Anerkennung einer Hepatitis-B-Erkrankung als Berufskrankheit in der gesetzlichen Unfallversicherung für eine Pflegehelferin
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Anerkennung einer Hepatitis-B-Erkrankung als Berufskrankheit.
Die am 1965 geborene Klägerin war von 1988 an bei verschiedenen Arbeitgebern als Erzieherin beschäftigt, u.a. im Kinderhaus
der Drogenhilfe T. in H. vom 1.8.1995 bis 31.10.1998. Vom 1.4.2005 bis 30.9.2005 war sie in Teilzeit (20h/Woche) als Pflegehelferin
im Pflegestift I. gGmbH beschäftigt. Eine Impfung gegen Hepatitis erfolgte vor Antritt dieser Tätigkeit nicht. Am Abend des
31.7.2005 wurde sie im Pflegestift von einer demenzkranken Bewohnerin (B) am rechten Arm gekratzt. Die Wunde entzündete sich
später und der rechte Arm schwoll bis zum Schulterbereich an. Die behandelnde Hausärztin Dr. H. überwies die Klägerin mit
der Diagnose einer Blutvergiftung an das Kreiskrankenhaus C., wo die Klägerin mit Antibiotika behandelt wurde. Ab dem 2.8.2005
war die Klägerin bis zum Ende ihrer Beschäftigung arbeitsunfähig erkrankt. Eine später im Laufe des Verwaltungsverfahrens
durchgeführte Laboruntersuchung bei der Heimbewohnerin B ergab einen negativen Hepatitis-B-Befund.
Am 17.1.2006 traten bei der Klägerin Beschwerden in Form einer Lymphknotenschwellung am rechten Unterbauch sowie Druckschmerzen
an der Leber auf. Eine vergrößerte Leber und eine vergrößerte Galle wurden festgestellt. Am 27.1.2006 ergab eine Laboruntersuchung
einen positiven Hepatitis B-Befund.
Im Februar 2006 zeigte die Klägerin bei der Beklagten ihre Erkrankung an und beantragte die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens
zur Prüfung des Vorliegens einer Berufskrankheit. Da sie vor ihrer Tätigkeit im Pflegestift I. keine Hepatitis B-Erkrankung
gehabt habe, müsse sie sich während ihrer beruflichen Tätigkeit dort infiziert haben. Sie teilte weiter mit, dass bei ihr
1973 eine Bluttransfusion durchgeführt worden sei. In den Jahren 1980 und 1988 sei sie (im Rahmen einer Einstellungsuntersuchung
der Stadt N.) auf eine Hepatitis-B-Erkrankung getestet worden. Die Befunde seien jeweils negativ gewesen. Im Jahre 1998 habe
sie sich tätowieren lassen. Sie habe vor April 2005 keine Tätigkeiten ausgeübt, bei denen sie Blutkontakt gehabt habe.
Über ihre Arbeitsbedingungen im Pflegestift machte die Klägerin im Verwaltungsverfahren und in einem Erörterungstermin vor
dem Sozialgericht H. u.a. folgende Angaben: Das Pflegeheim sei mit 51 Betten ausgestattet gewesen. Im Haus hätten seinerzeit
34 Bewohner gelebt, darunter zehn bis fünfzehn Schwerstpflegebedürftige, auch insulinpflichtige Patienten. Sie habe Lanzetten
und Insulin-Pens zu entsorgen gehabt. Dabei habe sie sich mehrfach gestochen. Dies habe sie auch der zuständigen Schichtleitung
gemeldet. Es sei aber ihres Wissens nie ein Vermerk angefertigt worden. Sie habe auch Insulin spritzen müssen. Sie sei bei
der Wundversorgung mit Blut und Wundsekreten in Kontakt gekommen. Es habe Situationen gegeben, in denen Handschuhe nicht vorhanden
gewesen seien. Beim Blutzuckermessen habe sie nie Handschuhe benutzt. Mit Speichel sei sie bei der Mund- und Grundpflege in
Kontakt gekommen. Bei der Grundpflege seien selten Handschuhe verwendet worden, bei der Mundpflege nie. Auch mit Urin und
Kot sei sie durch die Grundpflege in Berührung gekommen. Bei Kontakt mit Fäkalien seien Handschuhe getragen worden. Insgesamt
hätte sie im Rahmen ihrer Teilzeitbeschäftigung Tätigkeiten ohne Handschuhe in einem Umfang von 25 - 30% verrichtet.
Die Beklagte holte Auskünfte bei den behandelnden Ärzten der Klägerin ein und erbat bei der Pflegeleitung des Heimes, der
vom SG als Zeugin vernommenen U., Auskunft zu den Arbeitsbedingungen. Diese gab folgende Auskunft: Die Klägerin habe Kanülen zu
entsorgen gehabt. Ein Nachweis über eine konkrete Verletzung liege nicht vor. Bei Kontakt mit Urin und Stuhlgang seien immer
Handschuhe benutzt worden, bei der Gesichtspflege teilweise, bei der Mund- und Zahnpflege nie.
Die Beklagte ordnete daraufhin weitere Ermittlungen durch ihren Präventionsdienst bei der früheren Arbeitgeberin an. Bei dem
Außendienstbesuch erschien die Klägerin nicht. Der Präventionsdienst stützte sich daher auf die Angaben der Hausleitung, der
Sicherheitsfachkraft und der Betriebsärztin und hielt als Ergebnis fest: Pflegehelfer wie die Klägerin hätten keine Blutzuckertests
durchgeführt oder Insulin gespritzt. Gelegentlich seien Kanülen zu entsorgen gewesen. Eine Nadelstichverletzung sei nie gemeldet
worden. Es habe damals vier oder fünf insulinpflichtige Bewohner gegeben. Der Pflegeleitung wurde aufgegeben, die behandelnden
Hausärzte zu bitten, eine Hepatitis-B-Untersuchung durchzuführen. Nach Aussage der Hausleitung gebe es keine bekannten Hepatitisfälle
in der Bewohnerschaft. Es habe jedoch Defizite in der Organisation der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen gegeben.
Daher sei die Klägerin vor Antritt ihrer Tätigkeit nicht geimpft worden.
In der Folge wurden Laboruntersuchungen bei denjenigen insulinpflichtigen Bewohnern des Pflegestifts veranlasst, die während
der Beschäftigung der Klägerin dort untergebracht waren. Vier von fünf getesteten Bewohnern wiesen ein negatives Ergebnis
aus. Bei einer Kontaktperson (K) ergab eine Untersuchung vom 11.4.2006, dass zwar ein Zustand nach abgelaufener Hepatitis-B-Erkrankung
vorliege. K jedoch mittlerweile immun gegen Hepatitis B sei. Der Befund bei der B, welche die Klägerin am 31.7.2005 verletzt
hatte, war negativ.
Die Beklagte leitete die Untersuchungsergebnisse an ihren beratenden Arzt, den Internisten Prof. Dr. O., weiter. Dieser führte
in seiner Stellungnahme vom 31.10.2006 aus, dass es höchst unwahrscheinlich sei, dass K als potentielle Infektionsquelle in
Betracht komme. Der negative anti-HBe-Antikörper vom 11.4.2006 bei K weise darauf hin, dass die Infektion schon viele Jahre
zurückgelegen habe; K daher nunmehr nicht mehr als Ansteckungsquelle in Betracht komme. Auch die serologischen Befunde bei
der Klägerin vom 26.1.2006 und 7.2.2006 würden es als sehr unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass sich die Infektion im
Zeitraum vom 1.4.2005 bis 2.8.2005 ereignet habe: Der anti-HBc-IgM-Antikörper sei negativ gewesen; bei Neuinfektionen ließen
sich diese Frühe-Phase-Antikörper jedoch über zumeist mehr als 36 Wochen nachweisen. Es sei daher sehr wahrscheinlich, dass
die Infektion vor Aufnahme der Tätigkeit im Pflegestift erfolgte.
Mit Bescheid vom 6.12.2006 lehnte die Beklagte eine Anerkennung der Virushepatitis B als Berufskrankheit nach Nr. 3101 der
Anlage 1 zur
Berufskrankheitenverordnung (
BKV) ab. Den hiergegen am 9.12.2006 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.2.2007 zurück.
Die Klägerin hat hiergegen am 12.3.2007 Klage zum Sozialgericht H. (SG) erhoben. Zur Begründung führte sie aus, sie habe vor der Tätigkeit im Pflegestift I. keinerlei Anzeichen einer Hepatitis-B
Erkrankung gezeigt. Sie sei im Pflegestift I. ständig mit Blut und Fäkalien der Heimbewohner in Berührung gekommen. Sie hätte
Windeln wechseln müssen, sei für die Wundversorgung zuständig gewesen, einschließlich Verbände wechseln und Spritzen setzen.
Letztendlich hätte dies zu der Viruserkrankung geführt. Aufgrund der Umstände vor Ort greife eine Beweislastumkehr zu ihren
Gunsten.
Das SG hat in einem Beweisaufnahmetermin den Ehemann der Klägerin, den Zeugen K., die Zeugin H. und die Zeugin U. zu den Arbeitsbedingungen
im Pflegestift I. vernommen sowie die Klägerin angehört. Der Zeuge K. gab u.a. an, dass etwa einmal im Monat die Handschuhe
ausgegangen seien. Die Zeugin H. gab an, selbst nicht im Pflegestift gearbeitet zu haben, aber die Klägerin dort mehrfach
abgeholt und bei dieser Gelegenheit auch das Haus betreten zu haben. Sie habe zwar nicht gesehen habe, ob die Klägerin selbst
habe Spritzen setzen müssen, aber davon gehört. Die Zeugin U. war 2005 Hausdirektorin im Pflegestift und gab an, dass Pflegehilfskräfte
keine Spritzen setzen durften, dies aber wohl nicht immer eingehalten worden sei. Mit Urteil vom 26.8.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Tätigkeit der Klägerin im Pflegestift I. und der Virushepatitis-B
sei nicht hinreichend wahrscheinlich. Der Nachweis einer erhöhten Infektionsgefahr sei nicht erbracht. Es könne keine konkrete
Infektionsquelle festgestellt werden, insbesondere nicht die Bewohnerin K, bei der eine bereits vor einigen Jahren abgelaufene
Hepatitis-B-Erkrankung vorliege. Eine erhöhte Infektionsgefahr könne nicht angenommen werden, da weder der prozentuale Anteil
infektiöser Patienten in der Gruppe der beruflichen Kontaktpersonen nicht deutlich höher ist als in der Allgemeinbevölkerung
noch die Art der Tätigkeit besonders infektionsgefährdend gewesen sei.
Gegen das ihr am 16.9.2009 zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 14.10.2009 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor,
die Beweisaufnahme vor dem SG habe ergeben, dass sie sich die Infektion nur bei ihrer Tätigkeit im Pflegestift I. zugezogen haben könne. Während der Tätigkeit
seien maßgebliche Gesetze zum Schutze der Gesundheit der Bediensteten missachtet worden. Außerdem sei bei einer Bewohnerin
ein positiver Hepatitis-B-Befund nachgewiesen worden. Aufgrund der vorliegenden Arbeitsbedingungen würden die Grundsätze für
eine Beweiserleichterung greifen. Bei der im Alter von acht Jahren durchgeführten Bluttransfusion habe sie sich nicht mit
dem Virus infiziert. Denn dann wären auch ihre Tochter bzw. der Ehemann daran erkrankt, was nicht der Fall sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts H. vom 26. August 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 6. Dezember 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2007 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihr eine Berufskrankheit nach Nr. 3101
der Anlage 1 zur
BKV vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung nimmt sie auf die das Urteil des SG sowie auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide Bezug und führt aus, dass der erforderliche ursächliche Zusammenhang
zwischen der Erkrankung der Klägerin und ihrer beruflichen Tätigkeit nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit
nachgewiesen werden könne. Eine konkrete Infektionsquelle könne nicht benannt werden. Eine Beweiserleichterung könne nicht
angenommen werden.
Auf Veranlassung des Senats hat die Beklagte durch ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD) auch beim Kinderhaus der Jugend-
und Drogenhilfe T. in H. Ermittlungen durchführen lassen. Im Bericht vom 14.3.2011 hat der TAD mitgeteilt, die Klägerin sei
nur in der Kinderbetreuung tätig gewesen. Alle Kinder seien dort in der Vergangenheit auf Hepatitis-B getestet worden, ohne
dass ein Fall einer Infektion bekannt geworden sei. Zum Aufgabenbereich hätten im Wesentlichen gehört: pädagogische und pflegerische
Betreuung der Kinder im Alter von 6 Monaten bis 10 Jahren; Erstellung von Anamnesen und Entwicklungsbögen als Grundlage der
weiteren Behandlung/Betreuung; enge pädagogische Zusammenarbeit mit der Heilpädagogin; Organisation und Durchführung von Freizeitaktivitäten;
pädagogische Elterngespräche sowie Durchführung der pädagogischen Elterngruppen und Mitarbeit in der Kinderhaus-Supervision.
Der Senat hat Beweis durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens bei dem Internisten Prof. Dr. L., Universitätsklinik
T. erhoben. Im Gutachten vom 31.10.2011 hat der Sachverständige u.a. folgende Erkrankungen beschrieben: metabolisches Syndrom
mit stammbetonter Adipositas; chronische Nierenerkrankung; Stoffwechselstörungen (Schilddrüsenunterfunktion sowie geringfügig
erhöhte Harnwerte im Blut); chronisch persistierende Hepatitis-B-Virusinfektion mit allenfalls leichtgradiger Hepatitis ohne
Einschränkung der Leberfunktion und ohne Hinweis auf das Vorliegen eines hepatozellulären Karzinoms als Folgekrankheit.
Der Infektionszeitpunkt bzw. -zeitraum mit dem Hepatitis-B-Virus lasse sich retrospektiv nicht mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit bestimmen. Beim erstmaligen serologischen Nachweis am 26.1.2006 seien keine Anti-HBc-Antikörper der Klasse
IgM nachweisbar gewesen. In der Akutphase könne man solche Antikörper in nahezu 100% der Fälle nachweisen, vorliegend würden
allerdings 9 Monate zwischen Beginn der Tätigkeit und der ersten Serologie liegen. Die These von Prof. Dr. O., wonach eine
Infektion bereits vor Aufnahme der Tätigkeit beim Pflegestift wahrscheinlich sei, werde zwar durch Studien untermauert, die
Fallzahlen seien aber so gering, dass man keine statistisch signifikante Aussage ableiten könne. Eine andere Studie mit ebenfalls
kleinen Fallzahlen sei zum Ergebnis gekommen, dass sich die fraglichen Antikörper zwischen 7 Monate und 8 Jahre nachweisen
ließen. Aufgrund der vorhandenen Daten könne man davon ausgehen, dass die Infektion an einem beliebigen Zeitpunkt zwischen
1988 und 2006 erfolgt sein müsse, wobei zumindest wahrscheinlich sei, dass sie zum Zeitpunkt der Diagnose im Januar 2006 bereits
mehrere Monate alt gewesen sein müsse.
Eine über das normale Maß hinausgehende Virus-Hepatitis-Gefährdung durch die Tätigkeiten im Kinderhaus der Drogenhilfe T.
bzw. im Pflegestift I. habe nicht vorgelegen. Eine solche Gefährdung könne begründet sein durch ein besonders hohes Risiko
eines unmittelbaren Kontaktes mit Blut oder anderen Körperflüssigkeiten infolge der Häufigkeit gefährdender Tätigkeiten oder
eines ebenso hohen Verletzungs-/Inokulationsrisikos bei den Tätigkeiten oder durch generelle, vor allem statistische Erkenntnisse,
über ein erhöhtes Infektionspotenzial im Arbeitsumfeld des Versicherten. Bei der Tätigkeit als Erzieherin im Kinderhaus der
Drogenhilfe T. sei es nach Angaben der Klägerin gelegentlich vorgekommen, dass Wunden der Kinder versorgt werden mussten.
Dabei sei es auch zu unmittelbarem Kontakt mit Blut der Kinder gekommen. Ein erhöhtes Verletzungs- oder Inokulationsrisiko
habe dabei aufgrund der Tätigkeit jedoch nicht bestanden. Nach den Ermittlungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren und
den Auskünften der Einrichtung seien alle Kinder im Kinderhaus auf das Vorliegen einer Hepatitis-B-Virus-Infektion untersucht
worden, ohne dass es in 30 Jahren einen positiven Nachweis gegeben habe. Bei der Tätigkeit der Klägerin als Pflegehelferin
im Pflegestift I. seien nach ihren Angaben invasive Tätigkeiten (Blutzucker-Messung) durchgeführt worden und es sei zu Hautkontakt
mit Blut und anderen Körperflüssigkeiten der zu pflegenden Heimbewohner gekommen. Die Klägerin habe im Rahmen der Untersuchung
angegeben, sich während dieser Zeit vier bis fünf Mal an Blutzucker-Lanzetten oder Insulin-Pens gestochen zu haben. Unter
Berücksichtigung des Übertragungsweges der Hepatitis-B-Viren hätte es dabei zu einer Infektion kommen können. Die fünf insulinpflichtigen
Heimbewohner seien jedoch auf das Vorliegen einer Hepatitis-B-Virus-Infektion getestet. Vier Bewohner wiesen einen negativen
Befund auf (kein Kontakt mit dem Hepatitis-B-Virus), bei einer Bewohnerin habe die Serologie Anti-HBs- und Anti-HBc-Antikörper
gezeigt, was für eine durchgemachte Hepatitis B Infektion mit vorliegender Immunität spreche. Es habe also im Rahmen der untersuchten
Heimbewohner keine Infektionsquelle plausibel gemacht werden können.
Aus ärztlicher Sicht könnte es zwar mit geringer Wahrscheinlichkeit bei der Versorgung von Wunden oder beim Kontakt mit Wundsekret
zu einer Infektion mit dem Hepatitis-B Virus gekommen sein, insbesondere dann, wenn nicht hinreichende Sicherheitsvorkehrungen
getroffen worden seien, wie es von der Klägerin und deren Prozessbevollmächtigten angeführt werde. In der Gesamtschau habe
jedoch eine über das normale Maß hinausgehende Hepatitis-Gefährdung auch bei der Tätigkeit im Pflegestift I. nicht vorgelegen;
ein erhöhtes Infektionspotenzial im Arbeitsumfeld sei nicht festzustellen. Die Tätigkeiten, die die Klägerin während ihrer
Tätigkeit als Pflegehelferin ausgeführt habe, seien aufgrund von Häufigkeit und Art nicht mit einem besonders hohen Infektionsrisiko
verbunden gewesen. Von der Klägerin werde zwar insbesondere angeführt, dass häufig keine Schutzhandschuhe vorhanden gewesen
seien. Selbst wenn dies zutreffen sollte - es wäre aus hygienischer Sicht ein Fehlverhalten des Arbeitgebers - ändere dies
nichts an der Beurteilung der Infektionsgefährdung aufgrund des Infektionspotenzials am Arbeitsplatz und der Art der Tätigkeit
der Klägerin. Schließlich seien auch Umstände aus dem privaten Lebensbereich im Rahmen der Begutachtung zu würdigen, die möglicherweise
zu einer Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus geführt haben könnten (Bluttransfusion 1973, Tätowierungen 1998 und 1999, Hepatitis-B-Erkrankung
des Vaters). Unter Abwägung aller wesentlichen Umstände spreche aus gutachterlicher Sicht mehr gegen als für das Vorliegen
einer Berufskrankheit.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten
und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Der Senat hat mit Einwilligung der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden (§
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Die form- und fristgerecht eingelegte (§
151 Abs.
1 SGG) und statthafte (§
143 SGG) Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat mit Urteil vom 26.8.2009 die Klage zu Recht abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und
verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Gegenstand des Rechtsstreits ist eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§
54 Abs.
1 Satz 1 und
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG, mit der unter Aufhebung der Ablehnungsentscheidung der Beklagten die gerichtliche Feststellung begehrt wird, dass die Hepatitis-B-Infektion
der Klägerin eine BK 3101 ist. Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht
(haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK (vgl. BSG v. 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R = SozR 4-2700 § 9 Nr. 14). Ein Versicherter, dem gegenüber ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch Verwaltungsakt
entschieden hat, dass eine bestimmte BK nicht gegeben ist, kann deren Vorliegen als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche
vorab im Wege einer Kombination von Anfechtungs- und Feststellungsklage klären lassen (vgl. BSG v. 28.4.2004 - B 2 U 21/03 R = SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 5101 Nr. 2 RdNr 18 m.w.N.).
II. Die Beklagte hat zu Recht die Anerkennung der Hepatitis B-Erkrankung der Klägerin als Berufskrankheit nach Nr. 3101 der
Anlage 1 zur
BKV (BK 3101) abgelehnt.
Ermächtigungsgrundlage für die Bezeichnung von BKen ist §
9 Abs.
1 Satz 1
Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII. Danach sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen
bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen
zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen
bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt
sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten
versehen.
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen
Listen-BKen einer Modifikation bedürfen (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG v. 2.4.2009 - B 2 U 7/08 R = SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 3 RdNr 14 ff.; Senatsurteil v. 19.10.2011 - L 2 U 1138/09 [juris]): Die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen,
Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit
verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen"
und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die
nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit,
nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG v. 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und BSG v. 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Der Verordnungsgeber hat als unter Nr. 3101 der Anlage 1 zur
BKV folgende BK bezeichnet: "Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in
einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war."
Die Klägerin ist an Hepatitis-B erkrankt, einer Infektionskrankheit. Der Zeitpunkt der Infektion ist offen. Der gerichtliche
Sachverständige Prof. Dr. L. hat aufgrund der vorliegenden Daten geschlussfolgert, dass die Infektion zu jedem beliebigen
Zeitpunkt zwischen 1988 und 2006 erfolgt sein könne. Die Klägerin war während ihren verschiedenen beruflichen Tätigkeiten
u.a. im Kinderhaus der Drogenhilfe T. und im Pflegestift I. der Evangelischen Heimstiftung und damit im Gesundheitsdienst
tätig. Im Alters- und Pflegeheim I. werden ältere Menschen u.a. stationär betreut und gepflegt.
Die Voraussetzungen der BK 3101 i.V.m. mit §
9 Abs.
1 SGB VII liegen nicht vor, weil nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis erwiesen ist, dass die Klägerin im Rahmen ihrer versicherungspflichtigen
Beschäftigung "Einwirkungen" ausgesetzt war, die, um den Voraussetzungen der BK 3101 zu genügen, in einer im Vergleich zur
Normalbevölkerung besonders erhöhten Infektionsgefahr bestehen müssen.
Zur Überzeugung des erkennenden Senats bestand während den Tätigkeiten der Klägerin im Kinderhaus der Drogenhilfe T. und im
Pflegestift I. keine erhöhte Gefahr einer Infektion mit Hepatitis-B, weder im Hinblick auf den Personenkreis, mit dem die
Klägerin Kontakt hatte, noch im Hinblick auf die Art der Tätigkeiten, die die Klägerin verrichtet hat. Die Klägerin war einer
Infektionsgefahr nicht in besonderem Maße ausgesetzt.
Bei der BK 3101 tritt aufgrund der Nachweisschwierigkeit eines konkreten Infektionsvorgangs an die Stelle der Einwirkungen
die besondere Infektionsgefahr, die anhand der Durchseuchung des beruflichen Umfelds und der Übertragungsgefahr bei der versicherten
Tätigkeit zu beurteilen ist (BSG v. 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R = BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 4 RdNr. 19 ff. m.w.N.). Die Übertragungsgefahr wird durch den Übertragungsmodus der jeweiligen
Infektionskrankheit sowie die vom Versicherten nach Art, Häufigkeit und Dauer ausgeübten gefährdenden Verrichtungen bestimmt.
Da für die Anerkennung der BK 3101 nicht eine schlichte Infektionsgefahr genügt, sondern eine (zum Teil typisierend nach Tätigkeitsbereichen)
besonders erhöhte Infektionsgefahr vorausgesetzt wird (§
9 Abs.
1 Satz 2 Halbsatz 1
SGB VII), kommt es darauf an, welche einzelnen Arbeitshandlungen im Hinblick auf den Übertragungsweg besonders gefährdend sind. Das
BSG hat seine frühere Rechtsprechung zur BK 3101, dass die notwendige Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen
der versicherten Tätigkeit und einer Infektionskrankheit den Nachweis einer berufsbedingten besonderen, über das normale Maß
hinausgehenden Ansteckungsgefahr erfordere, dahingehend präzisiert, dass die besondere Infektionsgefahr nicht Bestandteil
eines Ursachenzusammenhanges zwischen versicherter Tätigkeit und Infektionskrankheit ist (BSG v. 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R, aaO.). Sie ersetzt vielmehr als eigenständiges Tatbestandsmerkmal die Einwirkungen und ist mit dem weiteren Tatbestandsmerkmal
"Verrichtung einer versicherten Tätigkeit" durch einen wesentlichen Kausalzusammenhang, hingegen mit der "Erkrankung" nur
durch die Möglichkeit eines Kausalzusammenhangs verbunden. Für die besondere Infektionsgefahr gelten hinsichtlich des Beweismaßstabes
die Anforderungen, die ansonsten für das Tatbestandsmerkmal der Einwirkungen zu beachten sind (vgl. BSG v. 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R, aaO. und Senatsurteil v. 19.10.2011 - L 2 U 1138/09 [juris]). Sie muss im Vollbeweis vorliegen. Zwar setzt der Begriff der Gefahr eine Wahrscheinlichkeitsprognose voraus. Er
charakterisiert einen Zustand, bei dem nach den objektiven Umständen der Eintritt eines Schadens als wahrscheinlich gelten
kann (vgl. BSG v. 13.9.2005 - B 2 U 6/05 R = SozR 4-2700 § 2 Nr. 7 RdNr. 11; BVerfG v. 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320). Allerdings ist zwischen der tatsächlichen Ebene, auf die sich die Wahrscheinlichkeitsprognose beziehen muss, und der rechtlichen
Wertung, ob aufgrund der nachgewiesenen Tatsachen eine Schädigung möglich ist, zu unterscheiden.
Die Durchseuchung des Arbeitsumfeldes auf der einen und die Übertragungsgefahr der versicherten Verrichtungen auf der anderen
Seite stehen in einer Wechselbeziehung zueinander. An den Grad der Durchseuchung können umso niedrigere Anforderungen gestellt
werden, je gefährdender die spezifischen Arbeitsbedingungen sind. Je weniger hingegen die Arbeitsvorgänge mit dem Risiko der
Infektion behaftet sind, umso mehr gelangt das Ausmaß der Durchseuchung an Bedeutung. Allerdings muss zumindest die Möglichkeit
einer Infektion bestehen. Ist das nicht der Fall, weil z.B. trotz eines hohen Durchseuchungsgrades die Art der konkret ausgeübten
Tätigkeit einen Infektionsvorgang ausschließt, ist für die Annahme einer Gefahr von vornherein kein Raum. Kommt indes eine
Infektion in Betracht, ist im Wege einer Gesamtbetrachtung der Durchseuchung und der Übertragungsgefahr festzustellen, ob
sich im Einzelfall eine Infektionsgefahr ergibt, die nicht nur geringfügig erhöht ist, sondern in besonderem Maße über der
Infektionsgefahr in der Gesamtbevölkerung liegt. Dabei legt der Nachweis einer infizierten Kontaktperson bei gleichzeitiger
übertragungsgefährdender Tätigkeit das Vorliegen einer besonders erhöhten Infektionsgefahr nahe. Zwingend ist dieser Schluss
aber nicht (BSG v. 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R aaO. RdNr. 24). Entscheidend ist nach der neueren Rechtsprechung des BSG immer die Gesamtwürdigung der das Arbeitsumfeld und die versicherte Tätigkeit betreffenden beiden Risikobereiche unter Berücksichtigung
des spezifischen Übertragungsmodus und Verbreitungsgrades der jeweiligen Infektionskrankheit. Dabei können nach den Vorgaben
des BSG die in der fachwissenschaftlichen Literatur für die Beurteilung der Übertragungsgefahr ausgearbeiteten Schemata herangezogen
werden, sofern sie sich auf dem neuesten Stand befinden. Ihnen kommt indes keinerlei rechtliche Verbindlichkeit zu und sie
ersetzen nicht die Ermittlung der erhöhten Infektionsgefahr anhand der Umstände des zu beurteilenden konkreten Einzelfalles
(BSG v. 2.4.2009 aaO. RdNr. 25).
Liegt eine besonders erhöhte Infektionsgefahr vor, nimmt der Verordnungsgeber typisierend an, dass bei Vorliegen einer Krankheit
die haftungsbegründende Kausalität grundsätzlich gegeben ist. Diese Typisierung kann aber nicht Platz greifen, wenn ausgeschlossen
ist, dass die Infektion während oder aufgrund der versicherten Tätigkeit eingetreten ist. Nach Sinn und Zweck des Tatbestands
der BK 3101, der von der beruflichen Gefahrenexposition auf die Verursachung einer Infektionserkrankung schließt, ist das
Vorliegen einer BK 3101 zu verneinen, wenn der unterstellte Ursachenzusammenhang nicht eingetreten sein kann. Ein Ausschluss
des unterstellten Ursachenzusammenhangs zwischen beruflicher Infektionsgefahr und Krankheit liegt vor, wenn die Infektion
unter Berücksichtigung der Inkubationszeit der Krankheit nicht während der Dauer der beruflichen Gefahrenexposition erfolgt
sein kann. Es darf also nicht ausgeschlossen sein, dass sich der Versicherte während der Dauer der Ausübung der gefährdenden
Tätigkeit infiziert hat. Ebenso ist der Zusammenhang ausgeschlossen, wenn der Erkrankung durch eine Infektion in den unversicherten
Lebensbereichen verursacht worden ist. Anlass zur Prüfung dieses Ausschlusstatbestandes besteht insbesondere dann, wenn der
Versicherte sich auch in anderen als den beruflichen Gefahrenbereichen bewegt hat. Die tatsächlichen Voraussetzungen für das
Vorliegen dieser Ausschlussgründe müssen nachgewiesen sein. Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung tragen insoweit
die objektive Beweislast (BSG v. 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R, aaO., RdNr. 34).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Nachweis einer erhöhten Infektionsgefahr zur Überzeugung des Senats nicht erbracht.
Hepatitis B ist eine der häufigsten Infektionskrankheiten weltweit. Der Durchseuchungsgrad ist regional sehr unterschiedlich.
Auf der Grundlage der 1998 durchgeführten Bundesgesundheitssurvey ergibt sich ein bundesweiter Durchseuchungsgrad von 7% bei
Erwachsenen. 0,6% sind chronische Träger des HBs-Antigen-Träger (vgl. LSG Berlin-Brandenburg v. 8.9.2011 - L 3 U 287/09 unter Hinweis auf das Epidemiologische Bulletin des Robert Koch Instituts Nr. 29 vom 25.7.2001 "Zur Situation bei wichtigen
Infektionskrankheiten in Deutschland: Virushepatitis B, C und D im Jahr 2010", S. 261 f.; siehe auch: Schönberger/Mehrtens/Valentin,
Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Anm. 9.2.2.2, S. 716: Durchseuchungsgrad 7,4%). Die Übertragung des Virus
erfolgt überwiegend durch Blut bzw. Plasma oder Serum. Das Virus kann allerdings nicht die Barriere der unverletzten Haut
durchdringen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg v. 8.9.2011 - L 3U 287/09 [juris] unter Hinweis auf Böhm/Jilg, Die Stabilität und
Dauer der Infektiosität von Hepatitis A-Viren, Hepatitis B-Viren und Hepatitis C-Viren außerhalb des menschlichen Organismus
als wichtige Kriterien für die Beurteilung des berufsbedingten Infektionsrisikos, in: Selmair/Manns, Virushepatitis als Berufskrankheit,
3. Aufl. 2007, S. 152, 154). Das Hepatitis-B-Virus ist in kleineren Mengen auch in Speichel, Tränenflüssigkeit, Sperma, Vaginalsekret,
Menstrualblut und Colostrum enthalten, wenngleich in geringeren Mengen, nicht jedoch in Urin oder Stuhl (vgl. den RKI-Ratgeber
für Ärzte "Hepatitis B" Stand 2.8.2010, veröffentlicht unter www.rki.de; Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO. S. 716). Mit
Abstand der häufigste Übertragungsweg ist der Sexualkontakt (vgl. Epidemiologisches Bulletin Nr. 46 des Robert-Koch-Instituts
vom 18.11.2005, S. 423, abrufbar unter http://www.rki.de; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg v. 8.9.2011 unter Hinweis auf Wasmuth/Trautwein,
Vorgehen nach Nadelstichverletzung bei Hepatitis B- und C-Infektion in der Klinik, in: Selmair/Manns, aaO., S. 172). Eine
Ansteckung (Infektion) durch Kontakt mit Blut kann sowohl direkt durch Transfusion von infektiösem Blut oder durch Kanülenverletzung
als auch indirekt, z.B. durch kontaminierte Gegenstände, erfolgen (Mehrtens/Brandenburg, Die
Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, M 3101, Anm. 12.1, Stand Januar 2010).
Was die Tätigkeit der Klägerin beim Kinderhaus der Jugend- und Drogenhilfe T. in H. (1.8.1995 bis 31.10.1998) angeht, hatte
die Klägerin dort nach ihren Angaben im Verwaltungsverfahren keinen Kontakt mit Blut eines Bewohners. Außerdem sind alle Kinder,
die sich im Haus aufhielten und mit denen die Klägerin Kontakt hatte, auf Hepatitis-B getestet worden, ohne dass ein Fall
einer Infektion vorlag. Schließlich war die Art der Tätigkeit (pädagogische und pflegerische Betreuung der Kinder im Alter
von 6 Monaten bis 10 Jahren; Erstellung von Anamnesen und Entwicklungsbögen als Grundlage der weiteren Behandlung/Betreuung;
enge pädagogische Zusammenarbeit mit der Heilpädagogin; Organisation und Durchführung von Freizeitaktivitäten; pädagogische
Elterngespräche sowie Durchführung der pädagogischen Elterngruppen und Mitarbeit in der Kinderhaus-Supervision) der Klägerin
dort nicht infektionsgefährdend.
Was die Tätigkeit im Pflegestift I. angeht, kann nach dem Gesamtbild, wie es sich für den Senat darstellt, eine erhöhte Infektionsgefahr
im Pflegestift nicht angenommen werden, da zur Überzeugung des Senats im Pflegestift kein besonderer Durchseuchungsgrad vorlag
und die Klägerin keine besonders infektionsgefährdende Tätigkeit zu verrichten hatte. Es kann zunächst keine konkrete Infektionsquelle
festgestellt werden, zu der die Klägerin unmittelbar oder mittelbar Kontakt hatte. Weder die Bewohnerin K, bei der eine bereits
vor Jahren abgelaufen Hepatitis B-Erkrankung vorlag, noch die Bewohnerin B, welche die Klägerin am 31.7.2005 verletzt hatte
und zu diesem Zeitpunkt nicht an Hepatitis B erkrankt war, kommen als Ansteckungsquelle in Frage. Der prozentuale Anteil infektiöser
Patienten in der Gruppe der beruflichen Kontaktpersonen war nicht höher als in der Allgemeinbevölkerung. Bewohner von Altenheimen
weisen keinen höheren Anteil infektiöser Hepatitis B-Patienten auf als die Allgemeinbevölkerung; auch Pflegeeinrichtungen
in Altenheimen können nicht als besonders hepatitisgefährdend angesehen werden (vgl. BSG v. 30.5.1988 - 2 RU 33/87 = NZA 1988, 823 und BSG v. 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R - juris RdNr. 25 unter Hinweis auf Schreier/Höhne, Hepatitis C - Epidemiologie und Prävention, Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch
- Gesundheitsschutz 6/2001, S 558; Hessisches LSG v. 13.7.2010 - L 3 U 5/03 = PflR 2011, 135 ff.). Über die Prävalenz von Hepatitis-B-Virus-Infektionen in deutschen Pflegeheimen gibt es, wie der Sachverständige
Prof. Dr. L. ausgeführt hat, nur geringes Datenmaterial. Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit,
8. Aufl. 2010, S. 716 gehören Pflegeheimbewohner nicht zum Personenkreis mit besonderen Infektionsrisiken für Hepatitis B.
Danach ist, wie der Sachverständige Prof. Dr. L. ausgeführt hat, nicht davon auszugehen, dass die Seroprävalenz für HBs-Antigen
als Indikator unter Pflegeheimbewohnern über der gemittelten Seroprävalenz für Deutschland mit 0,6% liegt. Im Epidemiologischen
Bulletin Nr. 46 des Robert-Koch-Instituts vom 18.11.2005, S. 421, abrufbar unter http://www.rki.de, heißt es diesbezüglich:
"Auf der Grundlage verschiedener Studien ist davon auszugehen, dass bei etwa 5-8% der bundesdeutschen Bevölkerung eine Hepatitis-B-Infektion
abgelaufen ist und etwa 0,4-0,7% Virusträger sind." Zudem ist auch zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt der beruflichen
Tätigkeit der Klägerin lediglich etwa 35 Betten im Pflegestift belegt waren. Die fünf insulinpflichtigen Heimbewohner wurden
auf das Vorliegen einer Hepatitis-B-Virus-Infektion getestet. Vier Bewohner wiesen einen negativen Befund auf (kein Kontakt
mit dem Hepatitis-B-Virus), bei einer Bewohnerin ergab die Serologie Anti-HBs- und Anti-HBc-Antikörper, was nach den Ausführungen
des Sachverständigen Prof. Dr. L. für eine durchgemachte Hepatitis B Infektion mit vorliegender Immunität spricht, so dass
keine Infektionsquelle plausibel gemacht werden konnte. Insofern kann der Vortrag der Klägerin, sie habe sich beim Entsorgen
der Insulinspritzen mehrfach gestochen, als wahr unterstellt werden, ohne dass sich an der Gesamtbeurteilung etwas ändert.
Die Klägerin übte zur Überzeugung des Senats auch keine besonders infektionsgefährdende Tätigkeit aus. Diesbezüglich wird
zwischen drei Gefährdungsniveaus unterschieden (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO., S. 725 ff.). Zur Kategorie I gehören
Ärzte, Zahnärzte, Krankenpflegepersonal, Zahnarzt- und Arzthelferinnen und Rettungsdienste. Es handelt sich um Tätigkeiten,
bei denen eine regelmäßige Exposition gegenüber Blut, Körperflüssigkeiten oder mit Hepatitis B kontaminiertem Material besteht.
Die Kategorie I wird weiterhin in mehrere Fallgruppen mit unterschiedlichen Beweisanforderungen unterteilt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin,
aaO.). Zur Fallgruppe 1 und 2 der Kategorie I gehören Berufsgruppen, die unmittelbar an Operationen beteiligt sind, oder in
Notfallaufnahmen, zahnärztlichen Behandlungseinheiten, Dialyseeinrichtungen oder Krankenhausstationen mit frisch operierten
oder verletzten Personen arbeiten. Dies war bei der Klägerin nicht der Fall. Zu beachten ist ferner, dass sie einen relativ
überschaubaren Patientenkreis betreute und nur etwa vier Monate im Pflegeheim arbeitete und dies in Teilzeit (20h/Woche).
Der Senat folgt den überzeugenden Ausführungen Prof. Dr. L.s, wonach die Tätigkeiten, die die Klägerin während ihrer Tätigkeit
als Pflegehelferin ausgeführt hat, aufgrund von Häufigkeit und Art nicht mit einem besonders hohen Infektionsrisiko verbunden
gewesen sind. Keiner der von der Klägerin benannten Zeugen hat selbst wahrgenommen, dass sie selbst - entgegen ihrem Aufgabenbereich
- Spritzen setzen musste, so dass dies jedenfalls - wenn überhaupt - nur unregelmäßig und offenbar selten der Fall war. Es
erscheint für den Senat nach dem Gesamtbild, wie es sich nach der Beweisaufnahme ergeben hat, auch eher unwahrscheinlich,
dass die Klägerin regelmäßig Kontakt mit Blut oder Speichel der Heimbewohner hatte. Dies lässt sich retrospektiv nicht mehr
im einzelnen aufklären, da hinsichtlich der Hygienebedingungen bzw. Sicherheitsvorkehrungen unterschiedliche Angaben vorliegen.
Insoweit misst der Senat allerdings der Tatsache, dass der von der Klägerin benannte Zeuge K. erklärt hat, nur etwa einmal
im Monat seien die Sicherheitshandschuhe ausgegangen, Bedeutung zu. Selbst wenn die Klägerin jedoch regelmäßig mit Blut oder
Speichel der behandelnden Pflegebedürftigen in Kontakt gekommen sein sollte, wäre erforderlich, dass der prozentuale Anteil
an Hepatitis B-Erkrankungen höher ist als in der Allgemeinbevölkerung (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO., S. 726 f.).
Dies war aber gerade nicht der Fall. Prof. Dr. L. führte diesbezüglich überdies überzeugend aus, dass auch bei unzureichenden
Sicherheitsvorkehrungen es nur mit geringer Wahrscheinlichkeit bei der Versorgung von Wunden oder beim Kontakt mit Wundsekret
zu einer Infektion mit dem Hepatitis-B Virus gekommen sein könnte; in der Gesamtschau habe in keinem Fall eine über das normale
Maß hinausgehende Hepatitis-Gefährdung bei der Tätigkeit im Pflegestift I. vorgelegen, da ein erhöhtes Infektionspotenzial
im Arbeitsumfeld nicht festzustellen sei. Schließlich hat der Sachverständige auch darauf hingewiesen, dass Umstände aus dem
privaten Lebensbereich zu würdigen sind, die möglicherweise zu einer Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus geführt haben können
(Bluttransfusion 1973, Tätowierungen 1998 und 1999, Hepatitis-B-Erkrankung des Vaters).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) bestehen nicht.