Zulässigkeit der getrennten Beitragsfestsetzung in der gesetzlichen Unfallversicherung bei der Unternehmensversicherung und
der freiwilligen Versicherung des Unternehmers
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen einen Beitragsbescheid für das Jahr 2010, mit dem die Beklagte in der gesetzlichen Unfallversicherung
einen Beitrag für sein Unternehmen in Höhe von 81,05 Euro festsetzte.
Der Kläger ist seit Januar 2009 als selbstständiger Rechtsanwalt tätig und nach erfolgter Beitrittserklärung bei der Beklagten
als Unternehmer freiwillig unfallversichert. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 26.04.2011 setzte die Beklagte für
die freiwillige Versicherung des Klägers für das Jahr 2010 einen Beitrag in Höhe von 198,42 Euro fest.
Seit 01.10.2010 beschäftigt der Kläger (erstmals) eine Mitarbeiterin in seinem Unternehmen im Umfang von vier Wochenstunden
mit einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von 199,33 Euro. Mit Bescheid vom 04.10.2011 setzte die Beklagte den Beitrag insoweit
unter Zugrundelegung eines Mindestbeitrages für das Jahr 2010 auf 81,05 Euro fest. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb
erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 02.12.2011).
Mit seiner hiergegen noch im Dezember 2011 beim Sozialgericht Stuttgart erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, es
sei nicht zulässig, zu dem von ihm im Rahmen seiner freiwilligen Versicherung erhobenen Beitrag einen zusätzlichen Mindestbeitrag
für die Pflichtversicherung seiner Beschäftigten zu erheben. Vielmehr müsse aus der Versicherungssumme seiner freiwilligen
Versicherung und dem Bruttoarbeitsentgelt aus der Pflichtversicherung der Beschäftigten eine einheitliche Bemessungsrundlage
gebildet werden, aus der sich der Beitrag errechne. Er hat eine sich so ergebende Beitragsbelastung von 201,09 Euro errechnet
und die Aufhebung des Bescheides vom 04.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2011 beantragt, sofern dort
ein Beitrag von mehr als 2,67 Euro festgesetzt wurde. Das Sozialgericht hat mit - dem Kläger am 24.12.2013 zugestelltem -
Urteil vom 17.12.2013 die Klage abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen.
Hiergegen hat der Kläger am 23.01.2014 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Er behauptet eine grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache, weil unklar sei, ob es nach dem
SGB VII eine gesetzliche Unfallversicherung nach §
1 SGB VII gebe oder je nach "Zugangsnorm" (§
2 SGB VII kraft Gesetz, §
3 SGB VII kraft Satzung, §
6 SGB VII freiwillig) eine Reihe unterschiedlicher Unfallversicherungen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz
und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Die gemäß §
145 Abs.
1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung
hat noch sonstige Gründe für die Zulassung der Berufung vorliegen.
Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts,
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten
Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt (§
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG), es sei denn, die Berufung betrifft wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§
144 Abs.
1 Satz 2
SGG).
Vorliegend bedarf die Berufung der Zulassung. Gegenstand des Rechtsstreits ist allein der Bescheid vom 04.10.2011 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2011, mit dem die Beklagte für das Jahr 2010 einen Beitrag in Höhe von 81,05 Euro in
Bezug auf die vom Kläger Beschäftigte erhob. Schon deshalb (und somit unabhängig davon, dass der Kläger nicht die gesamte
Beitragslast von 81 Euro angreift) beläuft sich der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht auf mehr als 750 Euro.
Entgegen der Auffassung der Beklagten betrifft die Berufung keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein
Jahr. Wie bereits dargelegt ist Gegenstand des Rechtsstreits allein der Bescheid vom 04.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 02.12.2011 und die dort für das Jahr 2010 geltend gemachte Beitragsforderung. Nur insoweit hat der Kläger Klage erhoben,
nur hierüber hat das Sozialgericht entschieden, nur insoweit will der Kläger ein Berufungsverfahren führen und nur hieran
orientiert sich somit der Gegenstand der beabsichtigten Berufung. Wiederkehrende oder laufende Beiträge für mehr als ein Jahr
sind damit nicht Gegenstand des Rechtsstreits, sondern nur der Beitrag für das Jahr 2010. Daran ändert auch der Umstand nichts,
dass die Beklagte im Falle gleichbleibender Verhältnisse für Folgejahre entsprechende Beiträge fordert. Denn nachfolgende
Beitragsbescheide sind gerade nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
Gemäß §
144 Abs.
2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts,
des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung
beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt,
auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Gemessen an diesen Maßstäben ist die Berufung nicht zuzulassen.
Insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu. Voraussetzung hierfür ist, dass die Streitsache eine
Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Fortbildung des Rechts oder seiner einheitlichen Auslegung klärungsbedürftig ist
(vgl. BSG, Urteil vom 07.10.2005, B 1 KR 107/04 B in SozR 4-1500 § 160a Nr. 9). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann nicht, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden
ist (BSG, Beschluss vom 22.07.1988, 7 BAr 104/87 in SozR 1500 § 160a Nr. 65) oder wenn sie praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG, Beschluss vom 30.03.2005, B 4 RA 257/04 B in SozR 4-1500 § 160a Nr. 7). Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die Beantwortung eindeutig aus dem Gesetz
ergibt (BSG, Beschluss vom 30.03.2005, a.a.O.). So liegt der Fall hier.
Von der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem
SGB VII werden alle Unternehmen erfasst, es handelt sich um eine Pflichtmitgliedschaft aller in Deutschland ansässigen Unternehmen
(vgl. §§
114 ff., 121 ff.
SGB VII, zur Vereinbarkeit mit Europarecht: BSG, Urteil vom 11.11.2003, B 2 U 16/03 R in SozR 4-2700 § 150 Nr. 1). Entsprechend hat der zuständige Unfallversicherungsträger seine Zuständigkeit für ein Unternehmen
festzustellen (vgl. §
136 SGB VII), also nicht für einen Unternehmer, weil es für die Zuständigkeit auf die Art des Unternehmens ankommt (vgl. §§
212 ff.
SGB VII). Mitglied in der gesetzlichen Unfallversicherung ist somit das Unternehmen, nicht der Unternehmer. Dabei unterfallen - seit
jeher - "kraft Gesetzes", also im Rahmen einer Pflichtversicherung, Beschäftigte dem Schutzbereich dieser Versicherung (§
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII), hier also die im Unternehmen des Klägers angestellte Arbeitnehmerin. Beitragspflichtig für diese Versicherung der im Unternehmen
tätigen Versicherten ist gemäß §
150 Abs.
1 Satz 1
SGB VII der Unternehmer, also der Kläger. Im Gegenzug tritt eine weitreichende zivilrechtliche Haftungsbeschränkung des Unternehmers
ein (§
104 SGB VII). Im Ergebnis handelt es sich bei der hier in Rede stehenden Beschäftigtenversicherung um eine Versicherung des Unternehmens
(Mitglied und damit Versicherungsnehmer), nicht des Unternehmers, gegen Versicherungsfälle (vgl. §
7 SGB VII) seiner Beschäftigten (Versicherte) mit einer Beitragspflicht und Haftungsbeschränkung des das Unternehmen betreibenden Unternehmers.
Dabei sieht §
161 SGB VII i.V.m der von der Beklagten erlassenen Satzung einen einheitlichen Mindestbeitrag vor, wie ihn die Beklagte hier erhob.
Demgegenüber handelt es sich bei der vom Kläger für sich selbst abgeschlossenen Versicherung um eine freiwillige Versicherung,
die §
6 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII u.a. Unternehmern ermöglicht ("auf schriftlichen Antrag können sich versichern ... Unternehmer"), die - da keine Beschäftigten
- von der oben dargelegten Versicherung des Unternehmens kraft Pflichtmitgliedschaft nicht erfasst werden. Versicherungsnehmer
(Mitglied) und Versicherter ist hier der Unternehmer.
Dies zeigt, dass es sich - entgegen der Darstellung des Klägers - bei der gesetzlichen Unfallversicherung gerade nicht um
eine einzige Versicherung eines Betriebes oder Unternehmens sowohl für den Arbeitnehmer wie für den Unternehmer selbst handelt.
Auch wenn der Versicherungsschutz als solches sowohl für den Beschäftigten wie für den Unternehmer die in §
7 SGB VII beschriebenen Versicherungsfälle umfasst, ist doch - wie dargelegt - der Versicherungsnehmer (Mitglied) unterschiedlich:
Bei der Beschäftigtenversicherung ist dies das Unternehmen, bei der freiwilligen Unternehmerversicherung der Unternehmer selbst.
Schon deshalb handelt es sich um verschiedene Versicherungsverhältnisse, woraus sich konsequenterweise auch getrennte Beitragspflichten
ergeben.
Hinweise für das Vorliegen anderer Zulassungsgründe (§
144 Abs.
2 Nr.
2 und
3 SGG) liegen nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG i.V.m. §
154 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung, jene über den Streitwert auf §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. den §§
63 Abs.
2 Satz 1, 52 Abs. 1 bis 3, 47 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG), hinsichtlich der Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung auf § 63 Abs. 3 GKG, und orientiert sich am Umfang der vom Kläger beantragten Aufhebung des streitigen Bescheides (81,05 - 2,76 Euro).
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG bzw. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).