Kostenentscheidung im sozialgerichtlichen Verfahren; Erstattung außergerichtlicher Kosten in einem Beschwerdeverfahren durch
die Staatskasse
Gründe:
Die nach §§
172,
173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und begründet.
Nach §
109 SGG muss auf Antrag des Versicherten ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden, wobei die Anhörung davon abhängig gemacht
werden kann, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig
trägt. Über diese endgültige Kostentragungspflicht entscheidet das Gericht nach Ermessen. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens
geht die Befugnis zur Ausübung des Ermessens in vollem Umfang auf das Beschwerdegericht über.
Bei seiner Ermessensentscheidung berücksichtigt der Senat, ob das Gutachten für die verfahrensbeendende gerichtliche Entscheidung
wesentliche Bedeutung gewann. Dies bejaht der Senat insbesondere dann, wenn das Gutachten die Aufklärung des Sachverhalts
objektiv förderte. Es muss sich, gemessen am Prozessziel und angesichts des Verfahrensausgangs, um einen wesentlichen Beitrag
gehandelt haben.
Nach diesen Grundsätzen sind die Kosten des vom Sozialgericht nach §
109 SGG eingeholten Gutachtens von Dr. Sch. einschließlich der erstinstanzlich eingeholten ergänzenden Stellungnahme des genannten
Sachverständigen auf die Staatskasse zu übernehmen. Wie sich aus dem Urteil des Senats vom 19.02.2009 im Hauptsacheverfahren
L 10 U 4834/05 ergibt, haben nämlich das Gutachten und die ergänzende Stellungnahme die Aufklärung insbesondere zur Frage der Gangstörung
des Klägers objektiv gefördert.
Die Kostenentscheidung beruht - hinsichtlich der Frage, ob eine Erstattung außergerichtlicher Kosten erfolgt - auf einer entsprechenden
Anwendung des §
193 SGG und - hinsichtlich der Frage, wer zu erstatten hat - auf einer entsprechenden Anwendung des § 46 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) i.V.m. §
467 der
Strafprozessordnung (
StPO).
An dieser bereits in seinem Beschluss vom 30.07.2008 (L 10 U 3522/08 KO-B m.w.N.) vertretenen Rechtsauffassung hält der Senat nach nochmaliger Prüfung fest. Der Gegenauffassung des 11. Senats des
LSG Baden-Württemberg im Beschluss vom 30.10.2008, L 11 R 3757/08 KO-B, wonach eine Kostenerstattung analog § 67 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 66 Abs. 8 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) ausgeschlossen sei, folgt er nicht. Der 11. Senat meint, § 17 GKG enthalte mit seiner Regelung über die Vorschusspflicht für Auslagen in Verfahren nach §
197a SGG eine dem §
109 SGG für Verfahren nach §
183 SGG vergleichbare Regelung (Auslagenvorschuss) und weist darauf hin, dass das jeweilige Verfahren der Beschwerde für Fälle des
§
197a SGG in § 67 GKG, für Fälle des §
109 SGG dagegen in den §§
172 ff
SGG geregelt ist. Die Folgerung des 11. Senats, §
193 SGG sei in den Fällen des §
183 SGG nicht anwendbar, trifft jedoch nicht zu. Das Gegenteil ist der Fall: Eben weil die Beschwerde in den Fällen des §
183 SGG nach den Regeln des
SGG durchgeführt wird, gilt (anders als bei §
197a SGG mit seiner Verweisung auf die Kostenregelungen der
Verwaltungsgerichtsordnung) §
193 SGG als für das sozialgerichtliche Verfahren maßgebende Regelung über die Kostenerstattung.
Die vom 11. Senat angestellte Überlegung, das
SGG enthalte keine Vorschrift über die Kostentragungspflicht der Staatskasse und es handele sich bei der Kostenbeschwerde nach
§
109 SGG um ein "parteieinseitiges" Verfahren, ist zwar richtig, der hieraus gezogene Schluss, die Regelungen des GKG (einschließlich des Ausschlusses einer Kostenerstattung im Beschwerdeverfahren) seien sachnäher als jene des OWiG und der
StPO, jedoch nicht. Denn die beschriebene Überlegung betrifft nicht die zuerst zu entscheidende Frage, ob eine Kostenerstattung
stattfindet, sondern die erst im Anschluss daran zu beantwortende Frage nach dem Schuldner dieser Erstattungspflicht:
Gerade weil es sich um ein "parteieinseitiges" Verfahren handelt, kommt nicht der Klagegegner als Schuldner in Betracht, was
- ähnlich den Fällen der Ordnungsgeldbeschwerde (vgl. BFH, Beschluss vom 10.01.1986, VIIII B 5/85 in BFHE 145, 314) - zur entsprechenden Anwendung des § 46 OWiG i.V.m. §
467 StPO und damit dazu führt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens - im Falle einer Erstattung - von der Staatskasse
zu tragen sind.
Die Frage dagegen, ob eine Erstattung außergerichtlicher Kosten erfolgt, hat damit nichts zu tun. Ihre Beantwortung richtet
sich nach den Regeln des sozialgerichtlichen Beschwerdeverfahrens und dort eben nach §
193 SGG, der im Beschwerdeverfahren analog anzuwenden ist und somit auch für Kostenbeschwerden nach §
193 SGG gilt (so im Übrigen auch andere Senate des LSG Baden-Württemberg, s. u.a. Beschluss vom 16.08.2006, L 1 U 3854/06 KO-B, Beschluss vom 24.10.2008, L 6 SB 4170/08 KO-B, Beschluss vom 13.11.2007, L 9 U 2223/07 AK-A; ebenso Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 15.09.2005, L 2 B 40/04; Beschluss des LSG Rheinland-Pfalz vom 30.11.2006, L 6 B 221/06 SB; Beschluss des Bayerischen LSG vom 09.02.2009, L 15 SB 12/09 B und Beschluss vom 15.12.2008, L 1 B 961/08 R). Für eine analoge Anwendung des § 46 OWiG i.V.m. §
467 StPO besteht daher insoweit, was die Frage betrifft, ob eine Erstattung erfolgt, kein Anlass. Damit ist auch kein Raum für die
Überlegung des 11. Senats, das GKG sei insoweit sachnäher als OWiG und
StPO.
Im Übrigen wäre angesichts dessen, dass der Gesetzgeber in §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG die Anwendung des GKG ausdrücklich angeordnet, für den Personenkreis des §
183 SGG dagegen mit der Kostenfreiheit nach §
183 Abs.
1 Satz 1
SGG ausdrücklich ausgeschlossen hat, die (entsprechende) Anwendung des GKG auf Fälle des §
183 SGG mit Wortlaut, Systematik von §
197a SGG und §
183 SGG sowie der mit §
183 SGG bezweckten Privilegierung des erfassten Personenkreises schwerlich zu vereinbaren.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).