Endes eines Anspruchs auf Verletztengeld in der gesetzlichen Unfallversicherung; Vorliegen der erforderlichen Prognoseentscheidung
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Einstellung von Verletztengeld zum 30.04.2009 streitig.
Der am 1956 geborene Kläger, i. Staatsangehöriger, erlitt am 02.11.2007 im Rahmen seiner bis zum 31.01.2008 arbeitsvertraglich
befristeten beruflichen Tätigkeit als Bauhelfer einen Arbeitsunfall, indem er auf einer Baustelle von einem Bagger von hinten
erfasst und überrollt wurde. Es kam dabei zu einem schweren Thorax- und Beckentrauma mit u.a. schwerer Lungenkontusion beidseits,
Rippenserienfraktur, komplexer Beckenfraktur sowie instabiler BWK 11- und LWK 5-Quersatzfraktur.
Nach erfolgter stationärer medizinischer Akutbehandlung und einer stationären medizinischen Rehabiltiation (wegen der Einzelheiten
wird auf die Entlassungsberichte Bl. 13 ff., 71 ff. und 61 ff. VA Bezug genommen) wurde der Kläger wegen der damals im Vordergrund
der geschilderten Beschwerden stehenden Schmerzzustände vor allem im Bereich der Brustwirbelsäule, der Hüfte und der Schultern
im Februar/März 2008 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. (BG-Klinik) stationär behandelt. Bei Entlassung bestanden
seitens der Ärzte erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger in seiner bisherigen Tätigkeit als Bauhelfer mit zum Teil schwerer
körperlicher Tätigkeit wieder arbeitsfähig werden würde (vgl. Befund- und Entlassungsbericht vom 09.04.2008, Bl. 124/128 VA).
Im weiteren Verlauf stellte sich der Kläger regelmäßig bei dem Durchgangsarzt Dr. F. vor, der fortlaufend Arbeitsunfähigkeit
bescheinigte, so auch Ende März 2009 "voraussichtlich bis" (so die Formulierung im Vordruck) Ende Oktober 2009 (Bl. 398 VA).
Anlässlich der am 08.04.2008 zur Verlaufskontrolle erfolgten Wiedervorstellung des Klägers in der BG-Klinik wurde das weitere
Vorgehen u.a. mit dem Berufshelfer der Beklagten besprochen (vgl. Reha-Plan, Bl. 140/141 VA). Dokumentiert ist die Einschätzung,
dass der Versicherte seine bisherige Tätigkeit nicht wieder aufnehmen könne und die Einleitung von berufshelferischen Maßnahmen
auf Grund der Komplexität der Verletzungsfolgen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich sei. Nachdem der Kläger am 12.06.2008
in der BG-Klinik wie schon bei der Entlassung aus der stationären Behandlung im März 2008 mit Unterarmgehstützen erschien
und keinerlei Besserung angab, gingen die behandelnden Ärzte der BG-Klinik von einem Verharrungszustand aus (Bl. 153/155 VA).
Hieran änderte auch eine erneute stationäre Behandlung in der BG-Klinik im Februar/März 2009 nichts (Bl. 401 ff. VA). Wegen
aufgetretener psychischer Beschwerden (vgl. Bericht der BG-Klinik vom Mai 2008, Bl. 134 VA, Bericht des Facharztes für Neurologie
Dr. E. , Chefarzt der Klinik für Neurologie im Klinikum W. , vom Juni 2008 mit Hinweis auf begrenzte Sprachkenntnisse des
Klägers, Bl. 151 f. VA) befand sich der Kläger ab April 2009 bei dem seine Muttersprache sprechenden Arzt für Neurologie und
Psychiatrie Dr. S. , der ausweislich seines Befundberichts vom 22.05.2009 (Bl. 456/ 461 VA) eine mittelschwere bis schwere
depressive Episode, eine Anpassungsstörung, eine posttraumatische Belastungsreaktion sowie ein chronifiziertes Körperschmerzsyndrom
diagnostizierte und den Kläger auch nicht zur Ausübung von Hilfstätigkeiten in der Lage sah. Anlässlich einer Beratung durch
den Berufshelfer am 16.12.2009 (Bl. 651 VA) wurde das Fehlen einer Tagesstruktur deutlich und deshalb an ein geringfügiges
Beschäftigungsverhältnis gedacht, wobei Möglichkeiten zur Unterstützung der Arbeitsaufnahme, insbesondere Eingliederungszuschüsse,
als grundsätzlich möglich angesehen wurden.
Verblieben sind als Unfallfolgen jedenfalls und vor allem Bewegungseinschränkungen im Bereich der Schultergelenke, der Hals-,
Brust- und Lendenwirbelsäule und des rechten Hüftgelenkes, eine Einschränkung der Lungenfunktion u.a. in Form schmerzbedingt
gehemmter Atmung, eine somatoforme Schmerzsstörung und eine erektile Dysfunktion, weswegen die Beklagte dem Kläger ab 01.05.2009
Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 v.H. bewilligte (vgl. Bescheid vom 16.11.2010, Bl. 797
f. VA). Darüber hinaus gewährt die Beklagte dem Kläger wegen der Unfallfolgen und der deshalb eingetretenen erheblichen Hilfsbedürftigkeit
für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens Pflegegeld, zunächst befristet bewilligt
bis 18.02.2009, nach Ausführung eines gerichtlichen Vergleiches (vgl. Sozialgericht Heilbronn S 7 U 1698/11) darüber hinaus auf Dauer (Bescheid vom 19.04.2012, Bl. 1025 VA). Seit Februar 2010 ist beim Kläger (auf Grund Antragstellung
im Januar 2010) vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) in der sozialen Pflegeversicherung die Pflegestufe
I festgestellt (Bl. 870 ff. VA). Aus der gesetzlichen Rentenversicherung wurde dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalles
ab 01.11.2009 (Antragsdatum) Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt (vgl. Bl. 649 VA).
Bereits im November 2008 teilte die Beklagte dem Kläger auf Anfrage mit, es sei nicht davon auszugehen, dass er die zum Unfallzeitpunkt
ausgeübte berufliche Tätigkeit wieder aufnehmen könne und Verletztengeld voraussichtlich bis zum Ablauf der 78. Woche nach
Beginn der Arbeitsunfähigkeit zu zahlen sein werde (Bl. 295, 296 VA). Mit Schreiben vom 26.03.2009 hörte sie den Kläger zur
Absicht an, das Verletztengeld mit Ablauf des 30.04.2009 einzustellen. Nach den vorliegenden Unterlagen sei mit dem Eintritt
von Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien derzeit nicht zu erbringen. Das Verletztengeld
ende daher gemäß §
46 Abs.
3 Satz 2 Nr.
3 des
Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (
SGB VII) mit Ablauf der 78. Woche nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Nachdem sich der Kläger hierzu nicht geäußert hatte, stellte
die Beklagte die Zahlung von Verletztengeld mit Ablauf des 30.04.2009 ein. Zur Begründung verwies sie auf die - wörtlich zitierte
- Regelung des §
46 Abs.
3 Satz 2
SGB VII, dessen Voraussetzungen ("ist mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen und sind berufsfördernde Leistungen
nicht zu erbringen") vorlägen, so dass das Verletztengeld mit Ablauf der 78. Woche nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ende.
Zur Feststellung des genauen Wortlauts wird auf den Bescheid vom 21.04.2009 verwiesen. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid
vom 10.07.2009 zurückgewiesen.
Am 07.08.2009 hat der Kläger hiergegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und die Rechtwidrigkeit des Bescheids vom 21.04.2009 mit der Begründung geltend gemacht, eine Prognose mit
der erforderlichen Feststellung einer hypothetischen Tatsache sei nicht erfolgt. In dem angefochtenen Bescheid hätte die Beklagte
ausführen müssen, warum und inwieweit der festgestellte Sachverhalt den Schluss zulasse, dass die Voraussetzungen für die
Einstellung des Verletztengeldes vorliegen. Da sie keinerlei Grundlagen aufführe, die es ermöglichten, die Prognoseentscheidung
zu überprüfen, sei der Bescheid rechtswidrig. Insoweit hat sich der Kläger auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13.09.2005, B 2 U 4/04 R, dortige Rdnr. 42 bezogen. Danach habe eine Prognoseentscheidung zu erfolgen, die die Beklagte nicht getroffen habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 24.05.2012 hat das SG den Bescheid vom 21.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2009 aufgehoben. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt, die Einstellung der Verletztengeldzahlung erfordere einen Verwaltungsakt, dessen Grundlage eine Prognoseentscheidung
der Verwaltung hinsichtlich der Frage sei, ob mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist und ob Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind. Diesen Anforderungen genüge weder der angefochtene Bescheid noch der
Widerspruchsbescheid. Es sei angesichts der fehlenden Begründung nicht erkennbar, ob die Beklagte die erforderliche Prognoseentscheidung
tatsächlich getroffen habe. Auch für die Frage, ob Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen seien, fänden sich
keinerlei Vermerke, die eine Auseinandersetzung mit dieser Frage erkennen ließen. Demgegenüber habe sich der Berufshelfer
der Beklagten sogar noch anlässlich eines am 16.12.2009 geführten Gesprächs ausdrücklich bereit erklärt, durch berufsfördernde
Maßnahmen eine mögliche Arbeitsaufnahme zu unterstützen.
Gegen den der Beklagten am 01.06.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 27.06.2012 beim Landessozialgericht (LSG)
Berufung eingelegt und geltend gemacht, bereits in ihrem Anhörungsschreiben vom 26.03.2009 unmissverständlich ausgeführt zu
haben, dass mit dem Eintritt von Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen sei und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erbracht
werden könnten. Diese Prognoseentscheidung habe sie dann in den angefochtenen Bescheiden wiederholt. Zu Unrecht gehe das SG im Übrigen davon aus, dass sich die Regelung des §
46 Abs.
3 Satz 2
SGB VII auf sämtliche zu erbringenden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beziehe. Wie dem Urteil des BSG vom 13.09.2005 (a.a.O.) zu entnehmen sei, handle es sich nur um Leistungen, die einen Anspruch auf Übergangsgeld auslösten.
Dass der Kläger für derartige Leistungen nicht geeignet sei, dürfte unstreitig sein.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 24.05.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig und verweist zusätzlich darauf, dass im Eingangssatz des angefochtenen Bescheides
nur sein Prozessbevollmächtigter angesprochen werde; deshalb sei der Bescheid schon inhaltlich unbestimmt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der
Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §
151 Abs.
1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) form- und fristgerecht eingelegt und gemäß den §§
143,
144 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §
124 Abs.
2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung der Beklagten ist auch begründet.
Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass der Kläger mit der hier vom Sozialgericht - entgegen dem vom Kläger schriftsätzlich
gestellten kombinierten Anfechtungs- und Leistungsantrag - angenommenen reinen Anfechtungsklage sein prozessuales Begehren,
weiterhin Verletztengeld zu erhalten, nicht erreichen könnte. Denn mit der Aufhebung der angefochtenen Bescheide würde keine
Leistungsbewilligung wieder in Kraft treten, weil die Beklagte zu keinem Zeitpunkt einen Verwaltungsakt über die Gewährung
von Verletztenrente auf Dauer erließ. Soweit sich das Sozialgericht auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg
vom 28.05.2009, L 22 U 119/08 (in [...]) bezieht, gibt diese Entscheidung - auch nicht in Bezug auf den vom Sozialgericht angeführten Leitsatz 2 - dies
nicht her.
Das SG hätte den Bescheid der Beklagten vom 21.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2009 aber ohnehin nicht
aufheben dürfen. Denn dieser ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Mit diesem Bescheid stellte die
Beklagte in rechtlich nicht zu beanstandender Weise das Ende des Verletztengeldanspruchs des Klägers mit Ablauf des 30.04.2009
fest.
Entgegen der vom Kläger im Berufungsverfahren vertretenen Auffassung ist der Bescheid vom 21.04.2009 nicht deshalb rechtswidrig,
weil er entgegen § 33 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) - danach muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein - in seiner Anrede die Prozessbevollmächtigten des
Klägers nennt und im folgenden Text personell nicht gegenüber dem Kläger abgegrenzt wird. Rein sprachlich werden damit zwar
die Ausführungen ("Bei Ihnen liegen die Voraussetzungen ... vor", "Lassen Sie sich bitte ... beraten") statt auf den Kläger
auf die Prozessbevollmächtigten bezogen. Indessen ist sowohl für die Prozessbevollmächtigten wie den Kläger selbst deutlich
erkennbar, dass es sich insoweit lediglich um ein sprachliches Versehen handelte. Denn im Betreff des Bescheides wird eindeutig
und durch Fettdruck hervorgehoben der Unfall des - namentlich erwähnten - Klägers genannt. Auch aus dem Sachzusammenhang,
in dem der Bescheid erging (Leistung von Verletztengeld an den Kläger, Anhörung des Klägers über die Einstellung von Verletztengeld,
Vertretung des Klägers im gesamten Verfahren durch seine Prozessbevollmächtigten), ist eindeutig zu erkennen, dass die Beklagte
diese Regelung im Verhältnis zum Kläger erlässt und sie sich an die Prozessbevollmächtigten wegen deren Vertretungsbefugnis
wendet. Entsprechend legten die Prozessbevollmächtigten auch nicht in eigenem Namen, sondern für den Kläger, Widerspruch (Bl.
423 VA) ein und haben entsprechend Klage erhoben. Dies zeigt, dass selbst aus Sicht des Klägers - entgegen seiner nunmehr
aufgestellten Behauptung - keine Zweifel daran bestanden, dass er Adressat des Bescheides war. Im Übrigen wären entsprechende
Zweifel spätestens durch den Widerspruchsbescheid beseitigt worden. Dort sind die Prozessbevollmächtigten ausdrücklich als
Vertreter des Klägers und der Kläger selbst ist als Widerspruchsführer aufgeführt.
Entgegen der Auffassung des Klägers und des Sozialgerichts enthalten die angefochtenen Bescheide die erforderliche Prognoseentscheidung.
Sie sind auch nicht deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil sie keine hinreichende Begründung enthalten. Der Kläger und
das Sozialgericht verkennen, dass eine Prognoseentscheidung nicht nur dann rechtmäßig ist, wenn sie mit einer Begründung versehen
ist.
Rechtsgrundlage für die Beendigung des Verletztengeldes ist §
46 Abs.
3 SGB VII.
Nach §
46 Abs.
3 Satz 1 Nr.
1 SGB VII endet das Verletztengeld mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit
durch eine Heilbehandlung. Damit werden die Folgen des Wegfalls der in §
45 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII normierten Grundvoraussetzung für Verletztengeld wiederholt.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift, deren Beendigungswirkung keine ausdrückliche Entscheidung des Unfallversicherungsträgers
voraussetzt, liegen hier allerdings nicht vor. Denn der Kläger war durchgehend arbeitsunfähig. Arbeitsunfähigkeit infolge
eines Versicherungsfalles liegt vor, wenn ein Versicherter auf Grund der Folgen eines Versicherungsfalles nicht in der Lage
ist, seiner zuletzt ausgeübten oder einer gleich oder ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen (BSG, Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 31/01 R in SozR 4-2700 § 46 Nr. 3, auch zum Nachfolgenden). Arbeitsunfähigkeit ist danach gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt
vor Eintritt des Versicherungsfalles konkret ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann. Ob er eine
andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausüben kann, ist insoweit unerheblich. Gibt er nach Eintritt
der Arbeitsunfähigkeit die zuletzt innegehabte Arbeitsstelle auf, ändert sich der rechtliche Maßstab nur insofern, als für
die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr die konkreten Verhältnisse an diesem Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern
nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf dann auf gleich oder
ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden, wobei aber der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion
des Kranken- bzw. Verletztengeldes eng zu ziehen ist. Hier endete das Arbeitsverhältnis des Klägers zwar durch die entsprechende
Befristung des Arbeitsvertrages zum 31.01.2008. Maßgebend für die Frage der Arbeitsunfähigkeit waren ab diesem Zeitpunkt aber
weiterhin - entsprechend der Tätigkeit, in der der Kläger den Arbeitsunfall erlitt - die Anforderungen an einen Bauhelfer,
der u.a. auch schwere Arbeiten zu verrichten hat. Hierzu war der Kläger, wie im Übrigen durch die entsprechenden Bescheinigungen
des Dr. F. bestätigt ist (Arbeitsunfähigkeit "voraussichtlich bis" 30.10.2009), nicht in der Lage.
Da der Kläger Verletztengeld nicht wegen des Beginns einer Heilbehandlungsmaßnahme, die ihn an einer ganztätigen Erwerbstätigkeit
gehindert hätte, erhielt (so die anspruchsbegründende Regelung des §
46 Abs.
1 SGB VII), kommt die zweite Alternative des §
46 Abs.
3 Satz 1
SGB VII von vornherein als Beendigungstatbestand nicht in Betracht.
Des Weiteren endet das Verletztengeld nach §
46 Abs.
3 Satz 2
SGB VII, wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht
zu erbringen sind, 1. mit dem Tag, an dem die Heilbehandlung soweit abgeschlossen ist, dass der Versicherte eine zumutbare,
zur Verfügung stehende Berufs- oder Erwerbstätigkeit aufnehmen kann, 2. mit Beginn der in §
50 Abs.
1 Satz 1 des
Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (
SGB V) genannten Leistungen (z.B. Renten wegen voller Erwerbsminderung, Vollrente wegen Alters), es sei denn, dass diese Leistungen
mit dem Versicherungsfall im Zusammenhang stehen, 3. im Übrigen mit Ablauf der 78. Woche, gerechnet vom Tag des Beginns der
Arbeitsunfähigkeit an, jedoch nicht vor dem Ende der stationären Behandlung.
Dabei kommt das Ende des Verletztengeldanspruches nach Nr. 3 erst in Betracht ("im Übrigen"), wenn die Beendigungstatbestände
der Nrn. 1 und 2 nicht vorliegen (BSG, Urteil vom 13.09.2005, B 2 U 4/04 R). Dies ist allerdings der Fall. Eine Berufs- oder Erwerbstätigkeit (Nr. 1) stand dem Kläger zu keinem Zeitpunkt zur Verfügung.
Zwar erhielt er aus der gesetzlichen Rentenversicherung Rente wegen voller Erwerbsminderung und damit eine der in §
50 Abs.
1 Satz 1
SGB V genannten Leistungen. Dies führt jedoch nicht zu einer Beendigung des Verletztengeldanspruchs zum 30.04.2009. Zum einen erhielt
er diese Rente erst ab 01.11.2009. Zum anderen stand die Bewilligung dieser Rente in Zusammenhang mit dem hier in Rede stehenden
Arbeitsunfall, denn sie wurde auf der Grundlage dieses "Leistungsfalles" bewilligt (vgl. Bl. 649 VA).
Damit kommt als Rechtsgrundlage für die Einstellung (genau: Feststellung des Endes) des Verletztengeldes nur §
46 Abs.
3 Satz 2 Nr.
3 SGB VII in Betracht. Dessen Voraussetzungen liegen hier vor.
Sämtliche Tatbestände in §
46 Abs.
3 Satz 2
SGB VII, und damit auch die Nr.
3, setzen voraus, dass mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist, d.h. mit der Beendigung der infolge
des Versicherungsfalls eingetretenen Arbeitsunfähigkeit zumindest für die nächsten 78 Wochen nicht zu rechnen sein darf (BSG, Urteil vom 13.09.2005, B 2 U 4/04 R). Weiter darf zum Zeitpunkt der Entscheidung kein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die - worauf die
Beklagte zutreffend hingewiesen hat - einen Anspruch auf Übergangsgeld auslösen, bestehen (BSG, Urteil vom 13.09.2005, B 2 U 4/04 R). Erst wenn dies der Fall ist, endet der Anspruch auf Verletztengeld mit Ablauf der 78. Woche seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit,
hier also mit dem 30.04.2009. Zutreffend gehen die Beteiligten und das Sozialgericht darüber hinaus davon aus, dass das Ende
des Verletztengeldanspruches durch Verwaltungsakt festzustellen ist, weil es hierfür einer Prognoseentscheidung bedarf (BSG, Urteil vom 13.09.2005, B 2 U 4/04 R und BSG, Urteil vom 30.10.2007, a.a.O.). Maßgebend sind insoweit, für diese Prognoseentscheidung, die Verhältnisse zum Zeitpunkt
der Entscheidung des Unfallversicherungsträgers (BSG, Urteil vom 13.09.2005, B 2 U 4/04 R), also jene im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides (s. u.a. BSG, Urteil vom 11.05.2000, B 7 AL 18/99 R in SozR 3-4100 § 36 Nr. 5).
Eine solche Entscheidung - Feststellung des Endes des Anspruches auf Verletztengeld mit Ablauf des 30.04.2009 - traf hier
die Beklagte durch den angefochtenen Bescheid vom 21.04.2009. Dies zieht selbst der Kläger nicht in Zweifel.
Auch die Voraussetzungen des §
46 Abs.
3 Satz 2
SGB VII und damit der Nr.
3 der Regelung lagen vor. Denn zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten war nicht damit zu rechnen, dass beim Kläger in
absehbarer Zeit wieder Arbeitsfähigkeit eintreten würde; auch waren Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen.
Damit waren die gesetzlichen Voraussetzungen zur Einstellung des Verletztengeldes nach Ablauf von 78 Wochen erfüllt.
Was die Frage nach dem Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit betrifft, lag der Entscheidung der Beklagten insbesondere auch
eine Prognoseentscheidung zu Grunde. Denn indem sie die Anspruchsgrundlagen der hier maßgeblichen Regelung des §
46 Abs.
3 Satz 2
SGB VII darlegte und das Vorliegen der Voraussetzungen des Satzes 2 Nr. 3
SGB VII bejahte, brachte sie klar zum Ausdruck, dass sie diese Tatbestandsvoraussetzung (mit dem Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit
ist nicht zu rechnen) als erfüllt ansah. Die Darlegungen beinhalten damit die Auffassung der Beklagten, dass sie mit dem Wiedereintritt
der Arbeitsfähigkeit nicht rechnete. Mit ihren Ausführungen nahm die Beklagte mithin eine in die Zukunft gerichtete Einschätzung
der Leistungsfähigkeit des Klägers entsprechend der Anforderungen seines bisherigen Arbeitsplatzes vor. Damit traf sie die
geforderte Prognoseentscheidung. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten genügte insoweit daher insbesondere auch den
Anforderungen des BSG in dem vom Kläger herangezogenen Urteil vom 13.09.2005, B 2 U 4/04 R.
Nichts anderes gilt in Bezug auf die im Bescheid verneinte Frage, ob im Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen waren. Auch insoweit war eine Prognoseentscheidung zu treffen (BSG, Urteil vom 13.09.2005, B 2 U 4/04 R), die die Beklagte mit der Verneinung dieser Frage ebenfalls traf.
Aus der vom Kläger und ihm folgend vom Sozialgericht herangezogenen Entscheidung des BSG (Urteil vom 13.09.2005, B 2 U 4/04 R) folgt nichts anderes. Dies gilt insbesondere für die vom Kläger und dem Sozialgericht ausdrücklich erwähnte Textpassage
unter Rdnr. 42 dieses Urteils. Richtig ist, und auch der Senat folgt dieser Auffassung (s. die Ausführungen oben), dass das
Ende des Verletztengeldes durch Verwaltungsakt festzustellen ist. Gerade eine solche Verwaltungsentscheidung liegt hier aber
- wie dargelegt - vor, ebenso - wie ausgeführt - die in diesem Zusammenhang von der Beklagten zu treffende Prognoseentscheidung.
Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt zu jenem im genannten Urteil des BSG. Denn die Ausführungen im genannten Urteil bei Rdnr. 42 (Erfordernis einer Prognoseentscheidung, die nicht durch die Gerichte
ersetzbar ist) sind vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Beklagte in jenem Verfahren - anders als hier - gerade keine Entscheidung
über das Ende des Verletztengeldes getroffen hatte, weil sich ein Verletztengeldanspruch des damaligen Klägers erst nachträglich
im gerichtlichen Verfahren ergeben hatte. Dabei hat sich das BSG der Auffassung der dortigen Beklagten, wonach das Gericht das Vorliegen der Voraussetzungen einer Beendigung des Verletztengeldes
nach Ablauf der 78. Woche selbst zu entscheiden habe, nicht angeschlossen und statt dessen deutlich gemacht, dass eine solche
Entscheidung nicht durch die Gerichte ersetzt werden kann.
Im Ergebnis ersetzt somit der Senat nicht eine von der Beklagten im Rahmen des §
46 Abs.
3 Satz 2
SGB VII zu treffende Entscheidung, sondern er überprüft diese von der Beklagten getroffene Entscheidung im Rahmen der ihm obliegenden
Rechtmäßigkeitskontrolle. Dabei erweisen sich diese (Prognose)Entscheidungen der Beklagten als - jedenfalls im Ergebnis -
rechtmäßig.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die entsprechende Feststellung der Beklagten im angefochtenen Bescheid nicht aus formellen
Gründen rechtswidrig. Nur mit diesem Einwand greift der Kläger die angefochtenen Bescheide an (so zuletzt im Termin zur Erörterung
des Sachverhaltes: er greife den Bescheid nicht materiell-rechtlich an, der Bescheid sei wegen fehlender Begründung und Prognose
rechtswidrig) und nur mit derartigen Erwägungen hat das Sozialgericht die Bescheide aufgehoben. Indessen erweisen sich die
angefochtenen Bescheide nicht aus formellen Gründen, insbesondere nicht wegen unzureichender Begründung, als rechtswidrig.
Zutreffend weisen der Kläger und ihm folgend das Sozialgericht allerdings darauf hin, dass die Bescheide der Beklagten entgegen
§ 35 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB X - danach ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen, in der die wesentlichen tatsächlichen und
rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben - keine Begründung enthalten. Vielmehr
hat die Beklagte im Wesentlichen lediglich den Gesetzestext wiederholt und das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen
des §
46 Abs.
3 Satz 2
SGB VII bejaht, also nur das Ergebnis ihrer Prüfung mitgeteilt, nicht jedoch eine Begründung, wie sie zu diesem Ergebnis im Einzelnen
gelangte.
Allerdings wirkt sich dieser Mangel nicht auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung selbst aus und rechtfertigt daher auch nicht
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Grundsätzlich unterliegt die im Verwaltungsakt getroffene Regelung der gerichtlichen
Kontrolle am Maßstab des objektiven Rechts (BSG, Urteil vom 29.06.2000, B 11 AL 85/99 R in SozR 3-4100 § 152 Nr. 9, auch zum Nachfolgenden) und ist unter jedem in Betracht kommenden Gesichtspunkt auf ihre Rechtmäßigkeit
zu überprüfen. Bloße Begründungsmängel wirken sich deshalb bei den so genannten gebundenen Verwaltungsakten (also solchen,
bei denen keine Ermessen- oder Beurteilungsspielräume bestehen) auf die Rechtmäßigkeit der Regelung nicht aus und rechtfertigen
grundsätzlich nicht die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes.
Hingegen erfordert eine Ermessensentscheidung bzw. eine Entscheidung, die seitens der Behörde mit einem Beurteilungsspielraum
verbunden ist, angesichts der dabei nur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfungsbefugnis eine besondere Begründung. Denn
nach §
54 Abs.
2 Satz 2
SGG ist ein Verwaltungsakt (auch) rechtswidrig, wenn die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen
in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wird. Hieraus folgt, dass das Gericht die
Entscheidung der Behörde nur im Rahmen einer Rechtskontrolle auf so genannte Ermessensfehler hin überprüfen kann, also darauf,
ob die Behörde ihr Ermessen überhaupt ausübte, insbesondere erkannte, dass sie Ermessen ausüben musste, ob die Behörde sich
im Rahmen der Ermächtigung hielt, insbesondere die dort vorgesehene Rechtsfolge setzte, ob die Behörde ihren Ermessensspielraum
ausnutzte, insbesondere ihr Ermessen nicht zu eng einschätzte, und ob die Behörde von ihrem Ermessen regelgerecht Gebrauch
machte, insbesondere einen zutreffenden Sachverhalt zu Grunde legte, keine sachfremden Erwägungen anstellte und alle maßgebenden
Gesichtspunkt einstellte und fehlerfrei gewichtete. Mit diesen Anforderungen an das Ermessen und seine gerichtliche Kontrolle
korrespondiert § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X, wonach die Begründung eines schriftlichen Verwaltungsaktes, der eine Ermessensentscheidung zum Inhalt hat, "auch" die Gesichtspunkte
erkennen lassen muss, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausging. Andernfalls wäre es dem Gericht nicht
möglich, die in §
54 Abs.
2 Satz 2
SGG verlangte Überprüfung vorzunehmen. Ein ohne die gebotene Begründung ergangener schriftlicher Verwaltungsakt ist rechtswidrig
und verletzt den Betroffenen in seinem Recht auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung (BSG, Urteil vom 18.04.2000, B 2 U 19/99 R in SozR 3-2700 § 76 Nr. 2).
Eine derartige Ermessensentscheidung hatte die Beklagte bei der Feststellung des Ende des Verletztengeldanspruches nicht zu
treffen, weil die Rechtsfolge des §
46 Abs.
3 Satz 2
SGB VII - Ende des Verletztengeldanspruches - nicht im Ermessen des Unfallversicherungsträgers steht. Derartiges behaupten auch weder
Kläger noch Sozialgericht. Indessen gelten die dargestellten Grundsätze über Ermessensentscheidungen auch für Entscheidungen
auf der Grundlage eines Beurteilungsspielraumes (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Auflage, §
54 Rdnr. 31d m.w.N.). Auch bei einem Beurteilungsspielraum ist die gerichtliche Kontrolle auf die Frage beschränkt, ob die Beklagte
von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist und ob sie die anhand des Gesetzes, insbesondere
bei unbestimmten Rechtsbegriffen (s. hierzu Keller, a.a.O., Rdnr. 30 f.), abstrakt ermittelten Grenzen eingehalten und beachtet
hat; dabei muss sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlichen und begründen, dass die Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe
erkennbar und nachvollziehbar ist. Letzteres ist im Ergebnis Ausdruck der Begründungspflicht des § 35 SGB X (s. u.a. BSG, Urteil vom 28.11.1996, 7 RAr 58/95 in SozR 3-4460 § 10 Nr. 2).
Auch bei Prognoseentscheidungen kann ein solcher Beurteilungsspielraum bestehen. Ein allgemeiner Grundsatz, wonach allein
die Notwendigkeit einer Prognose die Einschränkung gerichtlicher Kontrolldichte von Verwaltungsentscheidungen rechtfertigt,
besteht allerdings nicht (BSG, Urteil vom 29.07.1993, 11/9b RAr 5/92 in SozR 3-4100 § 60 Nr. 1). Eine solche Beschränkung gerichtlicher Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen wäre mit dem grundsätzlich umfassenden
Prüfungsauftrag der Gerichte nach Art
19 Abs.
4 Grundgesetz (
GG) nicht vereinbar (BSG, a.a.O.). Soweit somit das Sozialgericht und der Kläger allein aus dem Umstand, dass die Beklagte im Rahmen der Entscheidung
nach §
46 Abs.
3 Satz 2
SGB VII eine Prognose zu treffen hatte, auf einen Beurteilungsspielraum schließt, ist dies unzutreffend.
Vielmehr gelten bei Prognoseentscheidungen die gleichen Gründe für einen gerichtlich nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraum
wie bei unbestimmten Rechtsbegriffen (BSG, a.a.O.): Entscheidungen durch nicht weisungsgebundene, pluralistisch zusammengesetzte oder besonders fachkundige Verwaltungsorgane;
Unvertretbarkeit von Entscheidungen; Einfluss wertender Elemente geistig-seelisch-künstlicher Art; programmatischer, prozesshafter
und gestaltender Charakter prognostischer Verwaltungsentscheidungen. Diese Kriterien sind bei der nach §
46 Abs.
3 Satz 2
SGB VII zu treffenden Prognose nicht erfüllt.
Bei der vorausschauenden Beurteilung, ob mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist handelt es sich - wie
bei der Frage, ob jemand für eine Ausbildung geeignet ist (vgl. BSG, a.a.O.) bzw. mit Erfolg an einer Maßnahme teilnehmen wird (vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2000, B 7 AL 18/99 in SozR 3-4100 § 36 Nr. 5) und anders als beispielsweise bei der Beurteilung der arbeitsmarktpolitischen Zweckmäßigkeit (BSG, Urteil vom 26.09.1990, 9b/11 RAr 151/88 in SozR 3-4100 § 36 Nr. 1) oder der allgemeinen Verhältnisse des Arbeitsmarktes im Rahmen der Beurteilung von Chancen auf Integration in den
Arbeitsmarkt (vgl. BSG, Urteil vom 03.07.2003, B 7 AL 66 /02 R in SozR 4-4300 § 77 Nr. 1) - um eine prognostische Einzelbeurteilung. Diese ist tatsächlichen
Feststellungen im gerichtlichen Verfahren mit gleicher Sicherheit zugänglich wie im Verwaltungsverfahren. Weder rechtliche
noch faktische Anhaltspunkte, die eine Ausnahme von der nach Art.
19 Abs.
4 GG grundsätzlich gewährleisteten vollständigen Überprüfbarkeit von Verwaltungsentscheidungen rechtfertigen, sind hier gegeben
(so BSG, Urteil vom 29.07.1993, a.a.O. zur Eignung und Urteil vom 11.05.2000, a.a.O. zur Erfolgsaussicht).
Nichts anderes gilt in Bezug auf die Frage, ob Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen sind. Nach §
26 Abs.
1 Satz 1
SGB VII haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des
Neunten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB IX) Anspruch auf u.a. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Der Unfallversicherungsträger hat mit allen geeigneten Mitteln
möglichst frühzeitig den Versicherten einen ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben zu sichern
(§
26 Abs.
2 Nr.
2 SGB VII). Diese Regelungen geben einen Anspruch dem Grunde nach (BSG, Urteil vom 20.03.2007, B 2 U 18/05 R in SozR 4-2700 §
35 Nr.
1). Entsprechend bestimmt §
35 Abs.
1 SGB VII, dass die Unfallversicherungsträger die entsprechenden Leistungen "erbringen". Damit steht die Frage, "ob" Leistungen zur
Teilhabe zu erbringen sind (anders als die Auswahl derartiger Leistungen, vgl. BSG, Urteil vom 20.03.2007, a.a.O.) nicht im Ermessen des Unfallversicherungsträgers. Ein Vergleich mit Regelungen aus dem Bereich
der medizinischen Rehabilitation bestätigt dies. Dort ist anerkannt (s. BSG, Urteil vom 23.02.2000, B 5 RJ 8/99 R in SozR 3-2600 § 10 Nr. 2), dass die Entscheidung der Frage, ob medizinische Rehabilitationsleistungen zu gewähren sind
(sog. Eingangsprüfung), nicht im Ermessen des Rentenversicherungsträgers steht, sondern davon abhängig ist, ob die entsprechenden
allgemeinen Leistungsvoraussetzungen vorliegen, obwohl in §
9 Abs.
2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) die Wendung gebraucht wird, medizinische Leistungen zur Rehabilitation "können erbracht werden". Dies muss dann im Bereich
der Leistungen zur Teilhabe nach dem
SGB VII um so mehr gelten, wo - wie dargelegt - die Leistungen zu "erbringen" sind.
Steht aber im Falle der Geltendmachung eines Anspruchs auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben die Entscheidung über das
"Ob" der Leistungserbringung nicht im Ermessen des Unfallversicherungsträgers und wird deshalb die entsprechende Verwaltungsentscheidung
in vollem Umfang gerichtlich überprüft, kann nichts anderes gelten, wenn dieselbe Frage - ob Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
zu erbringen sind - als Tatbestandsvoraussetzung in Bezug auf andere Leistungen, hier also im Rahmen des Verletztengeldanspruches
nach §
46 Abs.
3 Satz 2
SGB VII zu prüfen sind. Damit steht dem Unfallversicherungsträger bei der hier in Rede stehenden Tatbestandsvoraussetzung "ob Leistungen
zur Teilhabe zu erbringen sind" ebenso wenig ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu wie im
Falle der Entscheidung über Teilhabeleistungen als Rechtsfolge ein Ermessen.
Die somit vom Senat in vollem Umfang zu überprüfende Entscheidung der Beklagten über die Feststellung des Endes des Anspruches
auf Verletztengeld mit Ablauf des 30.04.2009 ist rechtmäßig.
Mit einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit des Klägers war nicht zu rechnen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten
war der Kläger nicht in der Lage, die - allein maßgebliche (s.o.) - zuletzt ausgeübte Tätigkeit eines Bauhelfers zu verrichten,
ohne dass Aussicht auf eine Änderung bestand. Denn dieser mit dem Heben und Tragen schwerer Lasten verbundenen Tätigkeit war
der Kläger angesichts des bei dem Arbeitsunfall vom 02.11.2007 erlittenen schweren Polytraumas mit den verbliebenen Bewegungseinschränkungen
und Schmerzzuständen u.a. im Bereich der Schultern und angesichts seiner Lungenfunktionsstörungen nicht mehr gewachsen. Entsprechend
bescheinigte Dr. F. auch anlässlich der Vorstellung des Klägers am 26.03.2009 weiterhin Arbeitsunfähigkeit, und zwar bis voraussichtlich
31.10.2009 (vgl. Nachschaubericht vom 26.03.2009, Bl. 398 VA). Damit schloss Dr. F. aus, dass der Kläger innerhalb des nächsten
halben Jahres seine Tätigkeit als Bauhelfer wieder würde aufnehmen können. Darüber hinaus bestand damals auch keine Aussicht,
dass dies nach dem 31.10.2009 der Fall sein könnte. Aus der formularmäßig vorgesehenen zeitlichen Begrenzung dieser Bescheinigung
("voraussichtlich bis") lässt sich kein Ende der Arbeitsunfähigkeit ableiten. Sie soll lediglich eine Überprüfung sicherstellen.
Schon anlässlich der stationären Behandlung im Februar/März 2008 äußerten die behandelnden Ärzte der BG-Klinik erhebliche
Zweifel daran, dass der Kläger seine bisherige Tätigkeit wieder würde aufnehmen können. Entsprechendes wurde auch im Befund-
und Entlassungsbericht vom 09.04.2008 ausdrücklich dokumentiert. Dass die Tätigkeit eines Bauhelfers (voraussichtlich) nicht
wieder aufgenommen werden kann, wurde dann auch anlässlich des Beratungsgesprächs im April 2008 in der BG-Klinik vom Berufshelfer
der Beklagten im Reha-Plan vom 08.04.2008 dokumentiert. Eine maßgebliche Besserung der Belastbarkeit des Klägers wurde auch
durch die Behandlungen in der Folgezeit nicht erreicht. Vielmehr gingen die behandelnden Ärzte der BG-Klinik anlässlich der
Wiedervorstellung des Klägers im Juni 2008, nachdem der Kläger von keiner Besserung seit der letzten Vorstellung berichtete,
von einem Verharrungszustand aus. Eine relevante Besserung des Gesundheitszustandes trat auch in der Folgezeit nicht ein.
Nachdem auch die weitere stationäre Behandlung in der BG-Klinik im Februar/März 2009, die wegen der zwischenzeitlich in den
Vordergrund der Beeinträchtigungen gerückten Schulterbeschwerden durchgeführt wurde, keine durchgreifende Besserung gebracht
hatte, gingen die behandelnden Ärzte von unfallchirurgischer Seite wiederum von einen Verharrungszustand aus. Angesichts der
von den behandelnden Ärzten der BG-Klinik seinerzeit darüber hinaus auch noch vermuteten Psychotraumatisierung, die schließlich
durch die Vorstellung bei dem Neurologen und Psychiater Dr. S. , der eine mittelschwere bis schwere depressive Episode diagnostizierte,
bestätigt wurde, waren zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger
in absehbarer Zeit wieder in der Lage sein würde, seine Tätigkeit als Bauhelfer aufzunehmen. Mit dem Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit
im Sinne des §
46 Abs.
3 Satz 2
SGB VII war angesichts des bisherigen Heilungsverlaufes, der seit Mitte 2008 zu keinerlei Besserung der gesundheitlichen Situation
führte, mit den nun zu verzeichnenden Unfallfolgen zum Zeitpunkt der Entscheidung damit nicht zu rechnen. Es handelte sich
vor allem um Bewegungseinschränkungen im Bereich der Schultergelenke, der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule und des rechten
Hüftgelenkes, einer Einschränkung der Lungenfunktion u.a. in Form schmerzbedingt gehemmter Atmung und einer somatoformen Schmerzsstörung,
so die Beschreibung im Rentenbescheid vom 16.11.2010 (Bl. 797 f. VA). Zwar erging dieser Rentenbescheid erst nach Erlass der
streitigen Bescheide und er hat damit für die eigentliche Prognoseentscheidung keine Bedeutung, doch dokumentiert er zutreffend
die bereits im Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Bescheide bestehenden und damals auf Grund der medizinischen Unterlagen
und der dort dokumentierten Beschwerden (s. u.a. das chirurgische Gutachten der BG-Klinik vom Dezember 2008, Bl. 299 ff. VA:
Schmerzen im Bereich der Schultern, im Brustbereich, im Becken und in der Hüfte, kein selbstständiges Entkleiden möglich;
Gutachten des Dr. E. vom April 2009, Bl. 420a ff. VA: ständige Schmerzen, insbesondere in den Schultern, aber auch im Bereich
von Brust- und Lendenwirbelsäule, polytopes Schmerzsyndrom) erkennbaren Unfallfolgen. Auch der Kläger hat gegen die Annahme
der Beklagten, mit dem Eintritt von Arbeitsfähigkeit sei nicht mehr zu rechnen, keine Einwände erhoben, vielmehr im Termin
zur Erörterung des Sachverhaltes ausdrücklich erklärt, er fechte den Bescheid "materiell-rechtlich" nicht an, sondern nur
in Bezug auf die fehlende Begründung.
Zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung waren auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen.
Die Frage, ob Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen sind, richtet sich nach den Erfolgsaussichten, dem Alter
des Versicherten und weiteren Umständen, wie sie vom Unfallversicherungsträger zu berücksichtigen sind (BSG, Urteil vom 13.09.2005, B 2 U 4/04 R), s. hierzu die Regelungen der §§
26 und
35 SG&61506; VII sowie der §§
33 ff. Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX).
Dabei ist - wie eingangs dargestellt - zu berücksichtigen, dass im Sinne der genannten Regelung Leistungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben nur solche Leistungen sind, die einen Anspruch auf Übergangsgeld auslösen. Übergangsgeld wird erbracht, wenn
Versicherte infolge des Versicherungsfalls Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten (§
49 SGB VII). Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Regelung wegen des Charakters des Übergangsgeldes als Entgeltersatzleistung nur
für solche Teilhabe-Maßnahmen gilt, die ihrer Art nach überhaupt einen Entgeltausfall zur Folge haben können, also einer Erwerbstätigkeit
ganz oder teilweise entgegenstehen, insbesondere also wegen der aktiven Mitwirkung und der zeitlichen Inanspruchnahme des
Versicherten, wie dies bspw. bei der Teilnahme an Umschulungslehrgängen der Fall ist (Ricke in KassKomm, Sozialversicherungsrecht,
§
49 SGB VII Rdnr. 3).
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbringen die Unfallversicherungsträger gemäß §
35 SGB VII nach den Regelungen der §§
33 bis
38 SGB IX. Dabei werden gemäß §
33 Abs.
1 SGB IX zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung
bedrohten Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen
und ihre Teilnahme am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Die hiervon insbesondere umfassten Leistungen werden in
Abs. 2 der Regelung aufgeführt, wobei angesichts der zu berücksichtigenden Beschränkung auf Leistungen, die einen Anspruch
auf Übergangsgeld auslösen, vorliegend im Wesentlichen Leistungen der Berufsvorbereitung, einschließlich einer wegen der Behinderung
erforderlichen Grundausbildung (Nr. 2), der beruflichen Anpassung und Weiterbildung, auch soweit die Leistungen einen zur
Teilnahme erforderlichen schulischen Abschluss einschließen (Nr. 3) sowie der beruflichen Ausbildung, auch soweit die Leistungen
in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden (Nr. 4), in Betracht kommen.
Zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten kamen für den Kläger schon angesichts seines Gesundheitszustandes keine Leistungen
zur Teilhabe in Form von beruflichen oder schulischen Bildungs- oder Weiterbildungsmaßnahmen, die einen Anspruch auf Übergangsgeld
ausgelöst hätten, in Betracht. Denn der Gesundheitszustand des Klägers ließ die Durchführung entsprechender Maßnahmen nicht
zu. Der Zustand des Klägers war geprägt von einer komplexen Schmerzsituation mit erheblichen schmerzhaften Bewegungseinschränkungen,
insbesondere im Bereich der Schultern, aber auch der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule und des rechten Hüftgelenkes und
einer Einschränkung der Lungenfunktion u.a. in Form schmerzbedingt gehemmter Atmung (vgl. insoweit die zusammenfassende Beschreibung
der - wie oben dargelegt - schon im Zeitpunkt der streitigen Bescheide aktenkundigen Unfallfolgen im Rentenbescheid, Bl. 797
VA). Zusätzlich bestand eine unverarbeitete posttraumatische Belastungsreaktion auf den Unfall mit Depressivität, Nervosität,
Unruhe, Grübelneigung, sozialem Rückzug, Angstgefühlen, Schlafstörungen und Angespanntheit. Der Senat stützt sich insoweit
auf den ausführlichen Befundbericht des Dr. S. vom Mai 2009, in dem dieser gerade zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten
diagnostisch überzeugend von einer mittelschweren bis schweren depressiven Episode, einer Anpassungsstörung, einer posttraumatischen
Belastungsreaktion sowie einem chronifizierten Körperschmerzsyndrom ausging und keinerlei berufliche Leistungsfähigkeit sah.
Darüber hinaus nahm der Kläger gegen seine Schmerzzustände starke Medikamente ein, was zu zusätzlichen Einschränkungen führte.
So attestierte Dr. S. Anfang April 2009 (Bl. 427 VA), dass der Kläger oft nicht orientiert sei und daher eine Begleitperson
benötige. Insgesamt führte dies zu einer fehlenden körperlichen, insbesondere aber auch psychischen Belastbarkeit für die
in Rede stehenden Bildungsmaßnahmen. Selbst eine Tätigkeit in einer Werkstatt für Behinderte war nach Überzeugung des Senats
wegen der selbst leichte Tätigkeiten ausschließenden körperlichen Leiden, insbesondere der Schmerzzustände und der psychischen
Beschwerden, ausgeschlossen. Im Ergebnis war der Kläger damals wegen seiner körperlichen und psychischen Gebrechen zu keiner
irgendwie gearteten Tätigkeit in der Lage.
Nur am Rande ist darauf hinzuweisen, dass der Senat in Bezug auf die angenommene Schwere der beim Kläger seinerzeit vorhanden
gewesenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen schließlich - auch wenn dies für die auf den Zeitpunkt des Erlasses der streitigen
Bescheide bezogenen Prognose ohne Relevanz ist - dadurch bestätigt ist, dass die Beklagte mit Bescheid vom 16.11.2010 im Anschluss
an das festgestellte Ende des Verletztengeldes ab 01.05.2009 Verletztenrente nach einer MdE um 80 v.H. bewilligte und das
zunächst nur bis 18.02.2009 bewilligte Pflegegeld schließlich - nach Durchführung eines entsprechenden Rechtsstreits - über
diesen Zeitpunkt hinaus fortzahlte (Bescheid vom 19.04.2012). Der Kläger war somit in seiner Erwerbsfähigkeit auf dem gesamten
Gebiet des Erwerbslebens zu 80 % eingeschränkt (vgl. §
56 Abs.
2 Satz 1
SGB VII) und er war darüber hinaus so hilflos, dass der für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf
des täglichen Lebens (wie z.B. beim Ent- und Bekleiden, s. die Darstellung im Gutachten der BG-Klinik vom Dezember 2008) in
erheblichem Umfang der Hilfe bedurfte (vgl. §
44 Abs.
1 SGB VII).
Soweit Dr. E. in Abweichung hiervon in seinem im April 2009 erstatteten Gutachten (Bl. 420a ff. VA) die Ausübung leichter
Tätigkeiten im Wechsel von Gehen und Stehen halbschichtig für möglich erachtete, lag dieser Einschätzung im Wesentlichen der
auf dem von ihm vertretenen neurologischen Fachgebiet erhobene Befund - und nicht sämtliche Gesundheitsstörungen mit den jeweiligen
Wechselwirkungen - zu Grunde. Der Senat folgt daher dieser Beurteilung nicht. Insbesondere vermag der Senat der Einschätzung
des Dr. E. vom April 2009 keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass für den Kläger Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben
in einem täglich reduzierten Umfang, bspw. in Teilzeit, in Betracht gekommen wären. Im Übrigen ist Dr. E. von seiner Einschätzung
später wieder abgerückt. Ähnlich wie das lungenfachärztlich-internistische Gutachten vom Februar 2010 (Bl. 667 ff. VA: selbst
leichte Tätigkeiten nicht mehr regelmäßig möglich) ist Dr. E. in seinem weiteren Gutachten vom Februar 2010 (Bl. 750 VA) bei
identischer MdE wie im früheren Gutachten (40 v.H.) zur Annahme von Erwerbsunfähigkeit gelangt.
Kein anderes Ergebnis lässt sich mit dem Vermerk über ein Beratungsgespräch vom 16.12.2009 (Bl. 651 VA) begründen. Damals
wurden in Bezug auf eine eventuelle geringfügige Beschäftigung Möglichkeiten zur Unterstützung der Arbeitsaufnahme, insbesondere
in Form von Eingliederungszuschüssen, beschrieben. Zum einen handelt es sich bei den hierbei angesprochenen Maßnahmen zur
Erlangung eines Arbeitsplatzes im Sinne des §
33 Abs.
3 Nr.
1 SGB IX, welche in Abs.
8 der Regelung beispielhaft näher konkretisiert sind, nicht um Leistungen, die im Sinne des §
46 Abs.
3 Satz 2 Nr.
3 SGB VII einen Anspruch auf Übergangsgeld auslösen. Denn ihrer Art nach haben diese an den Arbeitgeber zu erbringenden Leistungen
gerade keinen Entgeltausfall zur Folge. Zum anderen zielte die angesprochene Möglichkeit der Unterstützung des Klägers darauf,
ihm vor dem Hintergrund zunehmender Aggression und eines zwei Wochen zuvor erfolgten Gewaltexzesses gegenüber seiner Ehefrau
Hilfe bei der damals nicht vorhandenen Tagesstruktur zu leisten. Möglichkeiten zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form von Schulungen
und dergleichen lassen sich hieraus nicht ableiten. Schließlich vermag der Senat sich für den hier maßgebenden Zeitpunkt des
Widerspruchsbescheides ohnehin nicht davon überzeugen, dass eine für ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis ausreichende
Leistungsfähigkeit vorlag. Wie ausgeführt, war der Kläger zu keiner Tätigkeit in der Lage.
Auch der Kläger selbst machte bis zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Bescheide zu keinem Zeitpunkt eine Leistung
zur Teilhabe am Arbeitsleben geltend oder brachte auch nur zum Ausdruck, dass er eine solche Leistung anstrebe. Schließlich
hat er auch im Laufe des gerichtlichen Verfahrens keinerlei Maßnahmen benannt, die für ihn im April 2009 aus seiner Sicht
zur Wiedereingliederung ins Berufsleben in Betracht gekommen und von der Beklagten daher zu Unrecht nicht erbracht oder zumindest
angeboten worden wären. Von der Möglichkeit einer Wiedereingliederung in das Erwerbsleben ging der Kläger seinerzeit offenbar
selbst nicht aus. Auch insoweit hat der Kläger - wie in Bezug auf die Frage des Wiedereintritts von Arbeitsfähigkeit - die
"materiell-rechtliche" Richtigkeit der Entscheidung der Beklagten gerade nicht angegriffen (s. seine Erklärung im Termin zur
Erörterung des Sachverhaltes).
Im Ergebnis bejaht der Senat damit die Voraussetzungen des §
46 Abs.
3 Satz 2
SGB VII. Wie dargelegt, zieht dies selbst der Kläger nicht in Zweifel. Damit endete der Anspruch auf Verletztengeld mit Ablauf der
78. Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit.
Die angefochtenen Bescheide erweisen sich somit als rechtmäßig. Auf die Berufung der Beklagten ist der Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.