Anspruch auf Arbeitslosengeld; Anrechnung von Nebeneinkünften; Rechtmäßigkeit einer Feststellung durch einen isolierten Verwaltungsakt;
Beratungspflichten der Bundesanstalt für Arbeit
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich dagegen, dass Nebeneinkünfte oberhalb des Freibetrages auf das ihr gewährte Arbeitslosengeld angerechnet
werden.
Die am 28.01.1974 geborene, kinderlose Klägerin, auf deren Lohnsteuerkarte für das Veranlagungsjahr 2009 die Lohnsteuerklasse
1 eingetragen war, meldete sich am 19.06.2009 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld.
Zuvor war sie ab dem 15.04.2003 bei der B. GmbH versicherungspflichtig beschäftigt. Mit fristloser Kündigung vom 17.06.2009
beendete die B. GmbH das Arbeitsverhältnis der Klägerin. Im Rahmen eines anschließenden arbeitsgerichtlichen Verfahrens vor
dem Arbeitsgericht Ulm (- 3 Ca 243/09 -) einigten sich die Arbeitsvertragsparteien im Wege eines gerichtlichen Vergleichs (Beschluss vom 04.08.2009) darauf, dass
das Arbeitsverhältnis der Klägerin aus betrieblichen Gründen mit dem 31.07.2009 endete. Die B. GmbH stellte die Klägerin vom
17.06. - 31.07.2009 von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Anrechnung bestehender Urlaubsansprüche sowie geleisteter
Überstunden frei.
Im Rahmen des formularmäßigen Antrags auf Arbeitslosengeld gab die Klägerin an, seit dem 01.06.2009 selbständig als Raumpflegerin
in Privathaushalten in einem zeitlichen Umfang von 12 Stunden wöchentlich tätig zu sein. Sie legte hierzu eine Erklärung vom
03.07.2009 zu einer selbständigen Tätigkeiten, die ab dem 01.06.2009 ausgeübt werde, vor. Mit Bescheid vom 13.07.2009 stellte
die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen (18.06. - 09.09.2009) fest und bewilligte der Klägerin sodann mit
Bescheid vom 14.07.2009 Arbeitslosengeld ab 10.09.2009 i.H.v. täglich 17,38 EUR bzw. ab 01.10.2009 i.H.v. 15,03 EUR täglich
für 360 Kalendertage. Sie legte hierbei ein tägliches Bemessungsentgelt von 55,31 EUR, die Lohnsteuerklasse I sowie den allgemeinen
Leistungssatz zu Grunde. Ferner berücksichtigte sie die Nebeneinkünfte der Klägerin für September 2009 i.H.v. 280,- EUR, für
die Zeit ab Oktober 2009 i.H.v. 400,- EUR monatlich, setzte hiervon einen Freibetrag von 165,- EUR ab und rechnete für September
2009 einen Betrag von 115,- EUR monatlich (5,48 EUR täglich) und für die Zeit ab Oktober 2009 einen Betrag von 235,- EUR monatlich
(7,83 EUR täglich) an.
Mit Änderungsbescheid vom 10.09.2009 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 01.08.2009 i.H.v. täglich
15,03 EUR. Hiergegen erhob die Klägerin unter dem 18.09.2009 Widerspruch. Ferner teilte sie der Beklagten mit, dass sie seit
dem 01.08.2008 nebenberuflich im Privathaushalt der Fam. S., in A., arbeite, sie sei bei der Minijobzentrale angemeldet. Anlässlich
einer telefonischen Unterredung zwischen den Beteiligten am 28.09.2009 wurde deutlich, dass die Klägerin zusätzlich weiterhin
eine Tätigkeit als selbständige Raumpflegerin ausübt.
Nachdem durch die S. unter dem 08.10.2009 mitgeteilt wurde, die Klägerin übe die dortige Tätigkeit seit dem 01.08.2008 aus
und erziele hieraus gleichbleibend 400,- EUR (brutto = netto) monatlich erließ die Beklagte nach Abschluss der arbeitsgerichtlichen
Auseinandersetzung unter dem 16.10.2009 und dem 04.11.2009 Änderungsbescheide betreffend der Arbeitslosengeldgewährung und
bewilligte der Kläger zuletzt Arbeitslosengeld vom 01. - 31.08.2009 i.H.v. 11,60 EUR täglich, für September 2009 i.H.v. 13,20
EUR täglich, für die Zeit vom 01.10.2009 - 30.06.2010 i.H.v. 8,54 EUR täglich sowie für die Zeit vom 01. - 30.07.2010 i.H.v.
9,18 EUR täglich. Ab dem 09.11.2009 war die Klägerin in einem zeitlichen Umfang von mehr als 15 Stunden wöchentlich abhängig
beschäftigt, woraufhin die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 11.11.2009 bis zum 08.11.2009 befristete.
Nach Beendigung der Beschäftigung bewilligte die Beklagte der Klägerin erneut Arbeitslosengeld ab dem 01.05.2010 für 262 Kalendertage
(Bescheid vom 05.05.2010), wobei sie weiterhin die Nebeneinkünfte der Klägerin berücksichtigte.
Nach Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens wandte sich die Klägerin mehrfach an die Beklagte und brachte vor, dass ihr
Arbeitsverhältnis mit der B. GmbH mit Ablauf des 31.07.2009 beendet und die Tätigkeit für die S. bereits am 01.08.2008 begonnen
worden sei. Da die geringfügige Beschäftigung schon zwölf Monate vor der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld ausgeübt
worden sei, läge qualifiziertes Nebeneinkommen vor, das bei der Gewährung von Arbeitslosengeld nicht anzurechnen sei.
Mit Bescheid vom 14.10.2009 entschied die Beklagte, dass der Klägerin nur ein Freibetrag von 165,- EUR gewährt werden könne.
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld sei am 19.06.2009 entstanden, die Nebentätigkeit werde jedoch erst seit dem 01.08.2008,
also nicht schon mindestens zwölf Monate lang, wie es §
141 Abs.
2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) fordere, ausgeübt.
Den Widerspruch der Klägerin hiergegen, mit dem sie wiederholend vorbrachte, sie sei bis einschließlich 31.07.2009 bei der
B. GmbH beschäftigt gewesen und arbeite seit zwölf Monaten auf 400,- EUR- Basis für die S., wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 11.11.2009 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 11.12.2009 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben, mit der sie sich gegen die Anrechnung von Nebeneinkommen gewandt hat. Zu deren Begründung hat sie vorgetragen,
die Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld lägen erst seit dem 01.08.2009 und nicht bereits mit der Arbeitslosmeldung
vom 19.06.2009 vor. Sie sei gesetzlich verpflichtet, sich unverzüglich arbeitslos zu melden. Dies könne ihr bei der Anrechnung
von Nebeneinkünften nicht zum Nachteil gereichen. Bezogen auf den Beginn der Tätigkeit bei der S. am 01.08.2008 sei daher
der erforderliche zeitliche Rahmen von zwölf Monaten für die Anrechnungsfreiheit von Nebeneinkünften erfüllt. Somit sei das
gesamte erzielte Einkommen und nicht nur ein Freibetrag von 165,- EUR monatlich anrechnungsfrei. Der Sachbearbeiter der Beklagten
sei darüber informiert gewesen, dass sie Kündigungsschutzklage eingelegt habe. Nach Hinweis auf die Umwandlung der fristlosen
Kündigung in eine ordentliche zum 31.07.2009 sei ihr mitgeteilt worden, dass der alte Antrag "vom Tisch sei" und sie sich
nochmals arbeitslos melden solle. Es würde dann eine neue Berechnung "ohne Sperre" erfolgen. Der Mitarbeiter sei verpflichtet
gewesen, auf eine richtige Antragstellung hinzuweisen.
Die Beklagte ist der Klage unter dem Verweis auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid entgegen getreten. Sie habe zudem
ihre Sorgfaltspflicht nicht verletzt und keine falschen Anträge ausgegeben. Sie habe erst durch die Mitteilung der Klägerin
vom 22.09.2009 davon erfahren, dass diese seit dem 01.08.2009 eine abhängige Nebenbeschäftigung im Privathaushalt der S. ausübe.
Mit Gerichtsbescheid vom 18.11.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klägerin sei ab dem 19.06.2009 beschäftigungslos
gewesen. Dass das Arbeitsverhältnis nach dem Inhalt des arbeitsgerichtlichen Vergleichs erst mit dem 31.07.2009 endete, sei
insofern unbeachtlich. Da die Nebentätigkeit am 01.08.2008 aufgenommen worden sei, sei der erforderliche Zeitrahmen für die
Anwendung von §
141 Abs.
2 SGB III nicht erfüllt. Eine Berufung auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch führe gleichfalls nicht zum Erfolg, da die Beklagte
erst am 22.09.2009 von der Nebentätigkeit der Klägerin erfahren habe, weswegen kein Anlass bestanden habe, der Klägerin nahe
zu legen, sich erst zum 01.08.2009 arbeitslos zu melden.
Gegen den am 24.11.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 21.12.2011 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung
wiederholt die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, sie sei durch die Beklagte fälschlich dahingehend
belehrt worden, dass der alte Antrag vom 19.06.2009 gegenstandslos geworden sei und sie sich nochmals nach Beendigung des
Arbeitsverhältnisses am 01.08.2009 arbeitslos melden müsse. Es seien insofern die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches
erfüllt. Zwar hätte die Klägerin bei der ersten Arbeitslosmeldung am 19.06.2009 irrtümlicherweise die Nebenerwerbstätigkeit
nicht angegeben, jedoch sei die Meldung umgehend nachträglich am 03.07.2009 erfolgt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 18. November 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides
vom 14. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2009 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld ab dem
01. August 2009 ohne die Anrechnung von Nebeneinkünften zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages verweist die Beklagte auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.
Ergänzend trägt sie vor, eine schriftliche Zusicherung des Inhalts, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld erst ab dem 01.08.2009
entstanden sei, sei nicht erteilt worden. Eine nachträgliche Meldung der Nebentätigkeit der Klägerin am 03.07.2009 sei nicht
erfolgt, da die dortige Erklärung selbständige Reinigungstätigkeiten der Klägerin ab dem 01.06.2009 betroffen habe. Die Beklagte
habe von den Nebentätigkeiten der Klägerin bei der S. erstmals durch das Schreiben der Klägerin vom 18.09.2009 erfahren.
Mit Schriftsatz vom 11.10.2012 hat die Klägerin, mit solchem vom 01.10.2012 die Beklagte jeweils das Einverständnis mit einer
Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die bei der Beklagten für den Kläger geführte
Verwaltungsakte sowie die Prozessakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der Entscheidungsfindung wurden, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (vgl. §
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß §
153 Abs.
1 i.V.m. §
124 Abs.
2 SGG im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet ist zulässig, im Besonderen ist sie ohne Zulassung
statthaft. Nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG in der ab dem 1. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des
Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I 2008, S. 417, 444 ff) bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder
Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,- EUR nicht übersteigt. Dies gilt gemäß §
144 Abs.
1 Satz 2
SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Der Wert des Beschwerdegegenstandes
bestimmt sich nach dem Betrag, den das SG der Klägerin versagt hat und der von dieser als Rechtsmittelführerin weiter verfolgt wird (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl., §
144 Rn. 14 m.w.N.; Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 06.02.1997 -14/10 BKg 14/96 - veröffentlicht in [...]). Angefochten wurde von der Klägerin der Bescheid vom 14.10.2009 (Widerspruchsbescheid vom 11.11.2009),
mit dem die Beklagte entschieden hat, dass der Klägerin für ihre Nebeneinkünfte nur ein Freibetrag von 165,- EUR monatlich
gewährt werden könne. Da die dortige Entscheidung keinen einschränkenden Zeitraum, sondern generell die laufende Bewilligung
betraf, diese vom 01.08.2009 - 08.11.2009 und, da zwischenzeitlich kein neuer Leistungsanspruch entstanden ist (vgl. §
147 Abs.
1 Nr.1
SGB III in der bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung), erneut für 262 Kalendertage ab dem 01.05.2010 reichte, ist bei einem monatlichen
Anrechnungsbetrag von 165,- EUR der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,- EUR erreicht.
Die Berufung führt für die Klägerin teilweise zum Erfolg, der angefochtene Bescheid vom 14.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 11.11.2009 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, er ist aufzuheben. Hingegen ist der Klägerin das
begehrte höhere Arbeitslosengeld nicht zuzusprechen, die Berufung ist insofern unbegründet.
Die Klägerin hat im vorliegenden Verfahren ausschließlich den Bescheid der Beklagten vom 14.10.2009 (Widerspruchsbescheid
vom 11.11.2009) angefochten, mit dem die Beklagte entschieden hat, dass der Klägerin nur ein Freibetrag i.H.v. 165,- EUR monatlich
gewährt werden könne. Sie hat indes ferner ein Leistungsbegehren des Inhalts, ihr höheres Arbeitslosengeld - ohne die Anrechnung
von Nebeneinkünften - zu gewähren, zur gerichtlichen Entscheidung gestellt. Über die Höhe des der Klägerin zu gewährenden
Arbeitslosengeldes hat die Beklagte jedoch zunächst mit Bescheid vom 14.07.2009 und sodann mit Änderungsbescheiden vom 10.09.2009,
vom 16.10.2009 und vom 04.11.2009 entschieden. Gerichtlicher Rechtsschutz mit dem Ziel, höheres Arbeitslosengeld zu erlangen,
ist im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§
54 Abs.
1, Abs.
4 SGG) gegen die Bewilligungsbescheide durchzusetzen. Anders als in Fällen, in denen ein Sperrzeit- und ein Bewilligungsbescheid
eine einheitliche Entscheidung darstellen (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 05.08.1999 - B 7 AL 14/99 R - m.w.N. veröffentlicht in [...]), betrifft die angefochtene Entscheidung der Beklagten, der Klägerin stehe kein über 165,-
EUR hinausgehender Freibetrag zu, keinen konkreten Leistungszeitraum, der sich insofern mit den Bewilligungsbescheiden "überschneiden"
würde. Der Bescheid stellt vielmehr eine "vor die Klammer gezogene" Entscheidung betreffend - zum Zeitpunkt des Erlasses -
noch nicht überschaubare Leistungszeiträume dar. Da mithin der Bewilligungs- und die Änderungsbescheide betreffend die Gewährung
von Arbeitslosengeld vorliegend nicht Gegenstand des Verfahrens sind, kann das Leistungsbegehren im hiesigen Verfahren zulässigerweise
nicht geltend gemacht werden. Die Klage war insofern bereits unzulässig; das SG hat sie im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Da der Klägerin insofern auch eine Elementenfeststellungsklage nicht zum Erfolg gereichen könnte, da mit dieser keine Leistungsansprüche
durchgesetzt werden können, bedarf die Frage der Auslegung des Klagebehrens vorliegend keiner weitergehenden Erörterung.
Hingegen ist die Berufung begründet, soweit die Klägerin die Aufhebung des Bescheides vom 14.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 11.11.2009 gerichtlich geltend macht. Der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Mit dem
Bescheid hat die Beklagte entschieden, dass der Klägerin nur ein Freibetrag von 165,- EUR gewährt werden könne. Sie hat hiermit
isoliert über ein Element des geltend gemachten Anspruchs auf höhere Arbeitslosengeld-Leistungen entschieden. Der so zu verstehende
Bescheid ist gegenüber der Klägerin bereits deswegen aufzuheben, weil es für die belastende Feststellung der Beklagten an
der erforderlichen Befugnis mangelt, hierüber im Wege eines "isolierten" Verwaltungsaktes zu entscheiden. Nach der Rspr. des
BSG ist ein Leistungsträger zur belastenden Elementenfeststellung nur dann berechtigt, soweit zumindest durch Auslegung der maßgeblichen
gesetzlichen Vorschriften zu erkennen ist, dass der Gesetzgeber für die getroffene Feststellung die Befugnis einräumen wollte,
durch Verwaltungsakt zu entscheiden (BSG, Urteil vom 17.12.1997 - 11 RAr 103/96 - veröffentlicht in [...]). Die danach geforderte Befugnis ist jedoch weder dem Regelungssystem des
SGB III noch konkret der Regelung des §
141 SGB III in der ab dem 01.01.2009 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008
(BGBl. I 2917) zu entnehmen. Vielmehr wird aus dem Inhalt der Regelung, der Anrechnung deutlich, dass Gegenstand der "eigentlichen
Entscheidung" der Anspruch auf Arbeitslosengeld ist.
Der angefochtene Bescheid ist hiernach aufzuheben.
Der Senat weist jedoch aus gegebenem Anlass darauf hin, dass der Inhalt der Entscheidung der Beklagten, keinen über 165,-
EUR monatlich hinausgehenden Betrag von der Anrechnung auszunehmen, nicht zu beanstanden ist.
Die von der Klägerin erzielten Nebeneinkünfte sind nach Abzug der Werbungskosten, oberhalb des Freibetrages von 165,- EUR
monatlich auf das ihr bewilligte Arbeitslosengeld anzurechnen. §
141 Abs.
1 Satz 1
SGB III in der ab dem 01.01.2009 bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen
Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl. I 2917) bestimmt hierzu, dass, wenn der Arbeitslose während einer Zeit, für die ihm Arbeitslosengeld
zusteht, eine Erwerbstätigkeit im Sinne des §
119 Abs.
3 (
SGB III) ausübt, das daraus erzielte Einkommen nach Abzug der Steuern, der Sozialversicherungsbeiträge und der Werbungskosten sowie
eines Freibetrages in Höhe von 165,- EUR in dem Kalendermonat der Ausübung anzurechnen ist.
Die Klägerin hat ab dem 01.08.2009 Einkünfte aus weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Nebentätigkeiten für die S.
i.H.v. 400,- EUR (brutto = netto) erzielt, die nach Abzug des Freibetrages von 165,- EUR monatlich und der Werbungskosten
von 5,40 EUR monatlich auf den Arbeitslosengeldanspruch anzurechnen sind.
Zu Gunsten der Klägerin kann vorliegend auch kein weitergehender anrechnungsfreier Betrag berücksichtigt werden. Zwar bestimmt
§
141 Abs.
2 SGB III in der hier maßgeblichen Fassung, dass dann, wenn der Arbeitslose in den letzten 18 Monaten vor der Entstehung des Anspruches
neben einem Versicherungspflichtverhältnis eine Erwerbstätigkeit (§ 119 Abs. 3 [SGB III]) mindestens zwölf Monate lang ausgeübt
hat, das Einkommen bis zu dem Betrag anrechnungsfrei bleibt, das in den letzten zwölf Monaten vor der Entstehung des Anspruches
aus einer Erwerbstätigkeit (§ 119 Abs. 3 [SGB III]) durchschnittlich auf den Monat entfallen ist. Die Klägerin hat jedoch
vor der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld die abhängige Nebentätigkeit nicht mindestens zwölf Monate ausgeübt.
Der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld entstand vorliegend am 19.06.2009 und nicht, wie sie vorbringt, erst am 31.07.2009.
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld entsteht zu dem Zeitpunkt, zu dem sämtliche Voraussetzungen der Leistungsgewährung vorliegen
(Brand in Niesel/Brand,
SGB III, 5. Aufl., 2010, §
118, Rn. 6). Dies ist in aller Regel der Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung, die vorliegend am 19.06.2009 erfolgte. Die Klägerin
hat sich insb. nicht nur arbeitssuchend, wozu sie gemäß §
38 Abs.
1 SGB III a.F. allein verpflichtet war, sondern auch arbeitslos gemeldet. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin auch bereits arbeitslos.
Gemäß §
119 Abs.
1 SGB III a.F. 1) ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit; Nr.1),
sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen; Nr.2) und der den Vermittlungsbemühungen der Agentur
für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit; Nr.3). Der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. §
119 Abs.
1 Nr.1
SGB III a.F. ist nicht mit dem des Arbeitsverhältnisses gleichzusetzen. Er unterscheidet sich insofern hiervon, als der Begriff des
Beschäftigungsverhältnisses weiter geht und sowohl Arbeiten in einem wirksamen bzw. faktischen Arbeitsverhältnis als auch
Arbeiten ohne Arbeitsverhältnis umfasst. Ein Arbeitnehmer steht leistungsrechtlich nicht in einem Beschäftigungsverhältnis,
wenn das bisherige Beschäftigungsverhältnis sein tatsächliches Ende gefunden hat oder der Arbeitgeber seine Verfügungsgewalt
über den Arbeitnehmer nicht mehr beansprucht. Ein Beschäftigungsverhältnis besteht i.d.S. dann nicht weiter, wenn der (gekündigte)
Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Vergütung endgültig von der Arbeitsleistung freigestellt wird (vgl. BSG, Urteil vom 24.07.1986 - 7 Rar 4/85 - veröffentlicht in [...]; Steinmeyer in Gagel, SGB II/
SGB III, Bd. 1, Stand Jan. 2005, §
119, Rn. 40). Da die Klägerin in dem im arbeitsgerichtlichen Verfahren geschlossenen Vergleich vom 27.07.2009 von ihrem ehemaligen
Arbeitgeber ab dem Ausspruch der Kündigung am 17.06.2009 bis zum 31.07.2009 von ihrer Arbeitsverpflichtung freigestellt worden
ist und Anhaltspunkte dafür, dass dies widerruflich oder nur vorübergehend erfolgt ist weder aus dem arbeitsgerichtlichen
Vergleich noch anderweitig ersichtlich sind, endete das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin mit der B. GmbH im leistungsrechtlichen
Sinne bereits am 17.06.2009. Die vergleichsweise Einigung vor dem Arbeitsgericht, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin
nicht mit dem 17.06.2009 endet, sondern bis zum 31.07.2009 fortbestanden hat, ändert an der Beschäftigungslosigkeit der Klägerin
nichts (vgl. BSG, Urteil, vom 03.06.2004 - B 11 AL 70/03 R - veröffentlicht in [...]).
Ausgehend von einer Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld am 19.06.2009 rechnet der achtzehnmonatige Zeitraum des
§
141 Abs.
2 SGB III a.F. auf den 20.12.2007 zurück. Innerhalb des zeitlichen Rahmens vom 20.12.2007 - 19.06.2009 hat die Klägerin die Erwerbstätigkeit,
die anrechnungsfrei bleiben soll, nicht mindestens zwölf Monate lang ausgeübt. Ausweislich der Mitteilung der S. vom 08.10.2009
war die Klägerin dort erst ab dem 01.08.2008 tätig, woraus sich eine Tätigkeitsdauer von 10 Monaten und 19 Tagen ergibt.
Mithin kann die Klägerin nicht beanspruchen, dass ihre Einkünfte über den Freibetrag von 165,- EUR monatlich hinaus, nach
§
141 Abs.
2 SGB III anrechnungsfrei bleiben.
Soweit klägerseits geltend gemacht wird, sie sei durch die Beklagte fehler- bzw. lückenhaft beraten worden, ergibt sich hieraus
keine abweichende Beurteilung. Zwar existiert mit dem sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ein Korrelat für
fehlerhaftes behördliches Handeln, dieser setzt jedoch voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder
eines sozialen Rechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung verletzt hat, zwischen der Pflichtverletzung
des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht und der durch das pflichtwidrige
Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann; die Korrektur muss mit dem
jeweiligen Gesetzeszweck im Einklang stehen (vgl. BSG, Urteil vom 01.04.2004 - B 7 AL 52/03 R - veröffentlicht in [...]). Vorliegend ist hierbei insb. auch die Regelung des §
118 Abs.
2 SGB III a.F. zu berücksichtigen, nach der der Arbeitnehmer bis zur Entscheidung über den Anspruch bestimmen kann, dass dieser nicht
oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll. Hierdurch werden, insb. vor dem gesetzgeberischen Ziel, die Gestaltungsmöglichkeiten
der Arbeitslosen hinsichtlich einer längeren Anspruchsdauer deutlich zu erweitern (vgl. BT-Drucks. 15/1515, S. 82), für die
Beklagte besondere Beratungspflichten begründet, Arbeitslose in geeigneten Fällen auch spontan über ihr Bestimmungsrecht nach
§
118 Abs.
2 SGB III zu beraten. Indes setzt auch dies voraus, dass der Beklagten überhaupt ein Beratungsbedarf ersichtlich ist. Im Hinblick auf
die streitbefangene Nebentätigkeit der Klägerin für die S. war es der Beklagten jedoch bis zum maßgeblichen Zeitpunkt, der
(erstmaligen) Entscheidung über den Arbeitslosengeldanspruch mit Bescheid vom 14.07.2009, gar nicht bekannt, dass die Klägerin
diese Tätigkeit ausübt. In ihrem Antrag auf Arbeitslosengeld hat die Klägerin angeführt, seit dem 01.06.2009 als Raumpflegerin
selbständig in einem Umfang von 12 Stunden wöchentlich tätig zu sein. Eine Mitteilung betreffend der (abhängigen) geringfügigen
Beschäftigung erfolgte in diesem Rahmen nicht. Soweit dies klägerseits eingeräumt wird, indes angeführt wird, die Klägerin
habe dies am 03.07.2009 nachgeholt, wird dies durch den Inhalt der vorliegenden Akte nicht bestätigt, da die auf den 03.07.2009
datierte Erklärung wiederum die selbständige Tätigkeit der Klägerin zum Inhalt hatte. Der Beklagten wurde von der Klägerin
erstmals unter dem 18.09.2009 mitgeteilt, dass sie seit dem 01.08.2008 nebenberuflich für die S. arbeite. Da indes zu diesem
Zeitpunkt die Entscheidung über den Anspruch bereits ergangen war, kann eine Verletzung einer etwaigen, ab dem 18.09.2009
bestehenden Spontanberatungsverpflichtung der Beklagten jedenfalls nicht mehr kausal für einen bei der Klägerin eingetretenen
Nachteil geworden sein.
Soweit klägerseits - sinngemäß - ein "Hinausschieben" der Arbeitslosmeldung begehrt wird, kann dies, außerhalb der Gestaltungsmöglichkeit
des §
118 Abs.
2 SGB III a.F. nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erfolgen.
Mithin hat die Klägerin inhaltlich keinen Anspruch darauf, dass die von ihr erzielten Nebeneinkünfte aus der geringfügigen
Tätigkeit für die S. über den berücksichtigten Freibetrag von 165,- EUR monatlich und die Werbungskosten hinaus von eine Anrechnung
nach §
141 Abs.
1 SGB III a.F. ausgenommen werden.
Der Berufung der Klägerin ist indes, wie ausgeführt, in dem Sinne stattzugeben, als der Bescheid der Beklagten vom 14.10.2009
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 11.11.2009 aufzuheben ist. Im Übrigen ist die Berufung gegen den Gerichtsbescheid
des SG vom 18.11.2011 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
1 S. 1
SGG und berücksichtigt das teilweise Obsiegen der Klägerin.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.