Feststellungsinteresse im sozialgerichtlichen Verfahren bei der Feststellung von Unfallfolgen in der gesetzlichen Unfallversicherung
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung von Unfallfolgen und die Weitergewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines
Arbeitsunfalls vom 08.09.2005.
Im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit als selbstständiger Maler und Gerüstbauer fiel dem am 1945 geborenen Kläger, der sich
vor vielen Jahren beim Boxsport u.a. auch den Mittelhandknochen der rechten Hand gebrochen hatte (Bl. 83 VA), am 08.09.2005
eine Axt aus ca. 3 m Höhe auf den körperfernen Teil des rechten Unterarms. Hierdurch zog er sich streckseitig über dem rechten
Handgelenk eine Schnittverletzung mit einer Durchtrennung der kurzen und langen Handgelenksstrecksehne zu. Die Erstversorgung
und Naht der Sehnen wurde im E. R. (dort behandelnder Arzt u.a. Prof. Dr. K.) durchgeführt. Im weiteren Verlauf kam es noch
zu einer Ruptur der Daumenstrecksehne. Deswegen wurde operativ die Umlagerung des Zeigefingerstreckers als Ersatz des Daumenstreckers
vorgenommen (sog. Indicis-Plastik).
Die Beklagte gewährte dem Kläger bis zum 26.03.2006 Verletztengeld und mit Bescheid vom 08.06.2006 auf der Grundlage des Ersten
Rentengutachtens von Prof. Dr. K. vom Mai 2006 für den Zeitraum vom 27.03.2006 bis 31.05.2007 unter Annahme einer Minderung
der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (v.H.) eine Rente als vorläufige Entschädigung in Form einer Gesamtvergütung.
In der Begründung des Bescheides führte die Beklagte aus, sie habe bei der Bewertung der MdE als Unfallfolgen eine Einschränkung
der Handgelenksbeweglichkeit sowie der Daumengelenke, einen inkompletten Faustschluss und eine inkomplette Fingerstreckung,
eine Verminderung der groben Kraft um die Hälfte, eine Berührungsempfindlichkeit und Verdickung der Weichteile im Bereich
der Handgelenksstrecksehne nach Schnittverletzung mit Durchtrennung der kurzen und langen Handgelenksstrecksehne berücksichtigt.
Auf den Weitergewährungsantrag des Klägers holte die Beklagte bei Prof. Dr. K. das Rentengutachten zur Rentenfeststellung
nach Gesamtvergütung vom August 2007 ein. Dieser sah als Unfallfolgen eine Bewegungseinschränkung des Handgelenks um insgesamt
80° im Vergleich zur Gegenseite, einen erheblich inkompletten Faustschluss, eine inkomplette Fingerstreckung, eine Bewegungseinschränkung
des Daumens, eine Minderung der groben Kraft der Hand, Narbenformationen am Handgelenk und -rücken, eine Verminderung der
Handspanne um 2 cm sowie eine Umfangsvermehrung des rechten Handgelenks um 1cm im Vergleich zur Gegenseite. Er ging von einer
MdE um 20 v.H. auf Dauer aus. Dem widersprach der beratende Arzt der Beklagten Dr. T., der Zweifel an der bei der Begutachtung
demonstrierten Beweglichkeit äußerte und das ermittelte Funktionsdefizit durch das Verletzungsmuster nicht schlüssig erklärt
sah. Einen Teil der inkompletten Fingerstreckung rechts führte er auf eine beim Kläger bestehende Dupuytren'sche Kontraktur
zurück und nahm insgesamt keine MdE in rentenberechtigendem Grade an. Darauf gestützt, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom
22.10.2007 die Gewährung einer Rente nach Gesamtvergütung ab. Zur Begründung führte sie aus, lediglich die Bewegungseinschränkung
des Handgelenks sowie ein Teil der inkompletten Fingerstreckung sei als Unfallfolge anzusehen, im Übrigen beruhe die inkomplette
Fingerstreckung rechts sowie die Beugekontraktur der Finger auf der Dupuytren'schen Erkrankung und dem Bruch des ersten Mittelhandknochens
im 18. Lebensjahr. Die unfallbedingten Funktionsbeeinträchtigungen begründeten zur Zeit nur eine MdE um 10 v.H.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren holte die Beklagte das Gutachten des Chefarztes und PDen Dr. G. der Plastischen und
Handchirurgischen Klinik im Klinikum der Stadt V. ein. Als Unfallfolgen sah er lediglich die Bewegungseinschränkung im Handgelenk
und im Daumen, eine Gefühlsstörung des Handrückens, eine Narbenbildung am Unterarm und der Hand sowie eine Kraftminderung
der Hand. Unfallunabhängig seien eine Arthrose im Bereich der Hand- und Fingergelenke, der Morbus Dupuytren und ein Carpaltunnelsyndrom
(Verdachtsdiagnose). Die MdE durch die Unfallfolgen bewertete er mit 10 v.H. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2008 wies
die Beklagte den Widerspruch mit dem Hinweis, dass nach der Gewährung einer Gesamtvergütung im Hinblick auf die MdE-Bewertung
eine Verbesserung der Funktionsbeeinträchtigungen nicht nachgewiesen sein müsse, zurück.
Deswegen hat der Kläger am 24.07.2008 beim Sozialgericht Konstanz mit den Begehren auf Feststellung der von der Beklagten
im Gesamtvergütungsbescheid aufgeführten sowie der weiteren von Prof. Dr. K. genannten Funktionsbeeinträchtigungen sowie auf
Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. Klage erhoben. Das Sozialgericht hat Röntgenaufnahmen
beigezogen und den Oberarzt (OA) im Fachbereich Handchirurgie des Krankenhauses 14 N., W., K. mit der Erstellung eines weiteren
Gutachtens beauftragt. OA K. hat in seinem Gutachten nebst ergänzender Stellungnahme nur noch die verminderte Abspreizfähigkeit
des Daumens, eine reizlose Narbenbildung sowie eine Sensibilitätsminderung streckseitig am Daumengrundglied sowie streckseitig
über dem zweiten Mittelhandknochen als Unfallfolgen angesehen. Die Bewegungseinschränkung des Handgelenks hat er auf arthrotische
Veränderungen zurückgeführt. Die inkomplette Fingerstreckung - eine solche hat er auch an der linken Hand beschrieben - hat
er als Folge der Dupuytren'schen Erkrankung sowie weiterer arthrotischer Veränderungen angesehen. Bei einer Durchtrennung
der Strecksehnen des Daumens und anschließender Naht könne mit Sicherheit festgestellt werden, dass eine Einschränkung der
Flexion der Langfinger sowie eine Kraftminderung der Langfinger beim Faustschluss, dieser wurde von ihm als beidseitig komplett
ausführbar beschrieben, nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen seien.
Mit Urteil vom 01.02.2010 hat das Sozialgericht die Klage im Wesentlichen gestützt auf das Gutachten des OA K., das im Einklang
mit den Einschätzungen des PD Dr. G. und Dr. T. stehe, abgewiesen. Funktional sei allein die Einschränkung der Abspreizfähigkeit
des rechten Daumens bedeutsam. Diese sei mit dem vollständigen Verlust des Daumens, der nach der unfallmedizinischen Literatur
(Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. S. 641, zwischenzeitlich 8. Aufl., S. 565) eine
MdE um 20 v.H. rechtfertige, nicht gleichzustellen. Dem Gutachten von Prof. Dr. K. könne nicht gefolgt werden, da er nicht
berücksichtigt habe, dass die Beschwerden zum Teil auf das Carpaltunnelsyndrom, die Dupuytren'sche Erkrankung sowie eine Arthrose
am Handgelenk, die unfallunabhängig bestünden, zurückzuführen seien. Soweit der Kläger die Feststellung von Unfallfolgen begehrt
hat, hat das SG die Klage als unzulässig abgewiesen, da die Beklagte keine Feststellungen zu den Unfallfolgen getroffen habe. Die Ausführungen
zu den Unfallfolgen seien lediglich zur Begründung der Rentenablehnung erforderlich. Im Übrigen entsprächen diese Ausführungen
der Einschätzung des OA K..
Am 25.02.2010 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er trägt vor, OA K. habe sich nicht mit dem Gutachten von Prof. Dr. K. auseinandergesetzt.
Die Arthrose, die Dupuytren'sche Erkrankung sowie das Carpaltunnelsyndrom seien auf den Unfall zurückzuführen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Konstanz vom 01.02.2010 und unter Aufhebung des Bescheids vom
22.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.07.2008 zu verurteilen, ihm ab dem 01.06.2007 Verletztenrente nach
einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren sowie festzustellen, dass die Gesundheitsstörungen und Einschränkungen der Handgelenksbeweglichkeit
sowie der Daumengelenke, inkompletter Faustschluss und Fingerstreckung, Verminderung der groben Kraft um die Hälfte, Berührungsempfindlichkeit
und Verdickung der Weichteile im Bereich der Handgelenksstrecksehne, Minderung der Handspanne rechts um 2 cm, Umfangsvermehrung
des rechten Handgelenks um 1 cm im Vergleich zur Gegenseite, Narbenformationen am streckseitigen Handgelenk und Handrücken
Folgen des Arbeitsunfalles vom 08.09.2005 sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. OA K. habe sich insbesondere in seiner ergänzenden Stellungnahme
ausreichend mit dem Gutachten von Prof. Dr. K. auseinander gesetzt.
Der Senat hat OA K. um eine weitere ergänzende Stellungnahmen gebeten. Er hat erläutert, dass es sich bei der Arthrose, dem
Carpaltunnelsyndrom sowie der Dupuytren'schen Erkrankung um unfallunabhängige Gesundheitsstörungen handle. Die Arthrose habe,
wie sich aus den Röntgenbildern vom Unfalltag ergebe, schon damals vorgelegen. Da der Kläger beugeseitig und im Bereich des
Carpalkanals keine Verletzung gehabt habe, sei ein posttraumatisches Carpaltunnelsyndrom auszuschließen. Die Dupuytren'sche
Erkrankung sei anlagebedingt. Soweit er in seinem Ausgangsgutachten fälschlicherweise eine Durchtrennung der Daumenstrecksehnen
(anstatt der Handgelenksstrecksehnen) beschrieben habe, ändere sich dadurch die Sachlage nicht. Nach Verletzung und Wiederherstellung
der Handgelenksstrecker könne es zu einer vorübergehenden Einschränkung der Beweglichkeit des Handgelenkes kommen. Diese sei
jedoch reversibel. Beim Kläger hätten bei der Untersuchung am 30.09.2009 keine Verklebungen und Vernarbungen der radialseitigen
Handgelenksstrecksehnen vorgelegen. Seine speichenseitigen Beschwerden hätten sich genau auf die arthrotisch veränderten Handwurzelknochen
projiziert. Schon in den Röntgenaufnahmen vom 08.09.2005 zeige sich eine erhebliche Arthrose im Daumensattelgelenk und eine
Arthrose im Handgelenk. Die geringgradige Einschränkung der Handgelenksbeweglichkeit sei mit hinreichender Sicherheit auf
die arthrotischen Veränderungen des Handgelenks zurückzuführen. Eine Inidicis-Plastik könne eine Einschränkung der Streckfähigkeit
des Zeigefingers nach sich ziehen. Eine solche habe sich jedoch bei der Untersuchung nicht gezeigt. Die geringgradige Einschränkung
der Streckfähigkeit des Mittel-, Ring- und Kleinfingers seien auf die Dupuytren´sche Erkrankung zurückzuführen. Die am 20.10.2011
erstellten Röntgenaufnahmen zeigten auch am linken Daumensattel- und Handgelenk arthrotische Veränderungen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter
Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§
143,
144,
151 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) zulässige Berufung ist, soweit der Kläger die Feststellung von Unfallfolgen begehrt, teilweise begründet, im Übrigen aber
unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 22.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.07.2008, mit
dem die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente nach Ablaufen des Zeitraums, für den zuvor eine Gesamtvergütung bewilligt
worden war, ablehnte. Dem entsprechend ist für das prozessuale Begehren des Klägers auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung
von Verletztenrente nach Ablauf des Gesamtvergütungszeitraumes die Anfechtungs- und Leistungsklage die richtige Klageart.
Diese Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Denn beim Kläger liegen ab dem 01.06.2007 keine Folgen des Unfalls vom 08.05.2005
mehr vor, die eine rentenrelevante Minderung der Erwerbsfähigkeit verursachen.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist auch das prozessuale Begehren des Klägers auf gerichtliche Feststellung der
verbliebenen Unfallfolgen zulässig. Denn nach §
55 Abs.
1 Nr.
3 SGG kann mit der Klage die Feststellung begehrt werden, ob eine Gesundheitsstörung die Folge eines Arbeitsunfalles ist. Die begehrte
Feststellung muss sich auf den Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung in der letzten Tatsacheninstanz beziehen (Urteil des Senats
vom 19.05.2011, L 10 U 5435/07 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 18.09.1991, RKnU 3/90 in SozR 3-1500 § 55 Nr. 6). Dabei geht das Sozialgericht grundsätzlich zutreffend davon aus, dass das für eine solche Feststellungsklage notwendige
Feststellungsinteresse nur vorliegt, wenn zuvor ein entsprechendes Verwaltungsverfahren durchgeführt wurde (u.a. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 22/03 R für unterschiedliche Versicherungsfälle; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Auflage §
55 Rdnr. 3b). Soweit das Sozialgericht aber eine förmliche Feststellung des Unfallversicherungsträgers über das Vorliegen bzw.
Nichtvorliegen jeder einzelnen prozessual streitigen Unfallfolge desselben Versicherungsfalles verlangt, überspannt es die
Anforderungen an das Feststellungsinteresse. Ausreichend ist vielmehr, dass sich der Versicherungsträger in dem Verwaltungsverfahren
mit der Frage nach dem Vorliegen von Unfallfolgen befasste, was hier, wie sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheids
ergibt, in umfassender Weise der Fall war. Eine ausdrückliche, förmliche Entscheidung des Unfallversicherungsträgers über
jede einzelne als Unfallfolge behauptete Gesundheitsstörung ist nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 15.02.2005, B 2 U 1/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 12 für den Fall einer allgemeinen Leistungsablehnung durch den Unfallversicherungsträger, weil kein
Versicherungsschutz bestanden habe, für die nachfolgend erhobenen Klagen auf Feststellung des Vorliegens eines Arbeitsunfalles
und von Unfallfolgen; im Ergebnis so auch BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R für mittelbare Unfallfolgen in Gefolge ärztlicher Maßnahmen anlässlich eines Unfalles, über die die Behörde gerade keine
ausdrückliche Entscheidung getroffen hatte, sondern wo lediglich eine Ausheilung der unfallbedingten Primärverletzung festgestellt
worden war). Selbst im Verwaltungsverfahren nicht thematisierte Unfallfolgen können im Rahmen des §
99 Abs.
2 Nr.
3 SGG in das gerichtliche Verfahren einbezogen werden (Keller, aaO., Rdnr. 3c; BSG, Urteil vom 06.10.1977, 9 RV 66/76 in SozR 1500 § 99 Nr. 2 im Falle eines Leistungsbegehrens). Andernfalls müsste über jede, nicht bereits im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens
vom Versicherten ausdrücklich zur Anerkennung begehrte und vom Unfallversicherungsträger entsprechend ausdrücklich abgelehnte
Gesundheitsstörung ein gesondertes Verwaltungsverfahren durchgeführt werden. Allein die Betrachtung jener Sachverhalte, in
denen die Verletzung durch nachfolgende medizinische Maßnahmen - von konservativen Behandlungen bis zu operativen Eingriffen
- immer wieder Veränderungen unterliegt, zeigt, dass - wollte man die gerichtliche Feststellung einer Unfallfolge jeweils
von einer förmlichen Ablehnung der einzelnen Gesundheitsstörung durch den Versicherungsträger abhängig machen - ein effektiver
Rechtsschutz nicht zu gewährleisten wäre.
Dem Feststellungsinteresse steht auch nicht entgegen, dass der Kläger die Beklagte im Wege der Verpflichtungsklage auf Anerkennung
der Unfallfolgen verklagen könnte (BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, auch zum subjektiv öffentlichen Recht des Versicherten auf Anerkennung von Unfallfolgen durch den Versicherungsträger).
Denn insoweit besteht ein Wahlrecht des Versicherten zwischen diesen Klagearten (BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R).
Die Feststellungsklage ist im Sinne der Feststellung einer Bewegungseinschränkung am rechten Daumen mit Einschränkung der
Abspreizfähigkeit, reizloser Narben am Handgelenk und an der Hand rechts sowie einer Sensibilitätsminderung streckseitig über
dem Daumengrundglied rechts sowie über dem zweiten Mittelhandknochen als Unfallfolgen auch begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Hier ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Kläger am 08.09.2005 einen Arbeitsunfall erlitt, bei dem es zu einer
Schnittwunde und Strecksehnenverletzung (Extensor carpi radialis longus und brevis) kam. Damit ist aber nicht zugleich die
Annahme gerechtfertigt, dass die nach dem Arbeitsunfall an der rechten Hand feststellbaren Beschwerden und Funktionsbeeinträchtigungen
umfassend ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sind.
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen
Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis
und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das
Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund
nicht ursächlich. Kann dagegen das Unfallereignis nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Gesundheitsschaden entfiele (conditio
sine qua non), ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden
wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die
wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist
und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des
Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien können nur die im Tenor genannten Gesundheitsstörungen auf den Arbeitsunfall zurückgeführt
werden. Der Senat stützt sich dabei auf die überzeugenden Ausführungen des OA K., der weitergehende Unfallfolgen ausgeschlossen
hat. Soweit die Beklagte im Bescheid vom 08.06.2006 vom Vorliegen weiterer Unfallfolgen ausging, kann der Kläger hieraus nichts
ableiten. Denn diese Ausführungen sind lediglich Teil der Begründung dieses Verwaltungsaktes und nehmen nicht an der Regelungs-
und Bindungswirkung teil; auch der Kläger behauptet nichts anderes.
Die Dupuytren´schen Erkrankung, an der der Kläger - so PD Dr. G. und OA K. - leidet, ist generell anlagebedingt (s. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin,
Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage S. 557). Die Auffassung von OA K., die Einschränkung der Streckung der Langfinger
sei alleinig auf die Dupuytren´sche Erkrankung zurückzuführen, ist für den Senat überzeugend. Denn nach den von OA K. erhobenen
Befunden, liegt an beiden Händen des Klägers eine Einschränkung der Streckung der Langfinger vor, wobei die Finger der linken
Hand und die Finger drei bis fünf der rechten Hand durch den Unfall nicht betroffen waren. Einzig der Zeigefinger der rechten
Hand, bei dem - so OA K. - eine eingeschränkte Streckfähigkeit (auch) durch die (unfallbedingt) durchgeführte Indicis-Plastik
erklärt werden könnte, hat anlässlich der Messungen von OA K. keine Einschränkung der Streckfähigkeit aufgewiesen. Bei den
Messungen von Prof. Dr. K. und PD Dr. G. wies der Zeigefinger zwar eine Einschränkung der Streckfähigkeit auf, diese wich
jedoch von den Einschränkungen an den anderen Fingern nicht erheblich ab; im Übrigen kommt es auch insoweit, also für die
Frage einer durch die Indicis-Plastik verbliebenen Einschränkung im Bereich des linken Zeigefingers, allein auf den zuletzt
durch OA K. erhobenen Befund an. Im Ergebnis kann die vom Kläger geltend gemachte inkomplette Fingerstreckung damit nicht
als Unfallfolge festgestellt werden.
Auch hinsichtlich der verminderten Kraft der groben Hand kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass es sich um eine
Unfallfolge handelt. Denn OA K. hat die Kraftminderung nachvollziehbar mit dem beim Kläger vorliegenden Carpaltunnelsyndrom,
das seinerseits, da der Kläger - so übereinstimmend OA K. und PD Dr. G. - beugeseitig und im Bereich des Carpaltunnels keine
Verletzung hatte, nicht posttraumatisch sein kann, und mit den sich schon zum Unfallzeitpunkt abzeichnenden arthrotischen
Veränderungen (hierzu sogleich) erklärt. Hinzu kommt, und hierauf hat OA K. ebenfalls hingewiesen, dass bei einer Durchtrennung
von Strecksehnen (hier der Handgelenksstrecker = Extensor carpi radialis longus und brevis) eine Einschränkung für die Flexion
(Beugung) der Langfinger, die für den inkompletten Faustschluss verantwortlich ist, nicht eintreten kann. Soweit er in seiner
diesbezüglichen Stellungnahme für das Sozialgericht von einer Verletzung der Strecksehnen des Daumens ausgegangen ist (statt
jener des Handgelenks), ist dies insoweit nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Denn es bleibt bei der Tatsache, dass eine
Verletzung von Strecksehnen - egal ob des Daumens oder des Handgelenkes - keine Einschränkung der Beugefähigkeit der Langfinger
verursachen kann, weil diese in ihrer Struktur nicht betroffen sind. Insoweit hat OA K. in seiner ergänzenden Stellungnahme
für den Senat dargelegt, dass die Verletzung und Wiederherstellung der Strecksehnen des Handgelenkes lediglich (und nur vorübergehend)
zu einer Bewegungseinschränkung im Handgelenk führen können. Ohnehin liegt beim Kläger nach den von OA K. erhobenen Befunden
nicht nur an der rechten Hand, sondern auch an der linken Hand ein inkompletter Faustschluss vor, was zusätzlich gegen einen
Zusammenhang mit dem Unfall spricht.
Der Senat geht auf der Grundlage der Darstellungen des OA K. ferner davon aus, dass arthrotische Veränderungen die wesentliche
Ursache für die Einschränkung der Handgelenksbeweglichkeit sind. Die arthrotischen Veränderungen selbst können dabei nicht
auf den Unfall zurückgeführt werden. Sowohl die Arthrose am Handgelenk als auch (erheblich) am Daumensattelgelenk zeigten
sich - so OA K. - bereits auf den am Unfalltag angefertigten Röntgenbildern. Einen Zusammenhang mit dem Unfall hat OA K. in
seiner ergänzenden Stellungnahme gegenüber dem Senat zudem auf Grund des Unfallhergangs - Durchtrennung der Sehnen ohne knöcherne
Verletzungen und ohne Gelenkkapselverletzungen - ausgeschlossen. Gegen einen Unfallzusammenhang sprechen zudem die zuletzt
von OA K. auch linksseitig beschriebenen arthrotischen Veränderungen.
Vor diesem Hintergrund spricht, wie OA K. zuletzt überzeugend dargelegt hat, gegen einen wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen
den Sehnendurchtrennungen einerseits und andererseits den belastungsabhängigen Schmerzen sowie der eingeschränkten Handgelenksbeweglichkeit,
dass sich die vom Kläger angegebenen Beschwerden speichenseitig am rechten Handgelenk auf die arthrotisch veränderten Handwurzelknochen
projizieren, während Verklebungen und Vernarbungen der Handgelenksstrecksehnen auf dieser Seite nicht vorliegen. Die Auffassung
von OA K. steht zudem in Übereinstimmung mit der Stellungnahme von Dr. T., der in dem Verletzungsmuster ebenfalls keine schlüssige
Erklärung für das später aufgetretene Funktionsdefizit sah. Nicht nachvollziehbar ist insoweit, dass PD Dr. G. die Bewegungseinschränkung
im Handgelenk dem Unfall zuordnete, obwohl auch er die Arthrose im Bereich dieses Gelenks als unfallunabhängig erachtete.
Die vom Kläger gewünschte Feststellung einer Umfangsvermehrung des rechten Handgelenks um 1 cm im Seitenvergleich kann ebenfalls
nicht getroffen werden, da zum Zeitpunkt der Begutachtungen durch PD Dr. G. und OA K. eine solche nicht (mehr) vorgelegen
hat. Gleiches gilt für die zur Feststellung beantragte Verdickung der Weichteile im Bereich der Handgelenkstrecksehen; eine
solche hat OA K. nicht mehr beschrieben.
Die vom Kläger des Weiteren zur Feststellung begehrte Minderung der Handspanne um 2 cm ist in der als Unfallfolge festgestellten
eingeschränkten Abspreizfähigkeit des Daumens enthalten.
Auf Grund der als Unfallfolgen festgestellten Gesundheitsstörungen steht dem Kläger keine Verletztenrente zu. Das Sozialgericht
hat die für die Gewährung einer Verletztenrente maßgebliche Rechtsgrundlage - §
56 SGB VII - einschließlich der maßgeblichen Kriterien für die Bemessung der MdE umfassend und zutreffend dargestellt. Zur Vermeidung
von Wiederholungen wird darauf Bezug genommen.
Zutreffend ist das Sozialgericht zunächst davon ausgegangen, dass sich aus dem Bescheid über die Gesamtvergütung hinsichtlich
der damals zu Grunde gelegten MdE von 20 v.H. keine Bindungswirkung ergab, die MdE vielmehr ohne Rücksicht auf das Vorliegen
einer Veränderung neu festzustellen war. Dies ergibt sich allerdings, da hier die Abfindung mit eine Gesamtvergütung erfolgte,
nicht aus dem vom Sozialgericht herangezogenen §
62 Abs.
1 SGB VII, sondern aus der Regelung zur Abfindung mit einer Gesamtvergütung (§
75 SGB VII). Nach §
75 Satz 2
SGB VII ist nach Ablauf des Zeitraums, für den die Gesamtvergütung bestimmt war, auf Antrag Rente als vorläufige Entschädigung oder
Rente auf unbestimmte Zeit zu zahlen, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Auch hier ist somit die Einschätzung der
MdE für die Anschlussrente von der für die Gesamtvergütung festgestellten MdE unabhängig. Es ist kein Besserungsnachweis erforderlich,
wenn sie niedriger ausfällt (Ricke in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, §
75 SGB VII Rdnr. 5).
Das Sozialgericht hat umfassend und zutreffend, auch unter Auseinandersetzung mit den Gutachten von Prof. Dr. K., ausgeführt,
dass beim Kläger keine MdE von mindestens 20 v.H. vorliegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen weist der Senat die Berufung
insoweit aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß §
153 Abs.
2 SGG zurück. Zum Berufungsvorbringen des Klägers ist zu ergänzen, dass die OA K. in der vom Senat eingeholten Stellungnahme anschaulich
und überzeugend dargelegt hat, dass die Arthrose, die Dupuytren´sche Erkrankung und das Carpaltunnelsyndrom nicht auf den
Unfall zurückzuführen sind (s.o.).
Zu ergänzen ist, dass selbst PD Dr. G., der die Bewegungseinschränkung am Handgelenk und die Kraftminderung der Hand als unfallabhängig
erachtete, nur von einer MdE um 10 v.H. ausging. Auch dies ist - einen nach dem vorigen Ausführungen nicht vorhandenen ursächlichen
Zusammenhang unterstellt - nach den Erfahrungswerten in Schönberger/Mehrtens/Valentin (aaO. S. 534 und 544) schlüssig. Danach
kommt erst bei einem Totalverlust des groben Griffs der Hand eine MdE um 30 v.H. in Betracht, erst Einschränkungen der Handgelenksbewegung
um insgesamt 80° rechtfertigen eine MdE um 20 v.H. Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers sind zur Überzeugung des Senats
im Vergleich dazu deutlich geringer. Beim Kläger liegt nur eine sich - so PD Dr. G. - wechselhaft darstellende Kraftminderung
der Hand vor, mithin bei Weitem kein vollständiger Verlust der groben Kraft. Soweit Prof. Dr. K. die Beweglichkeit des Handgelenks
im Seitenvergleich um 80° eingeschränkt beschrieb, wurden diese Werte von PD Dr. G. und OA K. nicht bestätigt. PD Dr. G. zeigte
sich aktiv eine Bewegungsdifferenz von nur 40°, die bei der passiven Beweglichkeitsprüfung ganz entfiel. OA K. hat nur eine
geringgradige Beweglichkeitseinschränkung vorgefunden (im Seitenvergleich 10° Differenz zu Lasten der rechten Hand, im Vergleich
zu den Normalwerten 15° Differenz). Eine eingeschränkte Handgelenksbeweglichkeit, die in der Zusammenschau mit den übrigen
Beeinträchtigungen eine rentenberechtigende MdE rechtfertigen würde, ist mithin - einen Unfallzusammenhang unterstellt - nicht
gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Eine Kostenquotelung zugunsten des Klägers ist trotz der vom Senat auf seinen Antrag hin getroffenen Feststellungen nicht
vorzunehmen. Denn die getroffenen Feststellungen weichen zwar von den von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden genannten
Unfallfolgen ab, bleiben inhaltlich jedoch hinter diesen zurück. Insgesamt misst der Senat dem Unterliegen des Klägers hinsichtlich
seinem Begehr auf Verletztenrente die überragende Bedeutung bei.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.