Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II
Anforderungen an einen Anordnungsgrund für die Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung im Wege des einstweiligen Rechtschutzes
im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Einschluss der bislang nicht übernommenen Kosten der Unterkunft und Heizung.
Der 1991 geborene Antragsteller zu 1. sowie die 1993 geborene Antragstellerin zu 2., die mit dem Antragsteller zu 1. verheiratet
ist, beantragten am 08.04.2016 die Gewährung von Arbeitslosengeld II (Alg II). Dabei trug der Antragsteller zu 1. vor, sein
Vater, in dessen Restaurant er bislang beschäftigt gewesen sei, habe ihn mangels Umsatz zum 31.03.2016 gekündigt. Im Rahmen
des bisherigen Arbeitsverhältnisses hätten die Antragsteller die der Mutter des Antragstellers zu 1. gehörende Wohnung kostenfrei
nutzen dürfen. Auf Grund der nun erfolgten Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe die Mutter des Antragstellers zu 1. mit
den beiden Antragstellern zum 01.04.2016 einen Mietvertrag geschlossen. Die Antragsteller legten diesen Wohnungsmietvertrag
(Beginn 01.04.2016, Monatsmiete warm: 500 €) vor.
Der Antragsgegner bewilligte mit Bescheid vom 25.04.2016 Alg II in Höhe von monatlich 728 € ab April 2016 (für April nur anteilig)
bis einschließlich September 2016; Kosten der Unterkunft und Heizung wurden bei der Bedarfsberechnung und der Bewilligung
nicht berücksichtigt.
Auf Grund der mit Bescheid vom 11.04.2016 erfolgten Bewilligung von Arbeitslosengeld an den Antragsteller zu 1. ab 01.04.2016
mit einem täglichen Leistungsbetrag von 22 € hob der Antragsgegner mit Bescheiden vom 10.05.2016 die Bewilligung von Alg II
teilweise auf, so dass sich für Mai 2016 bis September 2016 noch ein monatlicher Leistungsbetrag von 98 € für die Antragsteller
ergab (vgl. Änderungsbescheid vom 10.05.2016). Der Antragsteller zu 1. widersprach den Änderungsbescheiden vom 10.05.2016
und machte die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung geltend. Zur Belegung einer tatsächlichen Mietzinsverpflichtung
legte er einen Kontoauszug über die Zahlung von 500 € auf das Konto seiner Mutter mit Datum 17.05.2016 vor. Mit Widerspruchsbescheid
vom 05.07.2016 wies der Antragsgegner den Widerspruch als unbegründet zurück. Bei Mietverträgen zwischen Verwandten komme
es darauf an, dass der Vertragsinhalt tatsächlich vollzogen werde. Diesen Nachweis habe der Antragsteller zu 1. bislang nicht
geführt. Es bestünden erhebliche Zweifel, dass der Antragsteller zu 1. tatsächlich einem ernsthaften Mietverlangen seiner
Mutter ausgesetzt sei.
Die Antragsteller haben hiergegen am 27.07.2016 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben (S 13 AS 2962/16) und am selben Tag einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Hinblick auf die Mietaufwendungen in Höhe von
500 € gestellt. Sie haben zur Begründung ihres Eilrechtsschutzbegehrens vortragen lassen, der Mietvertrag vom 01.04.2016 sei
rechtlich wirksam und werde zwischen den Vertragsparteien auch vollzogen. Zum Beweis hierfür verweise man auf die - durch
die in Mehrfertigung vorgelegten Kontoauszüge belegten - Mietzinszahlungen für die Monate April bis einschließlich Juli 2016.
Mit Beschluss vom 08.08.2016 hat das SG den Antrag abgelehnt. Die Antragsteller hätten einen Anordnungsgrund nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Es seien keine
konkreten Anhaltspunkte ersichtlich, dass den Antragstellern der Verlust ihrer Wohnung drohen würde. So sei eine Kündigung
durch die Vermieterin noch nicht einmal angekündigt, geschweige denn ausgesprochen worden. Vielmehr hätten die Antragsteller
die Miete zumindest bis Juli 2016 tatsächlich gezahlt, so dass Mietrückstände gar nicht bestehen würden. Es sei daher nicht
ersichtlich, welche wesentlichen Nachteile die Antragsteller bei einem Zuwarten bis zu der Entscheidung in der Hauptsache
erleiden würden. Mit weiterem Beschluss mit Datum vom 08.08.2016 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Die Antragsteller haben gegen die ihnen am 12.08.2016 zugestellten Beschlüsse des SG am 25.08.2016 Beschwerde eingelegt und ihr Begehren zur Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme auch der Kosten der
Unterkunft in Höhe von 500 € monatlich weiterverfolgt. Die Ablehnung der Verpflichtung des Antragsgegners im Beschluss durch
das SG mit der Begründung, es liege noch keine Gefährdung der Mietwohnung vor, sei nicht nachvollziehbar. Es sei zynisch, die Antragsteller
darauf zu verweisen, der Mietverpflichtung sehenden Auges nicht mehr nachzukommen und in Ansehung derer Kosten eine Räumungsklage
zu provozieren. Auch sei der Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, insbesondere habe man auch die Mietzahlungen nachgewiesen.
Der Antragsgegner ist der Beschwerdebegründung entgegen getreten und hat sich der Beurteilung durch das SG, wonach die Eilbedürftigkeit bezüglich der Kosten der Unterkunft nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden sei, angeschlossen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die nach §
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht erhobene Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Regelungsanordnung
liegen nicht vor.
Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung die Voraussetzungen für den Erlass der einzig hier in Betracht kommenden Regelungsanordnung
nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG zutreffend dargestellt, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen auf die diesbezüglichen Ausführungen Bezug genommen wird.
Zutreffend hat das SG weiterhin das Vorliegen eines Anordnungsgrundes im Sinne eines drohenden schwerwiegenden Nachteils verneint.
Das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Art.
19 Abs.
4 Grundgesetz (
GG) die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen
Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher
Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschlüsse
vom 22.11.2002, BvR 1586/02 und vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, jeweils veröffentlicht in [...]). Durch das Erfordernis des Vorliegens eines Anordnungsgrundes wird hiernach gewährleistet,
dass einstweilige Anordnungen nur in den Fällen erlassen werden, in denen es zu vermeiden gilt, dass der jeweilige Antragsteller
vor vollendete Tatsachen gestellt wird, bevor er wirksamen Rechtsschutz erlangen kann. In Konstellationen, in denen keine
schweren Nachteile zu befürchten stehen, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Soweit Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts betreffend die Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II gegenständlich sind, ist zu beachten, dass diese im Rahmen der Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums der Deckung
des elementaren Bedarfes, eine Unterkunft zu haben, dienen. Sie sind nicht dazu bestimmt, den Empfänger in die Lage zu versetzen,
privatrechtliche Verbindlichkeiten zu bedienen (vgl. Landessozialgericht [LSG] für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss
vom 24.06.2015, L 19 AS 360/15 B ER, [...] m.w.N.). Ein Anordnungsgrund bei der begehrten einstweiligen Gewährung von Unterkunftskosten nach §
86b Abs.
2 SGG ergibt sich deshalb nach ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. zuletzt Beschlüsse des erkennenden Senats vom 01.10.2015, L
3 AS 3480/15 ER-B sowie vom 29.08.2016, L 3 AS 2349/16 ER-B, beide nicht veröffentlicht) nicht bereits aus der Vermeidung von Mietschulden oder der erstrebten Möglichkeit, anderweitig
erhaltene Mittel zurückzahlen zu können. Diese Rechtsprechung des Senats ist durch die Entscheidung des BVerfG in seinem Nichtannahmebeschluss
vom 18.04.2016 (1 BvR 704/16, [...]) in vollem Umfang bestätigt worden. Danach genügt auch der Ausspruch der fristlosen Kündigung bzw. deren Androhung
nicht. Die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes betreffend die Verpflichtung des Antragsgegners hinsichtlich der Übernahme
der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung erfordert vielmehr den substantiierten und nachvollziehbaren Vortrag,
dass konkret eine zeitnahe Wohnungs- und Obdachlosigkeit droht.
Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für eine Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Gewährung der begehrten
Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 500 € monatlich nicht vor. Schon nach eigenem Vortrag der Antragsteller liegt
eine Kündigung oder wenigstens die Androhung einer Kündigung nicht vor, geschweige denn, dass eine Räumungsklage angedroht
worden wäre. Vielmehr haben die Antragsteller selbst im Rahmen der Antragsbegründung im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen,
die Voraussetzungen für eine mietrechtliche Kündigung auf Grund eines Zahlungsverzugs lägen angesichts des erfolgten Ausgleiches
des Rückstands nicht vor und hätten im Übrigen auch nie vorgelegen. Damit droht bereits nach Vortrag der Antragsteller keine
zeitnah bevorstehende Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit; ungeachtet des Umstandes, dass angesichts der engen familiären Beziehungen
zwischen der Vermieterin und dem Antragsteller zu 1. ohnedies erwartet werden kann, dass von einer strengen Durchsetzung der
Ansprüche auf Mietzins, ggf. sogar im Wege einer Räumungsklage, jedenfalls für einen überschaubaren Zeitraum abgesehen wird.
Nachdem es damit durchgehend an einem Anordnungsgrund gefehlt hat und weiterhin fehlt und dementsprechend zu keiner Zeit eine
hinreichende Erfolgsaussicht bestanden hat, hat das SG zu Recht auch den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt und ist die Beschwerde auch insoweit zurückzuweisen.
Aus denselben Gründen ist auch der Antrag auf Gewährung von PKH für das Beschwerdeverfahren abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG in entsprechender Anwendung.
Dieser Beschluss ist nach §
177 SGG nicht anfechtbar.