Gründe
I.
Streitig ist, ob die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet ist, bis zur Entscheidung in der Hauptsache
die Behandlungskosten für die von der Antragstellerin begehrte Therapie mit Immunglobulinen zu tragen.
Die am 21.04.1978 geborene Antragstellerin leidet an einer schubförmig verlaufenden Multiplen Sklerose (MS) mit hoher Schubaktivität.
Diese wurde bei der Antragstellerin im Jahr 2005 diagnostiziert. Bisher durchgeführte Immunprophylaxen der Basistherapie und
der Eskalationstherapie mussten wegen Nebenwirkungen bzw allergischen Reaktionen beendet werden.
Unter Vorlage ärztlicher Unterlagen beantragte die Antragstellerin die Kostenübernahme einer Therapie mit Immunglobulinen
bei schubförmig verlaufender MS. Um ihr kleines Kind weiter versorgen zu können, bat sie um Kostenübernahme für eine Schubprophylaxe
mit intravenös applizierten Immunglobulinen, welche zunächst für eine Zeitdauer von sechs Monaten mit anschließender Reevaluation
durchgeführt werden solle.
Die Antragsgegnerin beauftragte daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Begutachtung. Dr.
A. kam in seinem Gutachten vom 17.04.2014 zu dem Ergebnis, dass in Deutschland zahlreiche rezeptpflichtige Präparate auf dem
Markt erhältlich seien, die als Wirkstoff Immunglobuline zur intravenösen Verabreichung enthielten. Keines dieser Präparate
sei jedoch zur Behandlung der MS zugelassen, die Behandlung solle daher im sogenannten Off-Label-Use erfolgen. Allerdings
lägen die Voraussetzungen, die das BSG in seinem Urteil vom 19.03.2012 (B 1 KR 736/00 R) aufgestellt habe, nicht vor. Es könne nämlich nicht bestätigt werden, dass die Möglichkeiten der Standardtherapie ausgeschöpft
seien. Weiter bestehe aufgrund der Datenlage nicht die begründete Aussicht, dass mit der begehrten Therapie ein Behandlungserfolg
zu erzielen sei.
Mit Bescheid vom 24.04.2014 lehnte die Antragsgegnerin darauf den Antrag ab. Die Antragstellerin legte hiergegen unter Vorlage
weiterer medizinischer Unterlagen am 08.08.2014 Widerspruch ein und beantragte am 06.08.2014 die Antragsgegnerin im Wege der
einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Behandlungskosten für die intravenöse Immunglobulintherapie bis zur Entscheidung
in der Hauptsache zu übernehmen. Es bestehe ein Anordnungsanspruch, weil ohne die beantragte einstweilige Regelung die Gefahr
gegeben sei, dass der Anspruch der Antragstellerin auf Kostenübernahme für die Behandlung mit Immunglobulinen vereitelt werde,
es weiter mit einer erheblichen gesundheitlichen Verschlechterung gerechnet werden müsse und der bestehende (weitere) Kinderwunsch
der Antragstellerin vereitelt werde. Auch lägen durchaus die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme nach der Rechtsprechung
des BSG in seinem Urteil vom 19.03.2002 vor. Es handele sich bei MS um eine schwere Erkrankung. Alle bisher in Frage kommenden Medikamente
und Therapien seien erfolglos geblieben oder mit starken Nebenwirkungen verbunden gewesen. Darüber hinaus bestehe aufgrund
der Datenlage die begründete Aussicht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt
werden könne. Ein Anordnungsgrund sei aufgrund der finanziellen Leistungsfähigkeit bzw Leistungsunfähigkeit der Antragstellerin
gegeben.
Mit Beschluss vom 26.08.2014 hat das Sozialgericht Stuttgart (SG) den Antrag abgelehnt. Es bestehe kein Anordnungsanspruch, weshalb dahingestellt bleiben könne, ob ein Anordnungsgrund glaubhaft
gemacht sei. Es sei zu beachten, dass ein Anspruch auf Versorgung mit Medikamenten nur bestehe, soweit diese zugelassen seien.
Dabei sei ein Fertigarzneimittel, welches keine arzneimittelrechtliche Zulassung für dasjenige Indikationsgebiet besitze,
in welchem es im konkreten Fall eingesetzt werden solle, mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht von der Leistungspflicht
der Krankenversicherung umfasst. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestehe lediglich bei einer schwerwiegenden Erkrankung,
für die eine andere Therapie nicht verfügbar sei, wenn aufgrund einer spezifischen Datenlage ein begründeter Behandlungserfolg
in der Form bestehe, dass mit einer künftigen Zulassung gerechnet werden könne. Diese Voraussetzungen seien vorliegend jedoch
nicht erfüllt. Es fehle an den generellen Voraussetzungen der mutmaßlichen Evidenz der Qualität und Wirksamkeit einer Behandlung
der schubförmigen MS mit intravenösen Immunglobulinen.
Die Antragstellerin habe darüber hinaus auch keinen Anspruch auf Versorgung in zulassungsüberschreitender Anwendung nach den
Grundsätzen einer notstandsähnlichen Situation gemäß dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98). Voraussetzung für die Kostenübernahme der Therapie wäre auch nach dieser Entscheidung eine nicht ganz entfernt liegende
Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Selbst wenn MS als eine notstandsauslösende
Erkrankung grundsätzlich anerkannt wäre, bestünde keine auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung
oder wenigstens auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bei einer Behandlung mit intravenösen Immunglobulinen.
Der Beschluss ist dem Bevollmächtigten der Antragstellerin am 27.08.2014 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt worden.
Am 08.09.2014 hat die Antragstellerin Beschwerde zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung
führt die Antragstellerin aus, dass nach ihrem dafürhalten die Voraussetzungen der mutmaßlichen Evidenz bei Qualität und Wirksamkeit
einer Behandlung der schubförmigen MS mit intravenösen Immunglobulinen vorlägen. Auch wenn die Therapie mit Immunglobulinen
bei der Encephalomyelitis disseminate zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zugelassen sei, gebe es inzwischen zumindest bei schubförmigen
Verläufen Erfahrungen, die eine Wirksamkeit belegen würden. Insoweit würde es sich bei der Behandlung mit Immunglobulinen
nicht um ein alternatives oder komplementäres Verfahren handeln. Die Behandlung mit Immunglobulinen bei MS besitze zwischenzeitlich
längst eine feste Position im therapeutischen Konzept. Insbesondere aber habe das SG in seiner Entscheidung auch übersehen, dass die Therapie für die Beschwerdeführerin angesichts des Kinderwunsches alternativlos
sei. Insofern sei Artikel
6 Grundgesetz (
GG) besonders zu berücksichtigen.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.08.2014 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
zu verpflichten, die Behandlungskosten für eine Behandlung der Antragstellerin mit Immunglobulinen ab Antragstellung bis zur
Entscheidung in der Hauptsache zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakte
erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die gemäß §
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft (§
172 Abs
1, Abs
3 Nr
1 SGG) und damit zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
Gemäß §
86b Abs
2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf
den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung
eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur
Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach §
86b Abs
2 Satz 2
SGG in Betracht. Die Antragstellerin verlangt die Behandlung mit Immunglobulinen ab Antragstellung bis zur Entscheidung in der
Hauptsache.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich eine wenigstens summarische Prüfung der Erfolgsaussicht in
der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs
(Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu
machen (§
86b Abs
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs
2 der
Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen
Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht
[BVerfG] 25.07.1996, 1 BvR 638/96, NVwZ 1997, 479; BVerfG 12.05.2005, 1 BvR 569/05, NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im
Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung.
Im einstweiligen Rechtsschutz sollen überdies nur diejenigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die zur Behebung einer
aktuellen, dh noch gegenwärtigen Notlage erforderlich sind. Nur ausnahmsweise, wenn die Nichtgewährung der Leistung in der
Vergangenheit in die Gegenwart fortwirkt und infolgedessen eine aktuelle Notlage besteht, kann von diesem Grundsatz eine Ausnahme
gemacht werden. Bei Geldleistungen, die ausschließlich für die Vergangenheit begehrt werden, fehlt deshalb in der Regel der
Anordnungsgrund (Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen 02.10.2013, L 19 AS 1521/13B ER, L 19 AS 1522/13 B, [...]; Sächsisches LSG 31.01.2008, L 3 B 465/07 AS ER, [...]; ständige Rechtsprechung des Senats speziell für Krankengeld, vgl zuletzt Beschluss vom 10.02.2014, L 11 KR 122/14 ER-B, nwN).
Vor diesem Hintergrund bestünde schon kein Anordnungsgrund für die in der Vergangenheit ab Antragsstellung bis zur Einreichung
des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutzes angefallenen Kosten, sofern sich die Klägerin die Behandlung selbst beschafft
hat. Ob die Antragstellerin diese (nicht konkret bezifferten) Kosten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geltend
macht, ist freilich nicht ganz klar. Allerdings ist im Hinblick auf die Antragstellung, die eine Versorgung ab Antragstellung
fordert, zunächst hiervon auszugehen, da eine rückwirkende Sachleistung denknotwendig ausscheidet. Selbst wenn die Antragstellerin
die Behandlungskosten jedoch zunächst selbst aufgebracht hat, wäre es der Antragstellerin ohne weiteres zumutbar, das Ergebnis
des Klageverfahrens abzuwarten, weshalb diesbzgl kein Anordnungsgrund besteht.
Im Vordergrund des Verfahrens steht hier allerdings der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung der Immunglobulintherapie
für die Zukunft. Diesbezüglich besteht indes kein Anordnungsanspruch.
Arzneimittel werden mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§
2 Abs
1 Satz 1, §
12 Abs
1 SGB V) nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung nach §
27 Abs
1 Satz 2 Nr
1 und
3, §
31 Abs
1 Satz 1
SGB V geleistet, wenn ihnen die arzneimittelrechtliche Zulassung gemäß § 21 Abs 1 AMG fehlt (vgl BSG 27.03.2007, B 1 KR 17/06 R, [...]). Das von der Klägerin begehrte Immunglobulin ist nicht für die Behandlung von MS zugelassen.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine zulassungsüberschreitende Anwendung nach den von der Rechtsprechung entwickelten
Voraussetzungen eines "Off-Label-Use" auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Kostenübernahme für einen solchen
Off-Label-Use kommt nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität
auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund
der Datenlage eine begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ)
erzielt werden kann (BSG 27.03.2007, B 1 KR 17/06 R, [...]).
Selbst bei Annahme der ersten beiden vom Bundessozialgericht geschlossenen Voraussetzungen eines Off-Label-Use auf Kosten
der gesetzlichen Krankenversicherung fehlt es an den hinreichenden Erfolgsaussichten der Anwendung von Immunglobulinen. Von
solchen hinreichenden Erfolgsaussichten kann nur dann ausgegangen werden, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten
lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies kann angenommen werden, wenn entweder
(1.) die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt worden ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung
der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht worden sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive
einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder (2.) außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene
Erkenntnisse veröffentlicht worden sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in den neuen Anwendungsgebieten
zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens
über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne bestehen (BSG 26.09.2006, B 1 KR 14/06 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 6). Daran fehlt es. Das BSG hat in seinem Urteil vom 26.09.2006 insbesondere die auch von der Antragstellerin erwähnte Stellungnahme des P.-E.-Instituts
von Oktober 2005 berücksichtigt Seit dem vorgenannten Urteil des BSG vom 26.09.2006 (aaO) hat sich nichts Wesentliches geändert (vgl Bayerisches LSG 10.09.2012, L 5 KR 201/11; die Nichtzulassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung hat das BSG zurückgewiesen, BSG 12.07.2013, B 1 KR 123/12 B). Die Antragstellerin beruft sich in ihrer Beschwerdebegründung auf Studien und Stellungnahmen, die aus dem Jahr 2006 und
früher stammen.
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sich zudem mit Beschluss vom 20.10.2011 dazu entschieden, aufgrund von Empfehlung der "Expertengruppe
Off-Label im Bereich Neurologie/Psychiatrie zur Anwendung von intravenösen Immunglobulin G (IVIG) im Anwendungsgebiet MS"
weder eine positive noch eine negative Bewertung zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse festzustellen. Aufgrund von
bislang divergierenden Studienergebnissen hielt die Expertengruppe weitere methodisch angemessene Studien für erforderlich,
insbesondere für die vielversprechende aber bisher unzureichend gesicherte Indikation Schwangerschaft (vgl tragende Gründe
zum Beschluss des GBA über eine Nichtabänderung der Arzneimittel-Richtlinie vom 20.10.2011, im Internet unter www.gba.de).
In der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) zur "Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose" mit Stand
Januar 2012 und Ergänzung August 2014 wird zur Therapie der Multiplen Sklerose ausgeführt: "SPMS/PPMS: Zwei Studien haben
die Wirkung von IVIg bei sekundär chronisch progredienter MS (SPMS) untersucht, wobei bei einer der beiden Studien auch primär
chronisch progrediente Patienten (PPMS) 11 eingeschlossen wurden (Hommes et al. 2004, Pohlau et al. 2007). Beide Studien zeigten
keinen Effekt der IVIg auf die Progredienz der Erkrankung bei SPMS. Bei den PPMS-Patienten kam es zwar zu einer signifikanten
Verlängerung der Zeit bis zur bestätigten Behinderungsprogression, allerdings beruhen diese Daten aufgrund einer hohen Abbruchrate
auf lediglich 16 Patienten mit PPMS (Pohlau et al. 2007). Die Gabe von IVIg bei SPMS oder PPMS ist somit nicht indiziert."
Auch diese Ausführungen belegen, dass aufgrund der derzeitigen Datenlage keine begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden
Präparat ein Behandlungserfolg erzielt werden kann.
Ein Anspruch der Antragstellerin besteht auch nicht nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten und mittlerweile in
§
2 Abs
1a SGB V normierten besonderen Anforderungen an das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung bei einer lebensbedrohlichen
oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung. Diese Grundsätze gelten
sinngemäß auch für die Versorgung mit Arzneimitteln (vgl BSG 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, [...]). Speziell zur MS hat das BSG für einen Fall sekundär-progredienter Verlaufsform selbst in schweren Krankheitsfällen eine Lebensgefahr verneint. Begründet
wird dies damit, dass eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen nur gerechtfertigt ist,
wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt,
wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten
Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren,
überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird (BSG 17.03.2007, B 1 KR 17/06 R, [...] Rn 23). Nach den vorliegenden Unterlagen befindet sich die Klägerin freilich noch in einem klinisch stabilen Zustand.
Weitere Schübe sind aktuell nicht aufgetreten, so dass schon keine besonders schwere Erkrankung im Sinne einer besonderen
Notstandssituation gegeben ist (vgl BSG 28.02.2008, B 1 KR 15/07 R, [...]; anders in dem vom LSG Berlin-Brandenburg entschiedenen Fall, vgl 15.04.2011, L 1 KR 326/08).
Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Wertungen des Art
6 Abs
4 GG. Auch diese rechtfertigen es nicht, den bei der Klägerin bestehenden Krankheitszustand Nach Art
6 Abs
4 GG hat jede Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der staatlichen Gemeinschaft. Der Schutz des Art
6 Abs
4 GG erfasst Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit. Neben dem verbindlichen Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber, der vor allem
die Gewährung einer Schonzeit vor und nach der Geburt fordert, ist die Verfassungsnorm Ausdruck einer verfassungsrechtlichen
Wertentscheidung, die für den gesamten Bereich des öffentlichen und privaten Rechts verbindlich ist (BVerfG 8.6.2004, 2 BvR 785/04, NJW 2005, 2382, [...] RdNr 26 mwN). Auch unter Berücksichtigung dieser Wertentscheidung kann das Bedürfnis der Klägerin, ihre Tochter zu
versorgen und erneut schwanger zu werden, einer notstandsähnlichen Situation Schwerstkranker nicht gleichgestellt werden.
Eine Gleichstellung hätte nämlich zur Folge, dass das begehrte Arzneimittel dann ohne die arzneimittelrechtlich vorgesehene
Kontrolle der Sicherheit und Qualität für die Erkrankung der MS eingesetzt werden könnte. Das geschilderte Interesse der Klägerin
muss insoweit hinter dem Anliegen des Gesetzes an einem wirksamen Patientenschutz vor inakzeptablen unkalkulierbaren Risiken
für die Gesundheit zurücktreten. (vgl BSG 28.02.2008, B 1 KR 15/07 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 16).
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar.