunden geschuldeten Beförderungsleistungen sowohl an einen selbstständigen Unterfrachtführer vergeben
(Schmidt in Staub, HGB, 5. Aufl, § 407 RdNr 18) als auch durch abhängig beschäftigte Mitarbeiter erbringen.
Für den Senat steht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens Folgendes fest: Nach dem schriftlichen Vertrag war die Beigeladene
zu 1) völlig frei, wann und welche Fahraufträge sie annimmt. Tatsächlich war jedoch zur Überzeugung des Senats abweichend
davon fest vereinbart, dass die Beigeladene zu 1) werktäglich die sog "kleine Schwarzwaldtour" fährt gegen eine pauschale
Vergütung von 160 €. Dies hat nicht nur die Beigeladene zu 1) schon im Rahmen ihrer schriftlichen Angaben im Verwaltungsverfahren
und ebenso vor dem SG ausgeführt, sondern auch die vorliegenden Fahrtenübersichten zeigen, dass diese Tour tatsächlich nahezu jeden Werktag gefahren
wurde. Zusätzlich konnte sich die Beigeladene zu 1) bei der Klägerin melden, um telefonisch weitere Aufträge zu erhalten,
sie war insoweit jedoch nicht zur Auftragsannahme verpflichtet. Die Fahrtenübersichten zeigen, dass die Beigeladene zu 1)
im streitigen Zeitraum praktisch jede Woche fünf bis sechs Tage für die Klägerin tätig war, wobei eine Tätigkeit am Wochenende
mit zunehmender Vertragsdauer seltener wurde. Die Vergütung erfolgte dabei je nach Einsatz und wurde von der Klägerin vorgegeben
danach, was sie mit ihren Kunden vereinbart hatte (Einzelpreise ab 2,50 €). Die Abrechnung erfolgte monatlich. Von den insgesamt
erzielten Umsätzen wurde nach den vorliegenden Abrechnungen abgezogen eine sog Vermittlungsgebühr iHv 20% des erzielten Umsatzes
und - in Abänderung des schriftlichen Vertrags - eine pauschale Verwaltungsgebühr von 120 € sowie eine Pauschale für die Überlassung
des Transportfahrzeugs von 750 €. Die Beigeladene zu 1) trug auch sämtliche Betriebskosten des Fahrzeugs und das Haftungsrisiko.
Daneben war ihr zusätzlich das Bonitätsrisiko der Kunden der Klägerin übertragen, denn vereinbart war, dass sie kein Entgelt
für ihre erbrachte Leistung erhält, wenn der Kunde nicht zahlt (Ziff 5.5 der Vereinbarung).
Ausgehend hiervon überwiegen nach den dargestellten Grundsätzen zur Überzeugung des Senats in der Zusammenschau aller Gesichtspunkte
die Aspekte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen.
Die Beigeladene zu 1) war in den Betrieb der Klägerin eingegliedert. Hinsichtlich der werktäglich zu absolvierenden "kleinen
Schwarzwaldtour", die nicht immer die gleiche feste Route beinhaltete, sondern unterschiedliche Strecken und unterschiedlich
viele Stopps, hat die Klägerin im Berufungsverfahren selbst vorgetragen, dass sie die Beigeladene zu 1) bezüglich einer "sinnvollen
Route informiert" habe. Die Beigeladene zu 1) ist nach ihrem insoweit konsistenten Vortrag im gesamten Verfahren stets davon
ausgegangen, dass ihr diese Route vorgegeben werde. Dies erscheint dem Senat auch zutreffend, er geht davon aus, dass insoweit
tatsächlich ein Weisungsrecht ausgeübt wurde. Aus dem von der Klägerin im Klageverfahren vorgelegten Schreiben des Disponenten
der Klägerin Herrn P. (Blatt 156 SG-Akte) an die Beigeladene zu 1) ist zu entnehmen, dass diese trotz der bestehenden Freiheit zur Annahme weiterer Aufträge
bei der Klägerin über die feste Tour hinaus insgesamt eng geführt und überwacht wurde. Dies entnimmt der Senat aus folgenden
Passagen: "Vorletzten Samstag keine Zeit; letzten Samstag wieder keine Zeit (oder soll ich sagen: keine Lust). ....Das ist
nur ein Beispiel, aber gestern dasselbe Spiel. Du hast es nicht für nötig gehalten Dich nach deiner Tour zu melden; ...Und
wieso brauchst Du auf ein Mal, wie letzte Woche geschehen, für sechs Zusteller länger als sonst mit 14? Und dann hattest Du
auch keine Lust mehr. Früher hast Du noch den Flughaften mit dazwischen eingebaut und warst trotz N. schneller fertig. ...."
Der Senat verkennt nicht, dass im selben Schreiben einleitend ebenfalls steht: "Natürlich bist Du selbstständig und wir können
Dir keine Vorschriften machen." Nimmt man noch hinzu, dass die Beigeladene zu 1) im gesamten Zeitraum durchgehend allein für
die Klägerin tätig war und nach der Schwarzwaldtour in der Regel noch mehrere andere Fahrten am gleichen Tag für sie ausgeführt
hat, ergibt sich das Bild einer - wenn auch gegenüber der vorherigen unstreitig abhängigen Beschäftigung - gelockerten, aber
noch bestehenden Eingliederung in die betrieblichen Abläufe. Die Klägerin hat insoweit selbst eingeräumt, dass sich die Beigeladene
zu 1) wohl verpflichtet gesehen hat, ihre gesamte Arbeitskraft der Klägerin zur Verfügung zu stellen. Dies ist allerdings
wenig überraschend schon angesichts der bekannten schriftlichen Äußerungen des Disponenten P.
Dass keine Arbeitnehmerschutzrechte wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub vereinbart waren, kann nicht
als Indiz für selbstständige Tätigkeit herangezogen werden. Solche Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn beide
Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit wollten. Auch die Gewerbeanmeldung ist aus denselben Gründen kein aussagekräftiges
Indiz.
Die vertraglich eingeräumte Möglichkeit, sich zur Durchführung von Aufträgen auch Erfüllungsgehilfen zu bedienen (Ziffer 3.4
der Vereinbarung) spricht zunächst gegen das Vorliegen von Beschäftigung, denn hierfür ist typisch, dass die Tätigkeit in
der Regel in eigener Person erbracht wird. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen
und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (BSG 31.03.2015, B 12 KR 17/13 R, [...]). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch
zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit im Rechtssinne. Sie stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der
Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (BSG 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R, [...]). Insbesondere in Fällen wie vorliegend, in denen tatsächlich keine Delegation erfolgt ist, kann die Delegationsbefugnis
allenfalls dann ein Indiz für Selbstständigkeit darstellen, wenn von ihr realistischerweise überhaupt Gebrauch gemacht werden
könnte. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin die Verwendung des der Beigeladenen zu 1) vermieteten Transportfahrzeugs
mit ihrem Logo für die Fahrten verlangt (Ziffer 1.2 und 1.3 der Vereinbarung), so dass die Beigeladene zu 1) jedenfalls keine
zusätzlichen Touren akquirieren und durchführen konnte, sondern allenfalls für eine sonst selbst gefahrene Tour einen Ersatzfahrer
hätte einsetzen können. Wirtschaftlich sinnvoll erscheint dies nicht. Das Kriterium der Delegationsbefugnis hat daher vorliegend
keine entscheidende Bedeutung.
Für eine selbstständige Tätigkeit könnte dagegen das bei der Beigeladenen zu 1) durchaus bestehende erhebliche Unternehmerrisiko
sprechen. Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko eines Selbstständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft
auch mit der Gefahr eines Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der Mittel also ungewiss ist (BSG 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, [...]). Allein das Risiko, mangels Aufträgen nicht durchgehend arbeiten zu können, spielt dabei keine Rolle, denn es trifft
jeden Arbeitnehmer, der nur Zeitverträge bekommt oder auf Abruf arbeitet oder unständig Beschäftigter ist (Urteil des Senats
vom 20.10.2015, L 11 R 3898/14; Senatsbeschluss vom 19.11.2012, L 11 R 3751/12 ER-B). Zum echten Unternehmerrisiko wird dieses erst, wenn bei Arbeitsmangel nicht nur kein Einkommen erzielt wird, sondern
auch Kosten für betriebliche Investitionen oder Arbeitnehmer anfallen oder früher getätigte Investitionen brach liegen (LSG
Baden-Württemberg 02.09.2011, L 4 R 1036/10, [...]). Dies ist hier der Fall. Die Beigeladene zu 1) hatte durch die Kosten für das Fahrzeug von monatlich 750 € sowie
die Nutzungskosten für das Handy (in den Abrechnungen als Verwaltungspauschale bezeichnet) von 120 € nicht unerhebliche Fixkosten,
die auch anfallen, wenn sie wenig oder gar nicht fahren würde.
Auch die Art der Entlohnung spricht eher für selbstständige Tätigkeit. Die Beigeladene zu 1) erhielt kein festes Stundenhonorar,
sondern Pauschalen sowohl für die "kleine Schwarzwaldtour" als auch für die übrigen Einzelfahrten. Wenn die Beigeladene zu
1) diese Touren schneller erledigte, hatte sie die Möglichkeit, weitere Umsätze zu erwirtschaften. Allerdings verkennt der
Senat nicht, dass die Steuerungsmöglichkeiten der Beigeladenen zu 1) insoweit eher gering waren angesichts der bekannten Verkehrssituation
im Großraum Stuttgart und der bestehenden straßenverkehrsrechtlichen Vorgaben.
Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere
Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstchancen
gegenüberstehen (BSG 31.03.2015, B 12 KR 17/13 R, [...]; BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 25). Dies ist hier nicht unproblematisch. Zwar hatte die Beigeladene zu 1) größere Freiheiten hinsichtlich der Arbeitszeit,
insbesondere ob sie samstags arbeitet. Die - von der Beigeladenen zu 1) wohl erhofften - größeren Verdienstchancen sind allerdings
fraglich, schon da einseitig der Beigeladenen zu 1) vertraglich sämtliche Risiken überbürdet worden sind. Außerdem hatte sie
rechtlich und faktisch keinerlei Einfluss auf die Preisgestaltung; sie war insoweit vollständig von der Klägerin abhängig.
Tatsächlich hat die Beigeladene zu 1) als abhängig Beschäftigte bei der Klägerin zuletzt im Juli 2007 1.800 € brutto verdient.
In den Folgemonaten lag ihr Verdienst zwischen August 2007 und Januar 2008 bei monatlich 3.858,46 €/3.417,20 €/3.055,16 €/2.991,47
€/2.396,28/3.542,48 €. In den letzten drei Monaten Februar bis April 2008 hat sie insgesamt nur 3.219,55 € erwirtschaftet.
Anschließend war sie bei der Klägerin wieder abhängig beschäftigt. Der Senat sieht nach alledem das Kriterium unternehmerisches
Risiko in seiner Indizwirkung als abgeschwächt an, zumal wegen eines erheblichen Ungleichgewichts der Verhandlungspositionen
nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass alle Vertragsparteien in gleicher Weise die Möglichkeit hatten, ihre
Wünsche bzgl der Ausgestaltung der Modalitäten der Tätigkeit durchzusetzen.
In der Gesamtabwägung kommt den für eine abhängige Tätigkeit sprechenden Gesichtspunkte nach alledem stärkeres Gewicht zu.
Angesichts dessen kommt es auf den tatsächlichen Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
begründen zu wollen, nicht mehr an. Diesem Willen kommt nach der Rechtsprechung des BSG indizielle Bedeutung nur zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich
widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für
eine Beschäftigung sprechen (BSG 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, [...]). Dies ist hier jedoch nicht der Fall angesichts des Überwiegens der für einen abhängige Beschäftigung sprechenden
Kriterien.
Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten besteht aufgrund der 2009 durchgeführten Betriebsprüfung durch die DRV Baden-Württemberg
kein Vertrauensschutz bezüglich einer selbstständigen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1). Zum einen handelt es sich bei diesen
Prüfungen jeweils nur um Stichprobenprüfungen, deren Ergebnisse für nachfolgende Prüfungen nicht verbindlich sind (BSG 30.10.2013, B 12 AL 2/11 R, BSGE 115, 1, SozR 4-2400 § 27 Nr 5 RdNr 24 mwN). Zum anderen ergibt sich aus dem Betriebsprüfungsbescheid vom 19.11.2009 nur, dass in
den geprüften Fällen die Versicherungspflicht richtig beurteilt wurde. Bindende Feststellungen zum Status der Beigeladenen
zu 1) enthält dieser Bescheid nicht. Die DRV Baden-Württemberg hat mit Schreiben vom 02.07.2014 gegenüber dem SG zusätzlich bestätigt, dass eine versicherungsrechtliche Beurteilung der Beigeladenen zu 1) im Rahmen der Betriebsprüfung
2009 nicht erfolgt ist.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird nach §
197a SGG i.V.m. §§ 63 Abs 1, 52 Abs 1 und 2 Gerichtskostengesetz auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs
2 Nr
1 und
2 SGG).