Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II; Keine Gewährung weiterer Kosten der Unterkunft für die Vergangenheit bei jahrelang nicht geltend gemachter Differenz zugunsten
des Hilfebedürftigen
Tatbestand
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Gewährung von weiteren Kosten der Unterkunft (KdU) in Höhe von 200,00 € monatlich für
die Zeit vom 01.02.2010 bis 31.07.2010.
Der 1956 geborene und im streitgegenständlichen Zeitraum erwerbsfähige Kläger bezog ab 01.01.2005 Leistungen der Grundsicherung
für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Daneben betrieb er - auch im streitgegenständlichen Zeitraum - ein Gewerbe (L.- und F. R. S.). Aus den in den Jahren 2005,
2006, 2007, 2008 und 2009 vorgelegten Kontoauszügen ergaben sich immer wieder Bareinzahlungen und Überweisungen auf das Konto
des Klägers, u.a. mit dem Verwendungszweck "Strom".
Zum 01.01.2008 zog der Kläger in die Wohnung "G., R.". Die Miete betrug 500 € warm, für die vorherige Wohnung bezahlte der
Beklagte monatlich 293,47 €. Mit Schreiben vom 14.02.2008 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er auf Grund der monatelangen
Mobbingaktionen des Vermieters habe ausziehen müssen. Der Beklagte berücksichtigte in seinen Bewilligungsentscheidungen weiterhin
nur KdU in Höhe von 293,47 €.
Am 29.01.2010 beantragte der Kläger die Fortzahlung von Leistungen. Aus den zum Antrag vorgelegten Kontoauszügen ergeben sich
folgende Zahlungseingänge:
22.12.2009
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Kabel Deutschland
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148,75 €
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28.12.2009
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K. GmbH
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234,19 €
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01.12.2009
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M. B.
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178,38 €
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23.11.2009
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D. A.
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130,90 €
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24.11.2009
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Kabel Deutschland
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116,62 €
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17.11.2009
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Finanzamt R.
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222,35 €
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17.11.2009
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Finanzamt R.
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266,78 €
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11.11.2009
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Techn. Artikel
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62,33 €
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Mit Bescheid vom 18.02.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig Leistungen in Höhe von 652,53 € (KdU 293,53 €) für
die Zeit vom 01.02.2010 bis 31.07.2010. Eine Endgültige Bewilligung könne noch nicht erfolgen, da die tatsächlichen Einnahmen
und Ausgaben im Bewilligungszeitraum noch nicht feststünden.
Gegen den Bewilligungsbescheid erhob der Kläger am 17.03.2010 Widerspruch. Die Miete betrage 500,00 € (Kaltmiete 405,00 €),
die bewilligten 293,53 € reichten für das Wohnen in keinster Weise.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der Umzug sei nicht erforderlich gewesen,
so dass nur die bisherigen KdU gezahlt würden.
Mit Bescheid vom 03.12.2010 setzte der Beklagte die Leistungen für den streitgegenständlichen Zeitraum endgültig in Höhe von
652,53 € monatlich fest (KdU 293,53 €).
Mit Schreiben vom 01.06.2010, eingegangen am 04.06.2010, hat der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 23.02.2010/Widerspruchsbescheid
vom 03.05.2010 zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Er habe nach der mündlichen Kündigung durch den Vermieter am 25.09.2007 um 6:40 Uhr schnell eine neuen Wohnung
finden müssen; diese sei teurer als die vorherige.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Kläger angegeben, dass er Unterstützung von Freunden gehabt habe, die immer an seinen Erfolg geglaubt hätten. Die
Vorsitzende hat darauf hingewiesen, der 2. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg habe im Berufungsverfahren
L 2 AS 4894/10 entschieden, dass erhebliche Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Klägers bestünden, diese jedoch im dortigen Verfahren
zu Lasten des Beklagten gegangen seien, da es um einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid gegangen sei.
Mit Urteil vom 04.12.2012, zugestellt am 21.12.2012, hat das SG die Klage abgewiesen, da der Kläger seine Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen habe.
Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung vom 08.01.2013. Das Urteil des SG sei verfahrensfehlerhaft, da die fehlende Hilfebedürftigkeit erstmals in der mündlichen Verhandlung thematisiert worden sei,
hierin liege ein Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs. Der Umzug sei notwendig gewesen, da sich der Kläger immer abstruseren
Unterstellungen und Beleidigungen durch seinen Vermieter ausgesetzt gesehen habe. Im streitgegenständlichen Zeitraum habe
auch Hilfebedürftigkeit bestanden, den Einnahmen von 3.921,50 € hätten Ausgaben in Höhe von 5.163,25 € gegenüber gestanden.
Seine Buchhaltung sei von der Finanzbehörde nie bemängelt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts R. vom 04.12.2012 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 23.02.2010 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010 in der Fassung des Bescheides vom 03.12.2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen,
dem Kläger für die Zeit vom 01.02.2010 bis 31.07.2010 weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von 200,00 € monatlich zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Es sei nicht klar, wie der Kläger seit dem Umzug zum Jahreswechsel 2007/2008
seinen Lebensunterhalt finanziert habe.
Auf Aufforderung des Berichterstatters hat der Kläger eine Einnahmen- und Ausgaberechnung vorgelegt, die auch den streitgegenständlichen
Zeitraum betrifft. Danach hatte er im streitgegenständlichen Zeitraum Einnahmen in Höhe von 3.921,50 €, denen jedoch Ausgaben
in Höhe von 5.163,25 € gegenüberstanden. Aus den im weiteren Verwaltungserfahren vorgelegten Kontoauszügen ergeben sich folgende
Einnahmen und Ausgaben ohne die Leistungen des Beklagten von monatlich 652,53 €:
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Einnahmen
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Ausgaben
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Verwendungszweck
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Summe
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Verwendungszweck
|
Summe
|
Februar
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|
|
Telekom
|
21,44
|
|
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Miete
|
500,00
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März
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A.
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270,13
|
Telekom
|
21,44
|
|
|
|
B. T.
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270,83
|
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|
|
Finanzamt
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161,00
|
|
|
|
Telekom
|
56,04
|
April
|
F.T.GmbH
|
904,40
|
Telekom
|
53,75
|
|
|
|
Kontoführung
|
4,60
|
|
|
|
Bar
|
500,00
|
|
|
|
Telekom
|
21,44
|
|
|
|
Kontoführung
|
5,80
|
|
|
|
Fairenergie
|
177,00
|
|
|
|
Haftpflicht
|
108,10
|
|
|
|
Miete
|
500,00
|
|
|
|
Miete Lager
|
166,17
|
Mai
|
A.
|
170,17
|
Telekom
|
21,44
|
|
|
|
B.
|
71,60
|
|
|
|
B.
|
27,88
|
|
|
|
Miete
|
500,00
|
|
|
|
Miete Lager
|
332,34
|
Juni
|
FA R.
|
167,01
|
Telekom
|
53,40
|
|
AG H., LOK
|
112,00
|
Telekom
|
21,44
|
|
A.
|
220,15
|
B. T.
|
207,10
|
|
|
|
Telekom
|
50,40
|
|
|
|
Kontoführung
|
3,20
|
|
|
|
Miete
|
500,00
|
|
|
|
Miete Lager
|
332,40
|
|
|
|
Landkreis T.
|
15,00
|
Juli
|
A.
|
89,25
|
Telekom
|
46,18
|
|
Abschlag Vermittlung
|
1.999,20
|
Telekom
|
21,44
|
|
|
|
Bar
|
150,00
|
|
|
3.932,31
|
|
4.921,43
|
Mit Schreiben vom 11.12.2014 hat der Vermieter des Klägers mitgeteilt, dass bis Dezember 2012 die Miete von 500,00 € regelmäßig
gezahlt worden sei.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes hat der Kläger angegeben, die Mietdifferenz durch Einsparungen finanziert zu haben
und Geld von Menschen bekommen zu haben, die noch Hoffnung in ihn gesetzt hätten. Die Namen der "Hoffnungsträger" werde er
nicht nennen. Wie viel Geld er bekommen habe, daran könne er sich nicht erinnern.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten
der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§
143,
144 Absatz
1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§
151 Absatz
1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch
auf weitere KdU in Höhe von 200,00 € monatlich.
Gegenstand des Verfahrens sind Ansprüche des Klägers auf KdU für die Zeit vom 01.02.2010 bis 31.07.2010 im Bescheid des Beklagten
vom 23.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2010 in der Fassung des Bescheides vom 03.12.2010. Bei
der Leistung für KdU handelt sich um einen abtrennbaren selbständigen Anspruch, sodass eine Beschränkung des Streitgegenstandes
möglich ist (BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/11b AS 61/06 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr. 12).
Der Kläger ist Berechtigter i.S.d. § 7 Absatz 1 SGB II. Er hat das 15. Lebensjahr vollendet, nicht jedoch das 65. Lebensjahr (§ 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 SGB II). Er ist erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger ist jedoch nicht
hilfebedürftig i.S.d. § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB II i.V.m. §§ 9, 11 und 12 SGB II.
Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen
sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen
erhält (§ 9 Absatz 1 SGB II). Der Kläger trägt die Beweislast für die Hilfebedürftigkeit, als für ihn günstige Tatsache (BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 32/08 R- SozR 4-4200 § 9 Nr. 9; Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 10/08 R -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.09.2012 - L 19 AS 937/12 -; Bayerisches LSG, Urteil vom 09.11.2011 - L 16 AS 453/11 ;vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010 - 1 BvR 20/10 -; alle in juris). Ernsthafte Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Klägers haben indessen nicht ausgeräumt werden können.
An der Hilfebedürftigkeit des Klägers bestehen ernsthafte Zweifel. Der Kläger war offensichtlich in der Lage, die seit seinem
Umzug zum 01.01.2008 durch den Leistungsbezug nicht gedeckten Mietkosten in Höhe von ca. 200 € monatlich zwei Jahre lang und
auch über den streitigen Zeitraum hinaus zu tragen. Die monatlichen Mietzahlungen sind als Abbuchungen seinen Kontoauszügen
zu entnehmen. Seine Erklärung hierzu, dass er sich persönlich einschränke, ist nicht glaubhaft, da dies aus der lediglich
das Existenzminimum sichernden Regelleistung in Höhe von seinerzeit 351 € schlichtweg nicht möglich ist. Zudem ist der Kläger
seit dem Jahr 2005 in der Lage seine seit 2005 dauerhaft erheblich negativen Einnahmen, die sich zuletzt zum Jahresende 2009
auf 13.100,03 € beliefen, zu tragen. Hierzu gab der Kläger an, Geld von Freunden und "Hoffnungsträgern" zu erhalten, was er
aber nicht näher offen legt. Ob es sich dabei um Einkommen handelt, das zu berücksichtigen ist oder andernfalls nicht, weil
es sich tatsächlich um Zuwendungen Dritter handelt, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen, und diese die Lage des Klägers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
nicht gerechtfertigt wären (vgl. § 11 Absatz 3 Nr. 1a SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 05.12.2006 BGBl. I, 2757; § 1 Absatz 1 Nr. 2 ALG II-V i.d.F. v. 17.12.2007 BGBl. I, 2942), lässt sich nicht überprüfen. Der Kläger verweigert jegliche Angaben zu Personen,
die ihm Geld gegeben haben könnten. Noch nicht einmal zur Höhe des erhaltenen Geldes vermag der Kläger Angaben zu machen.
Im Übrigen ist anhand der Kontoauszüge schon deshalb nicht nachvollziehbar, wovon der Kläger gelebt hat, weil über das Konto
abgesehen von Mietzahlungen im Wesentlichen keine privaten Buchungen oder Abhebungen zum Bestreiten des Lebensunterhalts erfolgten
und im gesamten Bewilligungszeitraum lediglich zwei Barabhebungen von insgesamt 650 € erfolgten; wobei nicht ausgeschlossen
ist, dass es sich bei der Abhebung von 500 € im April um die Miete für März gehandelt haben könnte.
Der Kläger hat letztlich nichts vorgetragen, um die Zweifel auszuräumen. Die vorgelegte Einnahmen- und Ausgabenübersicht ist
dazu nicht geeignet, da auch hieraus nicht klar hervorgeht, wovon er gelebt hat oder wie er seine Verluste decken konnte.
Eine weitere Beweiserhebung ist nicht möglich, da sich der Kläger weigert, die Personen zu benennen, von denen er Geld erhalten
hat; somit können diese weder zum Verwendungszweck noch zur Höhe der Geldleistungen befragt werden.
Da der Kläger jedoch wie bereits dargelegt die Beweislast für die Feststellung seiner Hilfebedürftigkeit trägt, weil die Unerweislichkeit
einer Tatsache - vorliegend die Hilfebedürftigkeit - zu Lasten desjenigen Beteiligten geht, der aus ihr eine günstige Rechtsfolge
herleitet, ist zu Lasten des Klägers zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 SGG liegen nicht vor.