Vergütung stationärer Krankenhausbehandlungen in der gesetzlichen Krankenversicherung
Anforderungen an die Prüfung der Erforderlichkeit im Hinblick auf eine fristgerecht eingeleitete Abrechnungsprüfung
Notwendigkeit der Einleitung eines Prüfverfahrens zur Vermeidung eines Einwendungsausschlusses
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Zusammenhang mit der Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung über die Berechtigung der
Beklagten, die bereits gegenüber dem Versicherten die beabsichtigte Schlauchmagen-Operation bei Adipositas-Erkrankung nach
Einholung von Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen (MDK) mangels Leistungsanspruchs abgelehnt hatte,
gegenüber der Klägerin die Vergütung der gleichwohl erfolgten stationären Behandlung und Operation ohne Einholung eines MDK-Gutachtens
zu verweigern.
Die Klägerin ist ein selbständiges Unternehmen der L. S. in der Rechtsform einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts
gemäß § 102a Gemeindeordnung Baden-Württemberg. Bis zum 31.12.2018 handelte es sich bei dem Klinikum der L. S. gKAöR um einen Eigenbetrieb der L. S..
Das Klinikum, in dem die ehemaligen städtischen Krankenhäuser K.-Hospital, O.-Hospital, B.-Hospital und das Krankenhaus B.
C. zusammengefasst wurden, war auch im Jahr 2018 in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen. Die Beklagte
ist eine gesetzliche Krankenversicherung.
Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte E. L. (geb 1962; Body-Maß-Index > 55 kg/m2) beantragte am 20.10.2017 bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Magenverkleinerung. Die Beklagte holte das sozialmedizinische
Gutachten des MDK vom 07.12.2017 ein. Der MDK führte aus, eine primäre Operationsindikation könne aus den vorliegenden Unterlagen
nicht nachvollzogen werden. Es bestehe eine klare medizinische Notwendigkeit zur Gewichtsreduktion. Ein "Ultima Ratio" für
die gewünschte Operation könne nicht bestätigt werden, da eine multimodale konservative Therapie zur Behandlung der Adipositas
in einem relevanten Zeitraum von 6 bis 12 Monaten nicht dokumentierterweise konsequent durchgeführt worden sei. Mit Bescheid
vom 12.12.2017 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Im Rahmen des Widerspruchsverfahren erstattete der MDK am 28.05.2018 ein
weiteres Gutachten, das zu keinem anderen Ergebnis führte. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2018 wies die Beklagte den Widerspruch
zurück.
In der Zeit vom 13.08.2018 bis zum 18.08.2018 wurde der Versicherte im Klinikum der Klägerin stationär behandelt und die Schlauchmagen-Operation
durchgeführt. Für die stationäre Behandlung stellte die Klägerin der Beklagten unter dem 22.08.2018 den Betrag von 7.203,85
€ unter Zugrundelegung der Diagnosis Related Group K04Z (Große Eingriffe bei Adipositas) in Rechnung. Die Rechnung wurde von der Beklagten jedoch nicht beglichen. Eine förmliche Abrechnungsprüfung (Prüfverfahren)
wurde von der Beklagten nicht eingeleitet.
Am 06.12.2018 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Die in der S3- Leitlinie "Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen" (2018) als auch die in der S3-Leitlinie
"Prävention und Therapie der Adipositas" (2014) genannten Kriterien seien bei dem Versicherten erfüllt gewesen. Da die Beklagte
kein Prüfverfahren nach §
275 Abs
1c SGB V in der vom 01.01.2016 bis 31.12.2019 geltenden Fassung (aF) eingeleitet habe, unterliege die Patientenakte einem Beweisverwertungsverbot.
Dies gelte ebenfalls für von der Beklagten einzuholende MDK-Stellungnahme. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
berühre eine (bestandskräftige) Ablehnung, welche von einer Krankenkasse gegenüber einem Versicherten ausgesprochen worden
sei, den Vergütungsanspruch des Krankenhauses nicht. Eine Befassung des MDK im Verwaltungsverfahren zwischen dem Versicherten
und seiner Krankenkasse ersetze nicht die nachgelagerte Abrechnungsprüfung nach §
275 Abs
1c SGB V aF zwischen Krankenkasse und Krankenhaus.
Die Beklagte hat sich auf die im Rahmen des vom Versicherten geführten Verwaltungsverfahrens eingeholten Gutachten des MDK
berufen, die eine Indikation nicht belegten. Eine sozialmedizinische Bewertung nach §
275 SGB V habe damit stattgefunden. Ein Beweisverwertungsverbot greife daher im vorliegenden Fall nicht ein. Es bestehe nach der aktuellen
Rechtsprechung ein Anspruch auf eine bariatrische OP nur dann, wenn diese Maßnahme sich als Ultima Ratio darstelle, was vorliegend
nicht der Fall sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.07.2019 hat das SG die Beklagte zur Zahlung von 7.203,85 € nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.09.2018
verurteilt. Ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richte sich allein nach den medizinischen
Erfordernissen im Einzelfall. Der Prüfungsumfang sei im vorliegenden Fall allerdings stark eingeschränkt. Indem die Beklagte
es unterlassen habe, eine MDK-Prüfung im Verhältnis zur Klägerin einzuleiten, sei eine Präklusionswirkung in Hinblick auf
mögliche medizinische Einwendungen eingetreten. Die Regelung in §
275 Abs
1c Satz 2
SGB V aF habe zur Folge, dass Krankenkasse und MDK bei einzelfallbezogenen Abrechnungsprüfungen nach Ablauf der Ausschlussfrist
des §
275 Abs lc Satz 2
SGB V aF auf die Daten beschränkt seien, die das Krankenhaus der Krankenkasse im Rahmen seiner Informationsobliegenheiten bei der
Krankenhausaufnahme und zur Abrechnung - deren vollständige Erfüllung vorausgesetzt - jeweils zur Verfügung gestellt habe.
Diese Begrenzung der Sachverhaltsermittlung wirke auch im Gerichtsverfahren fort. Es bestehe ein Beweisverwertungsverbot bzgl
der Patientenakte. Ebenso sei es nicht ausreichend, dass die Beklagte gegenüber dem Versicherten im Verwaltungsverfahren aufgrund
dessen Antrag bei der Beklagten den MDK beauftragt habe. Die Ablehnung gegenüber dem Versicherten berühre insofern nicht den
Vergütungsanspruch des Krankenhausträgers. Insofern sei das Abrechnungsverhältnis zwischen Krankenkasse und Krankenhaus vom
Behandlungsverhältnis zwischen Krankenhaus und Versichertem sowie vom Versicherungsverhältnis zwischen Versichertem und Krankenkasse,
kraft dessen der Versicherte nach Maßgabe des §
39 Abs
1 Satz 2
SGB V die Krankenhausbehandlung als Naturalleistung (Sachleistung) verlangen könne, zu trennen. Die Zahlungspflicht der Krankenkasse
entstehe im Abrechnungsverhältnis, unabhängig von einer Kostenzusage, unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch
den Versicherten. Diese Rechtsprechung weitergeführt, könne auch die Befassung des MDK im Verwaltungsverfahren zwischen Krankenkasse
und Versichertem als vorgelagerte Prüfung des Bestehens eines Sachleistungsanspruchs nicht das MDK-Prüfverfahren im Verhältnis
zwischen Krankenhausträger und Krankenkasse iR der nachgelagerten Abrechnungsprüfung ersetzen. Andernfalls würde das Prüfverfahren
nach §
275 Abs
1c SGB V aF samt seinem Schutzzweck bzw das vom BSG entwickelte dreistufige Prüfverfahren samt der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten der beteiligten Krankenkasse und des beteiligten
Krankenhauses leerlaufen. Die Prüfung beschränke sich daher auf den Sachverhalt, wie er sich aus den nach §
301 Abs
1 SGB V übermittelten Daten darstelle. Diesen lasse sich lediglich entnehmen, dass bei Adipositas-Erkrankung eine vollstationäre
Behandlung durchgeführt worden und eine Aufnahme in der allgemeinen Chirurgie erfolgt sei. Anhaltspunkte, warum diese Behandlung
nicht erforderlich gewesen sein sollte, ließen sich den Angaben nicht entnehmen. Von einer Erforderlichkeit der stationären
Behandlung sei daher auszugehen.
Gegen den ihr am 25.07.2019 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 22.08.2019 erhobene
Berufung der Beklagten. Zur Begründung trägt sie vor, das SG habe verkannt, dass die Beklagte ihrer als Behörde obliegenden Pflicht zur vorgerichtlichen Sachverhaltsermittlung nachgekommen
sei und zwar im Rahmen der Prüfung, ob die Voraussetzungen für die vom Versicherten beantragte Leistung vorlägen (§
275 Abs
1 Nr
1 SGB V). In diesem Zusammenhang seien für dieselben Fragen, die auch die Begründetheit der Rechnung bestimmten, MDK-Gutachten eingeholt
worden. Der maßgebliche Sachverhalt sei damit nicht erstmals bewertet worden. Auch wenn eine im Versicherungsverhältnis ergangene
Leistungsablehnung mangels Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit für das Abrechnungsverhältnis ohne Bedeutung sein solle, betreffe
die Ablehnung der Kostenübernahme und die streitgegenständliche Rechnung dieselbe stationäre Krankenhausbehandlung, ohne dass
sich der zugrunde liegende Sachverhalt geändert habe. Eine erneute Prüfung wäre bloße Förmelei. Der Sachverhalt sei vergleichbar
mit Fällen, in denen ein Strukturgutachten des MDK vorliege und daher auf die nochmalige Einholung eines Gutachtens verzichtet
werde. Die Schlussfolgerung des SG, dass anderenfalls nicht mehr der MDK, sondern erstmals die Sozialgerichte den von den Krankenkassen aufgeworfenen medizinischen
Zweifelsfragen nachgehen und im Rahmen einer Beweisaufnahme zu klären haben, treffe auf den vorliegend zu entscheidenden Sachverhalt
nicht zu. Es stelle sich in beiden Zusammenhängen dieselbe Frage, nämlich ob die Voraussetzungen der §§
27 Abs
1 Satz 1 i.V.m. 39 Abs
1 Satz 1
SGB V unter Beachtung der Vorgaben der Rechtsprechung in Bezug auf den Versicherten E. L. erfüllt seien oder nicht. Die streitgegenständliche
Operation sei etwas einen Monat nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2018 am 13.08.2018 in Anspruch genommen worden.
Neue Tatsachen in diesem Zeitraum, die eine andere Bewertung rechtfertigten und nicht berücksichtigt worden seien, seien nicht
ersichtlich und nicht vorgetragen. Dies werde auch dadurch bestätigt, dass der Versicherte sein Begehren nach Erlass des Widerspruchsbescheides
nicht mit einer Klage weiterverfolgt habe.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.07.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Patientenakte unterliege einem Beweisverwertungsverbot. Die Beklagte habe es unterlassen, im Nachgang zu
der streitgegenständlichen Behandlung vom 13.08.2018 bis 18.08.2018 fristgerecht eine MDK-Prüfung nach §
275 Abs
1c SGB V aF einzuleiten. Es sei eine Präklusionswirkung im Hinblick auf mögliche medizinischen Einwendungen der Beklagten eingetreten.
Die von der Beklagten eingeholten MDK-Gutachten im Antrags- und Widerspruchsverfahren des Versicherten ersetzten nicht die
Befassung des MDK im Rahmen einer Abrechnungsprüfung. Erstere habe die Frage zur Gegenstand, ob der Versicherte gegenüber
der Beklagten einen Sachleistungsanspruch habe. Bei der Prüfung der Abrechnung gehe es um die Entgeltforderung. Es handele
sich nicht um dieselben Fragen. Die von der Beklagten präoperativ eingeholten Gutachten bildeten schon wegen des Zeitablaufs
bis zur tatsächlich durchgeführten Operation einen völlig anderen medizinischen Sachverhalt.
Die Klägerin hat noch den Behandlungsvertrag mit dem Versicherten sowie die Allgemeinen Vertragsbedingungen für den Eigenbetrieb
Klinikum S. der L. S. vom 14.12.2016, gültig ab 01.06.2017 (AVB) vorgelegt.
Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 02.02.2021 bzw 04.02.2021 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung mitgeteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und
zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten über das auf Antrag des Versicherten durchgeführten Verwaltungs- und
Widerspruchsverfahren in Bezug auf die Gewährung der Schlauchmangen-Operation verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die nach den §§
143,
144,
151 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne
mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Das SG hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von 7.203,85 € nebst Zinsen verurteilt. Die Klägerin hat Anspruch auf die Vergütung
der stationären Behandlung des Versicherten.
Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach §
54 Abs
5 SGG die richtige Klageart gewählt (dazu nur BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13, juris; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Es handelt sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt
nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr 5).
Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch der Beklagten ist §
109 Abs
4 SGB V. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten
kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und iSv §
39 Abs
1 Satz 2
SGB V erforderlich ist (st Rspr BSG 16.12.2008, B 1 KN 1/07 R, BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13; BSG 08.11.2011, B 1 KR 8/11 R, BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2). Die konkrete Höhe des dem Krankenhaus zustehenden Vergütungsanspruches bemisst sich gemäß §
109 Abs
4 Satz 3
SGB V nach Maßgabe des KHG und des KHEntgG. Nach § 7 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen,
in den Nrn 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen (DRG)
nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Satz 1 Nr 1 i.V.m. § 9 KHEntgG). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen
und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 Satz 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft
als Vertragsparteien auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich
der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit hiervon zusätzlich zu zahlenden Entgelte
oder vorzunehmenden Abschläge (Nr 1), einen Katalog ergänzender Zusatzentgelte (Nr 2) sowie die Abrechnungsbestimmungen für
die Fallpauschalen und die sonstigen Entgelte (Nr 3). Maßgeblich sind hier der für das Jahr 2018 vereinbarte Fallpauschalen-Katalog
(G-DRG-Version 2018) und die Fallpauschalenvereinbarung (FPV) 2018.
Bei der Klägerin handelt es sich um ein zugelassenes Plankrankenhaus. Ob die vollstationäre Behandlung des Versicherten erforderlich
war, lässt sich nicht feststellen. Diese Nichterweislichkeit geht bei dem hier gegebenen Sachverhalt zu Lasten der Beklagten.
Dem steht nicht entgegen, dass die Entscheidung über den Anspruch des Versicherten auf vollstationäre Krankenhausbehandlung
allein der Krankenkasse und im Streitfall dem Gericht obliegt, ohne dass diese an die Einschätzung des Krankenhauses oder
seiner Ärzte gebunden sind. Der Grundsatz, dass die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung im Rechtsstreit von den Gerichten
der Sozialgerichtsbarkeit vollständig zu überprüfen ist, gilt auch dann, wenn die Krankenkasse ihre Leistungspflicht nachträglich
für einen zurückliegenden Zeitraum bestreitet. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Krankenkasse die Prüfungsvoraussetzungen
gemäß §
275 Abs
1 SGB V in der bis 11.05.2019 geltenden Fassung (aF) beachtet (vgl BSG 30.06.2009, B 1 KR 24/08 R, BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, Rn 28 ff). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Nur im Rahmen einer (fristgerecht eingeleiteten)
Abrechnungsprüfung trägt der Krankenhausträger die objektive Beweislast für die Erforderlichkeit einer Krankenhausbehandlung.
Führt die Krankenkasse keine Abrechnungsprüfung durch oder leitet sie eine solche Prüfung erst nach Ablauf der in §
275 Abs
1c Satz 2
SGB V in der vom 01.01.2016 bis 11.05.2019 geltenden Fassung (bzw jetzt: §
275c Abs
1 Satz 1
SGB V) geregelten Frist ein, kann sie die Erforderlichkeit einer stationären Krankenhausbehandlung nicht mehr bestreiten. Die genannten
Fristen sind Ausschlussfristen (vgl BSG 13.11.2012, B 1 KR 24/11 R, BSGE 112, 141-156 = SozR 4-2500 §
275 Nr
8, Rn 22: innerhalb der sechswöchigen Ausschlussfrist des §
275 Abs
1c S 2
SGB V). Dabei ist für Krankenhausbehandlungen, die ab dem 01.01.2016 oder später beginnen, aufgrund der Regelung in §
275 Abs
1c Satz 4
SGB V aF nicht mehr zwischen einer Auffälligkeitsprüfung und einer Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit zu unterscheiden.
Indem die Regelung des §
275 Abs
1c S 1
SGB V aF als Prüfung jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses ansieht, mit der die Krankenkasse den MDK beauftragt und die
eine Datenerhebung durch den MDK beim Krankenhaus erfordert, dehnt sie den Anwendungsbereich der Prüfungsfrist nach §
275 Abs
1c S 2
SGB V aus. Vor diesem Hintergrund macht die Geltungsanordnung zum Inkrafttreten des Satzes 4 in § 275 Abs 1c aF zum 01.01.2016
einen klaren Schnitt zwischen Krankenhausbehandlungen, die bis zum Ablauf des 31.12.2015 begonnen haben und solchen, die erst
vom 1.1.2016 an erfolgen (BSG 23.05.2017, B 1 KR 24/16 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 8).
Da die Beklagte ein Prüfverfahren nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V nicht bzw nicht fristgerecht eingeleitet hat, ist sie mit den Einwendungen, dass die Operation und der stationäre Aufenthalt
nicht erforderlich waren, ausgeschlossen. Nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V sind die Krankenkassen in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung
oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von
Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche
Stellungnahme des MDK einzuholen. Nach §
275 Abs
1c SGB V in der hier maßgeblichen vom 01.01.2016 bis 10.05.2019 geltenden Fassung ist bei Krankenhausbehandlung nach §
39 SGB V eine Prüfung nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V zeitnah durchzuführen (Satz 1). Die Prüfung nach Satz 1 ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse
einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen (Satz 2).
Die von der Beklagten geltend gemachte Leistungsablehnung gegenüber dem Versicherten ersetzt die konkreten Prüfung der Abrechnung
anhand der in der Patientenakte enthaltenen Unterlagen nicht. Dem Einwand der Beklagten, es liege der identische, unveränderte
Sachverhalt zugrunde, der auch für die Antragsablehnung gegenüber dem Versicherten maßgeblich gewesen ist, kann nicht gefolgt
werden. Ob es sich weiterhin um den identischen Sachverhalt handelt, kann mangels Behandlungsunterlagen bzw Patientenakte
nicht beurteilt werden. Darüber hinaus lag zwar zum Zeitpunkt der stationären Behandlung der Widerspruchsbescheid lediglich
sechs Wochen zurück, das MDK-Gutachten vom 28.05.2018 war aber bereits über zwei Monate alt und wurde ohne Untersuchung des
Versicherten und unter Zugrundelegung von ärztlichen Unterlagen erstellt, die aus dem Jahr 2017 stammten. Allein aufgrund
des Zeitablaufs kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass ein veränderter Sachverhalt zugrunde gelegen hat. Ob die
Beklagten im Rahmen des Sozialdatenschutzes überhaupt berechtigt ist, die aus dem Verwaltungsverfahren gewonnene Erkenntnisse
für die Abrechnung zu benutzen, kann dabei dahingestellt bleiben. Eine im Versicherungsverhältnis ergangene bindende Leistungsablehnung
ist für das Abrechnungsverhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse ohne Bedeutung (BSG 11.04.2002, B 3 KR 24/01 R, SozR 3-2500 § 109 Nr 9 = juris Rn 24; BSG 17.05.2000, B 3 KR 33/99 R, BSGE 86, 166-174 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 = juris Rn 16).
Mit dem Ablehnungsbescheid hat die Beklagte den Antrag des Versicherten bestandskräftig abgelehnt. Dieser kann daher gegenüber
der Beklagten eine Freistellung von Kosten bzw einen Kostenerstattungsanspruch nach §
13 Abs
2,
3 SGB V nicht mehr verlangen (vgl BSG 16.02.2005, B 1 KR 18/03 R, BSGE 94, 161-174 = SozR 4-2500 § 39 Nr 4). Dies schließt aber nicht aus, dass ein Versicherter gleichwohl einen Anspruch auf die Sachleistung
hat, weil die Ablehnung zu Unrecht erfolgt ist oder sich später noch Umstände ergeben, die nunmehr einen Anspruch begründen.
Das Krankenhaus ist nicht gehindert, die Behandlung - auch als Sachleistung - zu erbringen. Das Vergütungsrisiko für eine
nicht notwendige Krankenhausbehandlung trägt das Krankenhaus, weil die Notwendigkeit der Behandlung gesetzliche Anspruchsvoraussetzung
ist, es sei denn, der Versicherte verpflichtet sich selbst durch ausdrückliche privatrechtliche Vereinbarung zur Kostentragung
(BSG 28.02.2007, B 3 KR 15/06 R, SozR 4-2500 § 39 Nr 7, SozR 4-2500 § 39 Nr 9, Rn.19). Bei eigenen Zweifeln an der Erforderlichkeit einer stationären Behandlung machen Leistungserbringer
die Behandlung eines Versicherten von der vorherigen Erklärung der Krankenkasse über die Anerkennung der stationären Behandlungsnotwendigkeit
abhängig (vgl hierzu SG Dresden 26.06.2019, S 25 KR 1284/19). Legt der Versicherte eine Leistungsablehnung der Krankenkasse vor, tritt das Risiko eines Vergütungsrechtsstreits für den
Fall der Erbringung einer Sachleistung besonders zu Tage. Das Krankenhaus wird daher in der Regel die Leistung nicht erbringen
oder den Versicherten nur als Selbstzahler behandeln. Dieser kann ggf nach §
13 Abs
2,
3 SGB V vorgehen und trägt das Risiko, die Behandlungskosten nicht erstattet zu bekommen. Die Ablehnung der Sachleistung durch die
Krankenkasse gegenüber dem Versicherten hat insofern für das Krankenhaus Indizwirkung. Das Krankenhaus ist jedoch nicht gehindert,
die Behandlung gleichwohl als Sachleistung zu erbringen, zB weil es sich hierzu aus medizinischen Gründen verpflichtet fühlt.
Der Klägerin kann daher auch nicht entgegengehalten werden, dass der Versicherte keine Klage erhoben hat. Ob jemand nach einem
für ihn ungünstigen Ausgang eines Widerspruchsverfahrens den Klageweg beschreitet, ist zudem eine persönliche Entscheidung.
Die Beweggründe können höchst unterschiedlicher Natur sein, die Annahme einer fehlenden Erfolgsaussicht ist nur einer von
mehreren möglichen Hintergründen für die Entscheidung. Dies kann der Klägerin, die hierauf keinen Einfluss hat, im Rahmen
eines Abrechnungsstreits nicht zum Nachteil gereichen. Vielmehr steht es der Beklagten frei, eine Prüfung nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V vorzunehmen.
Auch die Formulierung im Behandlungsvertrag der Klägerin mit dem Versicherten
"Für den Fall, dass keine Kostenübernahmeerklärung eines Sozialleistungsträgers, eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Kostenträgers
oder einer privaten Krankenversicherung vorgelegt wird oder die vorgelegte Kostenübernahmeerklärung nicht die Kosten aller
in Anspruch genommenen Leistungen abdeckt, ist die Patientin/der Patient ganz bzw. teilweise als Selbstzahlerin/Selbstzahler
zur Zahlung des Entgeltes für die Krankenhausleistungen verpflichtet (gem. § 8 AVB)."
schließt die Geltendmachung der Kosten gegenüber der Beklagten nicht aus. Hierin liegt keine Selbstzahlerabrede. Wie die Klägerin
mitgeteilt hat, werden seit 2017 keine Kostenübernahmeerklärungen mehr angefordert, sondern die Prüfung der medizinischen
Indikation erfolgt im Hause der Klägerin. Der Senat versteht die vorgenannte Erklärung dahingehend, dass diese nur für den
Fall gilt, dass eine Kostenübernahmeerklärung von der Klägerin angefordert worden ist und nicht - wie der Wortlaut nahelegen
könnte - vom Versicherten in jedem Fall eine solche Erklärung beigebracht werden muss, um nicht als Selbstzahler behandelt
zu werden. Dementsprechend sieht § 7 Abs 1 Satz 2 AVB (in der Fassung vom 14.12.2016, gültig ab 01.06.2017) vor, dass eine
Kostenübernahmeerklärung auf Verlangen vom Patienten vorzulegen ist. § 8 befasst sich mit der Behandlung als Selbstzahler
im Falle des fehlenden Krankenversicherungsschutzes. Wie mit einem Fall umzugehen ist, dass jemand auf Verlangen des Krankenhauses
keine Kostenübernahmeerklärung vorlegt, ist nicht geregelt. Insofern dürfte davon auszugehen sein, dass eine Behandlung nicht
oder von vornherein nur als Selbstzahler stattfindet. Die obengenannte Formulierung im Behandlungsvertrag dient nach Auffassung
des Senats der Wahrung von Aufklärungspflichten.
Hat ein Versicherter gegenüber dem Krankenhaus ggf sogar auf Nachfrage eine ihm gegenüber ergangene ablehnende Entscheidung
der Krankenkasse verschwiegen und erhält das Krankenhaus später keine Vergütung, sind die sich daraus ggf ergebenden Konsequenzen
im Verhältnis von Versicherten und Krankenhaus zu klären. Auf eine Kenntnis der Klägerin kommt es daher nicht an. Im Übrigen
hat diese auch mitgeteilt, von der Leistungsablehnung gegenüber dem Versicherten nichts gewusst zu haben.
Nach alledem war die streitgegenständliche stationäre Behandlung des Versicherten erforderlich und durchzuführen. Die Klägerin
hat hierfür zu Recht die DRG K04Z (Große Eingriffe bei Adipositas) in Ansatz gebracht und gegenüber der Beklagten abgerechnet.
Der Zinsanspruch folgt aus §
19 Abs
3 des Landesvertrages gemäß §
112 Abs
2 Satz 1 Nr
1 SGB V.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) zugelassen. Die Frage, ob die Beklagte auch dann zur Vermeidung eines Einwendungsausschlusses ein Prüfverfahren nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V einleiten muss, wenn aus ihrer Sicht von vornherein ein Leistungsanspruch des Versicherten nicht bestand und die Behandlung
nicht erforderlich war, wurde bisher vom Bundessozialgericht noch nicht geklärt.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 HS 1
SGG i.V.m. § 63, § 52 Abs 1, 3, § 47 Gerichtskostengesetz.