Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bei psychischen Erkrankungen; Abgrenzung zu einer Akuterkrankung; Beweiskraft
eines Empfangsbekenntnisses im sozialgerichtlichen Verfahren
Tatbestand
Der Kläger begehrt Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Der 1955 in I. geborene Kläger ist seit August 1972 in Deutschland wohnhaft. Er verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung.
Von 1979 bis Ende September 2008 war der Kläger zuletzt als Arbeiter in der chemischen Industrie bzw. Staplerfahrer versicherungspflichtig
beschäftigt. Bis 16.10.2011 bezog der Kläger Krankengeld und Arbeitslosengeld I. Seither bezieht er keine Leistungen und ist
auch nicht arbeitslos gemeldet.
Der Kläger besitzt seit dem 01.01.1998 einen anerkannten Grad der Behinderung von 50. Mit Bescheid vom 22.09.2015 wurde ihm
eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 01.12.2015 bewilligt.
Vom 15.09.2008 bis 06.10.2008 befand sich der Kläger in einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der H.-E.-Klinik
in Bad S. auf Grund seiner Diabeteserkrankung. Der Kläger wurde hieraus als erwerbsfähig für körperlich leichte bis mittelschwere
Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem zeitlichen Umfang von täglich sechs Stunden
und mehr entlassen.
Am 18.05.2010 beantragte der Kläger die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Zur Begründung gab er an, seit 2006 wegen
seiner steifen rechten Hand auf Grund eines Operationsfehlers, Beschwerden an der rechten Schulter sowie Diabetes allenfalls
in der Lage zu sein, leichte Tätigkeiten bis zu drei Stunden täglich zu verrichten.
Die Beklagte zog daraufhin u. a. ärztliche Unterlagen bei und ließ den Kläger auf Anregung von Dr. P. (Gutachten vom 30.06.2010)
mehrfachärztlich begutachten. Die Fachärztin für Chirurgie, Plastische Chirurgie und Sozialmedizin Z. stellte in ihrem Gutachten
vom 21.09.2010 auf Grund der ambulanten Untersuchung am 05.08.2010 folgende Diagnosen:
1. Mittel- bis hochgradige Funktionseinschränkung der rechten Handwurzel und des Handgelenks bei Zustand nach mehrfacher Kahnbein-OP,
Abtragen von Exostosen sowie Glättungsoperation bei röntgenologischer Arthrose des Handgelenks mit Entkalkungszeichen des
Knochens sowie noch einliegender Schraube bei persistierender Falschgelenkbildung des Kahnbeins, wahrscheinlich Zustand nach
Algodystrophie
2. Mittelgradige Funktionsstörung des rechten Schultergelenks ohne aktuellen Reizzustand
3. Zeichen einer leichten Muskelminderung des Deltamuskels sowie geringer Sensibilitätsabschwächung über dem Deltamuskel rechts
als Zeichen einer Irritation des Nervus axillaris
4. LWS-Syndrom mit allenfalls leichten funktionellen Einschränkungen ohne Zeichen der Wurzelkompression, röntgenologisch ohne
wesentliche degenerative Veränderungen
5. HWS-BWS-Syndrom mit leichten funktionellen Einschränkungen ohne Zeichen der Wurzelreizung bei röntgenologisch degenerativen
Veränderungen des Halswirbels 5/6
6. Schmerzen in beiden Kniegelenken ohne funktionelle Einschränkungen und ohne aktuelle Reizzeichen.
Trotz der genannten Diagnosen sei der Kläger in der Lage, leichte Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung und überwiegend
im Sitzen, Gehen und Stehen in Früh- und Spätschicht zumindest sechs Stunden täglich zu verrichten. Auszuschließen seien Wirbelsäulenzwangshaltungen
sowie häufiges Bücken und länger dauerndes Hocken sowie das Ersteigen von Leitern und Gerüsten. Tätigkeiten mit Absturzgefahr,
über der Horizontalen und mit der Erforderlichkeit länger dauernder Armvorhalte für den rechten Arm seien auf Grund der bestehenden
Beschwerden nicht zumutbar. Das gleiche gelte für Überkopfarbeiten, Tätigkeiten mit erhöhter Anforderung an die Kraft sowie
an die feinmotorische Fertigkeit der rechten Hand.
In seinem Gutachten vom 29.09.2010 (auf Grund der Untersuchung am 05.08.2010) teilte der Arzt für Innere Medizin, Sportmedizin,
Sozialmedizin, Rehabilitationswesen Dr. M. neben den zuvor genannten Diagnosen zusätzlich nachfolgende Diagnosen mit:
1. Blutzuckererkrankung mit Insulin therapiert, nicht optimal eingestellt mit beginnender diabetischer Retinopathie als einzige
Sekundärschädigung.
2. Bluthochdruckerkrankung, regelrecht eingestellt.
Zusammenfassend kam Dr. M. - unter Berücksichtigung der von der Chirurgin Z. mitgeteilten Befunde und Diagnosen - zu der Einschätzung,
dass leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes weiterhin täglich sechs Stunden und mehr unter Berücksichtigung
qualitativer Leistungseinschränkungen möglich seien.
Mit Bescheid vom 19.10.2010 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab, da dieser nach den vorliegenden Gutachten weder
voll noch teilweise erwerbsgemindert sei.
Hiergegen legte der Kläger am 08.11.2010 Widerspruch ein, den er im Wesentlichen mit einer gutachterlichen Äußerung des Ärztlichen
Dienstes der Bundesagentur für Arbeit (Dr. R.) vom 30.04.2010 begründete. Hiernach sei der Kläger voraussichtlich länger als
sechs Monate leistungsunfähig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger sei noch in der Lage, eine Erwerbstätigkeit
von mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Da er auf Grund der von ihm zuletzt ausgeübten
versicherungspflichtigen Beschäftigung als Staplerfahrer keinen Berufsschutz genieße, scheide auch eine teilweise Erwerbsminderung
bei Berufsunfähigkeit aus.
Hiergegen richtete sich die am 28.02.2011 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage. Die Beklagte habe insbesondere die orthopädisch bedingten Einschränkungen seines Leistungsvermögens nicht
hinreichend gewürdigt. Überdies seien im laufenden Klageverfahren psychische Beeinträchtigungen hinzugekommen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG erhob Beweis durch Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte des Klägers. Der Facharzt für Allgemeinmedizin
und Sportmedizin Dr. F. teilte in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 26.06.2011 mit, dass der Schwerpunkt der leistungsmindernden
Faktoren auf internistischem sowie chirurgisch/orthopädischem Fachgebiet liege. Nach seiner Einschätzung sei der Kläger unter
Berücksichtigung der von ihm erhobenen Befunde in der Lage, leichte Tätigkeiten unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen
auszuführen. Facharzt für Chirurgie/Gefäßchirurgie und Orthopädie Dr. J. teilte in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom
06.07.2011 mit, dass leichte körperliche Tätigkeiten nur unter sechs Stunden pro Tag möglich seien. Der Schwerpunkt der leistungsmindernden
Faktoren liege auf dem Fachgebiet der Orthopädie/Chirurgie.
Das SG verfügte daraufhin die Begutachtung des Klägers auf unfallchirurgisch-orthopädischem Fachgebiet durch Dr. B.. Dieser stellte
in seinem Gutachten vom 14.02.2012 auf Grund der ambulanten Untersuchung vom 18.01.2012 folgende Diagnosen:
1. Mittel- bis hochgradige Funktionseinschränkungen des rechten Handgelenks bei Kahnbeinpseudarthrose und posttraumatischer
Handgelenksarthrose, vermutlich Zustand nach Algodystrophie.
2. Mittelgradige Funktionsstörung des rechten Schultergelenks nach Supraspinatussehnenruptur und entsprechender Naht.
3. Zeichen einer leichten Muskelminderung des Deltamuskels rechte Schulter als Zeichen einer Irritation des Nervus axillaris.
4. HWS-/BWS-/LWS-Syndrom mit allenfalls leichten funktionellen Einschränkungen ohne Zeichen einer Wurzelkompression bei radiologisch
nur mäßigen degenerativen Veränderungen.
5. Schmerzen beide Kniegelenke ohne funktionelle Einschränkungen und ohne Reizzeichen.
Der Kläger sei noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten zwischen drei bis weniger als sechs Stunden täglich zu verrichten.
Mit Schreiben vom 05.04.2012 nahm die Ärztin für Orthopädie und Sozialmedizin, Dr. H. für die Beklagte zu dem Gutachten von
Dr. B. Stellung. Dem Gutachten von Dr. B. könne hinsichtlich seiner Leistungseinschätzung nicht gefolgt werden. Unter Berücksichtigung
der mitgeteilten Befunde und Diagnosen seien weiterhin leichte bis mittelschwere Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen vollschichtig möglich.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21.05.2012 teilte Dr. B. mit, dass der Einschätzung von Dr. H. in ihrer Stellungnahme
vom 05.04.2012 zu folgen sei. Der Kläger sei in der Lage, sechs Stunden täglich und eventuell länger einer geregelten Arbeit
nachzukommen.
Auf den Klagerücknahmehinweis des Gerichts teilte der Kläger mit Schreiben vom 07.09.2012 mit, dass bei ihm zwischenzeitlich
eine Angststörung diagnostiziert worden sei. Er befinde sich diesbezüglich in ärztlicher Behandlung bei seinem Hausarzt Dr.
F.. Dieser habe ihm zunächst Antidepressiva verordnet. Nachdem diese nicht zu dem erhofften Erfolg geführt hätten, erfolge
nunmehr eine neurologische Abklärung bei dem Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B..
Das SG ordnete daraufhin eine sachverständige Zeugenauskunft von Dr. B. an. In seiner Auskunft vom 18.09.2012 berichtete dieser
von einer einmaligen Konsultation am 03.09.2012. Der Kläger habe über heftige Schlafstörungen, Antriebsminderungen und innere
Unruhe im Sinne einer endogenen Depression geklagt. Es sei daher die Diagnose einer Depression zu stellen.
Das SG beauftragte daraufhin Prof. Dr. E. mit der psychiatrischen Begutachtung des Klägers. Dieser diagnostizierte beim Kläger in
seinem Gutachten vom 11.12.2012 aufgrund der ambulanten Untersuchung am 04.12.2012 eine depressive Episode mit somatischem
Syndrom. Der Kläger könne noch regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Aufgrund des akuten Zustands sei er jedoch aktuell
als arbeitsunfähig erkrankt anzusehen. Bei Fortschreibung des aktuellen Befundes sei der Kläger dauerhaft noch drei bis weniger
als sechs Stunden leistungsfähig. Es könne auch von einem akuten Krankheitsbild mit Arbeitsunfähigkeit, das sich nach Therapie
bessern könnte, ausgegangen werden.
In ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 10.01.2013 ging Dr. H. vom Ärztlichen Dienst der Beklagten davon aus, dass
die derzeitige gesundheitliche Störung behandelbar sei und damit nicht zwangsweise zu einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit
über sechs Monate führe. Es bestehe allenfalls Arbeitsunfähigkeit.
In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 13.02.2013 bestätigte Prof. Dr. E., dass eine quantitative Leistungseinschränkung
nur aktuell vorliege. Er könne nicht einschätzen, ob eine dauerhafte Leistungsbeeinträchtigung über sechs Monate gegeben sei.
Das bislang vorliegende akute Krankheitsbild könne sich unter adäquater Therapie auch rasch und damit innerhalb von wenigen
Wochen bessern.
In seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 11.03.2013 teilte der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Suchtmedizin
Dr. N., Ärztlicher Dienst der Beklagten, mit, dass die von Prof. Dr. E. getroffenen Aussagen letztlich nicht verwertbar seien,
da ohne eine saubere Diagnostik und eine nachvollziehbare Herleitung im Grunde genommen keine Aussage zu einer quantitativen
Leistungseinschätzung erfolgen könne.
Mit Urteil vom 25.07.2013 verurteilte das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.01.2011 dem Kläger
- ausgehend von einem Leistungsfall im Dezember 2012 - eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.07.2013
bis zum Ablauf des März 2014 zu bewilligen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die orthopädischen und internistischen
Beschwerden des Klägers würden für sich genommen eine quantitative Leistungsminderung des Klägers nicht bedingen. Dies ergebe
sich aus der Leistungseinschätzung der Gutachter im Verwaltungsverfahren sowie der Beurteilung des gerichtlich bestellten
Sachverständigen Dr. B.. Wegen der depressiven Erkrankung des Klägers sei die Kammer jedoch auf Grund des psychiatrischen
Gutachtens von Prof. Dr. E. zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nicht mehr vollschichtig leistungsfähig sei. Auf Grund
des Eindrucks der Kammer vom Kläger in der mündlichen Verhandlung sei die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger
auch nicht nur akut erkrankt sei, sondern dass die Erkrankung unverändert bestehe. Da nach dem Gutachten von Prof. Dr. E.
eine Verbesserung des Gesundheitszustandes des Klägers binnen eines Jahres möglich sei, sei die Erwerbsminderungsrente zu
befristen. Ausgehend von einem Leistungsfall im Dezember 2012 beginne die Rente damit im 7. Kalendermonat nach Eintritt der
Minderung der Erwerbsfähigkeit, mithin am 01.07.2013 und sei auf Ende März 2014 zu befristen.
Das Urteil wurde der Beklagten mittels Empfangsbekenntnis, das das Datum 06.09.2013 trägt, zugestellt. Als Empfangsdatum wurde
der 16.08.2013 notiert.
Gegen das nach Angaben der Beklagten ihr am 16.09.2013 zugestellte Urteil des SG richtet sich die am 26.09.2013 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobene Berufung der Beklagten. Das Gutachten
von Prof. Dr. E., auf welches sich das SG in seiner Urteilsfindung stütze, überzeuge nicht. So habe der Gutachter den Kläger als bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten
orientiert erlebt. Soweit der Kläger in der Auffassungsgabe leicht vermindert gewesen sein soll, sei nicht ausreichend dargestellt
und begründet worden, worauf sich dies stütze. Ebenso verhalte es sich mit der vom Gutachter benannten reduzierten Konzentrationsfähigkeit
des Klägers im Gespräch. Der Sachverständige habe die Angaben des Klägers unreflektiert übernommen und nicht kritisch gewürdigt
sowie die tatsächlich im Alltagsleben auftretenden Beeinträchtigungen nicht ausreichend dargestellt. Darüber hinaus seien
die Angaben von Prof. Dr. E. teilweise Mutmaßungen und Interpretationen. Auch ein richtiger Tagesablauf des Klägers sei vom
Gutachter nicht erfragt worden. Die Berufung sei im Übrigen auch zulässig. Die versehentlich gemachte Datumsangabe "16.08.2013"
werde insoweit widerrufen und auf das in der Berufungsschrift vom 26.09.2013 angegebene Datum "16.09.2013" berichtigt. Aus
den vorliegenden Akten ergebe sich eindeutig, dass das Urteil und die Niederschrift vom 25.07.2013 erst mit Schreiben des
SG vom 06.09.2013 übersandt worden sei. Dementsprechend trage auch das vom SG an die Beklagte gesandte Schreiben einen in den Zeitablauf passenden Eingangsstempel vom 16.09.2013. Insgesamt handele es
sich bei dem im Empfangsbekenntnis der Beklagten angegebenen Datum der Zustellung daher um eine offensichtliche Unrichtigkeit.
Die Beklagte beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25.07.2013 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Ausführungen des Prof. Dr. E. seien stimmig. Die Beklagte könne nicht wissen, welche Beobachtungen der Sachverständige
während der Untersuchung gemacht habe und ob er diese den subjektiven Angaben des Klägers gegenüber gestellt habe. Auch der
Tagesablauf des Klägers sei mit dem Sachverständigen erörtert worden.
Der Senat hat den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapeutische Medizin und Psychoanalyse K. C. M. mit einer
nervenärztlichen Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 22.01.2014 auf Grund der ambulanten
Untersuchung des Klägers am 16.01.2014 zu dem Ergebnis gekommen, dass kein sicherer Anhalt für eine psychische Störung vorhanden
sei. Kognitive Defizite seien simuliert worden. Das nach Angaben des Klägers eingenommene Antidepressivum habe sich im Serum
des Klägers nicht nachweisen lassen. Es sei lediglich eine diagnostische nicht einzuordnende sensible Störung im rechten Arm
feststellbar. Der Kläger sei daher seitens des nervenärztlichen Fachgebiets in der Lage, leichte Tätigkeiten an fünf Tagen
in der Woche auch acht Stunden täglich auszuüben.
Auf die Einwendungen des Klägervertreters hat der Gutachter mit Schreiben vom 24.04.2014 Stellung genommen. Er verbleibt bei
seinen Darstellungen im Gutachten, den dort gestellten Diagnosen und der sozialmedizinischen Einschätzung.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat der Senat darüber hinaus Dr. B., Universitätsklinikum Freiburg, mit der neurologischen
Begutachtung des Klägers beauftragt. In seinem fachneurologischen Gutachten vom 29.09.2015 unter Berücksichtigung eines neuropsychologischen
Zusatzgutachtens hat Dr. B. aufgrund der Untersuchung am 16.06.2015 folgende Diagnosen auf neurologischem Fachgebiet gestellt:
1. Leichte kognitive Einschränkung a. e. im Rahmen einer depressiven Störung
2. Leichtes Karpaltunnelsyndrom rechts
3. Leichte, klinisch asymptotische a. e. demyelisierende Neuropathie des N. medianus beidseits.
Da die im Vordergrund stehenden Einschränkungen des Leistungsvermögens des Klägers auf orthopädischem und psychiatrischem
sowie internistischem Fachgebiet lägen, sei aus neurologischer Sicht keine Aussage über eine Tätigkeit auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt möglich.
In seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 15.10.2015 hat Dr. N., Ärztlicher Dienst der Beklagten, Einwände gegen das
Gutachten erhoben. Da keine nachvollziehbare Anamnese mittels eines Dolmetscher erfolgt sei und auch kein psychopathologischer
Befund durch das neuropsychologische Gutachten hervortrete, sei ein ausreichender Beleg für ein nennungswertes Störungsbild
nicht abzuleiten. Da der Gutachter die Diagnose einer Depression selbst als fachfremd bezeichne, sei im Übrigen auch nicht
klar, inwieweit der Gutachter die Leistungseinschränkung mit der Depression in Beziehung setze.
Mit Schreiben vom 26.01.2016 sowie 01.02.2016 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche
Verhandlung (§§
153 Abs.
1,
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringen der Beteiligten wird im Übrigen auf die Sozialgerichtsakten
sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß §§
153 Abs.
1,
124 Abs.
2 SGG.
Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§
143,
144,
151 SGG statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufung ist insbesondere fristgerecht erhoben.
Gem. §
151 Abs.
1 SGG ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten
der Geschäftsstelle beim Landessozialgericht einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb
der Frist beim Sozialgericht eingelegt wird (§
151 Abs.
2 Satz 1
SGG).
Das angefochtene Urteil ist wirksam mit Empfangsbekenntnis zugestellt worden (§
63 Abs.
2 SGG in Verbindung mit §
174 Zivilprozessordnung <ZPO>) und zwar zur Überzeugung des Senats am 16.09.2013. Die Berufungsfrist begann somit am 17.09.2013 zu laufen (§
64 Abs.
1 SGG) und endete am 16.10.2013 (§
64 Abs.
2 SGG). Die am 26.09.2013 beim LSG eingegangene Berufung der Beklagten ist daher innerhalb der Frist erhoben worden.
Zwar hat der zuständige Sachbearbeiter der Beklagten im Empfangsbekenntnis "16.08.13" eingetragen; da es sich beim Empfangsbekenntnis
um eine öffentliche Urkunde im Sinne des §
418 ZPO handelt, ist damit grundsätzlich auch der volle Beweis dafür erbracht, dass der darin angegebene Zustellungszeitpunkt der
Wirklichkeit entspricht (stRspr., vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 08.07.2002, - B 3 P 3/02 R -, Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 30.06.2008, - L 1 U 3732/07 -; beide in [...]). Dies gilt freilich dann nicht, wenn die Urkunde Durchstreichungen, Radierungen, Einschaltungen oder sonstige
äußere Mängel aufweist, die nach der freien Beweiswürdigung des Gerichts die Beweiskraft der Urkunde ganz oder teilweise aufheben
oder mindern (vgl. §
419 Zivilprozessordnung (
ZPO); Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 30.06.2008, - L 1 U 3732/07 -, in [...]; Münchner Kommentar,
ZPO, §
419 Rn 1 und 4). Ein derartiger sonstiger äußerer Mangel des Empfangsbekenntnisses, der die Beweiskraft zumindest teilweise aufhebt,
ist vorliegend gegeben. Das Ausstellungsdatum des Empfangsbekenntnisses (Freiburg, 06.09.2013) belegt, dass der 16.08.2013
nicht dem wahren Empfangsdatum entsprechen kann. Die Beweiskraft des Empfangsbekenntnisses ist damit insoweit aufgehoben.
Nach der damit möglichen freien Würdigung des Sachverhalts geht der Senat davon aus, dass sich der Sachbearbeiter der Beklagten
bei der Monatsangabe geirrt hat und das Urteil tatsächlich am 16.09.2013 zugestellt worden ist. Dafür spricht, dass die Beklagte
dieses Datum bei der Berufungseinlegung ohne Kenntnis der Problematik angegeben hat, weshalb davon auszugehen ist, dass dieses
entsprechend intern notiert wurde. Auch das Datum der Unterschrift (23.09.2013) auf dem Empfangsbekenntnis und der Eingangsstempel
des SG (25.09.2013) passen in den zeitlichen Zusammenhang zu der Erstellung des Empfangsbekenntnisses am 06.09.2013. Letzteres Datum
trägt nicht nur das Empfangsbekenntnis, sondern auch das entsprechende Anschreiben, welches sich in der SG-Akte befindet.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das SG hat der Klage mit Urteil vom 25.07.2013 zu Unrecht teilweise stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 19.10.2010 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.01.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Dieser
hat für die Zeit vom 01.07.2013 bis 31.03.2014 keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung und
auch nicht auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Der geltend gemachte Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch
(SGB) VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I,
554).
Versicherte haben nach §
43 Abs.
2 Satz 1
SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach §
43 Abs.
1 Satz 1
SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll- bzw. teilweise
erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für
eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeinen Wartezeit
erfüllt haben (Nr.
3). Voll erwerbsgemindert sind nach §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach
§
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser
als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung
gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung
in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung
auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens
sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des §
43 Abs.
1 und Abs.
2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert;
dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§
43 Abs.
3 SGB VI).
Gemessen an diesen Voraussetzungen hat der Kläger im Zeitraum vom 01.07.2013 bis 31.03.2014 keinen Anspruch auf Gewährung
einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Der Senat ist im Ergebnis zu der Überzeugung gelangt, dass dem
Kläger in diesem Zeitraum zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung qualitativer
Einschränkungen noch in einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zugemutet werden können. Dies
ergibt sich für den Senat schlüssig und überzeugend aus der Gesamtschau des vom SG in dem Verfahren S 19 R 1057/11 eingeholten Sachverständigengutachtens von Dr. B. vom 14.02.2012 sowie dem vom Senat eingeholten Sachverständigengutachten
von Herrn M. vom 22.01.2014 und den Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren.
Davon ausgehend steht dem Kläger keine Erwerbsminderungsrente zu.
Auf orthopädisch/unfallchirurgischem Fachgebiet folgt der Senat der Leistungseinschätzung der Gutachterin Z. aus dem Verwaltungsverfahren
sowie des Gutachters Dr. B.. Hiernach leidet der Kläger an einer mittel- bis hochgradigen Funktionseinschränkung des rechten
Handgelenks bei Kahnbeinpseudoarthrose und posttraumatischer Handgelenksarthrose, einer mittelgradigen Funktionsstörung des
rechten Schultergelenks nach Supraspinatussehnenruptur und entsprechender Naht, den Zeichen einer leichten Muskelminderung
des Deltamuskels der rechten Schulter als Zeichen einer Rotation des Nervus axillaris, an einem HWS-/BWS-/LWS-Syndrom mit
allenfalls leichten funktionellen Einschränkungen ohne Zeichen einer Nervenkompression bei radiologisch nur mäßigen degenerativen
Veränderungen sowie Schmerzen beider Kniegelenke ohne funktionelle Einschränkungen und ohne Reizzeichen. Der Kläger ist hiernach
noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten täglich sechs Stunden und mehr durchzuführen. Dauerndes oder überwiegendes
Stehen, Gehen und Sitzen sowie häufiges Bücken und Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und an laufenden Maschinen sind nicht
mehr zumutbar. Gleiches gilt für Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit. Auch Arbeiten in Kälte, Nässe, im Freien sowie
unter Wärmeeinfluss und Einwirkung von Staub, Gasen, Dämpfen sowie bei starker Beanspruchung des Gehör- und Sehvermögens sind
nicht zumutbar. Gleiches gilt für Tätigkeiten mit dem rechten Arm über der Horizontalen und in länger dauernder Armvorhalte,
Überkopfarbeiten, Tätigkeiten mit erhöhter Anforderung an die Kraft der rechten Hand sowie an die feinmotorische Fähigkeit
derselben. Soweit der Gutachter Dr. B. darüber hinaus auch mittelschwierige und schwierige Tätigkeiten geistiger Art, Arbeiten
mit Publikumsverkehr und besonderer nervlicher Beanspruchung ausschließt, ergibt sich dies nicht aus den mitgeteilten orthopädischen
Befunden. Vielmehr begründet der Gutachter die genannte Leistungseinschätzung im Wesentlichen damit, dass der Kläger der deutschen
Sprache nicht mächtig sei. Insoweit handelt es sich jedoch um keine gesundheitsbedingte Einschränkung.
Eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens ergibt sich zur Überzeugung des Senats auch nicht auf Grund der Erkrankung
auf internistischem Fachgebiets. Der Senat stützt sich insofern auf das Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren des Facharztes
für Innere Medizin, Sportmedizin, Sozialmedizin und Rehabilitationswissen Dr. M., welches der Senat im Wege des Urkundsbeweises
verwertet hat. Danach liegen beim Kläger auf internistischem Fachgebiet eine Blutzuckererkrankung vor, die mit Insulin therapiert
wird und nicht optimal eingestellt ist. Zusätzlich liegt eine diabetische Retinopathie als einzige Sekundärschädigung sowie
eine Bluthochdruckerkrankung (regelrecht eingestellt) vor. In Übereinstimmung mit dem behandelnden Hausarzt kommt Dr. M. zu
dem Ergebnis, dass trotz der internistischen Erkrankungen der Kläger weiterhin in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen
Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten.
Auch die Erkrankungen auf nervenärztlichem Fachgebiet bedingen zur Überzeugung des Senats keine quantitative Leistungseinschränkung.
Der Senat stützt sich insoweit auf das Gutachten des Facharztes M. aus dem Berufungsverfahren. Danach war die Bewusstseinslage
des Klägers klar. Es ergab sich keine Störung des Gedankengangs und keine Störung der Ich-Funktion. Das Auffassungsvermögen
war nicht erschwert und die Merkfähigkeit und die Konzentrationsfähigkeit waren in der Untersuchungssituation nicht vermindert.
Auch zwangsgebundene Handlungen und Zwangshandlungen wurden verneint. Die affektive Schwingungs- und Resonanzfähigkeit war
nicht beeinträchtigt. Schließlich war der Antrieb in der Untersuchungssituation nicht vermindert.
Der Senat verkennt keineswegs, dass der Kläger gegenüber dem Gutachter die Symptome einer Demenz mit Orientierungsstörungen
angab, wonach er die nächsten Angehörigen nicht mehr erkenne und unter extremer Vergesslichkeit sowie nächtlicher Halluzination
leide. Allerdings waren in der Untersuchungssituation die kognitiven Fähigkeiten erheblich besser als angegeben. Dementsprechend
fand sich im Fragebogentest simulierter Symptome eine massive negative Antwortverzerrung, die für eine Simulation kognitiver
Defizite sprach. So erreichte der Kläger einen Gesamt-Score von 42 Punkten, wobei bereits bei einem Cut-Off-Wert von 16 Punkten
von einer ungewöhnlichen Häufung ungewöhnlicher Symptome im Sinne einer Simulation ausgegangen wird. Auch im Tomm-Test erreichte
der Kläger im ersten Durchgang lediglich 8 Punkte. Hier wurden 84 % der Fragen falsch beantwortet, was für ein zielgerichtetes
simuliertes Verhalten spricht. Ebenso extrem war das Ergebnis des Rey-Retention-Tests. Hier wurde eine Punktzahl von 0 Punkten
erreicht, wobei bei 9 oder weniger von 15 Punkten von einer Simulation ausgegangen wird. Hinweise auf eine Simulation ergaben
sich im Übrigen auch bei der körperlichen Untersuchung, als beim Finger-Nase-Versuch beidseits grob daneben gezeigt wurde.
Für eine Simulation spricht auch, dass durch das Gutachten des Dr. B. sowie das Zusatzgutachten von Dr. B., Dipl.-Psych.,
eine relevante Erkrankung auf neurologischem Fachgebiet widerlegt ist. Es fand sich lediglich ein leichtes Karpaltunnelsyndrom
rechts sowie eine leichte, klinisch asymptotische, a. e. demyelisierende Neuropathie des N. Medianus beidseits.
Eine quantitative Leistungseinschränkung über einen Zeitraum von sechs Monaten lässt sich zur Überzeugung des Gerichts auch
nicht auf das Gutachten von Prof. Dr. E. stützen. Eine längerdauernde zeitliche Leistungseinschränkung von mehr als sechs
Monaten wird von Prof. Dr. E. in seinem Gutachten nicht angenommen. Vielmehr geht er davon aus, dass bei adäquater Behandlung
eine kurzfristige Besserung eintreten sollte. Er beschreibt daher die von ihm diagnostizierte Depression lediglich als Akuterkrankung.
Gerade psychische Erkrankungen sind jedoch erst dann von rentenrechtlicher Relevanz, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös,
therapeutisch, ambulant und stationär) davon auszugehen ist, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft
nicht überwinden kann - weder aus eigener Kraft, noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe (BSG, Urteil vom 12.09.1990, - 5 RJ 88/89 - und Urteil vom 29.02.2006, - B 13 RJ 31/05 R -; BayLSG, Urteil vom 21.03.2012, - L 19 R 35/08 - und Urteil vom 21.01.2015, - L 19 R 394/10 -, alle in [...] sowie Urteil des erkennenden Senats vom 27.04.2016, - L 5 R 459/15 -, nv). Im Übrigen erscheint aber auch die Einschätzung des Schweregrades der Akuterkrankung nicht nachvollziehbar. Zutreffend
hat insoweit Dr. N. in seiner Stellungnahme vom 17.01.2013 inhaltliche Einwendungen gegen das Gutachten erhoben. So fehlt
es bereits an einer Zuordnung zu einem Schweregrad laut ICD-10 sowie einem objektiven psychometrischen Testbefund. Der subjektive
Beschwerdevortrag wurde unkritisch übernommen, was gerade im Hinblick auf die Simulation im Rahmen der Begutachtung bei Facharzt
M. besonders schwer wiegt. Auch die psycho-pharmakologische Medikation wird von Prof. Dr. E. im Hinblick auf die von ihm gestellte
Diagnose nicht kritisch hinterfragt. Auf letzteres weist auch der Facharzt M. in seinem Gutachten im Berufungsverfahren hin.
Vor diesem Hintergrund fehlen vorliegend Anhaltspunkte für eine quantitative Leistungsminderung.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem neurologischen Gutachten von Dr. B. sowie dem neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachten,
wenn dort die festgestellten leichten kognitiven Einschränkungen zu einer Depression in Bezug gesetzt werden. Zutreffend weist
Dr. N. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 15.10.2015 darauf hin, dass weder im Gutachten noch im Zusatzgutachten
ein psychopathologischer Befund mitgeteilt wird. Schließlich wird im Gutachten auch eine depressive Symptomatik nur "vermutet".
Wie aus den Leitlinien der Beklagten für die sozialmedizinische Begutachtung (Stand August 2012, Leitlinien) hervorgeht, bedingt
im Übrigen eine einzelne mittelgradige oder schwere depressive Episode in den meisten Fällen vorübergehende Arbeitsunfähigkeit
und erfordert eine Krankenbehandlung, stellt jedoch in Anbetracht der üblicherweise vollständigen Remission keine erhebliche
Gefährdung der Erwerbsfähigkeit dar. Eine ungünstige Prognose bezüglich der Erwerbsfähigkeit kommt danach (erst) in Betracht,
wenn mehrere der folgenden Faktoren zusammentreffen: Eine mittelschwer bis schwer ausgeprägte depressive Symptomatik, ein
qualifizierter Verlauf mit unvollständigen Remissionen, erfolglos ambulant und stationär, leitliniengerecht durchgeführte
Behandlungsversuche, einschließlich medikamentöser Phasenprophylaxe (z.B. Lithium, Carbamazepin, Valproat), eine ungünstige
Krankheitsbewältigung, mangelnde soziale Unterstützung, psychische Komorbidität, lange Arbeitsunfähigkeitszeiten und erfolglose
Rehabilitationsbehandlung (Leitlinien S. 101 f.; Urteil des erkennenden Senats vom 27.04.2016, - L 5 R 3096/15 -, n.v.). Eine Krankengeschichte dieser Art ist bei dem Kläger nicht dokumentiert.
Damit ist aber ein Leistungsfall in der Zeit von Dezember 2012 bis März 2014 zur Überzeugung des Senats nicht eingetreten.
Aus den medizinischen Unterlagen ergibt sich ein klares und eindeutiges Bild der (lediglich qualitativen) Leistungseinschränkungen.
Bei einer Gesamtbetrachtung sind dauerhafte gravierende Leistungseinschränkungen damit nicht ersichtlich. In der Zusammenschau
der aus den Erkrankungen resultierenden qualitativen Leistungseinschränkungen ergibt sich keine Summierung ungewöhnlicher
Leistungseinschränkungen. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit liegt angesichts der Befunde ebenfalls fern (zu den Voraussetzungen:
BSG, Urteil vom 17.12.1991 - 13/05 RJ 73/90 -; Urteil vom 19.11.1997 - 5 RJ 16/97 - und Urteil vom 30.01.2002 - B 5 RJ 36/01 R -, alle in [...]).
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§
240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist, dass der Kläger vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Der
Kläger ist 1955 und damit vor dem Stichtag geboren, er ist jedoch nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind nach §
240 Abs.
2 Satz 1
SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig
und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als
sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist,
umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des
Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet
werden können (§
240 Abs.
2 Satz 2
SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige
Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§
240 Abs.
2 Satz 4
SGB VI). Der Kläger hat mit Abschluss keinen Beruf erlernt und war zuletzt in einer ungelernten Tätigkeiten versicherungspflichtig
beschäftigt. Auf Grund dieser ungelernten Tätigkeit kann der Kläger auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts
verwiesen werden (zum Stufenschema des BSG, vgl. BSG, Urteile vom 22.10.1996 - 13 RJ 35/96 -, vom 18.02.1998 - B 5 RJ 34/97 R -, jeweils n.w.N; beide in [...]). Solche sind ihm (s. o.) möglich.
Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§
160 Abs.
2 SGG).