Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von weiteren Leistungen nach dem SGB II aufgrund eines von der Klägerin geltend gemachten Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II für die ihr infolge einer Methadon-Substitutionsbehandlung entstehenden Fahrtkosten streitig.
Der Beklagte bewilligte der in W. lebenden Klägerin durch Bescheid vom 04.04.2017 für den Zeitraum von Mai 2017 bis April
2018 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Höhe von monatlich 653,40 EUR (409,00 EUR Regelbedarf + 9,41 EUR
Mehrbedarf für die Warmwassererzeugung + 234,99 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung).
Mit Anträgen vom 15.05.2017 und vom 19.06.2017 begehrte die Klägerin eine "Fahrtkostenerstattung" wegen ihrer seit dem 13.04.2017
in P. stattfindenden Methadon-Substitutionsbehandlung. Diese Behandlung finde täglich statt. Die einfache Wegstrecke betrage
23,6 km. Sie benötige entweder eine Monatskarte für den öffentlichen Personennahverkehr oder die Erstattung der ihr entstehenden
Benzinkosten.
Der Beklagte lehnte durch Bescheid vom 22.06.2017 die Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen der Fahrkosten der Klägerin nach
P. ab. Der Mehrbedarf der Klägerin sei nicht unabweisbar, weil er durch Leistungen der Krankenkasse gedeckt werden könne.
Durch Änderungsbescheid vom 21.07.2017 bewilligte der Beklagte der Klägerin für Juni 2017 Leistungen in Höhe von insgesamt
882,00 EUR und für Juli 2017 Leistungen in Höhe von insgesamt 715,89 EUR. Die im Vergleich zum Bescheid vom 04.04.2017 höheren
Leistungen resultierten aus der Anerkennung eines Mehrbedarfs für die der Klägerin entstehenden Fahrtkosten zur Wahrnehmung
des Umgangsrechts mit ihrer Tochter und der teilweisen Aufnahme der Tochter in die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin.
Gegen die Ablehnung der Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen der Fahrtkosten zur Methadon-Substitutionsbehandlung erhob die
Klägerin Widerspruch und verwies auf die Notwendigkeit der täglichen Behandlung. Sie legte diesbezüglich eine Bescheinigung
des sie behandelnden Facharztes für Psychotherapeutische Medizin F. vor. Im Weiteren legte die Klägerin den Bescheid ihrer
Krankenkasse vom 11.10.2017 über die Ablehnung der Fahrtkostenerstattung hinsichtlich der Methadon-Substitutionsbehandlung
sowie den deshalb erhobenen Widerspruch vor.
Aufgrund der der Klägerin wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts mit ihrer Tochter entstehenden Fahrtkosten und der teilweisen
Aufnahme der Tochter in die Bedarfsgemeinschaft ergingen mehrere Änderungsbescheide, durch welche höhere Leistungen bewilligt
wurden:
Änderungsbescheid Zeitraum Leistungshöhe 14.09.2017 August 2017 929,40 EUR 09.10.2017 September 2017 und Oktober 2017 702,14
EUR 729,62 EUR 14.11.2017 November 2017 708,32 EUR 16.11.2017 November 2017 743,32 EUR 19.01.2018 Dezember 2017 und Januar
2018 756,14 EUR 726,39 EUR 14.02.2018 Februar 2018 726,40 EUR 21.03.2018 März 2018 698,76 EUR 06.06.2018 April 2018 726,60
EUR
Mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 25.11.2017 berücksichtigte der Beklagte die Erhöhung der Regelleistung im Zeitraum
Januar bis April 2018 auf monatlich 416,00 EUR.
Der Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin wegen der Ablehnung eines Mehrbedarfs aufgrund der wegen der Methadon-Substitutionsbehandlung
entstehenden Fahrtkosten durch Widerspruchsbescheid vom 28.02.2018 unter Vertiefung seiner Ausführungen im Ausgangsbescheid
als unbegründet zurück.
Mit der deswegen zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhobenen Klage hat die Klägerin begehrt, ihr für den Zeitraum vom 01.05.2017 bis zum 30.04.2018 einen monatlichen
Mehrbedarf in Höhe von 306,00 EUR für die ihr wegen der Fahrten nach P. zur Methadon-Substitutionsbehandlung entstehenden
Kosten zu bewilligen.
Die Klägerin hat im erstinstanzlichen Verfahren den Widerspruchsbescheid ihrer Krankenkasse vom 18.07.2018 vorgelegt, mit
dem ihr Widerspruch gegen die Ablehnung der Fahrtkostenübernahme zurückgewiesen worden ist.
Das SG Karlsruhe hat den die Klägerin behandelnden Facharzt für Psychotherapeutische Medizin F. als sachverständigen Zeugen
angehört. Er hat unter dem 11.06.2018 bestätigt, dass sich die Klägerin seit dem 13.07.2017 bis zum Zeitpunkt der Zeugenaussage
bei ihm zur Methadon-Substitution täglich in Behandlung befindet.
Zur Klagebegründung hat die Klägerin auf mehrere sozialgerichtliche Urteile hingewiesen, nach welchen die Fahrtkosten zur
Methadon-Substitutionsbehandlung einen Mehrbedarf begründeten. Die Behandlung sei für sie zwingend notwendig. Bei den täglichen
Fahrten zur Behandlung lege sie insgesamt 52 km zurück. Bei 30 Tagen ergebe sich demnach unter Berücksichtigung der Kilometerpauschale
für Berufstätige von 0,20 EUR/km ein Betrag in Höhe von 306,00 EUR. Eine Monatsfahrkarte für den öffentlichen Personennahverkehr
würde 97,50 EUR kosten. Jedoch wäre der Zeitaufwand bei der Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs erheblich höher.
Der Widerspruchsbescheid ihrer Krankenkasse sei wohl zutreffend. Es sei ihr nicht zumutbar, hiergegen eine offensichtlich
aussichtlose Klage zu erheben.
Der Beklagte hat unter Bekräftigung seiner Ausführungen im Widerspruchsbescheid und unter Betonung, dass die Klägerin einen
Anspruch auf Fahrtkostenerstattung gegen ihre Krankenkasse habe, den sie gerichtlich durchsetzen müsse, die Abweisung der
Klage beantragt.
Das SG Karlsruhe hat den Beklagten durch Urteil vom 20.08.2018 unter Aufhebung des Bescheides vom 22.06.2017 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2018 verpflichtet, der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 04.04.2017 in der
Gestalt der Bescheide vom 21.07.2017, vom 14.09.2017, vom 09.10.2017, vom 14.11.2017, vom 16.11.2017, vom 25.11.2017, vom
19.01.2018, vom 14.02.2018 und vom 21.03.2018 weiteres Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.05.2017 bis zum 30.04.2018
in Höhe von monatlich 306,00 EUR zu bewilligen. Wegen der täglichen Fahrten zur Methadon-Substitutionsbehandlung sei der Klägerin
ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf nach § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II entstanden. Der Bedarf sei laufend, weil die Klägerin täglich zur Behandlung nach P. müsse. Es handle sich auch um einen
besonderen Bedarf, weil die der Klägerin entstehenden Kosten in Höhe von 306,00 EUR den in der Regelleistung berücksichtigten
Betrag für "Verkehr" erheblich überstiegen. Schließlich sei der Bedarf auch unabweisbar. Die Klägerin habe keinen Anspruch
wegen der Fahrtkosten gegenüber ihrer Krankenkasse. Gesetzlich sei die Klägerin nicht verpflichtet gewesen (§§ 5 Abs. 3 Satz 1, 12a Satz 1 SGB II), Klage gegen ihre Krankenkasse zu erheben.
Gegen das Urteil des SG Karlsruhe hat der Beklagte am 06.09.2018 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg
erhoben.
Zur Berufungsbegründung macht der Beklagte geltend, die von der Klägerin begehrte Fahrtkostenerstattung sei dem System der
gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen. Durch die Zugehörigkeit zur gesetzlichen Krankenkasse sei der Anspruch der Klägerin
auf Existenzsicherung im gesundheitlichen Bereich abgedeckt. Im Weiteren sei der Klägerin die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel
zumutbar. Eine entsprechende Monatskarte habe im streitgegenständlichen Zeitraum 97,50 EUR gekostet.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.08.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG Karlsruhe für zutreffend. Bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel würde ihr eine tägliche
Fahrzeit von 2 Stunden entstehen, wogegen die Fahrtzeit mit dem Pkw lediglich 1 Stunde betrage. Im Hinblick auf die monatliche
Zeitersparnis und dem Ziel ihrer Eingliederung in Arbeit, das durch die langen Fahrzeiten gefährdet werde, sei demnach die
Nutzung des Pkw erforderlich.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 28.11.2019 hat die Klägerin ausgeführt, wegen einer Erkrankung ihres Knies könne
sie nur sehr eingeschränkt Strecken zu Fuß zurücklegen und öffentliche Verkehrsmittel nicht nutzen. Sie habe sich im Sommer
2019 wegen dieser Erkrankung in ärztlicher Behandlung befunden.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerechte (§
151 SGG) und auch statthafte (§§
143,
144 SGG) Berufung des Beklagten, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden
kann (§§
153 Abs.
1,
124 Abs.
2 SGG), ist zulässig und insoweit begründet, als das SG Karlsruhe den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22.06.2017 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2018 verpflichtet hat, der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 04.04.2017
in der Gestalt der Bescheide vom 21.07.2017, vom 14.09.2017, vom 09.10.2017, vom 14.11.2017, vom 16.11.2017, vom 25.11.2017,
vom 19.01.2018, vom 14.02.2018 und vom 21.03.2018 weiteres Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.05.2017 bis zum 30.04.2018
in Höhe von monatlich mehr als 97,50 EUR zu bewilligen. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG Karlsruhe vom 20.08.2018 sowie der Bescheid vom 22.06.2017 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2018. Der Beklagte verfolgt im Berufungsverfahren die Aufhebung des Urteils des
SG Karlsruhe und die Abweisung der von der Klägerin erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach §§
54 Abs.
1 Satz 1 Alt. 1, Abs.
4,
56 SGG (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 28.11.2018 - B 14 AS 48/17 R - juris, Rn. 9), mit der sie unter Aufhebung des Bescheides vom 22.06.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
28.02.2018 die Abänderung des Bescheides vom 04.04.2017 in der Gestalt der nachfolgenden Änderungsbescheide und die Verurteilung
des Beklagten zur Gewährung weiterer Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 306,00 EUR begehrt. Das SG Karlsruhe ist unzutreffend von einer kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs-
und Leistungsklage nach §§
54 Abs.
1 Satz 1 Alt. 1 und 3, Abs.
4,
56 SGG ausgegangen. Eine solche Klage ist nur dann die statthafte Klageart, wenn ein Anspruch nach § 44 SGB X und nicht wie vorliegend nach § 48 SGB X geltend gemacht wird (vgl. BSG, Urteil vom 28.11.2018 - B 14 AS 48/17 R - juris, Rn. 9).
Die Berufung des Beklagten ist teilweise begründet. Die Klägerin hat im Zeitraum von Mai 2017 bis April 2018 entgegen dem
Urteil des SG Karlsruhe nur einen Anspruch auf die Bewilligung weiterer monatlicher Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 97,50 EUR.
Rechtsgrundlage des Anspruchs der Klägerin auf Abänderung des für den Zeitraum vom 01.05.2017 bis zum 30.04.2018 ergangenen
Bescheids vom 04.04.2017 in der Gestalt der Bescheide vom 21.07.2017, vom 14.09.2017, vom 09.10.2017, vom 14.11.2017, vom
16.11.2017, vom 25.11.2017, vom 19.01.2018, vom 14.02.2018, vom 21.03.2018 und vom 06.06.2018 (letzteren hat das SG Karlsruhe
nicht berücksichtigt) ist § 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 3 SGB II in der vom 01.01.2017 bis zum 31.07.2019 geltenden Fassung in Verbindung mit § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB X in Verbindung mit §
330 Abs.
3 Satz 1
SGB III in der ab dem 01.04.2012 geltenden Fassung (vgl. Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.12.2010 -
L 13 AS 1673/09 - juris, Rn. 18). Demnach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes
mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Der Verwaltungsakt ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn die Änderung zugunsten des
Betroffenen erfolgt. Die Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlage sind zugunsten der Klägerin im Hinblick auf die ihr wegen
der Methadon-Substitutionsbehandlung entstehenden Fahrtkosten in Höhe von monatlich 97,50 EUR gegeben.
1. Der Bescheid vom 04.04.2017 über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von Mai 2017 bis April 2018 in der Gestalt der nachfolgenden Änderungsbescheide ist ein Verwaltungsakt mit
Dauerwirkung (vgl. Brandenburg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., Stand: 01.12.2017, § 48, Rn. 54).
2. In den dem Bescheid vom 04.04.2017 bei seinem Erlass zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnissen ist zugunsten der Klägerin
nach seinem Erlass eine wesentliche Änderung eingetreten. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen
Verhältnissen ist gegeben, wenn der Verwaltungsakt von der Behörde nach den nunmehr vorliegenden Verhältnissen so nicht mehr
erlassen werden dürfte (vgl. Brandenburg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., Stand: 01.12.2017, § 48, Rn. 67). Die Klägerin hat aufgrund der seit dem 13.04.2017 täglich in P. erfolgenden Methadon-Substitutionsbehandlung einen
Anspruch auf weitere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 97,50 EUR. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II.
a) Der Anspruch nach § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II ist hingegen kein eigenständiger Streitgegenstand, sondern Bestandteil der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts
(vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - juris, Rn. 11). Mit dem ausdrücklich auf die Bewilligung von Leistungen wegen der Fahrtkosten beschränkten Begehren hat
die Klägerin den Streitgegenstand zulässig auf die Regelleistung beschränkt. Die Leistungen für die Kosten der Unterkunft
und Heizung sind demnach nicht Gegenstand des Verfahrens (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - juris, Rn. 11).
b) Den unabhängig von den Fahrtkosten zur Methadon-Substitutionsbehandlung eingetreten Änderungen seit Erlass des Bescheides
vom 04.04.2017 wegen der Fahrtkosten der Klägerin zur Wahrnehmung des Umgangsrechts mit ihrer Tochter und der zeitweisen Aufnahme
der Tochter in die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin hat der Beklagte durch Erlass der Änderungsbescheide vom 21.07.2017, vom
14.09.2017, vom 09.10.2017, vom 14.11.2017, vom 16.11.2017, vom 19.01.2018, vom 14.02.2018, vom 21.03.2018 und vom 06.06.2018
Rechnung getragen. Die Erhöhung der Regelleistung ab dem 01.01.2018 hat der Beklagte durch den Änderungsbescheid vom 25.11.2017
berücksichtigt. Gegenüber diesen Änderungsbescheiden hat die Klägerin keine Einwendungen erhoben. Auch dem Senat sind keine
Anhaltspunkte für eine unzutreffende Berücksichtigung des diesbezüglichen Bedarfs der Klägerin ersichtlich.
c) Die Klägerin hat wegen der täglichen Fahrten zur Methadon-Substitutionsbehandlung von W. nach P. einen unabweisbaren, laufenden,
nicht nur einmaligen besonderen Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II.
aa) Der Bedarf ist laufend und nicht nur einmalig. Nach der im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Aussage des die Klägerin
behandelnden Facharztes für Psychotherapeutische Medizin F. ist seit dem 13.04.2017 eine tägliche Methadon-Substitution erforderlich.
bb) Die Fahrtkosten stellen auch einen besonderen Bedarf dar. Ein besonderer Bedarf ist dann gegeben, wenn die Bedarfslage
eine andere ist, als die, die bei typischen Empfängern von Grundsicherungsleistungen vorliegt. Es muss daher ein Mehrbedarf
im Verhältnis zum "normalen" Regelbedarf gegeben sein (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - juris, Rn. 16). Die der Klägerin wegen der Methadon-Substitutionsbehandlung täglich entstehenden Fahrtkosten gehen in
dieser Häufigkeit weit über den "normalen" Regelbedarf hinaus. Dem "normalen" Empfänger von Leistungen nach dem SGB II entstehen nicht täglich Fahrtkosten wegen einer ärztlichen Behandlung (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.03.2015
- L 6 AS 1926/14 - juris, Rn. 20). In dem der Klägerin bewilligten Regelbedarf waren zwar im Jahr 2017 für Verkehr ein Betrag von 32,90 EUR
(§ 5 Abs. 1 Abteilung 7 RBEG) und im Jahr 2018 ein Betrag in Höhe von 33,44 EUR (§ 1 RBSFV 2018) berücksichtigt. Dieser Bedarf
beinhaltet jedoch lediglich die "allgemeine" Mobilität der Klägerin und nicht den vorliegenden Sonderfall der täglichen Fahrten
zu einer ärztlichen Behandlung.
cc) Der Mehrbedarf der Klägerin wegen der Methadon-Substitutionsbehandlung ist auch unabweisbar. Nach § 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II ist der Mehrbedarf unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von
Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf
abweicht.
(1) Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der Mehrbedarf der Klägerin nicht durch Zuwendungen Dritter, durch Leistungen der
gesetzlichen Krankenkasse der Klägerin, gedeckt.
Die gesetzliche Krankenversicherung der Klägerin hat im streitgegenständlichen Zeitraum keine Leistungen für die Fahrtkosten
wegen der Methadon-Substitutionsbehandlung erbracht. Sie hat den entsprechenden Antrag der Klägerin durch Bescheid vom 11.10.2017
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2018 abgelehnt.
Die Ablehnung der Leistungserbringung durch die gesetzliche Krankenkasse der Klägerin ist auch zu Recht erfolgt. Zwar gehören
nach §
60 SGB V auch Fahrtkosten zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der
Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Fahrtkosten zu ambulanten Behandlungen (um die es hier geht)
werden nach §
60 Abs.
1 Satz 3
SGB V aber nur in besonderen Ausnahmefällen, die der gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
12 SGB V (Krankentransportrichtlinien) festgelegt hat, erstattet. Ein in §
8 der Krankentransportrichtlinien festgelegter Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung
kommt von vornherein nicht für allgemeine Fahrtkosten, die im Zusammenhang mit einer ambulanten medizinischen Behandlung entstehen,
auf (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.02.2016 - L 7 AS 1681/15 B - juris, Rn. 11).
Demnach war es der Klägerin auch nicht zumutbar, gegen den ablehnenden Bescheid ihrer Krankenkasse vom 11.10.2017 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2018 eine offensichtlich aussichtslose Klage zu erheben.
(2) Auch unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten war der Fahrtkostenbedarf der Klägerin nicht gedeckt. Der Einsatz
der im Regelbedarf berücksichtigten Ansparbeträge zur Finanzierung der Fahrtkosten zur Methadon-Substitutionsbehandlung würde
zu einer Aufzehrung dieser Ansparbeträge und demnach zu einer ständigen Unterdeckung dieser Bedarfspositionen führen. Darüber
hinaus kommt eine "Umschichtung" von in der Regelleistung für die einzelnen Bedarfspositionen berücksichtigten Beträgen nur
dann in Betracht, wenn auch der Bedarf, der durch die "Umschichtung" finanziert werden soll, grundsätzlich vom Regelbedarf
umfasst ist (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - juris, Rn. 20). Tägliche Fahrtkosten zu einer ärztlichen Behandlung sind jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht Bestandteil
der Regelleistung.
(3) Der Unabweisbarkeit des Bedarfs der Klägerin wegen der Fahrtkosten zur Methadon-Substitutionsbehandlung steht auch nicht
die Trennung der Leistungssysteme der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der gesetzlichen Krankenversicherung entgegen.
Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, ist zu unterscheiden zwischen dem Fall, in dem der Ausfall der Bedarfsdeckung durch die gesetzliche
Krankenversicherung aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung des Versicherten zur Zuzahlung oder vorläufigen/endgültigen Tragung
eines Eigenanteils, wie etwa nach §
29 Abs.
2 SGB V für die kieferorthopädische Versorgung, erfolgt und dem Fall, dass dem Leistungsberechtigten durch eine medizinisch notwendige
Behandlung deswegen regelmäßig Kosten entstehen, weil Leistungen der Krankenversicherung etwa wegen ihres geringen Abgabepreises,
aus sonstigen Kostengründen oder aus systematischen/sozialpolitischen Gründen von der Versorgung nach dem
SGB V ausgenommen werden. In ersterem Fall sieht §
62 SGB V auch für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II eine Zuzahlung bis zur Belastungsgrenze vor und §
29 Abs.
2 SGB V fordert den Eigenanteil an der kieferorthopädischen Versorgung als Vorleistung des Versicherten bis zum endgültigen Abschluss
der Behandlung ohne Ausnahme. SGB II-Leistungsempfänger haben demnach Zuzahlungen und die Vorleistung des Eigenanteils aus dem Regelbedarf zu erbringen. Werden,
wie im zweiten Fall, Aufwendungen für eine medizinisch notwendige Behandlung aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung
ausgeschlossen, kann aber grundsätzlich ein Anspruch auf eine Mehrbedarfsleistung entstehen (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - juris, Rn. 22).
Der grundsätzliche Ausschluss der Übernahme der Fahrtkosten der Klägerin zur ambulanten ärztlichen Behandlung nach P. ist
entsprechend der Rechtsprechung des BSG der zweiten Fallgruppe zuzuordnen, so dass ein Anspruch auf Mehrbedarfsleistung nach dem SGB II nicht ausgeschlossen ist.
dd) Der Anspruch der Klägerin nach § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II besteht jedoch, entgegen der Ansicht des SG Karlsruhe, nicht in einem Umfang von monatlich 306,00 EUR, der Kosten, die der
Klägerin bei der Nutzung ihres Pkw entstehen, sondern lediglich in einem Umfang von monatlich 97,50 EUR, den Kosten für eine
Monatsfahrkarte im öffentlichen Personennahverkehr.
Sowohl die Klägerin als auch der Beklagte haben die Kosten für eine Monatsfahrkarte in dieser Höhe beziffert. Auf eine Nachfrage
des Gerichts bei den zuständigen Verkehrsbetrieben im November 2019 wurde der Preis für eine Monatsfahrkarte im November 2019
mit 100,00 EUR beziffert. Im Hinblick auf die seit dem streitgegenständlichen Zeitraum Mai 2017 bis April 2018 eingetretene
Preissteigerung sind demnach die Angaben der Klägerin und des Beklagten zutreffend.
Der Klägerin ist die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs auch zumutbar. Eine Fahrplanabfrage des Gerichts im November
2019 (www.kvv.de) ergab, auch am Wochenende, eine einfache Fahrtzeit von der Wohnung der Klägerin bis zur Arztpraxis des Facharztes
für Psychotherapeutische Medizin F. von ca. 1 Stunde. Für eine wesentlich schlechtere Verbindung im streitgegenständlichen
Zeitraum ergeben sich keine Anhaltspunkte. Dies wurde von den Beteiligten insbesondere auch im Termin zur Erörterung des Sachverhalts
nicht geltend gemacht.
Die Klägerin hat zwar im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vorgebracht, sie könne wegen der Erkrankung ihres Knies Strecken
zu Fuß nur sehr eingeschränkt zurücklegen. Für den streitgegenständlichen Zeitraum ist dies jedoch unerheblich. Die Klägerin
hat im Antrag vom 15.05.2017 und in der Klageschrift vom 26.03.2018 selbst die Kosten einer Monatsfahrkarte als Mindestanspruch
geltend gemacht. Demnach war ihr zu diesen Zeitpunkten die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel auch aus gesundheitlichen Gründen
möglich. Auch hat die Klägerin im Termin zur Erörterung des Sachverhalts angegeben, sich erstmals im Sommer 2019 und damit
mehr als ein Jahr nach dem streitgegenständlichen Zeitraum wegen der Erkrankung ihres Knies in ärztliche Behandlung begeben
zu haben. Darüber hinaus hat die Klägerin an ihrem Wohnort lediglich einen Fußweg von ca. 7 Minuten und in P. von ca. 2 Minuten
zurückzulegen.
Auch die Eingliederung der Klägerin in den Arbeitsmarkt steht, jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum, der Nutzung
öffentlicher Verkehrsmittel nicht entgegen. Es ist nicht ersichtlich und auch von der Klägerin nicht vorgebracht, dass im
streitgegenständlichen Zeitraum wegen der im Vergleich zur Nutzung eines Pkw längeren Fahrtzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln
die Eingliederung der Klägerin in den Arbeitsmarkt beeinträchtigt gewesen wäre.
3. Der Anspruch der Klägerin auf weitere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 97,50 EUR besteht ab dem 01.05.2017, da die Änderung zu ihren Gunsten erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 3 SGB II in der vom 01.01.2017 bis zum 31.07.2019 geltenden Fassung in Verbindung mit §
330 Abs.
3 Satz 1
SGB III).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und berücksichtigt das teilweise Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG nicht vorliegen. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG. Vom Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache geht das BSG aus, wenn sich eine Rechtsfrage stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht
zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit) (vgl. BSG, Beschluss vom 30.08.2004 - B 2 U 401/03 B - juris, Rn. 2). Diese Voraussetzungen liegen, auch wenn - soweit ersichtlich - zur Frage, ob wegen der Fahrtkosten zu einer
Methadon-Substitutionsbehandlung ein Anspruch nach § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II besteht, noch keine Entscheidung des BSG ergangen ist, nicht vor. Im Hinblick auf die Ausführungen des BSG im Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - liegt keine klärungsbedürftige Rechtsfrage vor.