Anspruch auf Hinterbliebenenrente; Widerlegung der Vermutung einer Versorgungsehe
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin, die den am 11. Mai 2009 verstorbenen
Versicherten am 5. Mai 2009 geheiratet hatte, aufgrund ihres Antrages vom 26. Mai 2009 eine Hinterbliebenenrente (hier: große
Witwenrente) zu gewähren.
Die am 1960 geborene Klägerin ist die Witwe des 1939 geborenen und am 2009 verstorbenen Versicherten.
Der Versicherte war seit dem 11. Mai 1965 mit seiner früheren Ehefrau verheiratet, mit der er zwei erwachsene Kinder hatte.
Mit seiner früheren Ehefrau vereinbarte der Versicherte durch notariellen Ehevertrag vom 27. Mai 1975 Gütertrennung. Im Jahr
1979 trennte sich der Versicherte von seiner früheren Ehefrau und lebte seit dem Jahr 1980 mit der Klägerin zusammen. Die
Klägerin ist berufstätig (monatliches Nettoeinkommen ca. 1400,00 Euro). Sie verfügt über eine Anwartschaft auf eine Altersrente
aus der gesetzlichen Rentenversicherung (ca. 740,00 Euro monatlich). Sie hat weitere Einkünfte aus der Vermietung zweier Wohnungen
(ca. 1.120,00 Euro) sowie einer Hinterbliebenenrente des Versorgungswerks für Presse-Angehörige (393,00 Euro) und ist auch
mit privaten Verträgen für das Alter abgesichert (Riesterrente Kapital ca. 30.000,00 Euro; Lebensversicherung Ablaufleistung
ca. 53.131,00 Euro; private Rentenversicherung ab 2016 mtl. 113,00 Euro).
Nachdem der Versicherte im Jahr 2004 an Krebs erkrankt war und im August 2008 eine Krebsoperation erfolgreich verlaufen war,
erkrankte er im April 2009 erneut schwer. Die Ärzte des Universitätsklinikums T. teilten dem Versicherten mit, er habe mit
dem alsbaldigen Tod zu rechnen.
In dieser Situation sei der Wunsch des Versicherten, so der Vortrag der Klägerin, so stark geworden, dass er alle zuvor gegen
eine Scheidung bestehenden materiellen Bedenken - der Versicherte rechnete zuvor damit, dass sich seine frühere Ehefrau vehement
gegen das Scheidungsverfahren wehren würde - über Bord geworfen habe und bereit gewesen sei, seiner früheren Ehefrau für deren
Unterhalts- und Versorgungsausgleichsansprüche einen Abfindungsbetrag von 200.000,00 Euro zu bezahlen, wenn sie einer baldigen
Scheidung zustimme.
Der Versicherte einigte sich am 12. April 2009 mit seiner früheren Ehefrau. Am 14. April 2009 reichte er beim Amtsgericht
B. den Antrag auf einvernehmliche Ehescheidung ein.
Am 27. April 2009 änderte der Versicherte sein Testament. Darin erklärte der Versicherte, mit der Klägerin durch Notheirat
die Ehe schließen zu wollen. Diese solle das Erbe wie eine auf den Pflichtteil eingestufte Ehefrau erhalten, auch wenn die
vorgesehene Eheschließung zu seinen Lebzeiten nicht mehr vollzogen werden könne. Mit der Beschränkung auf den Pflichtteil
stellte der Versicherte die Klägerin im Verhältnis zu seinen Kindern erbrechtlich seiner früheren Ehefrau gleich, die er ebenfalls
auf den Pflichtteilt gesetzt hatte. Darüber hinaus sprach der Versicherte der Klägerin in seinem Testament vom 27. April 2009
weitere Vermögenswerte und Rechte (einjähriges Wohnrecht in der gemeinsam genutzten Wohnung, sämtliche Einrichtungsgegenstände
der gemeinsam genutzten Wohnung und der beiden Ferienhäuser in Frankreich und einen Audi Avant allroad quattro) zu; das übrige
Vermögen teilte er hälftig unter seinen Kindern. Nach Angaben der Klägerin beläuft sich der Pflichtteil auf ein Viertel des
Vermögens, überwiegend bestehend aus Immobilien in Deutschland mit einem Wert von ca. 1.000.000,00 Euro sowie weiteren Immobilien
im Ausland.
Auf Drängen des behandelnden Arztes der Universitätsklinik T. verlegte das Amtsgericht B. den zuvor auf den 19. Mai 2009 anberaumten
Scheidungstermin auf den 5. Mai 2009 vor. In diesem Termin, an dem der Versicherte durch den heutigen Prozessbevollmächtigten
der Klägerin vertreten wurde - er selbst lag in der Universitätsklinik in T. - wurde die Ehe des Versicherten geschieden,
das Amtsgericht protokollierte sogleich einen Vergleich über die Ehefolgesachen. Sowohl der Versicherte als auch die frühere
Ehefrau verzichteten noch im Termin auf Rechtsmittel. Eine Ausfertigung des Scheidungsurteils wurde umgehend in die Universitätsklinik
nach Ulm befördert, wo die Klägerin und der Versicherte noch am 5. Mai 2009 heirateten.
Am 11. Mai 2009 verstarb der Versicherte.
Am 26. Mai 2009 beantragte die Klägerin die Zahlung einer großen Witwenrente. Dazu teilte sie unter anderem mit, zum Zeitpunkt
der Eheschließung hätten sie nicht die Absicht gehabt, eine Versorgung herbeizuführen; dies ergebe sich bereits aus der "objektiven
Ungeeignetheit der Witwenrente für diesen Zweck". Die Heirat habe nichts mit "Geld oder Versorgung zu tun" gehabt, vielmehr
habe es sich der Versicherte 200.000,00 Euro kosten lassen, seine langjährige Lebensgefährtin "doch noch heiraten zu können".
Seine Entscheidung sei rein emotional begründet und habe seinen Töchtern, seinen Freunden und seinem ganzen Umfeld zeigen
sollen, "wen er seit vielen Jahren als seine wirkliche Ehefrau betrachtet" habe. Mit ihr habe er, "wenn er schon bald sterben
würde, verheiratet sein" wollen. Die Versorgung sei weder alleiniger noch überwiegender Zweck der Eheschließung gewesen.
Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 1. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2010
ab. Sie geht vom Vorliegen einer Versorgungsehe aus.
Hiergegen hat die Klägerin am 12. Februar 2010 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass der Versicherte mit der Heirat nicht ihre Versorgung beabsichtigt habe. Dies
sei angesichts ihrer eigenen wirtschaftlichen Situation und auch im Hinblick auf das Testament nicht erforderlich gewesen.
Darüber hinaus habe der Versicherte an seine Ehefrau 200.000,00 Euro bezahlt, um die Klägerin heiraten zu können. Angesichts
der zu erwartenden Rente hätte sich dies nicht gerechnet. Vielmehr habe der Versicherte kurz vor seinem Tod eingesehen, dass
sein Verhalten in den vergangenen Jahrzehnten ihr gegenüber falsch gewesen sei und er habe dies vor ihr und seinem ganzen
Umfeld im bürgerlichen Sinne in Ordnung bringen wollen. Für dieses Ziel habe er sein gesamtes Barvermögen von 200.000,00 Euro
aufgewendet und den Stress auf sich genommen, "ob die Scheidung seiner ersten Ehe und der Abschluss seiner zweiten Ehe noch
rechtzeitig zu Stande käme". Es sei nicht einmal ein kleiner "Nebenzweck" gewesen, der Klägerin eine geringfügige Hinterbliebenenrente
zu verschaffen. Der Versicherte habe genau gewusst, dass die Klägerin dies im Hinblick auf seine testamentarischen Verfügungen
nicht nötig haben werde.
Als die Beklagte berechnete, dass sich eine Hinterbliebenenrente auf 160,00 Euro monatlich belaufen würde, teilte die Klägerin
mit: Sie müsse "noch ungefähr 100 Jahre Witwenrente beziehen, damit sich die Investition ihres verstorbenen Mannes in die
Scheidung und die Wiederverheiratung lohnen würde".
Nachdem sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hatten, hat das SG die Klage mit Urteil vom 16. Dezember 2010 abgewiesen. Gemäß §
46 Abs.
2a SGB VI sei der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe, es sei denn, dass
nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck
der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Besondere Umstände, die die gesetzliche
Vermutung widerlegten, lägen nicht vor. Als besondere Umstände seien alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen,
die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen ließen (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R). Maßgeblich seien jeweils die Umstände des konkreten Einzelfalls. Dabei komme dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand
des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung maßgebliche Bedeutung zu. Regelmäßig sei bei Heirat eines zum Zeitpunkt der
Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand
des §
46 Abs.
2a Halbsatz 2
SGB VI nicht erfüllt (BSG, aaO.), auch wenn in diesen Fällen der Nachweis nicht grundsätzlich ausgeschlossen sei, dass die Ehe aus anderen als aus
Versorgungsgründen geschlossen worden sei. Allerdings müssten bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen
(inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprächen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher
die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen sei. Dementsprechend steige mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit
einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen
Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe
bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt würden (BSG, aaO.).
Nach diesen Grundsätzen sei die gesetzliche Vermutung des Vorliegens einer Versorgungsehe vorliegend nicht widerlegt. Bei
der Heirat habe derart große Eile bestanden, dass das Scheidungsurteil noch am Tag der Scheidung in die Klinik gebracht worden
sei, um dort die Trauung vorzunehmen. Es habe sich somit um eine durch den schlechten Gesundheitszustand des Versicherten
und den nahen Tod gebotene "Notheirat" gehandelt. Angesichts des Umstandes - Heirat in Kenntnis vom unmittelbar bevorstehenden
Tod - habe es besonders gewichtiger Umstände bedurft, um die gerade für Fälle der vorliegenden Art geschaffene gesetzliche
Vermutung zu widerlegen. Hierfür genüge es nicht, dass die Klägerin auf den Rentenanspruch wirtschaftlich nicht angewiesen
sei. Dies schließe einen Versorgungsgedanken nicht aus. Nichts anderes gelte für die Darstellung, die "Investition" von 200.000,00
Euro um die Klägerin zu heiraten, sei angesichts der zu erwartenden Rentenhöhe nicht wirtschaftlich gewesen. Dafür, dass der
Versicherte derartige Überlegungen angestellt habe, fehle jeglicher Anhaltspunkt. Darüber hinaus übersehe die Klägerin, dass
die frühere Ehefrau des Versicherten mit der Scheidung als Erbin bzw. als Pflichtteilsberechtigte ausgeschieden sei; wenn
schon Rentabilitätserwägungen angestellt würden, sei auch einzustellen, dass die frühere Ehefrau mit der Scheidung zumindest
ihren Pflichtteilsanspruch - nach eigener Darstellung der Klägerin also 250.000,00 Euro - verloren habe. Schließlich gebe
es sogar Anzeichen dafür, dass das Handeln des Versicherten auch auf Versorgung der Klägerin angelegt gelegt gewesen sei.
So habe der Versicherte die Klägerin testamentarisch u.a. mit einem Pflichtteil wie eine Ehefrau bedacht, gerade für den Fall,
dass die vorgesehene Eheschließung nicht mehr erfolgen könne. Nichts anderes als Versorgungsüberlegungen kämen hier zum Ausdruck,
was die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe sogar bestätige.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 22. Dezember 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14. Januar 2011 beim Landessozialgericht
Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, der Prozessbevollmächtigte habe den Fehler gemacht,
einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zuzustimmen. So habe es geschehen können, dass das SG sein Urteil auf zwei in den Schriftsätzen nicht erwähnte und diskutierte Gesichtspunkte gestützt habe. Im angefochtenen Bescheid
nebst Widerspruchsbescheid werde die eindeutige Regelung des §
46 Abs.
2a SGB VI dahin verfälscht, dass jeder noch so nebensächliche Gedanke an eine Hinterbliebenenversorgung ausreiche, um die gesetzliche
Vermutung einer Versorgungsehe zu bestätigen. Das BSG habe es für fehlerhaft erklärt, wenn alleine auf objektive, nicht aber auch auf die inneren Motive für die Heirat abgestellt
werde. Im Urteil vom 27. August 2009 (Az.: B 13 R 101/08 R) habe das BSG die Würdigung des LSG gebilligt, wonach die dortige Ehe nicht allein oder überwiegend dem Zwecke gedient habe, einen Anspruch
der Klägerin auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen, weil der Wunsch beider Ehegatten, einen gemeinsamen Nachnamen zu
tragen, im Vordergrund gestanden habe. Im vorliegenden Fall habe der verstorbene Ehemann der Klägerin mit der Eheschließung
nicht einmal auch eine Versorgungsabsicht verfolgt. Er sei der irrigen Annahme erlegen, dass die Klägerin wegen Nichteinhaltung
der Jahresfrist ab Eheschließung gar keinen Anspruch auf Witwenrente habe. Diese Überzeugung habe er auch der Klägerin vermittelt,
die es nicht besser gewusst habe. Darüber hinaus sei die Klägerin erst nach dem Tod ihres Ehemanns von ihrem heutigen Prozessbevollmächtigten
über den Anspruch auf Hinterbliebenenrente informiert worden. Da es im vorliegenden Zusammenhang nur um eine Versorgung durch
eine Witwenrente gehe, sei diese weder einziges (alleiniges) noch überwiegendes Heiratsmotiv gewesen, sondern habe überhaupt
kein Motiv dargestellt. Das SG habe keine Ahnung, was die Eheleute bewogen habe, kurz vor dem Tod des Versicherten noch die Ehe einzugehen. Es sei deshalb
auf Indizien angewiesen und habe solche einfach erfunden. Dabei habe es nicht gewusst, dass der Versicherte und seine erste
Ehefrau Gütertrennung vereinbart gehabt hätten, weshalb deren Pflichtteil ein Sechstel betragen habe.
Der verstorbene Versichert habe mit den ihn behandelnden Ärzten in der Universitätsklinik Ulm lange Gespräche geführt, nachdem
diese ihn über sein unabwendbares baldiges Ableben informiert hätten. Nachdem dieser sie über seinen Entschluss zur Ehescheidung
einerseits und zur Heirat mit der Klägerin andererseits informiert hatte, seien diese bereit gewesen, alles zu tun, damit
der Kläger diese Eheschließung noch erleben werde. Gegenüber Dr. Bommer habe der Versicherte die Eheschließung immer wieder
als seine Herzenssache bezeichnet; von einer Versorgung der Klägerin - erst recht durch die gesetzliche Witwenrente - sei
nie die Rede gewesen. Auch bei einer schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis
der Ehegatten sei der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus
anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde.
Es gebe keine gesetzliche Regelung wonach eine Versorgungsehe um so mehr zu vermuten sei, je moribunder einer der Eheleute
sei. Für die ganze Jahresfrist des §
46 Abs.
2a SGB VI gelte gleichmäßig, dass die hinterbliebene Witwe ein Ausnahmefall darlegen und beweisen müsse. Die gegenteiligen Erwägungen
des Urteils des SG entsprächen nicht der Gesetzeslage.
Dass sich die Abfindungszahlung an die erste Ehefrau des Versicherten im Hinblick auf eine Witwenrente für die Klägerin "nicht
rechnen" würde, sei lediglich ein nachträgliches Argument des Prozessbevollmächtigten für Leute gewesen, "die nur Zahlen und
Rentenansprüche im Kopf haben". Der Abfindungsbetrag sei nur für den Verzicht der ersten Ehefrau auf ihre Rechte aus dem gesetzlichen
Versorgungsausgleich und auf etwaige Unterhaltsansprüche bestimmt. Mit einer Versorgung der Klägerin als späterer Witwe habe
dies ebenso wenig zu tun wie mit Pflichtteilsansprüchen.
Die Klägerin habe zum Zeitpunkt des Gesprächs mit ihrem Ehemann, in dem sie sich mit diesem über die Nichtgewährung einer
Witwenrente einig gewesen sei, nicht einmal ungefähr gewusst, wie hoch die Witwenrente sein könnte. Sie habe nur gewusst,
dass sich die laufende Altersrente des Versicherten auf ca. 555,00 Euro monatlich belaufen habe. Für die Klägerin habe keine
Veranlassung bestanden, nähere Nachforschungen anzustellen. Wenn die Hinterbliebenenrente sich nur auf ca. 160,00 Euro belaufe,
sei der Gedanke an eine "rentenmäßig motivierte" Eheschließung besonders abwegig.
Schließlich habe der Versicherte die Klägerin mit seinem Testament vom 27. April 2009 ganz selbstverständlich versorgen wollen.
Diese im Testament zum Ausdruck gekommene Versorgungsabsicht habe nichts mit der Eheschließung zu tun, denn sie habe ausdrücklich
auch für den Fall gegolten, dass es zur Eheschließung nicht mehr kommen werde. Vorliegend spielten Versorgungsabsichten nur
eine Rolle, wenn sie durch eine Hinterbliebenenrente realisiert würden. Das SG habe offenbar nicht bedacht, dass es auch ganz andere und wesentlich effektivere Versorgungsmöglichkeiten gebe. Im Übrigen
seien die allgemeinen Versorgungsabsichten des Versicherten nicht allzu stark ausgeprägt. Sonst hätte er die Klägerin im Testament
nicht nur zu einem Viertel eingesetzt.
Selbstverständlich habe der Versicherte die Klägerin "versorgen" wollen. Dazu habe er ihr noch zu Lebzeiten erhebliche Vermögenswerte
übertragen. Einen weiteren Teil der Versorgung habe die Erbquote von einem Viertel dargestellt. Überhaupt keine Rolle habe
dabei die jetzt streitige Witwenrente gespielt. Es widerspreche allen Regeln der Logik, wenn etwas apodiktisch als Versorgungsmaßnahme
behauptet werde, was der "Versorger" definitiv ausgeschlossen habe.
Sowohl bei der Klägerin als auch bei ihrem Ehemann sei alleiniges Motiv der Eheschließung gewesen, ihre fast 30-jährige Lebensgemeinschaft
vor Gott und der Welt zu legalisieren.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Dezember 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2009 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Januar 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. Juni 2009
eine große Witwenrente aus der Versicherung des am 11. Mai 2009 verstorbenen Versicherten Armin Dressel, ihres Ehemannes,
in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Berufungsakten
des LSG sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die gem. §§
143,
144 Abs.
1 SGG statthafte Berufung ist zulässig, sie ist form- und fristgerecht (§
151 Abs.
1 SGG) eingelegt. Sie ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente (große
Witwenrente) nach §
46 Abs.
2 Satz 1 Nr.
2 SGB VI. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 1. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
25. Januar 2010 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Nachdem die Beteiligten vor dem SG erklärt hatten, mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden zu sein, durfte das SG ohne das maßgebliche Recht zu verletzen, entsprechend entscheiden. Wenn die Klägerin nachträglich der Auffassung ist, ihre
Zustimmung sei ein Fehler gewesen, so macht dies die Entscheidung des SG nicht in verfahrensrechtlicher Hinsicht rechtswidrig; auch ist die Klägerin nicht in dem ihr zustehenden Anspruch auf rechtliches
Gehör verletzt worden.
Auch in der Sache hat das SG zutreffend die Klage abgewiesen.
Gemäß §
46 Abs.
2 Satz 1
SGB VI haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine
Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie (1.) ein eigenes Kind oder ein Kind
des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, (2.) das 47. Lebensjahr vollendet haben
oder (3.) erwerbsgemindert sind.
Zwar war die Klägerin, die das 47. Lebensjahr bereits vollendet hat (§
46 Abs.
2 Satz 1 Nr.
2 SGB VI), vom 5. Mai 2009 bis zum 11. Mai 2009 und damit zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten mit diesem verheiratet, auch hat
dieser die allgemeine Wartezeit (§
50 Ab. 1
SGB VI) erfüllt, doch steht §
46 Abs.
2a SGB VI dem Anspruch der Klägerin entgegen.
Nach §
46 Abs.
2a SGB VI haben Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert
hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige
oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Diese Regelung ist auf
die Klägerin anzuwenden (§
242a Abs.
3 SGB VI) und ist verfassungsgemäß (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 53/08 R - BSGE 103, 91-99 = SozR 4-2600 § 46 Nr. 5 = juris Rn. 19 ff).
Da die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten nur vom 5. bis zum 11. Mai 2009, somit also kein Jahr gedauert hat, ist einen
Anspruch auf Witwenrente grundsätzlich ausgeschlossen (§
46 Abs.
2a SGB VI). Diese Rechtsfolge (Ausschluss des Anspruchs auf Witwenrente) tritt jedoch dann nicht ein, wenn besondere Umstände vorliegen,
aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck
der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen (§
46 Abs.
2a Halbsatz 2
SGB VI).
Der Begriff der besonderen Umstände in §
46 Abs.
2a Halbsatz 2
SGB VI ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der von den Rentenversicherungsträgern und den Gerichten mit einem bestimmten Inhalt
ausgefüllt werden muss und dessen Beurteilungsspielraum der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R - BSGE 103, 99-106 = SozR 4-2600 § 46 Nr. 6 = juris Rn. 18). Dabei kann die Rechtsprechung des BSG zu den inhaltsgleichen Vorschriften der Unfallversicherung (§
65 Abs.
6 SGB VII, § 594
RVO) und der Kriegsopferversorgung (§ 38 Abs. 2 BVG), denen die Vorschrift nachgebildet ist (BT-Drucks. 14/4595 S. 44), herangezogen werden (BSG aaO. juris Rn. 19). Daher sind als besondere Umstände im Sinne des §
46 Abs.
2a SGB VI - wie auch das SG zutreffend ausgeführt hat - alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht
verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen (vgl. BSG aaO. Rn. 20 m.w.N.). Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen)
beider Ehegatten an, es sei denn, dass der hinterbliebene Ehegatte den Versicherten beispielsweise durch Ausnutzung einer
Notlage oder Willensschwäche zur Eheschließung veranlasst hat (BSG aaO. Rn. 20 m.w.N.); dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Damit ist eine Einzelfallprüfung unter Anstellung einer Gesamtbetrachtung
durchzuführen, in die sowohl die vom Hinterbliebenen vorgetragenen inneren als auch die von Amts wegen zu ermittelnden äußeren
Umstände des Zwecks der Heirat einzustellen sind (BSG aaO. 21 ff). Die auch vom Gesetzgeber intendierte Einzelfallprüfung lässt eine abschließende abstrakt-generelle (normgleiche)
Einordnung einzelner denkbarer Ehemotive nicht zu (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 - B 13 R 134/08 R - juris Rn. 17; BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R - BSGE 103, 99-106 = SozR 4-2600 § 46 Nr. 6 = juris). Vielmehr kommt es nach dem Gesetz auf die - gegebenenfalls auch voneinander abweichenden
- Beweggründe beider Ehegatten im konkreten Einzelfall an (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R - BSGE 103, 99-106 = SozR 4-2600 § 46 Nr. 6 = juris Rn. 20; Gürtner in Kasseler Kommentar, Ergänzungslieferung 2010, § 46 Rn. 46c). Dabei
sind die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat nicht nur für sich isoliert zu betrachten,
sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung
einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falls zu bewerten (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 - B 13 R 134/08 R - juris Rn. 17; BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R - BSGE 103, 99-106 = SozR 4-2600 § 46 Nr. 6 = juris Rn. 24).
An äußeren Umständen ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin mit dem Versicherten seit 1980 zusammengelebt hat, dass sich
der Versicherte bis kurz vor seinem Tod einer Scheidung wegen der Sorge vor den finanziellen Folgen und der Dauer eines streitigen
Scheidungsverfahrens widersetzt hat, die Heiratsabsichten erst begründet wurden, als die Ärzte dem Versicherten eröffnet hatten,
er habe nur noch kürzeste Zeit zu leben. Ferner, dass der Versicherte seine Scheidung erst mittels eines Abfindungsvergleichs
ermöglicht hat und diese innerhalb kürzester Zeit durchgeführt wurde, die Hochzeit noch am Tag der Scheidung durchgeführt
wurde, die Klägerin mit dem Versicherten keine gemeinsamen Kinder hat, der Versicherte die Klägerin kurz vor seinem Tod finanziell
- sowohl für den Fall des Versterbens vor als auch nach einer Heirat - durch Zuwendungen unter Lebenden aber auch von Todes
wegen finanziell gut ausgestattet und insoweit versorgt hat, sowie dass die Klägerin über eigenes Einkommen und Vermögen verfügt
und deswegen angibt, nicht auf die geringe Witwenrente (160,00 Euro) angewiesen zu sein.
An inneren Umständen hat die Klägerin im Hinblick auf ihre Person aber auch den Versicherten mitgeteilt, davon ausgegangen
zu sein, dass ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht bestehe, dass der Versicherte sie, seine langjährige Lebensgefährtin,
"doch noch heiraten" wollte, seine Entscheidung rein emotional begründet habe und seinen Töchtern, seinen Freunden und seinem
ganzen Umfeld habe zeigen wollen, "wen er seit vielen Jahren als seine wirkliche Ehefrau betrachtet" habe, dass der Versicherte
geäußert habe, nur mit ihr, "wenn er schon bald sterben würde, verheiratet sein" zu wollen, dass der Versicherte die fast
30-jährige Lebensgemeinschaft vor Gott und der Welt habe legalisieren wollen und dies seine Herzenssache gewesen sei und dass
der Versicherte sein Verhalten in den vergangenen Jahrzehnten der Klägerin gegenüber als falsch eingesehen habe und er dies
vor ihr und seinem ganzen Umfeld im bürgerlichen Sinne habe in Ordnung bringen wollen. Zur Untermauerung dieser inneren Umstände
trägt die Klägerin vor, dass der Versicherte hierfür sein gesamtes Barvermögen aufgebracht und den Stress auf sich genommen
habe, "ob die Scheidung seiner ersten Ehe und der Abschluss seiner zweiten Ehe noch rechtzeitig zu Stande käme". Sie trägt
aber auch vor, der Versicherte habe sie selbstverständlich "versorgen" wollen, jedoch dabei nicht an eine Hinterbliebenenversorgung
gedacht.
Weitere innere Umstände mussten von Amts wegen nicht ermittelt werden (dazu BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R - BSGE 103, 99-106 = SozR 4-2600 § 46 Nr. 6 = juris Rn.22 f), wurden auch von der Klägerin nicht angegeben. Von Amts wegen - also ohne konkreten
Beweisantrag der Klägerin - waren auch nicht die behandelnden Ärzte des Versicherten zu hören.
In der vom Senat vorzunehmenden Gesamtabwägung der inneren und äußeren Umstände darf auch berücksichtigt werden, dass der
Versicherte seine Heiratsabsichten erst begründet hat, als sein Tod schon unmittelbar bevor stand obwohl er bereits in den
Jahren zuvor schwer an Krebs erkrankt war. Dies ist - entgegen dem Vorbringen der Klägerin - auch so durch das BSG bestätigt worden (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R - BSGE 103, 99-106 = SozR 4-2600 § 46 Nr. 6 = juris Rn. 27). Das BSG hat insoweit ausgeführt: "Hingegen ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen
Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des §
46 Abs.
2a Halbsatz 2
SGB VI nicht erfüllt. Jedoch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose
und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest
gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung
diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger
und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt
mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem
Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der
gesetzlichen Annahme ("Vermutung") einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres
nach Eheschließung angeführt werden."
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Versicherte auch trotz seiner schweren Krebserkrankung und der daraus folgenden
Lebensbedrohung sich bis kurz vor seinem Tod geweigert hatte, sich scheiden zu lassen. Auch im August 2008 war der Versicherte
angesichts einer schweren und lebensbedrohenden Operation gegenüber dem Prozessvertreter der Klägerin, der den Versicherten
zu dessen Lebzeiten in rechtlichen Fragen beraten hatte, noch der Meinung, zwar seine langjährige Beziehung mit der Klägerin
nach außen dokumentieren zu wollen, wollte sich aber dennoch nicht scheiden lassen. Als Grund gibt der Prozessvertreter an,
der Versicherte sei der Meinung gewesen, das Ende des streitigen Scheidungsverfahrens nicht mehr zu erleben und finanziell
"ausgenommen zu werden". Erst im April 2009 hat die Heiratsabsicht des Versicherten dessen Wunsch, nicht geschieden zu werden
und dessen Sorge um ein streitiges, langwieriges Scheidungsverfahren, dessen Ende er nicht mehr erleben und bei dem er finanziell
verlieren werde, überwogen. Erst im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Tod - und nicht bereits zuvor im Jahr 2008, als der
Versicherte dem Prozessvertreter angeblich mitteilte, die fast 30-jährige Beziehung zur Klägerin auch nach außen dokumentieren
zu wollen - hat der Versicherte die Klägerin finanziell auch für die Zeit nach seinem Tod abgesichert. Insoweit wollte der
Versicherte die Klägerin versorgen. Hierfür sprechen die vom Versicherten zu Lebzeiten aber auch von Todes wegen vorgenommenen
Verfügungen zugunsten der Klägerin.
Ob die Klägerin, wie auch ihr Ehemann, davon ausgegangen waren, eine Witwenrente stehe der Klägerin nicht zu, kann letztlich
offen bleiben. Insoweit muss sich die Klägerin entgegen halten lassen, dass sie einerseits sinngemäß angibt, ihr Ehemann habe
eine lohnende Investition tätigen wollen, die sich bei einer geringen Hinterbliebenenrente nicht gerechnet habe, andererseits
auch vorträgt, dies sei ein nachgeschobenes Argument des Prozessvertreters gewesen. Auch muss sie sich entgegen halten lassen,
dass ihr Ehemann - wenn er davon ausging, eine Hinterbliebenenrente käme wegen Nichtverstreichens der Jahresfrist gar nicht
in Betracht - von einer Versorgungsehe ausgegangen sein muss. Insoweit hat der Senat Zweifel an den Aussagen der Klägerin,
die insoweit den Eindruck erweckt hat, Argumente nach Belieben vorzubringen und später als falsch darzustellen. Dieser Eindruck
wird auch durch das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung dazu untermauert, dass der Versicherte die Klägerin erbrechtlich
seiner früheren Ehefrau habe gleichstellen wollen, um die Zustimmung seiner Kinder zu erlangen. Den Kindern gegenüber sollte
durch die Hochzeit mit der Klägerin kein Nachteil entstehen. Da die frühere Ehefrau mit dem Kläger in Gütertrennung lebte
und der Versicherte diese "auf den Pflichtteil gesetzt hatte" hätte der früheren Ehefrau ein Pflichtteilsanspruch in Höhe
von 1/6 zugestanden (§
1931 Abs.
4 BGB); die testamentarisch "auf den Pflichtteil gesetzte" Klägerin hat jedoch zu 1/4 geerbt, denn Gütertrennung war nicht vereinbart
worden (§
1931 Abs.
1, Abs.
3 i.V.m. §
1371 BGB) und die Klägerin hat auch einen Ausgleich des Zugewinns nicht verlangt (§
1371 Abs.
2 BGB).
Dass die Legalisierung der Gemeinschaft, der gemeinsame Name oder auch ein nach außen sichtbares Zeichen der Zusammengehörigkeit
angesichts des feststehenden Todes des Versicherten ein so gewichtiges Motiv der Klägerin und des Versicherten waren, dass
die Versorgung der Klägerin weder der alleinige noch der überwiegende Zweck war, konnte der Senat nicht feststellen. Denn
nach einem fast dreißigjährigen unverheirateten Zusammenleben liegt der Schluss nahe, dass sich der Versicherte und die Klägerin
bewusst für eine solche Lebensform und gegen eine Heirat entschiedenen haben (vgl. dazu auch Kamprad in Hauck/Noftz,
SGB VI, §
46 Rn. 38, Stand 3/10). Angesichts des Geschehensablaufs und insbesondere im Hinblick auf die Absicherung der Klägerin durch
vom Versicherten zu Lebzeiten bzw. von Todes in erheblichem Umfang bestimmte und gut durchdachte Zuwendungen, konnte der Senat
bei einer Gesamtschau der inneren und äußeren Umstände die gesetzliche Ausnahmeregelung des §
46 Abs.
2a Halbsatz 2
SGB VI nicht als widerlegt ansehen. Insoweit ist die Annahme gerechtfertigt, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat
war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Insbesondere konnte der Senat auch nicht feststellen, dass
die Ehe eingegangen wurde, um die Pflege und Betreuung des bereits todkranken Versicherten sicher zu stellen (dazu vgl. BSG, Urteil vom 3. September 1986 - 9a RV 8/84 - BSGE 60, 204-208 = SozR 3100 § 38 Nr. 5 = juris).
Der Ausnahmetatbestand des §
46 Abs.
2a Halbsatz 2
SGB VI ist nur erfüllt, wenn insoweit nach §
202 SGG in Verbindung mit §
292 ZPO der volle Beweis erbracht wird (zum Beweismaß vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R- BSGE 103, 99-106 = SozR 4-2600 § 46 Nr. 6 = juris Rn. 28 unter Hinweis auf BSGE 60, 204, 206 = SozR 3100 §
38 Nr. 5; Gürtner in Kasseler Komm, §
46 SGB VI Rn. 46b, Stand: September 2007; Löns in Kreikebohm,
SGB VI, 3. Auflage 2008, § 46 Rn. 28). Dieser erfordert zumindest einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit (BSG aaO.); die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus (BSG aaO.). Danach ist eine Tatsache bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falls nach
vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle
richterliche Überzeugung zu begründen (BSG aaO. mit Hinweis auf Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Auflage 2008, §
128 Rn. 3b). Davon, dass in einer Gesamtschau der inneren und äußeren Umstände besondere Umstände bestehen, die im vorliegenden
Fall ausnahmsweise die Annahme als nicht gerechtfertigt erscheinen lassen, der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat
sei es gewesen, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen, konnte sich der Senat nicht überzeugen; vielmehr
lassen die festgestellten äußeren Umstände aber auch die im Licht der äußeren Umstände betrachteten, von der Klägerin vorgebrachten
inneren Umstände den in der Versorgung der Klägerin begründeten Zweck der Heirat als überwiegendes Motiv erscheinen.
Der Ausschlusstatbestand des §
46 Abs.
2a SGB VI wird auch nicht dadurch widerlegt, dass die Hinterbliebenenrente des
SGB VI nur eine geringfügige Höhe ergeben würde und dass diese im Zusammenspiel der vom Versicherten der Klägerin zugewendeten und
hinterlassenen Vermögenswerte aber auch der von der Klägerin selbst erworbenen Absicherungen finanziell kaum ins Gewicht fällt.
Auch dass der Versicherte und die Klägerin zwar von einer finanziellen Absicherung und damit von einer Versorgung der Klägerin
nach dem Tod des Versicherten ausgingen, hierzu jedoch nicht auf die Hinterbliebenenrente des
SGB VI angewiesen waren bzw. vom Erhalt einer solchen Rente nicht ausgegangen waren, steht dem Ausschluss des §
46 Abs.
2a SGB VI nicht entgegen. Denn maßgeblich für die Widerlegung des Ausschlusstatbestandes ist, dass die Annahme nicht gerechtfertigt
ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
§
46 Abs.
2a 2. Halbsatz
SGB VI stellt dabei nicht alleine auf den Erhalt einer Hinterbliebenenrente nach dem
SGB VI ab, sondern spricht allgemein von einem Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung. Insoweit entspricht §
46 Abs.
2a SGB VI den Regelungen in §
65 Abs.
6 SGB VII und dem früheren § 594
RVO. Auch § 38 Abs. 2 BVG und §
19 Abs.
1 Nr.
1 BeamtVG enthalten entsprechende Regelungen um auszuschließen, dass die Heirat dazu dient, dem hinterbliebenen Lebenspartner eine
Versorgung zu verschaffen. Keine dieser Regelungen stellt auf eine nach dem jeweiligen Gesetz zu gewährende Hinterbliebenenleistung
ab, alle Regelungen gehen vielmehr von einem umfassenden Ausschluss bei der Absicht der Begründung einer Hinterbliebenenversorgung
bzw. Versorgung aus. Diese Regelungen entsprechen sich inhaltlich und sind aufeinander bezogen; sie werden vom BSG daher - zu Recht - auch im Blick auf die jeweils andere Regelung ausgelegt (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R - BSGE 103, 99-106 = SozR 4-2600 § 46 Nr. 6 = juris Rn. 19). Würde der Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung bzw. Versorgung im Sinne
der genannten Vorschriften lediglich im Bezug auf die jeweils im konkreten Gesetz genannten Hinterbliebenenleistungen verstanden,
so würde gerade der Gleichklang zwischen den Regelungen des §
46 Abs.
2a SGB VI und §
65 Abs.
6 SGB VII durchbrochen. Denn wenn bei zu erwartendem Tod in Folge eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit zum Zweck allein
der Erlangung von Hinterbliebenenleistungen nach dem
SGB VII geheiratet würde, wäre bei einer engen, auf die jeweils im konkreten Gesetz angesprochenen Hinterbliebenenleistungen bezogenen
Auslegung des Begriffs der Hinterbliebenenversorgung im Sinne des §
46 Abs.
2a 2. Halbsatz
SGB VI der Ausschlusstatbestand des §
46 Abs.
2a SGB VI schon alleine deswegen widerlegt, weil es gerade nicht Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente
nach dem
SGB VI zu begründen. Gegen ein auf die jeweilige Hinterbliebenenleistung nach dem einzelnen Gesetz (hier: Hinterbliebenenrente nach
§
46 SGB VI) begrenztes und damit enges Verständnis des Begriffs der Hinterbliebenenversorgung bzw. der Versorgung spricht auch, dass
bei einem solchen engen Verständnis der Ausschlusstatbestande immer und bei allen denjenigen Versicherten eingreifen würde,
die über die Hinterbliebenenrente der Gesetzlichen Rentenversicherung hinaus ihrem Partner keine oder nur geringe private
Absicherungen für den Fall des eigenen Todes hinterlassen können (was der Regelfall ist). Da der Hinterbliebene dann nur über
die Hinterbliebenenrente nach §
46 SGB VI abgesichert ("versorgt") wäre, griffe hier der Ausschlusstatbestand immer und könnte nicht widerlegt werden. Hat der Versicherte
mit der Hochzeit aber seinen Partner/seine Partnerin über eine erhebliche anderweitige Absicherung für den Fall des Todes
(z.B. durch Immobilienzuwendungen, Sachzuwendungen oder private Versicherungen) ausdrücklich versorgen wollen, bei der es
wegen deren geringen Umfangs auf die Hinterbliebenenrente der Gesetzlichen Rentenversicherung nicht (mehr) ankommt und hat
er daher gar nicht an die Hinterbliebenenrente nach §
46 SGB VI gedacht, so griffe der Ausschlusstatbestand des §
46 Abs.
2a SGB VI nicht. Dies war weder vom Gesetzgeber so gewollt, noch hat die Rechtsprechung jemals Andeutungen hinsichtlich einer solchen
Auslegung des Ausschlusstatbestandes geäußert. Gerade dies zeigt, dass der Begriff der Hinterbliebenenversorgung bzw. der
Versorgung nur umfassend verstanden werden kann. Damit muss es zu der Annahme, dass im Sinne des §
46 Abs.
2a 2. Halbsatz
SGB VI ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung begründet werden soll, genügen, dass es Zweck der Heirat war, den Hinterbliebenen
im Hinblick auf das Ableben des Versicherten mit solchen privatrechtlichen (z.B. erbrechtlichen, privatversicherungsrechtlichen),
sozialrechtlichen oder sonstigen (z.B. öffentlichrechtlichen, versorgungsrechtlichen) Ansprüchen auszustatten, damit dieser
nach dem Tod des Versicherten - zumindest in geringem Grad - finanziell versorgt ist. Damit genügt es, wenn sich die Absicht
der Versorgung des Ehegatten auch auf dessen Versorgung mit privaten Vermögenswerten bezieht und eine Versorgung mit Ansprüchen
der Gesetzlichen Rentenversicherung daneben nicht bedacht worden war oder nicht ins Gewicht fällt.
Vorliegend hatten der Versicherte und die Klägerin die Absicht, die Klägerin nach dem Tod des Versicherten zu versorgen. Dazu
hat der Versicherte der Klägerin im Hinblick auf seinen Tod schon zu Lebzeiten aber auch von Todes wegen erhebliche Vermögenswerte
zugewandt; wobei die erhebliche steuerliche Vergünstigung für Ehegatten mit als Versorgungsaspekt zu berücksichtigen ist.
Auch über das Versorgungswerk der Presseangehörigen wurde eine entsprechende Hinterbliebenenversorgung geschaffen. Selbst
wenn eine Hinterbliebenenrente nach §
46 SGB VI dabei nicht Gegenstand der Versorgungsabsicht gewesen wäre, so genügt - wie zuvor dargelegt - bereits die allgemeine und
auch nicht auf eine Hinterbliebenenrente nach dem
SGB VI bezogene Absicht, die Klägerin nach dem Tod des Versicherten zu versorgen. Da die so verstandene Versorgung der Klägerin
nach Allem sogar Hauptzweck der Heirat war und die von der Klägerin genannten Zwecke (dazu siehe zuvor) nach Überzeugung des
Senats einzeln aber auch in ihrer Zusammenschau hiergegen nur geringer gewichtige Zwecke waren, ist vorliegend die Vermutung
des §
46 Abs.
2a 1. Halbsatz
SGB VI nicht widerlegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG; dabei wurde berücksichtigt, dass die Klägerin in beiden Instanzen keinen Erfolg hatte.
Gründe für die Zulassung der Revision gegen die Berufungsentscheidung liegen nicht vor (§
160 Nr. 1 und 2
SGG).