Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Leistungen für Unterkunft und Heizung; Angemessenheit der Miete in Freiburg; Verfassungsmäßigkeit
von § 22 SGB II
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Übernahme der vollen Kosten der Unterkunft für die
Zeit vom 1. Oktober 2010 bis 31. März 2011 hat.
Die Klägerin ist 1950 geboren und seit 2002 ohne Beschäftigung. Nach dem Bezug von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe
bezieht sie seit 1. Januar 2005 Arbeitslosengeld II (Alg II). Sie bewohnt seit 1985 eine 76,83 qm große 3-Zimmerwohnung in
F., für die sie seit 1. November 2007 497,- EUR Kaltmiete bezahlte, darüber hinaus eine Heizkosten- und Warmwasserpauschale
von zunächst 37,50 EUR sowie weitere Nebenkosten (Betriebskosten) von monatlich 107,50 EUR. Die von der Klägerin bewohnte
Wohnung liegt in einem zwischen 1961 und 1977 hergestellten Mehrfamilienhaus.
Für die Stadt F. ist ein qualifizierter Mietspiegel erstellt. Für die Zeit ab 1. März 2007 (Datenerhebung im Juni und Juli
bzw. September 2006; gültig bis Dezember 2008) wies der Mietspiegel für eine 45 qm große Wohnung einen durchschnittlichen
Basismietpreis von 7,51 EUR je qm aus. Zusätzlich werden für bestimmte Ausstattungsvarianten Zu- bzw. Abschläge vorgesehen.
Im Textteil des Mietspiegels ist des Weiteren ausgeführt, dass auch der F. Mietspiegel eine Spannbreite der Mietpreise ausweisen
solle. In Abweichung vom Mietspiegel 2004, der konkrete Cent-Beträge als Spannengrenze vorgesehen habe, stelle man auf Prozentwerte
um. Damit werde der bislang für alle Wohnungsgrößen gleich bleibende feste Cent-Betrag an die Wohnfläche gekoppelt und mögliche
Ungleichbehandlungen von Wohnungen ausgeschaltet. Die Berechnung der Standardschätzfehler für verschiedene Wohnungstypen habe
Prozentwerte zwischen 3% und 9% um die durchschnittliche ortsübliche Vergleichsmiete bei Zugrundelegung einer Sicherheitswahrscheinlichkeit
von 99% ergeben. Um keine anwenderunfreundlichen Differenzierungen vornehmen zu müssen, werde als einheitliche Ober- und Untergrenze
der Spanne der höchste Wert, nämlich 9% verwendet. Entsprechende Ausführungen finden sich zum Mietspiegel 2009 (Anerkennung
durch Gemeinderatsbeschluss vom 10. Februar 2009), wobei der durchschnittliche Quadratmeterpreis hier auf 7,87 EUR festgesetzt
wurde. Der Freiburger Mietspiegel 2011 wurde nach der Regressionsmethode ermittelt (gültig ab 1. Januar 2011). Die durchschnittliche
Mietpreissteigerung seit der letzten Mietspiegelerhebung beträgt 0,15 EUR bzw. 2,1 %. Der durchschnittliche Quadratmeterpreis
(Basismiete) für 45 qm Wohnfläche wurde auf 8,11 EUR festgesetzt.
Der Klägerin wurden neben den Grundsicherungsleistungen zunächst die vollen Kosten der Unterkunft bezahlt, ab 1. Januar 2005
427,50 EUR Grundmiete, anteilige Heizkosten von 28,50 EUR sowie sonstige Nebenkosten von 114,18 EUR, insgesamt 570,18 EUR.
Mit Schreiben vom 8. August 2005 wurde der Klägerin von der Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden auch: Beklagter)
mitgeteilt, dass die Kosten der Unterkunft unangemessen hoch seien. Die Mietobergrenze sei ab 1. April 2003 auf 5,62 EUR je
qm festgesetzt worden, so dass ihre Miete bei einer angemessenen Wohnungsgröße von 45 qm die Mietobergrenze um 174,60 EUR
übersteige. Sie werde daher aufgefordert, binnen sechs Monaten die Unterkunftskosten zu senken bzw. nachzuweisen, dass sie
kontinuierlich nach einer preisgünstigeren Wohnung gesucht, eine solche aber nicht gefunden habe. Zugleich wurde die Klägerin
aufgefordert, sich beim städtischen Amt für Liegenschaften und Wohnungswesen sowie der Freiburger Stadtbau GmbH wegen einer
Sozialwohnung zu melden. Dieser Aufforderung kam die Klägerin im August 2005 nach. Auf ihren Folgeantrag übernahm der Beklagte
auch ab April 2006 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft. Unter dem 9. März 2006 wurde die Klägerin erneut unter Fristsetzung
von sechs Monaten zur Kostensenkung aufgefordert.
Dagegen wandte sich die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten (Schriftsatz vom 6. April 2006) und brachte vor, ihre Mutter
sei derzeit von Freitag bis Sonntag in der Wohnung; sie beabsichtige, ihre 83jährige Mutter ganz bei sich aufzunehmen, falls
dies in den nächsten Jahren notwendig werden sollte. Angesichts des zudem günstigen Quadratmeterpreises der Wohnung sei diese
angemessen.
Aktenkundig ist eine Gesprächsnotiz vom 27. März 2006, wonach die Klägerin bei der persönlichen Vorsprache mehrere Zeitungsausschnitte
für Wohnungsangebote vorgelegt habe, um zu dokumentieren, dass es in F. keinen Wohnraum für 5,62 EUR je qm gebe. Sie sei darauf
hingewiesen worden, dass sie zum einen im Umland günstigeren Wohnraum finde, zum anderen, dass der Miethöchstpreis von 252,90
EUR auch bei höherem Quadratmeterpreis aber kleinerer Wohnung eingehalten werden könne. Vergleichbare Gesprächsvermerke finden
sich von Dezember 2006 und Juli 2007. Im Juli 2007 gab sie zudem an, dass sie versuchen wolle, ein Zimmer an Wochenendpendler
unterzuvermieten.
Auch ab 1. Oktober 2006 bzw. 1. April 2007 gewährte der Beklagte die vollen Unterkunftskosten. Unter dem 17. Juli 2007 schloss
der Beklagte mit der Klägerin eine Einzelvereinbarung zur Senkung der unangemessenen Miete. Danach erklärte sich der Beklagte
zur Übernahme der vollen Kosten der Unterkunft bereit, solange die Klägerin Bemühungen nachweise, die Miete auf die angemessenen
Unterkunftskosten zu senken. Die Klägerin erklärte sich bereit, ab Oktober 2007 die überhöhten Kosten als Eigenanteil zu übernehmen.
Mit Bescheid vom 5. September 2007 bewilligte der Beklagte ab 1. Oktober 2007 Kosten der Unterkunft in Höhe von insgesamt
576,44 EUR, ab 1. November 2007 unter Berücksichtigung der gestiegenen Grundmiete in Höhe von insgesamt 645,94 EUR. Mit Bescheid
vom 18. September 2007 nahm der Beklagte sodann eine angemessene Grundmiete ab 1. Oktober 2007 von monatlich 252,90 EUR an
und bewilligte insgesamt Kosten der Unterkunft in Höhe von 401,84 EUR (Grundmiete 252,90 EUR, Heizkosten 30,97 EUR [37,50
EUR abzüglich 6,63 EUR für Warmwasseraufbereitung], Neben-/Betriebskosten 107,50 EUR).
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein mit der Begründung, auf Basis des Mietspiegels der Stadt F. lasse sich die abstrakte
Angemessenheitsgrenze der Unterkunftskosten nicht bestimmen. Mit Änderungsbescheid vom 10. Dezember 2007 bewilligte der Beklagte
ab 1. Oktober 2007 aufgrund der neuen Mietobergrenze in Höhe von 290,70 EUR Kosten der Unterkunft von insgesamt 439,64 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2007 hob der Beklagte den Bescheid vom 5. September 2007 nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab 1. Oktober 2007 teilweise auf und wies nach Erteilung des Änderungsbescheids vom 10. Dezember 2007 den Widerspruch als
unbegründet zurück. Die Mietobergrenze belaufe sich jetzt auf 290,70 EUR. Dagegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht
Freiburg (SG; Az.: S 13 AS 188/08). Im Klageverfahren änderte der Beklagte die angefochtenen Bescheide ab und gewährte ab Oktober 2007 bis 31. März 2008 die
vollen Unterkunftskosten.
Mit Bewilligungsbescheid vom 25. März 2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen vom 1. April bis 30. September
2008 von monatlich 786,44 EUR, davon 439,64 EUR Kosten der Unterkunft (Kaltmiete 290,70 EUR; Heizung 30,97 EUR, laufende Nebenkosten
in Höhe von insgesamt 117,97 EUR [107,50 EUR Vorauszahlungspflicht + 10,50 EUR Müllgebühren). Mit weiterem Bescheid vom 25.
März 2008 wurden Leistungen für die Zeit vom 1. Oktober 2008 bis 31. März 2009 in gleicher Höhe bewilligt. Mit (nicht in den
Verwaltungsakten dokumentierten) Bescheiden vom 18. Mai 2008 änderte der Beklagte die Bewilligung für die Zeit vom 1. Juli
2008 bis 30. September 2008 und vom 1. Oktober 2008 bis 31. März 2009 ab und bewilligte wegen der Anhebung des Leistungsbetrags
zur Sicherung des Lebensunterhalts von 347,- EUR auf 351,- EUR Leistungen in Höhe von 790,64 EUR.
Gegen die Bescheide vom 18. Mai 2008 erhob die Klägerin im Hinblick auf die Höhe der anerkannten Kosten der Unterkunft Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 15. Juli 2008 wurden die Widersprüche zurückgewiesen.
Dagegen hat die Klägerin am 8. August 2008 Klagen zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Mit Beschluss vom 3. März 2009 wurden die Verfahren (S 13 AS 3993/08 und S 13 AS 3994/08) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10. Juli 2009 gab der Beklagte
ein "Teilanerkenntnis" ab und übernahm rückwirkend ab 1. November 2008 bis 31. März 2009 eine angemessene Kaltmiete von 305,10
EUR. Mit Urteil vom 10. Juli 2009 wurden die Klage(n) abgewiesen.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 22. Juli 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20. August 2009 Berufung eingelegt
(damaliges Az.: L 1 AS 3815/09). Mit Urteil vom 5. Juli 2010 hat der erkennende Senat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision wegen grundsätzlicher
Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Mietspiegel der Stadt F. sei grundsätzlich
geeignet, Grundlage eines schlüssigen Konzepts für die Ermittlung der Vergleichsmiete zu bilden. Der Beklagte habe daraus
in der Umsetzung der ermittelten Daten auch die richtigen Schlüsse gezogen. Die von dem Beklagten zugrunde gelegte Miethöhe
von 6,46 EUR bzw. 6,78 EUR pro qm und die sich daraus ergebende Obergrenze für einen 1-Personenhaushalt von 290,40 EUR bzw.
305,10 EUR entspreche dem Mietniveau in der Stadt Freiburg im unteren Segment des Wohnungsmarktes für Wohnungen der Größe
bis 45 qm. Der Beklagte könne insoweit auf den qualifizierten Mietspiegel 2007 der Stadt F. (gültig von März 2007 bis Dezember
2008) zurückgreifen. Hilfesuchenden nach dem SGB II seien Wohnungen mit überwiegend einfacher Bodenausstattung (Abschlag 6%), ohne Gegensprechanlage und Türöffner (Abschlag
4%) und an Durchgangsstraßen (Abschlag 5%) zumutbar. Der Beklagte habe die Klägerin bereits mit Schreiben vom 8. August 2005
und 9. März 2006 darauf hingewiesen, dass die Kosten der Unterkunft unangemessen hoch seien. Am 17. Juli 2007 habe sich zudem
die Klägerin gegenüber dem Beklagten einverstanden erklärt, ab Oktober 2007 die Unterkunftskosten, soweit sie nicht angemessen
sind, selbst zu tragen. Der Klägerin sei darüber hinaus ein Umzug innerhalb des Vergleichsraums der Stadt F. möglich und zumutbar.
Es sei weder davon auszugehen, dass kein angemessener Wohnraum zu finden sei, noch, dass gesundheitliche Gründe einem Umzug
entgegenstünden. Die Klägerin hat die vom Senat zugelassene Revision beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegt (Az.: B 14 AS 106/10 R). Mit Urteil vom 13. April 2011 hat das BSG auf diese Revision hin das genannte Urteil des Senats vom 5. Juli 2010 aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung zurückverwiesen, da aufgrund der tatsächlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden könne,
ob die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung vom 1. Juli 2008 bis zum
31. März 2009 habe. Wegen der weiteren Ausführungen des BSG wird auf das - beiden Beteiligten bekannte - Urteil vom 13. April 2011 verweisen. Das Verfahren ist am 17. August 2011 erneut
beim erkennenden Senat anhängig geworden (Az.: L 1 AS 3518/11 ZVW).
Mit Bewilligungsbescheid vom 5. August 2009 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen vom 1. Mai bis 30. September 2009
von monatlich 812,62 EUR, davon 461,62 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung (davon 305,10 EUR Kaltmiete). In den Folgebescheiden
wurden diese Kaltmietkosten berücksichtigt. Sämtliche Bescheide wurden - soweit aus der Verwaltungsakte ersichtlich - angefochten.
Mit ihrem Fortzahlungsantrag vom 18. August 2010 machte die Klägerin geltend, ihre Grundmiete habe sich zum 1. Juli 2010 auf
524,00 EUR erhöht. Sie legte hierzu das Mieterhöhungsschreiben vom 31. März 2010 ihres Vermieters (524,00 EUR Nettomiete,
30,00 EUR Garagenmiete, 152,50 EUR Nebenkostenvorauszahlung [107,50 EUR kalte Nebenkosten und 45,00 EUR Heizkosten] für eine
3-Zimmer-Wohnung mit Balkon und einer Wohnfläche von 80 qm) sowie ihre Zustimmung hierzu vom 12. April 2010 vor.
Mit dem hier streitgegenständlichen Bewilligungsbescheid vom 9. September 2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen
vom 1. Oktober 2010 bis 31. März 2011 in Höhe von monatlich 820,79 EUR, davon 461,79 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung
(davon 305,10 EUR Kaltmiete, 118,16 EUR kalte Nebenkosten [= 107,50 EUR Vorauszahlungspflicht + 10,66 EUR Müllgebühren] und
38,53 EUR Heizkosten). Die von der Klägerin geltend gemachte Mieterhöhung könne nicht berücksichtigt werden, da der Höchstsatz
für eine angemessene Kaltmiete in F. 305,10 EUR betrage.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2010 zurückgewiesen wurde. Die
Mietobergrenze ergebe sich aus dem neuen Mietspiegel für die Stadt F ... Von der Basismiete dürften hinsichtlich einfacher
Ausstattungsmerkmale Abschläge vorgenommen werden.
Dagegen hat die Klägerin am 24. November 2010 Klage beim SG erhoben (Az.: S 22 AS 6007/10). Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass ihre persönliche Situation einen Umzug unzumutbar erscheinen lasse.
Sie wohne seit 24 Jahren in dieser Wohnung. Seit mehreren Todesfällen in ihrem näheren Umfeld sei sie seit 2002 in psychiatrischer
Behandlung. Zudem könne sie ab August 2013 eine Rente in Höhe von 1.200,00 EUR zzgl. einer Betriebsrente in Höhe von 150,00
EUR beziehen. Die vom Beklagten berechneten Kaltmietkosten würden nicht den Vorgaben der Rechtsprechung des BSG entsprechen. Die Mietmarktsituation in Freiburg würde das Konzept des Beklagten nicht widerspiegeln.
Mit Bescheid vom 26. März 2011 hat der Beklagte wegen der Erhöhung der Regelbedarfe den Bescheid vom 9. September 2010 abgeändert
und der Klägerin rückwirkend Leistungen vom 1. Januar bis 31. März 2011 von monatlich 825,79 EUR, davon 461,79 EUR Kosten
der Unterkunft und Heizung (davon 305,10 EUR Kaltmiete, 118,16 EUR kalte Nebenkosten [= 107,50 EUR Vorauszahlungspflicht +
10,66 EUR Müllgebühren] und 38,53 EUR Heizkosten), gewährt. Mit Bescheid vom 1. September 2011 änderte er den Bescheid vom
26. März 2011 rückwirkend zum 1. November 2011 und gewährte der Klägerin monatlich insgesamt 832,26 EUR, davon 468,26 EUR
Kosten der Unterkunft und Heizung. Denn der bisherige Warmwasserabzug sei ab dem 1. Januar 2011 entfallen.
Mit Schriftsatz vom 3. Februar 2012 hat der Beklagte erklärt, der Klägerin werde unter Anwendung des im streitgegenständlichen
Zeitraum geltenden F. Mietspiegels Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung einer angemessenen monatlichen Kaltmiete
in Höhe von 354,15EUR für den Zeitraum 1. Oktober bis 31. Dezember 2010 und in Höhe von 364,95 EUR für den Zeitraum 1. Januar
bis 31. März 2011 gewährt. Mit (Ausführungs-)Bescheid vom 28. Februar 2012 hat der Beklagte der Klägerin unter "Änderung zum
Bescheid vom 09.09.2010" für den Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2010 Leistungen in Höhe von insgesamt 869,84 EUR,
davon 510,84 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung (davon 354,15 EUR Kaltmiete, 118,16 EUR kalte Nebenkosten [= 107,50 EUR
Vorauszahlungspflicht + 10,66 EUR Müllgebühren] und 38,53 EUR Heizkosten), und für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März
2011 in Höhe von insgesamt 892,11 EUR, davon 528,11 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung (davon 364,95 EUR Kaltmiete, 118,16
EUR kalte Nebenkosten [= 107,50 EUR Vorauszahlungspflicht + 10,66 EUR Müllgebühren] und 45,00 EUR Heizkosten), gewährt. Die
Klägerin hat mit Schriftsatz vom 10. April 2012 das "Teilanerkenntnis" des Beklagten vom 3. Februar 2012 angenommen und die
Klage im Übrigen aufrecht gehalten. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass auch die Anwendung des F. Mietspiegels rechtsfehlerhaft
sei. Im Übrigen sei keine rechtmäßige Kostensenkungsaufforderung ergangen und die Rechtsprechung des BSG zur Angemessenheit der Unterkunftskosten sei nach der Rechtsprechung SG Mainz (Urteil vom 8. Juni 2012 - S 17 AS 1452/09) verfassungswidrig.
Mit Gerichtsbescheid vom 12. Dezember 2012 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Klage sei nach Abgabe des "Teilanerkenntnisses" unbegründet geworden. Der Klägerin
stünden keine höheren Leistungen für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 31. März 2011 zu. Der Auffassung des SG Mainz werde
nicht gefolgt. Die von diesem vorgenommene "Auslegung" des Angemessenheitsbegriffs in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II überzeuge nicht. Sie missachte die Entscheidungsprärogative des Gesetzgebers und es sei nicht erklärlich, weshalb allein
eine "eklatante Abweichung" von anderen vergleichbaren Mieten als unangemessen angesehen werde könne. Der Beklagte habe nunmehr
rechtmäßig die Basismiete (ohne Abschläge) herangezogen. Daraus ergebe sich für eine 45 qm-Wohnung eine Kaltmiete in Höhe
von 354,15 EUR (bis 31. Dezember 2010) bzw. in Höhe von 364,95 EUR (vom 1. Januar bis 31. März 2011). Auch sei nicht ersichtlich,
dass ein Umzug unzumutbar wäre. Schließlich seien die Kostensenkungsaufforderungen rechtmäßig. Ein widersprüchliches oder
irreführendes Verhalten des Beklagten liege nicht vor.
Hiergegen richtet sich die am 2. Januar 2013 beim LSG eingelegte Berufung der Klägerin (Az.: L 1 AS 19/13). Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, auch das neue Konzept des Beklagten sei nicht tragfähig. Es gebe keinen
Beleg dafür, dass unter Zugrundelegung der Basismiete ausreichend Mietwohnungen auf dem Markt angeboten würden. Die Basismiete
sei ein willkürlicher Wert. Es handle sich um eine reine Rechengröße. Der Mietspiegel hinke schon aus methodischen Gründen
immer zwei bis drei Jahre hinterher. Ca. 55.000 Personen konkurrierten in F. um bezahlbaren Wohnraum. Auch entbehre die Methode,
mit derer der Beklagte die Nebenkosten beziffere, jedweder Plausibilität. Des Weiteren ergebe sich aus dem Urteil des SG Mainz
vom 8. Juni 2012 (S 17 AS 1452/09), dass § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II mit Art.
1 Abs.
1 Grundgesetz (
GG), Art.
20 Abs.
3 GG jedenfalls dann nicht vereinbar sei, wenn man die Vorschrift als "Mietobergrenze" auslege.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Dezember 2012 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 9. September
2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Oktober 2010 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26. März 2011,
1. September 2011 und 28. Februar 2012 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, für die Zeit vom 1. Oktober 2010 bis zum
31. März 2011 monatlich Leistungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe von 717,89 EUR (abzüglich Warmwasser-Pauschale im
Zeitraum 1. Oktober 2010 bis 31. Januar 2011) zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten,
die Gerichtsakten beider Instanzen und die Gerichtsakten im Parallelverfahren L 1 AS 3815/09 sowie L 1 AS 3518/11 ZVW Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach den §§
143,
144,
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig. Sie ist aber nicht begründet. Denn die
Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von monatlichen Leistungen für die Unterkunft und Heizung von insgesamt mehr als
510,84 EUR für die Zeit vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2010 und von insgesamt mehr als 528,11 EUR für die Zeit vom 1.
Januar bis 31. März 2011. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Dezember 2012 war daher
zurückzuweisen.
Gegenstand des Berufungsverfahrens bildet der Bescheid des Beklagten vom 9. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 22. Oktober 2010 (§
95 SGG) in der Fassung der - nach §
96 SGG von Gesetzes wegen in das Verfahren einzubeziehenden - Änderungsbescheide vom 26. März 2011, 1. September 2011 und 28. Februar
2012. Streitig sind allein höhere Ansprüche der Klägerin auf Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom
1. Oktober 31. März 2011, wobei zwischen den Beteiligten aufgrund des "Teilanerkenntnisses" des Beklagten und des Änderungsbescheids
vom 28. Februar 2012 mittlerweile unstreitig ist, dass (neben den Aufwendungen für die kalten Betriebs- und die Heizkosten)
als Kosten für die Kaltmiete für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2010 (zumindest) 354,15EUR und für den Zeitraum
vom 1. Januar bis 31. März 2011 (zumindest) 364,95 EUR zu zahlen sind. Die Klägerin hat den Streitgegenstand zulässigerweise
auf die Leistungen der Unterkunft und Heizung beschränkt. Bei diesen handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids,
ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (stRspr seit BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1, RdNr. 18 f.; zuletzt BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 - B 4 AS 109/11 R - [...] RdNr. 12). Deshalb ist vorliegend - wovon das SG aber wohl ausgegangen ist - nicht nur die Höhe der Nettokaltmiete, sondern auch die Höhe der kalten Nebenkosten und der Heizkosten
zu überprüfen. Unter Berücksichtigung der tatsächliche anfallenden kalten Nebenkosten in Höhe von 118,16 EUR (= 107,50 EUR
Vorauszahlungspflicht + 10,66 EUR Müllgebühren) und der von der Klägerin zu zahlenden Heizkosten in Höhe von 38,53 EUR (45,00
EUR abzüglich 6,47 EUR Warmwasserpauschale) bzw. ab dem 1. Januar 2011 in Höhe von 45,00 EUR ergibt sich damit ein Gesamtbetrag
für die Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2010 in Höhe von 510,84 EUR und für
den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2011 in Höhe von 528,11 EUR.
Einen darüber hinausgehenden Anspruch hat die Klägerin hingegen nicht.
Die Klägerin erfüllt die in § 7 SGB II normierten Voraussetzungen für die Gewährung von Grundsicherungsleistungen, die auch die Kosten der Unterkunft und Heizung
umfassen. Diese werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II).
Zutreffend (vgl. BSG vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R = BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 3; vom 18. Juni 2008 - B 14/7b AS 44/06 R, veröffentlicht in [...]; vom 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 R, veröffentlicht in [...]) ist der Beklagte in Anlehnung an das landesrechtlich geregelte Wohnungsbindungsrecht für Ein-Personenhaushalte
von einer angemessenen Wohnfläche von 45 m2 ausgegangen (Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums B.-W. zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung
- VwV-SozWo vom 12. Februar 2002 [GABl S. 240] i.d.F. der VwV vom 22. Januar 2004 [GABl S. 248]). Dies hat das BSG in seiner Entscheidung vom 13. April 2011 (B 14 AS 106/11 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 46 RdNr. 20) bestätigt.
Die Wohnungsgröße der Klägerin übersteigt mit 76,83 qm den als angemessen anzusehenden Wert erheblich. Diese Überschreitung
der angemessenen Wohnungsgröße wäre nur dann grundsicherungsrechtlich unbeachtlich, wenn das Produkt von Mietpreis und Quadratmeter
dennoch angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II wäre, was hier jedoch nicht der Fall ist, denn die tatsächliche Miete der Klägerin übersteigt die hier angemessene Referenzmiete
von 354,15 EUR bzw. 364,95 EUR erheblich.
Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze hat das BSG in seiner Entscheidung vom 7. November 2006 (SozR 4-4200 § 22 Nr. 3) eine in mehreren Schritten vorzunehmende Prüfungsreihenfolge entwickelt. Danach ist in einem ersten Schritt die abstrakt
angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard zu bestimmen und in einem zweiten Schritt festzulegen, auf welchen räumlichen
Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Steht diese Kriterien fest, ist in einem dritten Schritt
nach der Produkttheorie zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist.
Als maßgeblicher örtlicher Vergleichsraum ist die Stadt F. zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 13. April 2011 - B 14 AS 106/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 46 RdNr. 21).
Zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete ist ein sog. schlüssiges Konzept zugrunde zu legen. Das BSG hat in der bereits genannten Revisionsentscheidung ausgeführt (BSG, a.a.O., RdNr. 24 ff.), zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete könne in Ermangelung eines anderen schlüssigen Konzepts
auf die F. Mietspiegel 2007 und 2009 zurückgegriffen werden. Nichts anderes gilt für den qualifizierten F.Mietspiegel 2011
(gültig ab 1. Januar 2011). Qualifizierte Mietspiegel im Sinne des §
558 d Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) - wie diese Mietspiegel - können Grundlage der Bestimmung der angemessenen Miete nach § 22 Abs. 1 SGB II sein (BSG, a.a.O., unter Verweis auf die Rechtsprechung des BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr. 16; BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/80 R - BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 27/09 R - BSG, Urteil vom 19. Dezember 2007 - B 14 AS 50/10 R - jeweils in [...]).
Hierbei kann in zulässiger Weise die in dem Mietspiegel angeführte Standardwohnung (errichtet in der Zeit zwischen 1961 und
1977, in einem Mehrfamilienhaus mit mindestens fünf Wohnung pro Hauseingang, normale Art und Beschaffenheit, mit durchschnittlicher
Wohnungsausstattung) zugrunde gelegt werden (BSG, a.a.O., RdNr. 25). Dem entsprechend ist gemäß den Mietspiegeln der Stadt F. für eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 45
qm für die Zeit bis zum 31. Dezember 2010 ein Quadratmeterpreis von 7,87 EUR und für die Zeit ab 1. Januar 2011 ein Quadratmeterpreis
von 8,11 EUR zugrunde zu legen. Dies ergibt für eine 45 qm-Wohnung eine angemessene monatliche Kaltmiete in Höhe von von 354,15
EUR (für die Zeit bis 31. Dezember 2010) bzw. 364,95 EUR (ab 1. Januar 2011). Die Auffassung der Klägerin, wonach die Basismiete
letztlich ein willkürlicher Wert und die Bezugnahme auf den Median nicht ausreichend sei, um das untere Segment des Mietwohnungsmarktes
abzubilden, teilt der Senat unter Berücksichtigung des bereits genannten Urteils des BSG vom 13. April 2011 (a.a.O.) nicht. Denn nach §
558d Abs.
2 BGB ist der qualifizierte Mietspiegel - wie vorliegend geschehen - im Abstand von zwei Jahren der Marktentwicklung anzupassen.
Damit kann sichergestellt werden, dass die Basismiete für eine Standardwohnung zutreffend und aktuell ermittelt wird. Etwaige
Mietpreissteigerungen können durch den gesetzlich vorgegebenen Anpassungsrhythmus hinreichend berücksichtigt werden. Schließlich
nimmt der Beklagte auch keine weiteren Abschläge vor, um dem (an sich maßgeblichen) angemessenen einfachen, im unteren Marktsegment
liegenden Wohnungsstandard Rechnung zu tragen (hierzu sogleich).
Weitere Abschläge von den Durchschnittsmietpreisen (Basismiete) des qualifizierten F. Mietspiegels 2009 und 2011 sind nach
dem "Teilanerkenntnis" des Beklagten nicht vorzunehmen. Vor diesem Hintergrund bedarf es deshalb keiner weiteren Ermittlungen,
ob es Wohnungen zu den abstrakt angemessenen Quadratmeter-Nettokaltmieten im örtlichen Vergleichsraum Freiburg im streitigen
Zeitraum in einer bestimmten Häufigkeit gegeben hat; dies steht vielmehr aufgrund der qualifizierten Mietspiegel, die zur
Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zugrunde gelegt wurden, und der Anwendung des Durchschnittswert
es dieser Mietspiegel fest (vgl. BSG, a.a.O., RdNr. 30). Die zugrunde zulegenden Quadratmeterpreise umfassen damit auch die Wohnungen, bei denen wegen ausstattungs-
oder lagebedingter Nachteile noch Abzüge vorgenommen werden und die deshalb zu einem niedrigeren Quadratmeterpreis vermietet
werden. Ein höherer Anspruch (im Hinblick auf die Nettokaltmiete) steht der Klägerin jedenfalls nicht zu.
An diesem Ergebnis ändert auch die Entscheidung des SG Mainz vom 8. Juni 2012 (S 17 AS 1452/09; dem folgend SG Dresden, Urteil vom 25. Januar 2013 - S 20 AS 4915/11; SG Leipzig, Urteil vom 15. Februar 2013 - S 20 AS 2707/12) nichts, wonach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II als gesetzliche Anspruchsgrundlage den verfassungsrechtlichen Vorgaben, die das BVerfG im Urteil vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09 u.a. = SozR 4-4200 § 20 Nr. 12) beschrieben habe, nicht genüge. Der Senat folgt dieser Auffassung ausdrücklich nicht. Der
Gesetzgeber war - auch im Hinblick auf Art.
1 Abs.
1 und 20 Abs.
1 GG - grundsätzlich berechtigt, die Übernahme der Kosten für die Unterkunft und Heizung im Grundsicherungsbereich davon abhängig
zu machen, dass diese "angemessen" sind. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art.
1 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art.
20 Abs.
1 GG sichert nach der Rechtsprechung des BVerfG (a.a.O.) jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die
für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich
sind. Die Rechtsprechung des BSG zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "angemessen" i.S. von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II bietet mit dem eigens hierfür entwickelten schlüssigen Konzept (vgl. hierzu nur BSG, Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192; BSG, Urteil vom 20. August 2009 - B 14 AS 41/08 R; BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14/7b AS 44/06 R - FEVS 60, 145; BSG, Urteil vom 19. März.2008 - 11b AS 41/06 R; zur Kritik hieran bezüglich der hohen Anforderungen zuletzt Groth, SGb 2013, 249), gerade ein - vom BVerfG im genannten Urteil gefordertes - transparentes und sachgerechtes Verfahren, um realitätsgerecht
sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren die Angemessenheit der Kosten
für die Unterkunft und Heizung zu ermitteln. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass das BVerfG ausdrücklich
betont hat, dass bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum
zukommt, der die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs umfasst
(BVerfG, a.a.O., RdNr. 138). Mit Hilfe des unbestimmten Rechtsbegriffs "angemessen" und der insofern gefestigten Rechtsprechung
des BSG werden jedoch die Verwaltung und die Gerichte in die Lage versetzt, den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort im Wege einer
Einzelfallprüfung Rechnung zu tragen. Damit können im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft und Heizung diejenigen materiellen
Voraussetzungen ermittelt werden, die für die physische Existenz des Hilfesuchenden (Grundbedürfnis "Wohnen") unerlässlich
sind. Die vom SG Mainz (a.a.O.) präferierte "verfassungskonforme Auslegung" in der Weise, dass unangemessen im Sinne des §
22 Abs 1 Satz 1 SGB II lediglich Kosten der Unterkunft sind, die deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Größe und Struktur nach vergleichbare
Haushalte im geografischen Vergleichsraum liegen ("offenkundiges Missverhältnis"), stellt letztendlich nichts anderes als
eine (wenn auch von einem anderen Ausgangspunkt ausgehende) Substitution des schlüssigen Konzepts dar, die jedoch gerade im
Hinblick auf das vom BVerfG (a.a.O.) geforderte transparente, nachvollziehbare und schlüssige (!) Verfahren zur Ermittlung
der Bedarfe nicht zu überzeugen vermag. Denn nach welchen Kriterien und nach welchem Verfahren ermittelt werden soll, ob und
ggf. in welcher Höhe die geltend gemachten Unterkunftskosten "deutlich über den üblichen Unterkunftskosten" liegen und mithin
ein "offenkundiges Missverhältnis" besteht, hat das SG Mainz im genannten Urteil nicht dargelegt. Vielmehr greift es zur Ermittlung
der ortsüblichen Verhältnisse auf einen qualifizierten Mietspiegel zurück, der jedoch nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. nur Urteil vom 13. April 2011- B 14 AS 106/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 46 RdNr. 24) in Ermangelung eines anderen schlüssigen Konzepts zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete
herangezogen werden kann.
Die Klägerin hat schließlich keinen Anspruch auf Zahlung von mehr als 118,16 EUR für die kalten Betriebs- bzw. Nebenkosten.
Denn hierbei handelt es sich um die tatsächlich anfallenden und von der Klägerin geltend gemachten kalten Nebenkosten. Dies
ergibt sich aus dem von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Schreiben ihres Vermieters vom 31. März 2010. Die
monatliche Vorauszahlungspflicht für die Nebenkosten beträgt danach 152,50 EUR (= 107,50 EUR kalte Nebenkosten + 45,00 EUR
Heizkosten). Die Müllgebühr für einen 1-Personenhaushalt beläuft sich im streitigen Zeitraum auf 10,66 EUR. Daraus folgen
kalten Nebenkosten in Höhe von insgesamt 118,16 EUR.
Die kalten Betriebskosten, die zu der ermittelten - abstrakt angemessenen - Nettokaltmiete noch hinzuzurechnen sind, müssen,
damit zunächst die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft ermittelt wird, grundsätzlich abstrakt ermittelt werden.
Dazu kann nach der Rechtsprechung des BSG auf Betriebskostenübersichten zurückgegriffen werden, möglichst allerdings auf örtliche Übersichten wegen der regionalen
Unterschiede insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen (vgl BSG, a.a.O., RdNr. 27 m.w.N.). Neben den (nichtamtlichen) Übersichten in Mietspiegeln kommen auch Übersichten der örtlichen Interessenverbände
in Betracht, die an der Anerkennung des Mietspiegels beteiligt waren. So ist es auch zulässig, die vom Deutschen Mieterbund
für das gesamte Bundesgebiet aufgestellte Übersichten zugrunde zu legen, wenn gerade das örtliche Niveau hierdurch besser
abgebildet werden kann (BSG, Urteil vom 10. Oktober 2010 - B 14 AS 50/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 42 RdNr. 34). Vorliegend errechnet der Beklagte die durchschnittlichen kalten Nebenkosten auf Grundlage
des Betriebskostenspiegels für Deutschland West des Deutschen Mieterbundes und nimmt hierbei Abschläge für bestimmte Posten
(Heizung, Warmwasser und Müll) vor. Dies ergibt sich aus den Angaben des Beklagten im Parallelverfahren L 1 AS 3518/11 ZVW; die diesbezüglichen Ausführungen des Beklagten sind der Klägerin bekannt. Die von dem Beklagte aber bereits anerkannten
kalten Betriebskosten der Klägerin in Höhe von insgesamt 118,16 EUR liegen damit deutlich höher als die abstrakt angemessenen
kalten Betriebskosten, so dass es vorliegend auch nicht auf die Frage ankommt, ob örtliche Übersichten (wegen der regionalen
Unterschiede) zur Ermittlung der abstrakten kalten Nebenkosten heranzuziehen wären.
Die Klägerin hat darüber hinaus im streitigen Zeitraum - wie vom Beklagten zutreffend erkannt - Anspruch auf Leistungen für
die Heizung in Höhe von 38,53 EUR monatlich (Heizkosten und Warmwasserpauschale von 45,00 EUR abzüglich einer Pauschale für
die Warmwasserbereitung von 6,47 EUR) bzw. ab dem 1. Januar 2011 in Höhe von 45,00 EUR (rückwirkender Wegfall des Abzugs der
Pauschale für die Warmwasserbereitung zum 1. Januar 2011 durch Art. 2 Nr. 31, Art. 14 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011, BGBl. I, S. 453).
Die Prüfung der Angemessenheit der Leistung für die Heizung hat nicht nur getrennt von der für die Unterkunft zu erfolgen,
sondern auch nach eigenen Regeln: Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Heizung ist - mangels anderer Zahlen - so lange
zu bejahen, wie die Kosten unter dem Grenzbetrag eines bundesweiten oder kommunalen Heizspiegels liegen (BSG, Urteil vom 13. April 2011 - B 14 AS 106/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 46 RdNr. 41 ff. m.w.N.). Abzuziehen ist jedoch bei einer Warmwasserbereitung über die Heizung der
Anteil, der für die Warmwasserbereitung im Rahmen der Haushaltsenergie in der Regelleistung enthalten ist. Die Klägerin hat
im streitigen Zeitraum nach ihren eigenen Angaben tatsächlich eine Heizkosten- und Warmwasserpauschale in Höhe von 45,00 EUR
monatlich zu zahlen. Deren Angemessenheit ist vorliegend nicht zu prüfen, da der Beklagte die von den Klägerin angegebenen
Kosten tatsächlich zugrunde legt und hiervon (bis 31. Dezember 2010) zutreffend 6,47 EUR für die Warmwasserbereitung abzieht.
Nachdem die Regelleistung im streitigen Zeitraum bei 359,00 EUR lag (Erhöhung um 2,23 %), war die Warmwasserpauschale von
6,33 EUR ebenfalls um 2,23 %, also um ca. 0,14 EUR auf 6,47 EUR zu erhöhen (vgl. allg. zur Berechnung BSG, a.a.O., RdNr. 44).
Gründe, warum die Klägerin über den abgelaufenen Sechs-Monats-Zeitraum des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II hinaus einen höheren Anspruch auf Leistung für die Unterkunft als die nach den obigen Ausführungen abstrakt angemessenen
Beträge haben sollte, liegen nicht vor.
Der Ablauf der Sechs-Monats-Frist ergibt sich aus dem Leistungsbezug der Klägerin seit dem 1. Januar 2005 und dem vorliegend
umstrittenen Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 31. März 2011. Der Beklagte hat die Klägerin bereits mit Schreiben vom 8. August
2005 und 9. März 2006 darauf hingewiesen, dass die Kosten der Unterkunft unangemessen hoch seien. Am 17. Juli 2007 hat sich
die Klägerin gegenüber dem Beklagten zudem einverstanden erklärt, ab Oktober 2007 die Unterkunftskosten, soweit sie nicht
angemessen sind, selbst zu tragen. Der Beklagte hat die Klägerin jedenfalls ausreichend auf die aus seiner Sicht angemessene
Kaltmiete hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht, dass er die höheren Kosten der Klägerin nur noch bis 30. September 2007
tragen würde.
Der Klägerin ist darüber hinaus ein Umzug innerhalb des Vergleichsraums der Stadt F möglich und zumutbar. Der Senat ist weder
davon überzeugt, dass kein angemessener Wohnraum zu finden ist, noch, dass gesundheitliche Gründe einem Umzug entgegen stehen.
Der Beklagte hat zwar mehr als zwei Jahre die unangemessenen Unterkunftskosten der Klägerin getragen, obwohl er die Klägerin
mehrfach zur Senkung der Kosten aufgefordert hat. Daraus lässt sich jedoch weder ein Anspruch der Klägerin auf fortwährende
Kostentragung noch ein insoweit schutzwürdiges Vertrauen ableiten. Die Klägerin hat im streitigen Zeitraum (und bis heute)
keine hinreichenden Anstrengungen erkennen lassen, sich tatsächlich um günstigeren Wohnraum zu bemühen.
Soweit sie sich bei städtischen Wohnungsgesellschaften in eine Vormerkliste für Sozialwohnungen hat eintragen lassen, erfüllt
dies nicht die an Kostensenkungsbemühungen zu stellenden Anforderungen. Die Klägerin hat aber auch auf andere Weise nicht
nachgewiesen, dass sie sich tatsächlich ernsthaft um eine Senkung ihrer Wohnkosten bemüht. Sie hat auch auf Nachfrage des
Gerichts nicht vorgetragen, warum sie z.B. nicht ein Zimmer ihrer 3-Zimmerwohnung untervermietet hat oder Nachweise darüber
vorgelegt, dass sie sich tatsächlich um günstigen Wohnraum bemüht hat, der - auch bei städtischen Wohnungsgesellschaften,
wie auch die im Urteil des SG dokumentierten Rechercheergebnisse belegen - den Angemessenheitskriterien Rechnung trägt.
Die von der Klägerin behaupteten gesundheitlichen Einschränkungen, die einem Umzug entgegen stünden, sind ebenfalls nicht
ausreichend, um eine Übernahme der unangemessenen Kosten zu begründen. In seiner Entscheidung vom 19. Februar 2009 (B 4 AS 30/08 R) hat das BSG beispielhaft Umstände aufgeführt, die der Zumutbarkeit eines Umzugs entgegen stehen können und sie in der Entscheidung vom
17. Dezember 2009 um gesundheitliche Gründe ergänzt. So kann es aufgrund einer Erkrankung erforderlich sein, die bisherige
Wohnung beizubehalten, weil sie etwa mit Hilfsmitteln ausgestattet ist, die auf die spezielle gesundheitliche Situation des
betreffenden Hilfebedürftigen zugeschnitten sind. Andere gesundheitliche Einschränkungen, verbunden mit einem "Hilfesystem"
im Umfeld können ebenfalls dazu führen, dass die Umzugsalternative nur im eng begrenzten sozialen Umfeld zu suchen ist. Derartige
Umstände sind jedoch im vorliegenden Fall nicht vorhanden.
Die behandelnden Ärztinnen der Klägerin haben zwar in ihren (im Parallelverfahren L 1 AS 3815/09 eingeholten und den Beteiligten bekannten) sachverständigen Zeugenaussagen ausgeführt, dass zu erwarten steht, dass es die
Klägerin psychisch belastet, wenn sie das gewohnte Wohnumfeld verlassen muss, da sie in der Vergangenheit auf Verlusterlebnisse
regelmäßig mit psychischen Entgleisungen reagiert habe. Doch genügt dies nicht, von einer Unzumutbarkeit des Umzugs auszugehen.
Dabei verkennt der Senat nicht, dass es sicherlich eine gewisse Umstellung abverlangt, wenn eine Person, die jahrzehntelang
in ein und derselben Wohnung lebt, gezwungen wird, den Wohnraum aufzugeben. Allerdings ist nach den vorliegenden sachverständigen
Zeugenaussagen nicht davon auszugehen, dass die Klägerin bereits ohne den Wohnungswechsel so psychisch krank ist, dass diese
Erkrankungen per se einer räumlichen Veränderung entgegenstehen. Auch die mit dem Wohnungswechsel gegebenenfalls verbundenen
Beeinträchtigungen sind, berücksichtigt man die Krankheitsgeschichte der Klägerin, nicht so gravierend, dass die Klägerin
diese nicht - auch unter Zuhilfenahme ihrer behandelnden Ärztinnen - überwinden könnte. Die Klägerin hätte sich zudem, da
sie schon seit mehr als fünf Jahren von ihrer Verpflichtung, die Kosten der Unterkunft zu senken, weiß, auch um eine Wohnung
im näheren örtlichen Umfeld bemühen können, wenn ihr dieses wichtig ist. Allein der Umstand, dass sie in dieser Zeit keine
ernsthaften Bemühungen unternommen hat, ihre Wohnkosten zu senken, kann nicht zu einer weitergehenden Verpflichtung des Grundsicherungsträgers
führen. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, sich überhaupt
auf Wohnungssuche zu begeben, liegen erst recht nicht vor. Weder den Akten noch den (im Parallelverfahren L 1 AS 3815/09) eingeholten und den Beteiligten bekannten Auskünften der behandelnden Ärztinnen kann entnommen werden, dass die - erwerbsfähige
und deshalb Leistungen nach dem SGB II beziehende - Klägerin nicht in der Lage ist, sich um ihre Angelegenheiten zu kümmern.
Der Verweis der Klägerin auf ihr Alter, ihren möglichen baldigen Renteneintritt und ihre "Lebensleistung" beinhaltet keine
Gründe, die eine Ausnahme und insbesondere die von der Klägerin begehrte Erhöhung ihrer Wohnfläche um 15 qm zu rechtfertigen
vermögen (BSG, Urteil vom 13. April 2011 - B 14 AS 106/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 46 RdNr. 36). Das "Aufrechterhalten des sozialen Umfeldes", eine "affektive Bindung" an einen bestimmten
Stadtteil oder ein Alter von z.B. 56 Jahren stehen einem Umzug nicht entgegen (BSG, a.a.O., RdNr. 37). Darüber hinaus hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie - wegen befürchteter
Abschläge - nicht vorzeitig die Altersrente beantragen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 SGG nicht erfüllt sind.