Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage im sozialgerichtlichen Verfahren zur Vorbereitung eines beabsichtigten Amtshaftungsprozesses
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Förderung der beruflichen Eingliederung.
Die 1955 geborene Klägerin durchlief, nachdem sie zuvor die mittlere Reife erworben hatte, von September 1972 bis Oktober
1974 den Vorbereitungsdienst für den mittleren Justizdienst. Nach erfolgreichem Abschluss war sie bis März 1980 als Justizbeamtin
im mittleren Dienst beim Notariat - Grundbuchamt P. beschäftigt. Zeitgleich besuchte sie das Abendgymnasium und erwarb im
Mai 1979 die allgemeine Hochschulreife. Von April 1980 bis Dezember 1985 studierte sie Rechtswissenschaften; von März 1986
bis November 1988 absolvierte sie den Vorbereitungsdienst für Rechtsreferendare. Nach erfolgreichem zweiten Staatsexamen war
die Klägerin von Februar bis Mai 1989 als Sachbearbeiterin bei der S. Inkasso-KG in R. tätig. Im April 1990 nahm sie dann
eine Tätigkeit als Leiterin der Verwaltungs- und Personalstelle des Krankenhauses N. beim E.-Kreis auf; diese übte sie bis
September 1991 aus. Anschließend war sie bis März 1992 in der Leitung der Personalabteilung bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse
des E.-Kreises und der Stadt P. beschäftigt. Von Januar bis April 1993 arbeitete sie als Leiterin der Rechtsabteilung der
Medizinischen Akademie M. und von Januar bis März 1995 in derselben Funktion bei der Verwaltungsgemeinschaft der Stadt St
... In der Folge bezog die Klägerin von der Beklagten Arbeitslosenhilfe (Alhi); seit 1. Januar 2005 steht sie im Bezug von
Arbeitslosengeld II bei der Beigeladenen.
Am Rahmen einer Teamberatung durch Mitarbeiter des damaligen Arbeitsamts P. (AA; seit 1. Januar 2004: Agentur für Arbeit)
am 18. Juli 2003 beantragte die Klägerin die Förderung einer beruflichen Weiterbildung bei der Jurisprudentia Intensivtraining
GbR in N. (J.). Im Rahmen eines vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) geführten Klageverfahrens (S 14 AL 3114/03) in dem die Klägerin die Gewährung höherer Alhi begehrte, beanstandete sie mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2003 die unterbliebene
sachliche Bescheidung ihres Antrags auf Förderung der beruflichen Weiterbildung. Das AA lehnte daraufhin mit Bescheid vom
23. Dezember 2003 den Antrag ab. Zur Begründung führte es aus, der berufliche Werdegang der Klägerin weise erhebliche Defizite
auf. Die Klägerin sei zuletzt überwiegend in leitender Position tätig gewesen; gleichwohl seien die letzten fünf Arbeitsverhältnisse
jeweils nach ca. sechs Monaten beendet worden. Inzwischen sei die Klägerin durchgehend seit über acht Jahren arbeitslos. Vor
diesem Hintergrund erscheine eine berufliche Eingliederung als Juristin oder in einer sonstigen gehobenen Position auch mit
der begehrten Qualifizierung für Juristen nicht als möglich. Wiederum im Rahmen des (weitergeführten) Klageverfahrens S 14 AL 3114/03 verpflichtete sich die Beklagte durch prozessbeendenden Vergleich vom 2. Mai 2005, hinsichtlich des Bescheids vom 23. Dezember
2003 noch das Widerspruchsverfahren durchzuführen und einen Widerspruchsbescheid zu erlassen. Die Beklagte wertete daraufhin
den Schriftsatz der Klägerin vom 8. Januar 2004, mit dem jene (in dem Klageverfahren S 14 AL 3114/03) eine Fortsetzungsfeststellungsklage wegen des Bescheids vom 23. Dezember 2003 erhoben hatte, als Widerspruch; mit Widerspruchsbescheid
vom 26. August 2005 wies die Widerspruchsstelle der AA den Widerspruch zurück.
Unter Bezugnahme auf diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 9. September 2005 beim SG Klage gegen die "ARGE Jobcenter Stadt P., Geschäftsstelle Agentur für Arbeit, als Rechtsnachfolgerin der Bundesagentur für
Arbeit, Agentur für Arbeit P." erhoben. Mit der Klage hat sie die Feststellung begehrt, die Ablehnung ihres Antrags auf Förderung
der beruflichen Weiterbildung sei rechtswidrig gewesen. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Beklagte habe keine ermessensfehlerfreie
Prüfung des Erfordernisses einer Fortbildung durchgeführt. Die von ihr angestrebte Maßnahme bei der J. (Dauer: 30. Juni 2003
bis 19. Dezember 2003) sei durchaus geeignet gewesen, ihr Qualifikationsdefizit auszugleichen und eine Eingliederung in Arbeit
zu fördern. Mit der konkreten Maßnahme hätte sie ihr fachliches Wissen aktualisieren und ihre Kenntnisse im Steuerrecht erweitern
können. Außerdem hätte die Weiterbildung zur Verbesserung ihrer Englischkenntnisse beigetragen; derartige Kenntnisse würden
gerade im Personalbereich vermehrt gefordert. Die Beklagte habe ferner außer Betracht gelassen, dass ihre bisherigen Arbeitsverhältnisse
sämtlich rechtswidrig beendet worden seien. Insoweit bestehe sogar der Verdacht des vorsätzlichen Betruges. Die von ihr deshalb
erstatteten Strafanzeigen wegen Verleumdung, übler Nachrede und anderer Delikte seien aber ebenfalls nicht korrekt geprüft
worden. Das erforderliche Feststellungsinteresse für ihre Klage ergebe sich aus dem Umstand, dass Schadensersatzansprüche
gegen die Beklagte im Raum stünden. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat an ihrer Einschätzung festgehalten,
es seien nicht vorrangig fachliche Defizite gewesen, die schon oft das Zustandekommen von Arbeitsverhältnissen mit der Klägerin
hätten scheitern lassen. Das SG hat mit Beschluss vom 12. Januar 2006 die ARGE Job-Center Stadt P. zum Verfahren beigeladen. Mit Urteil vom 26. April 2006
hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten sei nicht zu beanstanden. Die Klägerin habe weder gegen
die Beklagte noch gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Förderung ihrer beruflichen Weiterbildung. Im übrigen wird auf
das der Klägerin mit Übergabe-Einschreiben am 14. Juni 2006 übersandte Urteil Bezug genommen.
Die Klägerin hat unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Vorbringens am 28. Juni 2006 schriftlich beim Landessozialgericht
(LSG) Berufung eingelegt. Ihres Erachtens sei die Beklagte im Rahmen des bestehenden Sozialrechtsverhältnisses verpflichtet
gewesen, ihre Qualifikation zu erhalten bzw. zu erweitern, um - unter Schadensminderungsgesichtspunkten - die durch die rechtswidrige
Beendigung der Arbeitsverhältnisse vereitelten Bewährungsaufstiege zu kompensieren.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. April 2006 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid vom 23. Dezember
2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. August 2005 rechtswidrig gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auch sie hält die Entscheidung der Beklagten, der Klägerin keine Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung zu
gewähren, für rechtmäßig.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Klageakten des SG (S 14 AL 3586/05) und die Berufungsakten des Senats (L 13 AL 3303/06) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die gemäß §§
143,
144 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte Berufung ist zulässig, sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§
151 Abs.
1 und
2 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen.
Die Klägerin begehrt mit Klage und Berufung allein die Feststellung, dass der Bescheid der Beklagten vom 23. Dezember 2003
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. August 2005 rechtswidrig gewesen ist. Entsprechende Anträge hat sie sowohl
im Klage- als auch im Berufungsverfahren schriftsätzlich angekündigt und in der mündlichen Verhandlung vor dem SG auch gestellt. Bereits in ihrem an das SG in dem Verfahren S 14 AL 3114/03 gerichteten Schriftsatz vom 8. Januar 2004 hat die Klägerin vorgetragen sie begehre im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage
zur Vorbereitung einer Schadensersatzklage die Feststellung, dass der ihren Antrag auf Förderung der beruflichen Weiterbildung
ablehnende Bescheid vom 23. Dezember 2003 rechtswidrig gewesen ist. Demgegenüber kann dem Vorbringen der Klägerin nicht entnommen
werden, dass sie mit Klage und Berufung weiterhin ein auf Förderung der beruflichen Weiterbildung gerichtetes Begehren verfolgen
will. Der Senat legt das Vorbringen der Klägerin auch dahingehend aus, dass die Klägerin auch keine Schadensersatzklage gegen
die Beklagte erheben wollte, für die die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht zuständig wären. Ihre Klage ist deshalb
als Fortsetzungsfeststellungsklage analog §
131 Abs.
1 Satz 3
SGG auszulegen und statthaft, denn der genannte Bescheid hat sich durch Zeitablauf erledigt. Die Klägerin begehrte mit ihrem
anlässlich der Teamberatung am 18. Juli 2003 gestellten Antrag (nur) die Förderung einer konkreten von der J. angebotenen
Qualifizierungsmaßnahme, die in der Zeit vom 30. Juni 2003 bis 19. Dezember 2003 stattgefunden hat. Nur auf diese Maßnahme
bezog sich dementsprechend die von der Beklagten mit Bescheid vom 23. Dezember 2003 getroffene Entscheidung. Somit hatte sich
dieser Bescheid bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung erledigt.
Aus dem Gesagten folgt, dass die Klage - anders als vom SG angenommen - (nur) gegen die Beklagte zu richten ist, denn diese und nicht die Beigeladene hat den streitgegenständlichen
Bescheid vom 23. Dezember 2003 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. August 2005) erlassen. In diesem Sinne ist
auch das Vorbringen der Klägerin sachdienlich auszulegen.
Die gegen die Beklagte gerichtete Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch unzulässig; die Klägerin kann sich auf ein berechtigtes
Interesse an der begehrten Feststellung nicht berufen. Nach §
131 Abs.
1 Satz 3
SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn er sich durch Zurücknahme
oder anders erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Die Zulassung dieser Klageart,
die nicht den Voraussetzungen der Klageänderung nach §
99 Abs.
1 SGG unterliegt (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 4100 §
19 Nr.
5; SozR 3-1500 § 116 Nr. 6), dient der Prozessökonomie; damit soll verhindert werden, dass ein Kläger, der infolge eines erledigenden
Ereignisses seinen ursprünglichen, den Streitgegenstand kennzeichnenden Antrag nicht weiterverfolgen kann, um die Früchte
der bisherigen Prozessführung gebracht wird (vgl. Bundesverwaltungsgericht [BVerwG] BVerwGE 81, 226, 228; 89, 354, 355). In diesem Rahmen geht es demnach um die (deklaratorische) Klärung der Frage, ob der nicht mehr wirksame
und auch nicht mehr rückgängig zu machende Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig war (vgl. BVerwGE 26, 161, 166).
Ein für diese Feststellung vorausgesetztes schutzwürdiges Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller
Art sein. Ein Feststellungsinteresse kommt damit in Betracht bei Präjudiziabilität, d. h., wenn die Entscheidung in einem
anderen streitigen Rechtsverhältnis bedeutsam sein kann (vgl. hierzu BSGE 42, 212, 218 m.w.N.; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl. 2005, §
131 Rdnr. 10d ff.), Schadensinteresse, Rehabilitationsinteresse sowie Wiederholungsgefahr (vgl. zum Ganzen BSG SozR 4-1500 §
131 Nr. 3 m.w.N.).
Ein solches Feststellungsinteresse ist - auch unter Zugrundelegung des Verbringens der Klägerin - nicht gegeben. Eine Wiederholungsgefahr
scheitert bereits daran, dass die Klägerin nicht mehr im Leistungsbezug der Beklagten steht, letztere mithin für die Gewährung
noch zu beantragender Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung nicht mehr zuständig wäre. Auch für das Vorliegen
eines Rehabilitationsinteresses ergeben sich keine Anhaltspunkte. Die Klägerin kann sich letztlich auch nicht mit Erfolg darauf
berufen, die Fortsetzungsfeststellungsklage diene der Vorbereitung eines beabsichtigten Amtshaftungsprozesses gegen die Beklagte.
Hat sich der Verwaltungsakt - wie hier - bereits vor Klageerhebung erledigt, genügt die Absicht, eine Amtshaftungsklage zu
erheben, nicht. In einem solchen Fall ist der Adressat des erledigten Verwaltungsakts gehalten, unmittelbar den gegebenen
Zivilrechtsweg zu beschreiten, denn in diesem Fall kommt der Grundsatz der Prozessökonomie wegen des Fehlens eines bereits
anhängigen Prozesses nicht zum Tragen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl. 2005, §
131 Rdnr. 10h unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts [BVerwGE 81, 226]; ebenso LSG Berlin-Brandenburg,
Urteil vom 12. Februar 2008 - L 12 AL 57/05 - veröffentlicht in Juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen ( §
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor.