Aufhebbarkeit einer Entscheidung über das Nichtbestehen von Versicherungspflicht im Statusfeststellungsverfahren gegenüber
dem Adressaten des Verwaltungsakt
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Versicherungspflicht des Klägers in der Rentenversicherung ab dem 1. August 1995 aufgrund
seiner Beschäftigung bei dem Beigeladenen zu 1) streitig.
Der am 12. August 1971 geborene Kläger, der Mitglied der Beklagten ist, ist gelernter Industriekaufmann (Fachwirt). Der Beigeladene
zu 1), sein Vater, betreibt die Einzelhandelsfirma "P. G. Steuerungstechnik". Seit dem 1. August 1995 ist der Kläger bei dem
Beigeladenen zu 1) als leitender Angestellter tätig. Er ist nach eigenen Angaben alleinverantwortlich für das Lager, die EDV,
den Einkauf und die Logistik. Für diese Tätigkeit erhält er monatlich 3.256,-- € brutto. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag
wurde nicht geschlossen.
Am 30. September 2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status.
Er sei als leitender Angestellter in der Firma seines Vaters tätig und zahle Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung. Ihm sei
bekannt geworden, dass in letzter Zeit die Bundesagentur für Arbeit (Beigeladene zu 3) in einigen Fällen die Zahlung von Arbeitslosengeld
den Angehörigen der Inhaber eines Unternehmens verweigere, da sie nicht der Sozialversicherungspflicht unterfielen. Es werde
regelmäßig eine Mitunternehmerstellung in der Firma angenommen. Auch Renten wegen Erwerbsminderung würden deshalb abgelehnt.
Um für die Zukunft sicher zu gehen, bat er die Beklagte, seinen sozialversicherungsrechtlichen Status zu überprüfen. Im Feststellungsbogen
zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen gaben der Kläger und der Beigeladene
zu 1) unter dem 20. September 2005 an, eine feste Arbeitszeit sei nicht vereinbart worden, die durchschnittliche wöchentliche
Arbeitszeit betrage jedoch 50 bis 60 Stunden. Eine arbeitsvertragliche Vereinbarung sei nicht geschlossen worden, ebenso fehle
eine Vereinbarung im Hinblick auf einen Urlaubsanspruch, eine Kündigungsfrist und die Fortzahlung von Arbeitsentgelt bei Arbeitsunfähigkeit.
Er erhalte monatlich 3.256,-- € brutto, wobei dieser Betrag auf ein privates Bank-/Girokonto überwiesen, Lohnsteuer entrichtet
und als Betriebsausgabe gebucht werde. Ohne seine Mitarbeit müssten andere Arbeitskräfte eingestellt werden. Er sei an Weisungen
des Betriebsinhabers nicht gebunden und könne seine Tätigkeit frei bestimmen. Zudem wirke er bei der Führung des Betriebs
mit und die Mitarbeit sei durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Er erhalte mündlich vereinbarte
Tantieme, je nach Erfolg des Unternehmens. Am Betrieb des Beigeladenen zu 1) sei er jedoch nicht beteiligt. Auch habe er dem
Betrieb/Betriebsinhaber keine Darlehen gewährt.
Mit Bescheid vom 7. Oktober 2005, gerichtet an den Kläger, stellte die Beklagte fest, dass seit dem 1. August 1995 kein abhängiges
Beschäftigungsverhältnis vorliege, das Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung
begründe. Gegen eine versicherungspflichtige Beschäftigung spreche, dass der Kläger nicht an Weisungen des Betriebsinhabers
über die Ausführungen der Arbeit gebunden sei, er seine Tätigkeit frei bestimmen und gestalten könne, aufgrund der besonderen
Fachkenntnisse bei der Führung des Betriebes mitwirke und die Mitarbeit aufgrund familienhafter Rücksichtnahme durch ein gleichberechtigtes
Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt sei. Zudem bestehe keine Regelung zum Urlaubsanspruch und der Entgeltfortzahlung
im Krankheitsfall. Der Bescheid enthielt ua den Hinweis, dass er einen Antrag auf Beitragserstattung bei der Beigeladenen
zu 2) stellen könne. Darüber hinaus enthielt er folgenden Passus: "Bitte legen Sie dem Rentenversicherungsträger und der Agentur
für Arbeit außer den Beitragserstattungsanträgen unsere Entscheidung zur versicherungsfreien Beschäftigung und Ihren Feststellungsbogen
bei." Die beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung lautete: "Gegen diese Entscheidung können Sie innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe
schriftlich oder zur Niederschrift bei uns Widerspruch einlegen, der möglichst eingehend begründet werden sollte."
Der Kläger schloss sodann mit der Beigeladenen zu 5) eine private Rentenversicherung (Versicherungsbeginn 1. November 2005,
Versicherungsscheinnummer 355393316), eine private Kranken- und Pflegepflichtversicherung (Versicherungsbeginn 1. November
2005, Versicherungsscheinnummer 3225959-531) sowie eine dynamische Unfallversicherung (Versicherungsbeginn ab 1. Dezember
2005, Versicherungsscheinnummer PU 60-0503-4740365-120). Er beantragte zudem bei der Beigeladenen zu 2) am 24. Oktober 2005
die Erstattung seiner Beiträge ab dem 1. August 1995. Hierbei fügte er den Bescheid der Beklagten vom 7. Oktober 2005 bei,
der mithin am 24. Oktober 2005 bei der Beigeladenen zu 2) einging.
Mit Schreiben vom 7. April 2006, bei der Beklagten eingegangen am 12. April 2006, teilte die Beigeladene zu 2) mit, sie teile
die Auffassung nicht, wonach der Kläger dem Personenkreis der selbständig Tätigen zuzuordnen sei. Denn der Kläger erhalte
eine regelmäßige monatliche Zahlung eines Arbeitsentgelts, es werde Lohnsteuer vom Arbeitsentgelt entrichtet und es werde
auch als Betriebsausgabe verbucht. Zudem bestehe keine Beteiligung am Betrieb und der Kläger trage auch kein Unternehmerrisiko.
Die Behauptungen im Feststellungsbogen, die Tätigkeit werde ohne arbeitsvertragliche Vereinbarung ausgeübt, erscheine zweifelhaft,
da Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses unter Verwandten sei, dass das Arbeitsverhältnis
ernsthaft vereinbart und entsprechend der Vereinbarung durchgeführt werde. Sofern kein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen
worden sei, werde die Ernsthaftigkeit vom Finanzamt von vornherein in Zweifel gezogen. Es handle sich um ein jahrelang gelebtes
Beschäftigungsverhältnis, dass nach einem Motivwechsel des Klägers rückwirkend als selbständige Tätigkeit dargestellt werde.
Hintergrund sei lediglich das Begehren einer Erstattung der vermeintlich zu Unrecht gezahlten Pflichtbeiträge. Die Beigeladene
zu 2) bat die Beklagte deshalb, "die Aufhebung ihres Bescheids vom 7. Oktober 2005 über das Nicht-Bestehen von Versicherungspflicht
zu prüfen und festzustellen, dass der Versicherte ab 1. August 1995 der Rentenversicherungspflicht nach §
1 Satz 1 Nr 1
SGB VI" unterliege. Zugleich wurde um umgehende Benachrichtigung im Hinblick einer etwaigen Bescheidaufhebung gebeten, damit abschließend
über den Erstattungsantrag entschieden werden könne.
Noch am gleichen Tag, das heißt am 12. April 2006, hob die Beklagte den Bescheid vom 7. Oktober 2005 auf und gab hierbei an,
sie sei von der Beigeladenen zu 2) gebeten worden, die Entscheidung nochmals zu überprüfen. Es liege weiterhin eine versicherungspflichtige
Beschäftigung vor. Hierfür sprächen die folgenden Kriterien: Regelmäßige monatliche Zahlung von Arbeitsentgelt, Entrichtung
von Lohnsteuer von dem Arbeitsentgelt, Verbuchung des Arbeitsentgelts als Betriebsausgabe, keine Beteiligung am Betrieb (Anlage-
und Umlagevermögen), kein Unternehmerrisiko und ohne Mitarbeit müsse eine fremde Arbeitskraft eingestellt werden. Es handle
sich um ein jahrelang gelebtes Beschäftigungsverhältnis, dass nach einem Motivwechsel rückwirkend als selbständige Tätigkeit
dargestellt werde. Die Beigeladene zu 2) werde über die geänderte Entscheidung mit gleichem Schreiben unterrichtet. Nachdem
der Bescheid dem Kläger nicht bekannt gegeben werden konnte, da er auf postalischem Wege nicht ankam, erstellte die Beklagte
am 24. April 2006 einen gleichlautenden Bescheid und übersandte ihn an den Kläger unter der Adresse des Beigeladenen zu 1).
Gegen den Bescheid vom 24. April 2006 erhob der Kläger am 2. Mai 2006 persönlich und sodann zusammen mit dem Beigeladenen
zu 1) durch ihren Prozessbevollmächtigten am 30. Mai 2006 Widerspruch. Zur Begründung wurde vorgetragen, die Voraussetzungen
für eine Aufhebung nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) lägen nicht vor. Der steuerliche Aspekt der Verbuchung des Arbeitsentgeltes als Betriebsausgabe stelle kein wesentliches
Indiz bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung dar. Es handle sich vielmehr um ein Kriterium, das der Unterscheidung dienen
solle, ob lediglich eine familienhafte Mithilfe vorliege. Gleiches gelte für die Zahlung eines regelmäßigen Entgeltes. Bei
einer Gesamtschau sprächen mehr Kriterien gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Werde die Aufhebungsentscheidung
dagegen auf § 45 SGB X gestützt, so müsse im Rahmen der Anhörung nochmals die Möglichkeit eingeräumt werden, zum Vertrauensschutz Stellung zu nehmen.
Hierauf teilte die Beklagte unter dem 13. Juni 2006 mit, Rechtsgrundlage für ihre Rücknahme seien die §§ 44, 45 SGB X. Der Kläger habe zwar auf seine Vermögensdispositionen hingewiesen, jedoch keine konkreten Angaben hierzu gemacht. Er solle
deshalb entsprechende Nachweise vorlegen. Allerdings stelle sich schon die Frage, ob es sich bei dem Ausgangsbescheid nicht
um einen nichtbegünstigenden Verwaltungsakt handele, sodass Rechtsgrundlage für die Rücknahme dann § 44 SGB X sei. Hierauf teilte der Kläger mit, nachdem er von der Sozialversicherungspflicht befreit worden sei, habe er Dispositionen
für seine Kranken- und Altersvorsorge getroffen und dementsprechend Versicherungsverträge bei privaten Versicherungen abgeschlossen.
Diese Versicherungen zu kündigen, stelle einen massiven finanziellen Nachteil für ihn dar. Zur weiteren Begründung legte er
das Schreiben des Versicherungsfachwirts G. von der Beigeladenen zu 5) sowie den Versicherungsschein zur Renten-, Kranken-,
Pflegepflicht- und Unfallversicherung vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2006 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung
wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei von dem Beigeladenen zu 1) zum 1. August 1995 als sozialversicherungspflichtiger
Arbeitnehmer gemeldet worden. Anlässlich der Ummeldungen zum 1. September 1996 und 1. Juli 1998, als der Kläger eine neue
Arbeitsaufgabe erhalten und zwischenzeitlich für 22 Monate als Praktikant im Betrieb des Beigeladenen zu 1) gearbeitet habe,
sei seitens der Firma ebenfalls keine Änderung in den versicherungsrechtlichen Verhältnissen festgestellt und gemeldet worden.
Beim Arbeitgeber seien fortlaufend die Gesamtsozialversicherungsbeiträge abgeführt und die entsprechenden Entgeltmeldungen
abgegeben worden. Da der Kläger nicht Mitinhaber der Firma des Beigeladenen zu 1) sei, liege weder eine Mitunternehmerschaft
vor noch werde von ihm ein Unternehmerrisiko getragen. Er sei ausschließlich durch den Einsatz seiner Arbeitskraft an der
Firma des Beigeladenen zu 1) beteiligt. Insgesamt werde der vom Arbeitgeber in den Jahren 1995, 1996 und 1998 durchgeführten
versicherungsrechtlichen Beurteilung höheres Gewicht beigemessen als der nunmehr vorgetragenen Schilderung von abweichenden
Verhältnissen. Aufgrund des Widerspruchs der Beigeladenen zu 2), die auch klagebefugt sei, finde im vorliegenden Fall "der
Rechtsgedanke aus § 49 SGB X" Anwendung, wonach § 45 Abs 1 bis 4 SGB X nicht anzuwenden sei. Ein Vertrauensschutz des Klägers sei "insoweit nicht wirksam".
Hiergegen hat der Kläger am 10. November 2006 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben, mit der er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft hat. Der steuerliche Aspekt der Verbuchung
des Arbeitsentgelts als Betriebsausgabe und die Tatsache, dass ohne seine Mitarbeit eine fremde Arbeitskraft hätte eingestellt
werden müssen, seien vorliegend keine maßgeblichen Kriterien im Hinblick auf die Frage, ob eine versicherungspflichtige Tätigkeit
vorliege. Gegen eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit spreche vielmehr, dass er nicht an Weisungen gebunden sei, seine
Tätigkeit frei bestimmen und gestalten könne, über besondere Fachkenntnisse verfüge, ein gleichberechtigtes Nebeneinander
zum Betriebsinhaber vorliege und auch kein Arbeitsvertrag geschlossen worden sei, sodass er auch keinen Urlaubsanspruch oder
Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe. Schließlich sei sein Vertrauen schutzwürdig, da er aufgrund des Bescheids
vom 7. Oktober 2005 Disposition für seine Kranken- und Altersvorsorge getroffen habe. Soweit die Beklagte den "Rechtsgedanken
aus § 49 SGB X" anwenden wolle, setze dies voraus, dass man sich in einem Vorverfahren befunden habe. Ein solches sei im Hinblick auf den
Bescheid vom 7. Oktober 2005 jedoch nicht durchgeführt worden. Eine Anfechtung des Bescheids vom 7. Oktober 2005 durch die
Beigeladene zu 2) könne auch nicht dem Schreiben vom 7. April 2006 entnommen werden. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme
nach § 45 Abs 2 SGB X lägen offensichtlich nicht vor.
Mit Beschluss vom 28. März 2007 hat das SG den Vater des Klägers (Beigeladener zu 1), die Deutsche Rentenversicherung Bund (Beigeladene zu 2), die Bundesagentur für
Arbeit (Beigeladene zu 3), die Deutsche Angestellten Krankenkasse - Pflegekasse - (Beigeladene zu 4) und die Allianz Private
Krankenversicherungs-AG (Beigeladene zu 5) zum Verfahren beigeladen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Anwendung des § 49 SGB X hänge nicht davon ab, ob der Kläger beim Erlass des Bescheids vom 7. Oktober 2005 damit gerechnet habe, dass der Verwaltungsakt
noch von einem Dritten angefochten werden könne. Aufgrund der Regelung des § 49 SGB X sei kein Vertrauensschutz des Klägers zu prüfen.
Die Beigeladene zu 2) hat darauf hingewiesen, im vorliegenden Fall sprächen alle Indizien für das Bestehen eines abhängigen
Beschäftigungsverhältnisses. Dies ergebe sich bereits dadurch, dass die Firma des Beigeladenen zu 1) als Einzelunternehmen
betrieben werde und Einzelunternehmer ausschließlich der Beigeladene zu 1) sei, der auch in vollem Umfang der Haftung unterliege.
Die Beigeladene zu 5) hat angegeben, falls der Kläger nicht zum 31. Oktober 2005 aus der Pflichtversicherung ausgeschieden
sei, habe er keinen Anspruch auf Aufhebung des Versicherungsvertrags (Krankheitskosten-Vollversicherung und Pflege-Pflichtversicherung)
rückwirkend zum Versicherungsbeginn (1. November 2005). Nach § 178 h Abs 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) sei eine rückwirkende Kündigung des Versicherungsvertrages zum Beginn der Pflichtversicherung nur innerhalb der darauffolgenden
zwei Monate möglich. Werde diese Zweimonatsfrist versäumt, könne die private Kranken- und Pflegeversicherung zum Ende des
Monats gekündigt werden, in dem ein entsprechender Pflichtversicherungsnachweis vorgelegt werde. Da sie erst anlässlich des
vorliegenden Rechtsstreits von einem möglichen Weiterbestehen der Pflichtversicherung des Klägers erfahren habe, sei eine
eventuelle Vertragsbeendigung frühestens zum 1. April 2007 möglich.
Mit Urteil vom 29. Januar 2009 hat das SG den Bescheid vom 24. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2010 aufgehoben. Zur Begründung
hat es im Wesentlichen ausgeführt, vorliegend könne offen bleiben, ob der angefochtene Verwaltungsakt bereits deshalb rechtswidrig
und damit aufzuheben sei, weil die Beklagte zu Recht mit Bescheid vom 7. Oktober 2005 die Versicherungsfreiheit des Klägers
festgestellt habe, denn der angefochtene Verwaltungsakt sei bereits deshalb rechtswidrig, weil er ermessensfehlerhaft zustande
gekommen sei. Die Beklagte habe es versäumt, vor der Rücknahme des Verwaltungsaktes vom 7. Oktober 2005 eventuell entgegenstehendes
Vertrauen des Klägers gemäß § 45 Abs 2 bis 4 SGB X zu prüfen. Eine solche Prüfung sei angezeigt gewesen, da der Kläger durch den Abschluss einer privaten Kranken- und einer
privaten Rentenversicherung nach Erlass des begünstigenden Verwaltungsakts bereits Vermögensdispositionen getroffen habe,
die er nur unter Erleidung von Nachteilen wieder rückgängig machen könne. Bei einer Kündigung werde der gesetzlich vorgeschriebene
Betrag zur Altersrückstellung für ca sechs Monate verfallen. Diese Erwägungen hätte die Beklagte bei der Prüfung der Rücknahme
des Bescheids vom 7. Oktober 2005 sowohl für die Zukunft als auch für die Vergangenheit miteinbeziehen müssen. Fälschlicherweise
sei sie jedoch davon ausgegangen, kein Ermessen zu haben, so dass ein Ermessensfehler (sog Ermessensausfall) vorliege. Entgegen
der Ansicht der Beklagten sei § 49 SGB X vorliegend nicht anwendbar. Denn es fehle bereits an der Anfechtung des begünstigenden Verwaltungsaktes durch einen Dritten.
Zwar sei die Beigeladene zu 2) Drittbetroffene. § 49 SGB X erfordere jedoch des Weiteren die Zulässigkeit und Begründetheit des eingelegten Rechtsbehelfs des Drittbetroffenen im Zeitpunkt
der Rücknahme des Verwaltungsakts. Aufgrund von §
78 Abs
1 Nr
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) sei gegen den Bescheid vom 7. Oktober 2005 aber nicht der Widerspruch, sondern die Klage das zulässige Rechtsmittel gewesen.
Die Beigeladene zu 2) habe jedoch lediglich ein formloses Schreiben an die Beklagte übersandt. Ein zulässiges Rechtsmittel
gegen den Bescheid vom 7. Oktober 2005 sei damit nicht eingelegt worden. Es verbleibe mithin bei den allgemeinen Regeln und
dem Vorrang des Vertrauensschutzes des Begünstigten. Auch "zwischen den Instanzen", also in der Zeit nach Erlass des Widerspruchsbescheids
bzw in Fällen, bei denen wie hier ein Widerspruch nicht zulässig sei, nach Erlass des Ausgangsbescheides, aber noch vor Klageerhebung
des Dritten, sei § 49 SGB X nicht anwendbar.
Hiergegen richtet sich die am 2. März 2009 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung der Beklagten. Zur Begründung
wird vorgetragen, zwar "bedürfe" es eines Vorverfahrens gemäß §
78 Abs
1 Nr
3 SGG nicht. Allerdings sei ein Vorverfahren auch nicht prinzipiell ausgeschlossen. Die Ansicht des SG führe hingegen in der Praxis zu deutlich vermehrten Klagen der Rentenversicherungsträger gegen Verwaltungsakte der Einzugsstelle.
Ihre Rechtsauffassung werde auch durch das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. April 2009 (L 4 KR 229/07) bestätigt. Aus der Anwendbarkeit von § 49 SGB X folge zudem, dass vorliegend kein Ermessen auszuüben gewesen sei. Schließlich habe beim Kläger auch kein Vertrauen entstehen
können, da er im Bescheid vom 7. Oktober 2005 konkret aufgefordert worden sei, den Beigeladenen zu 2) und zu 3) den Bescheid
vorzulegen, da diese Drittbetroffene seien. Lediglich hilfsweise würden jedoch die Ermessensgründe mitgeteilt, die im April
2006 bei der Aufhebung des Bescheids vom 7. Oktober 2005 Berücksichtigung gefunden hätten, obwohl erkennbar gewesen sei, dass
der Kläger ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Bescheides habe. Seitens des Klägers sei vorrangig das wirtschaftliche
Interesse an der Beitragserstattung zu berücksichtigen, während demgegenüber auf Seiten der Beklagten das öffentliche Interesse
an der weiteren Teilhabe des Klägers an der gesetzlichen Rentenvorsorge sowie an dem weiteren solidarischen Versicherungsschutz
nach dem Sozialgesetzbuch bestehe. Bei der Abwägung des finanziellen Interesses des Klägers an der Aufrechterhaltung des Bescheids
gegenüber dem Interesse der Beklagten und den von ihr treuhänderisch zu wahrenden Interessen der Beigeladenen zu 2) bis 4),
sei Letzteren der Vorrang zu geben, zumal eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Klägers aufgrund seiner Einkommensverhältnisse
nicht erkennbar gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Januar 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, er habe auf die Bestandskraft des Bescheids vom 7. Oktober 2005 vertraut und
erhebliche Vermögensdispositionen getroffen. § 49 SGB X greife nicht, weil die Beigeladene zu 2) den Bescheid der Beklagten vom 7. Oktober 2005 nicht ordnungsgemäß angefochten habe.
Sie hätte das Recht gehabt, unmittelbar Anfechtungsklage zu erheben. Dies habe sie jedoch weder innerhalb der Klagefrist noch
zu einem späteren Zeitpunkt getan. Ihr formloses Schreiben an die Beklagte sei nicht ausreichend gewesen.
Die Beigeladene zu 2) trägt vor, im Rahmen ihres Schreibens vom 7. April 2006 habe sie erkennen lassen, dass ein Widerspruch
gegen die Entscheidung der Beklagten vom 7. Oktober 2005 eingelegt werde. Da die Beklagte infolge des Drittwiderspruchs den
angefochtenen Bescheid vom 7. Oktober 2005 zurückgenommen habe, sei keine Anfechtungsklage erhoben worden. Den Bescheid vom
7. Oktober 2005 habe sie am 24. Oktober 2005 erhalten. Sie hat diesbezüglich das Schreiben des Klägers vom 20. Oktober 2005
vorgelegt, welches als Anlage den Bescheid vom 7. Oktober 2005 enthielt und als Eingangsstempel den 24. Oktober 2005 trägt.
Die Beigeladene zu 5) hat auf ihrem Schriftsatz vom 25. April 2007 an das SG verwiesen.
Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster
und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§
143,
151 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach §
153 Abs
1 iVm §
124 Abs
2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Denn das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben und den Bescheid vom 24. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.
Oktober 2006 aufgehoben, weil der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 24. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2006 (§
95 SGG). Hierin ist die Beklagte zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Bescheid vom 7. Oktober 2005 rechtswidrig ist. Voraussetzung
der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Entscheidung ist aber weiter, dass die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach
§ 45 SGB X erfüllt sind. Denn § 49 SGB X greift vorliegend nicht ein. Die Aufhebung des Bescheids vom 7. Oktober 2005 war, soweit es um die Rücknahme mit Wirkung
für die Vergangenheit geht, nach § 45 Abs 4 Satz 1 SGB X unzulässig. Eine Rücknahme mit Wirkung für die Zukunft war zwar grundsätzlich möglich und die Beklagte hat auch die vor dem
Bescheid vom 24. April 2006 unterlassene Anhörung im Widerspruchsverfahren wirksam nachgeholt. Der angegriffene Bescheid ist
aber insgesamt wegen fehlender und nicht wirksam nachgeholter Ermessensausübung rechtswidrig.
Die Rechtsgrundlage für die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Bescheide in Drittwiderspruchs-(klage-)Fällen bleibt §
45 SGB X, auch wenn § 49 SGB X anwendbar wäre. Nach § 49 SGB X gelten ua § 45 Abs 1 bis 4 SGB X "nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder
während des sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch abgeholfen oder
der Klage stattgeben wird". Dies beseitigt nicht die Eigenschaft der Vorschrift des § 45 SGB X als (nach § 39 Abs 2 SGB X erforderliche) Rechtsgrundlage für die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Bescheide (BSG, Urteil vom 25. Februar 2010
- B 13 R 147/08 R = veröffentlicht in Juris Rdnr 61; Waschull in LPK-SGB X, 3. Auflage 2011, § 49 Rdnr 13; Merten in Hauck/Noftz, § 49 SGB X Rdnr 4, Stand 2007).
Nach § 45 Abs 1 SGB X gilt: Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender
Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze
2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Bei dem Bescheid
vom 7. Oktober 2005 handelt es sich um einen rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakt (vgl generell zur Eigenschaft eines
die Versicherungspflicht ablehnenden Verwaltungsaktes als begünstigende Entscheidung Waschull, aaO., § 45 SGB X Rdnr 14 mwN). Ob der Bescheid vom 7. Oktober 2005 bereits formell rechtswidrig ist, weil die Beigeladene zu 2) entgegen §
12 Abs 2 Satz 2 SGB X vom Verwaltungsverfahren nicht rechtzeitig benachrichtigt worden ist und sich infolgedessen am Verwaltungsverfahren nicht
beteiligen konnte (vgl hierzu BSG, Urteil vom 9. August 2006 - B 12 KR 3/06 R = SozR 4-2600 § 229 Nr 1 Rdnr 14; Urteil vom 1. Juli 1999 - B 12 KR 2/99 R = SozR 3-2400 § 28h Nr 9), kann unentschieden bleiben. Denn der Bescheid vom 7. Oktober 2005 ist jedenfalls materiell rechtswidrig.
Die Beklagte stellt als Einzugsstelle auch die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Rentenversicherung fest (§
28h Abs
2 Satz 1
SGB IV). Versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung sind nach §
1 Satz 1 Nr 1 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB VI) ua solche Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung
ist §
7 Abs
1 Satz 1
SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7, und Urteil vom 4. Juli 2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 8) setzt eine Beschäftigung voraus,
dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der
Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden
Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko,
das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen
frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt
davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung.
Hieran gemessen war und ist der Kläger Beschäftigter des Beigeladenen zu 1) und damit rentenversicherungspflichtig. Dies hat
die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2006 zutreffend darstellt. Insoweit wird auf diesen Teil des Widerspruchsbescheids
(Bl 3 des Widerspruchsbescheids) zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (§§
153 Abs
1,
136 Abs
3 SGG). Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die vom Kläger eingesetzte Arbeitskraft dem Wagniskapital eines Unternehmers
nicht gleichgesetzt werden kann (vgl hierzu Senatsurteil vom 12. Dezember 2009 - L 11 KR 2296/07). Auch führt die gelegentliche Gewährung von Tantiemen zu keinem Unternehmerrisiko, denn dies stellt angesichts des dem Kläger
unabhängig von der Ertragslage zustehenden festen Monatsgehalts ebenfalls kein Wagniskapital dar, sondern ist Ausdruck auch
bei Arbeitnehmern verbreiteter leistungsorientierter Vergütungsbestandteile. Unternehmerrisiko trägt, wer eigenes Kapital
oder die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes einsetzt und somit der Erfolg des Einsatzes der sachlichen und persönlichen
Mittel ungewiss ist (BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R; Senatsurteil vom 28. September 2010 - L 11 KR 2209/10). Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor, da bei ihm nie die Gefahr bestand oder besteht, die Arbeitskraft ohne
Gegenleistung einzusetzen. Zudem wird der Betrieb als Einzelfirma vom Beigeladenen zu 1) geführt, der aufgrund seiner unternehmerischen
Stellung die volle Haftung und damit auch allein das unternehmerische Risiko trug und trägt.
Die Voraussetzungen für die Rücknahme des Bescheids vom 7. Oktober 2005 liegen dennoch nicht vor, da die Beklagte nicht von
den weiteren Voraussetzungen der Absätze 1 bis 4 des § 45 SGB X gemäß § 49 SGB X suspendiert war. Denn vorliegend greift § 49 SGB X nicht zugunsten der Beklagten ein. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 49 SGB X ist - wie bereits dargelegt -, dass ein begünstigender Verwaltungsakt durch einen Dritten angefochten worden ist und durch
die Aufhebung dem Widerspruch abgeholfen oder der Klage stattgegeben wird. Vorliegend kommt § 49 SGB X deshalb nicht zur Anwendung, weil die Beklagte ihren Bescheid vom 7. Oktober 2005 nicht aufgrund eines Widerspruchs oder
einer Klage der Beigeladenen zu 2) aufgehoben hat. Das Schreiben der Beigeladenen zu 2) vom 7. April 2006 stellt keinen Widerspruch
(§§
83,
84 SGG) und damit auch keine Anfechtung im Sinne des § 49 SGB X dar. Es handelt sich bei diesem Schreiben lediglich um einen Antrag auf Überprüfung des Bescheids vom 7. Oktober 2005. Das
Schreiben kann auch nicht im Sinne des Meistbegünstigungsgrundsatzes (dazu zuletzt BSG, Urteil vom 1. Juni 2010 - B 4 AS 89/09 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 29) dahingehend ausgelegt werden, dass die Beigeladene zu 2) inhaltlich Widerspruch gegen den Bescheid
vom 7. Oktober 2005 einlegen wollte. Denn die Beigeladene zu 2) kennt als Sozialversicherungsträger die entsprechende Diktion
und damit den Unterschied zwischen einem Überprüfungsantrag und einem Widerspruch.
Hinzu kommt, dass für die Beigeladene zu 2) der Widerspruch gegen den Bescheid vom 7. Oktober 2005 gemäß §
78 Abs
1 Satz 2 Nr
3 SGG nicht zulässig gewesen wäre. Nach dieser Vorschrift bedarf es eines Vorverfahrens nicht, wenn ein Versicherungsträger klagen
will. Aus dieser Vorschrift folgt nicht nur die Zulässigkeit der Klage ohne Vorverfahren, sondern auch die generelle Unzulässigkeit
des Vorverfahrens in den dort geregelten Fällen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 4 RK 3/93 = SozR 3-1500 § 87 Nr 1). Die Beigeladene hat mithin kein Wahlrecht zwischen Widerspruch und Klage (Udsching in Krasney/Udsching,
Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Auflage 2008, Kapitel IV Rdnr 24 am Ende). Auch unter diesem Gesichtspunkt
kann das Schreiben der Beigeladenen zu 1) vom 7. April 2006 nicht als Widerspruch gegen den Bescheid vom 7. Oktober 2005 gewertet
werden.
Aber auch wenn davon ausgegangen werden würde, dass die Beigeladene zu 1) am 12. April 2006 (Eingang des Schreibens vom 7.
April 2006 bei der Beklagten) als Widerspruch anzusehen sei, führte dies nicht zur Anwendbarkeit des § 49 SGB X. Denn § 49 SGB X erfasst nur den Teil eines Verwaltungsaktes, der zulässigerweise angefochten worden ist (vgl Waschull, aaO., § 49 Rdnr 11; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum
SGG, 9. Auflage 2008, §
84 Rdnr 7a). Wie bereits dargelegt wäre jedoch der Widerspruch gemäß §
78 Abs
1 Satz 2 Nr
3 SGG nicht zulässig.
Vor diesem Hintergrund musste der Senat nicht entscheiden, ob der Widerspruch auch fristgemäß erhoben worden wäre. Dagegen
könnte allerdings sprechen, dass der Beigeladenen zu 2) der Bescheid vom 7. Oktober 2005 nach ihren eigenen Angaben am 24.
Oktober 2005 (vgl Bl 34 - 37 der LSG-Akte) durch den Kläger bekanntgegeben worden ist. Denn dieser hat mit Wissen und Wollen
der Beklagten (vgl dazu Engelmann in von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 7. Auflage 2010, § 37 Rdnr 3) der Beigeladenen zu 2) Kenntnis vom Inhalt des Bescheids vom 7. Oktober 2005 verschafft, nachdem er hierzu ausdrücklich
im genannten Bescheid aufgefordert worden ist. Sofern eine bestimmte Form der Bekanntgabe - wie hier - nicht vorgeschrieben
ist, muss sie aber nicht durch die den Verwaltungsakt erlassende Behörde selbst vorgenommen werden, sondern kann auch in anderer
Weise erfolgen, etwa durch Einschaltung eines Boten. Auch im Berufungsverfahren hat die Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen,
dass sie den Kläger aufgefordert hat, der Beigeladenen zu 2) den Bescheid vom 7. Oktober 2005 vorzulegen (vgl Schriftsatz
vom 9. März 2010, Bl 42/43 der LSG-Akte). Dann aber wäre die "Widerspruchserhebung" am 12. April 2006 verfristet (vgl §
84 Abs
1 Satz 1
SGG). Denn auch wenn der Bescheid vom 7. Oktober 2005 im Hinblick auf den Kläger eine personalisierte Rechtsbehelfsbelehrung
enthielt, galt für die Beigeladene zu 1) eine einmonatige Anfechtungsfrist. Denn anders als im Baurecht kennt der Sozialversicherungsträger
als Drittbetroffener die Anfechtungsfristen (vgl hierzu BVerwG, Beschluss vom 11. März 2010 - 7 B 36/09 = NJW 2010, 1686). Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das Schreiben der Beigeladenen zu 2) vom 7. April 2006 auch nicht als
Klage ausgelegt werden kann.
Die Aufhebung des Bescheids vom 7. Oktober 2005 war daher nur unter den Voraussetzungen des § 45 Abs 1 bis 4 SGB X zulässig. Der Bescheid vom 24. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2006 ist hierbei nicht
bereits wegen fehlender Anhörung vor der Rücknahme des Bescheids vom 7. Oktober 2005 rechtswidrig, weil das Fehlen der Anhörung
dadurch geheilt wurde, dass der Kläger im Widerspruchsverfahren Gelegenheit zur Äußerung hatte (vgl Steinwedel in Kasseler
Kommentar, § 41 SGB X Rdnr 15, Stand Mai 2006; siehe neuerdings aber auch BSG, Urteil vom 9. November 2010 - B 4 AS 37/09 R).
Soweit der Bescheid vom 24. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2006 eine Regelung für die
Vergangenheit getroffen hat, ist er aber nach § 45 Abs 4 Satz 1 SGB X rechtswidrig. Nach dieser Vorschrift kommt die Rücknahme eines Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit nur in den
Fällen von § 45 Abs 2 Satz 3 und Abs 3 Satz 2 SGB X in Betracht. Die Voraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3, Abs 3 Satz 2 SGB X sind aber nicht erfüllt. Insbesondere sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger die Rechtswidrigkeit des
Bescheids vom 7. Oktober 2005 kannte. Auch grob fahrlässige Unkenntnis kann ihm nicht vorgeworfen werden. Die Beurteilung,
ob ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, erfordert eine Gesamtschau aller Umstände des gegebenen
Sachverhalts. Da bei dem Kläger auch Gesichtspunkte vorliegen, die gegen ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis
sprechen, kann nicht die Rede davon sein, dass er bei einfachsten Überlegungen die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 7. Oktober
2005 hätte erkennen müssen.
Soweit der Bescheid vom 24. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2006 eine Regelung für die
Zukunft getroffen hat, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Rücknahme des Bescheids vom 7. Oktober 2005 nach §
45 SGB X hingegen dem Grunde nach erfüllt. Zwar darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden,
soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen
Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs 2 Satz 1 SGB X). Der Kläger hat in diesem Zusammenhang ein schutzwürdiges Vertrauen insofern geltend gemacht, als er darauf hinweist, dass
er Dispositionen für seine Kranken- und Altersvorsorge getroffen hat. Der Abschluss der privaten Rentenversicherung und der
privaten Kranken- und Pflegepflichtversicherung mit Beginn ab dem 1. November 2005 ist zwar bei der Prüfung des schutzwürdigen
Vertrauens zu berücksichtigen. Ob die von der Beigeladenen zu 5) angegebene früheste Vertragsbeendigung zum 1. April 2007
für die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Klägers spricht, kann jedoch offen gelassen werden, da der angegriffene Bescheid
bereits deshalb rechtswidrig ist, weil die Beklagte in ihm kein Ermessen ausgeübt hat. Die Beklagte hat bei Erlass des Bescheids
vom 24. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2006 nicht erkannt, dass sie Ermessen im Rahmen
des § 45 Abs 1 SGB X auszuüben hat. Sie ist vielmehr davon ausgegangen, dass sie aufgrund des "Rechtsgedankens des § 49 SGB X" ohne Prüfung von Ermessensgesichtspunkten den Bescheid vom 7. Oktober 2005 aufheben kann. In diesem Zusammenhang weist der
Senat klarstellend darauf hin, dass die Beklagte auch bei Anwendbarkeit des § 49 SGB X Ermessen hätte ausüben müssen (Merten, aaO., § 49 SGB X Rdnr 14, Stand September 2007). Ein Ausnahmefall, bei dem eine Ermessensreduzierung auf Null in Betracht kommen könnte, liegt
nicht vor.
Die Beklagte hat die Ermessensausübung auch nicht während des Berufungsverfahrens in ihrem Schriftsatz vom 9. März 2010 (Bl
42/43 der LSG-Akte) gemäß § 41 Abs 2 SGB X wirksam nachgeholt. Es kann hierbei offen bleiben, ob nach § 41 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 2 SGB X die Nachholung der Mitteilung der bei Erlass des Bescheids und Widerspruchsbescheids maßgebenden Ermessensgründe zulässig
ist. Dies ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn der Versicherungsträger - wie vorliegend - im streitgegenständlichen Bescheid
überhaupt kein Ermessen ausgeübt hat, weil hier kein Fehler der Ermessensbegründung, sondern der Ermessensbetätigung vorliegt
(vgl hierzu und zum Vorstehenden LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. September 2010 - L 5 KR 129/09 = veröffentlicht in Juris; Schütze in von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 7. Auflage 2010, § 41 Rdnr 11; aA Waschull, aaO., § 41 Rdnr 14). Die Angabe der Beklagten in ihrem Schreiben vom 9. März 2010, sie teile die Ermessensgründe
mit, die im "April 2006 bei der Aufhebung des Bescheids vom 7.10.2005 Berücksichtigung fanden", trifft nicht zu. Aus den Ausführungen
des Bescheids vom 24. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2006 wird hinreichend deutlich,
dass die Beklagte seinerzeit davon ausging, kein Ermessen ausüben zu müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.