Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Pflegeunterstützungsgeld im Zeitraum vom 11. bis 24. Dezember 2017 streitig.
Der 1960 geborene pflegebedürftige Bruder der Klägerin ist bei der Beklagten pflegeversichert. Er leidet seit seiner Geburt
an einer Tetraplegie und ist in den Pflegegrad 4 eingestuft.
Die Klägerin beantragte am 16. Februar 2018 Pflegeunterstützungsgeld zur Pflege ihres Bruders für den Zeitraum vom 11. bis
24. Dezember 2017 (10 Arbeitstage) und legte hierzu im Nachgang eine von ihr selbst unterzeichnete Entgeltbescheinigung des
Arbeitgebers, in welcher eine Freistellung von der Arbeit für den genannten Zeitraum angegeben wurde, und eine Bescheinigung
der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. M. vom 9. März 2018, wonach eine akute Pflegebedürftigkeit vorliege bzw. drohe und
es daher erforderlich sei, dass die Klägerin in der Zeit vom 10. Dezember 2017 bis auf weiteres die bedarfsgerechte Versorgung
sicherstelle bzw. organisiere, vor. Eine Freistellung von der Arbeit sei notwendig. In dem Antrag gab die Klägerin zudem an,
selbstständig tätig und Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte zu sein.
Mit Bescheid vom 11. Mai 2018 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, sie sei keine Beschäftigte
im Sinne des § 7 Abs. 1 Pflegezeitgesetz (PflegeZG), weshalb die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegeunterstützungsgeld nicht gegeben seien.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 10. Juni 2018, eingegangen bei der Beklagten am 14. Juni 2018, Widerspruch
ein und führte zur Begründung aus, der ihr am 15. Mai 2018 zugegangene Bescheid sei rechtswidrig. Die Voraussetzungen für
die Gewährung von Pflegeunterstützungsgeld lägen vor. Das PflegeZG sei geschaffen worden, um die Pflege von nahen Angehörigen in einer akuten Notsituation zu gewährleisten. Durch den Wegfall
der bisherigen Pflegeperson sei es kurzfristig erforderlich geworden, eine bedarfsgerechte Pflege für ihren Bruder zu organisieren,
weshalb sie ihre Tätigkeit nicht habe ausüben können. Sie habe in dieser Zeit, gleich einem Arbeitnehmer, einen Einkommensverlust
erlitten. Eine Schlechterstellung gegenüber den in § 7 PflegeZG genannten Personen sei keinesfalls gerechtfertigt.
Nachdem keine Abhilfe durch die Beklagte erfolgte (Schreiben vom 20. August 2018), wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten
den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 2018 zurück. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld.
§
44a Abs.
1 Satz 1, Abs.
3 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XI) nenne die anspruchsberechtigten Personenkreise. Beschäftigte im Sinne von § 7 Abs. 1 PflegeZG seien Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten und Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen
Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen seien. Zu diesen gehörten auch die in Heimarbeit Beschäftigten
und die ihnen Gleichgestellten. Selbstständige würden in der Aufzählung von § 7 PflegeZG sowie §
44a SGB XI nicht genannt. Als Selbstständige habe die Klägerin keinen Arbeitgeber, der die Freistellung ausspreche sowie keinen Anspruch
auf Entgeltfortzahlung. Sie zähle daher im Umkehrschluss nicht zu den Beschäftigten im Sinne des PflegeZG.
Hiergegen hat die Klägerin am 3. Oktober 2018 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und zur Begründung ausgeführt, Ziel des PflegeZG sei es, Beschäftigten die Möglichkeit zu eröffnen, nahe Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen und damit die Vereinbarkeit
von Beruf und Pflege zu verbessern. Ein naher Angehöriger solle nach den Gesetzesmaterialien in einer akut auftretenden Pflegesituation
die Pflege eines Angehörigen übernehmen können, ohne einen materiellen Verlust zu erleiden. Während dieser Akutzeit habe auch
ein selbstständig Tätiger keine Möglichkeit, seiner Arbeit nachzugehen. Da der Anspruch auf Freistellung nicht im Ermessen
des Arbeitgebers liege, sei das Argument, dass ein Selbstständiger keinen Arbeitgeber habe, der die Freistellung aussprechen
könne, hinfällig. Nachdem ihre ihren Bruder bis dahin pflegende Tante am 10. Dezember 2018 einen Schlaganfall erlitten habe,
habe sich aus dem Nichts die Frage der pflegerischen Versorgung mitten im Dezember kurz vor Weihnachten gestellt. Als Selbstständige
habe sie die Termine verlegen, ihre Arbeit einstellen und die Situation so meistern können. Es gebe keinen Differenzierungsgrund,
der eine Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern und Selbstständigen rechtfertige. Die vorliegende Regelung verstoße gegen
nationales wie auch europäisches Recht. Im
SGB XI mache der Gesetzgeber gerade bei der Versicherungspflicht keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Gruppen der Beschäftigten.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Der Gesetzgeber mache ganz bewusst Unterschiede bei Rechten und Pflichten von
Berufstätigen, Selbstständigen und Freiberuflern. Ein gutes Beispiel hierfür sei die Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Krankenversicherung. Während Beschäftigte innerhalb bestimmter Einkommensgrenzen zur Mitgliedschaft verpflichtet seien, hätten
andere Personenkreise ein Wahlrecht. Diese Unterschiede seien vom Gesetzgeber gewollt und bislang auch rechtens. Begründet
werde dies im Allgemeinen mit der Schutzbedürftigkeit bestimmter Personenkreise. Das Pflegeunterstützungsgeld sei vom Gesetzgeber
ganz bewusst als Lohnersatzleistung in Anlehnung an das Kinderkrankengeld definiert und nur auf einen bestimmten Personenkreis,
nämlich Beschäftigte, beschränkt.
Mit Urteil vom 4. Juli 2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld, da sie als selbstständige Rechtsanwältin
nicht unter den Beschäftigtenbegriff des § 7 Abs. 1 PflegeZG falle. Für Selbstständige, Beamte sowie Bezieher von Leistungen nach dem Zweiten und
Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II und III), die keine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausübten, bestünde kein Anspruch. Die Regelung des §
44a SGB XI könne auch nicht analog auf Selbstständige angewandt werden, da eine planwidrige Regelungslücke nicht vorliege. Der Gesetzgeber
habe nämlich für gewisse Gruppen von Selbstständigen, hier für die landwirtschaftlichen Unternehmer (§
44a Abs.
6 SGB XI), zusätzliche Leistungen bei Pflegezeit und kurzzeitiger Arbeitsverhinderung vorgesehen und somit die übrigen Anspruchsberechtigten
ausgeschlossen. Die Regelung des §
44a SGB XI verstoße auch nicht gegen Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG), da die Gruppe der Selbstständigen und die der abhängig Beschäftigten nicht vergleichbar seien.
Gegen das ihr am 31. Juli 2019 zugegangene Urteil hat die Klägerin am 19. August 2019 Berufung beim Landessozialgericht (LSG)
Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen vorgetragen, das SG weise zu Unrecht darauf hin, dass der Gesetzgeber Selbstständigen, Beamten sowie Beziehern von Leistungen nach dem
SGB III keinen Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld gewähren würde. § 74 Landesbeamtengesetz Baden-Württemberg sehe Pflegezeiten von bis zu zehn Tagen unter Belassung der Dienst- und Anwärterbezüge vor. Der Gesetzgeber
habe die Regelung (des §
44a SGB XI) geschaffen, um nahen Angehörigen die Möglichkeit zur Bewältigung der akuten Pflegesituation zu geben, ohne dass diese finanzielle
Verluste erleiden. Er habe damit eine planwidrige Regelungslücke in Bezug auf Selbstständige geschaffen, so dass eine analoge
Anwendung der Norm in Betracht komme. Das SG habe zu Unrecht einen Verstoß gegen Art.
3 GG verneint, mit der Begründung, dass der Selbstständige keiner Pflichtversicherung in der Pflege unterliege. Dem sei nicht
so, da sie gemäß §
1 Abs.
2 SGB XI zum Abschluss einer Pflegeversicherung verpflichtet sei. Die Pflegepflichtversicherung eines Versicherten sichere jedoch
nur den eigenen Pflegefall ab und schütze nicht den Versicherungsfall einer akut eintretenden Pflegesituation eines Angehörigen.
Der Selbstständige finanziere also mit seinen Beiträgen zur Pflegeversicherung die Leistungen des nicht selbstständig Tätigen
mit, obwohl er selbst nie zum anspruchsberechtigten Personenkreis zählen könne. Eine Versicherung gegen den Einkommensverlust
bei Kurzzeitpflegeeinsätzen biete die Versicherungswirtschaft bislang nicht an. Zudem würde man damit vom Selbstständigen
verlangen, sich doppelt zu versichern. Auch hierin würde eine Ungleichbehandlung von Selbstständigen liegen. Unter Vorlage
ihres Einkommenssteuerbescheides des Jahres 2017 (Einkünfte von insgesamt 21.217,00 EUR) hat die Klägerin zudem mitgeteilt,
ihr sei im Zeitraum vom 11. bis 24. Dezember 2017 Einkommen in Höhe von 884,04 EUR entgangen. Zudem habe die Rechtssache grundsätzliche
Bedeutung.
Die Klägerin beantragt (sachgerecht gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 4. Juli 2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten
vom 11. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. September 2018 zu verurteilen, ihr Pflegeunterstützungsgeld
für die Zeit vom 11. bis 24. Dezember 2017 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf ihr bisheriges Vorbringen.
Die Berichterstatterin des Senats hat in dem Verfahren am 4. Februar 2020 einen Erörterungstermin (vgl. Protokoll auf Bl.
39/40 der LSG-Akte) durchgeführt und hierbei auf die Absicht hingewiesen, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss
zurückzuweisen, sowie den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene
Akte der Beklagten Bezug genommen.
II.
1. Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin gemäß §
153 Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) durch Beschluss, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit
weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit
den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat
die Beteiligten angehört.
2. Die gemäß §
143 SGG statthafte und gemäß §
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der
Zulassung, da der von der Klägerin geltend gemachte Betrag von 884,04 EUR den nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG maßgeblichen Beschwerdewert von 750,00 EUR übersteigt.
3. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 11. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. September
2018 (§
95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld
im streitigen Zeitraum vom 11. bis 24. Dezember 2017, weil sie nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des §
44a Abs.
3 Satz 1
SGB XI fällt (unter a). Auch eine analoge Anwendung der Norm auf Selbstständige scheidet aus (unter b). Hieraus folgt kein Verstoß
gegen höherrangiges Recht (unter c).
a) Die Klägerin fällt nicht unter den Beschäftigtenbegriff des § 7 Abs. 1 PflegeZG. Dies ist jedoch Voraussetzung für den Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld gemäß §
44a Abs.
3 Satz 1
SGB XI (eingeführt durch das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf vom 23. Dezember 2014, nunmehr in der
Fassung vom 18. Juli 2017).
Danach hat ein Beschäftigter im Sinne des § 7 Abs. 1 PflegeZG (in der Fassung vom 23. Dezember 2014) für eine kurzzeitige Arbeitsverhinderung nach § 2 PflegeZG, für die er in diesem Zeitraum keine Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber und kein Kranken- oder Verletztengeld beanspruchen
kann, einen Anspruch auf einen Ausgleich für entgangenes Arbeitsentgelt (Pflegeunterstützungsgeld) für bis zu insgesamt zehn
Arbeitstage. Das Pflegeunterstützungsgeld wird auf Antrag, der unverzüglich zu stellen ist, unter Vorlage der ärztlichen Bescheinigung
nach § 2 Abs. 2 Satz 2 PflegeZG von der Pflegekasse oder dem Versicherungsunternehmen des pflegebedürftigen nahen Angehörigen gewährt (§
44a Abs.
3 Satz 3
SGB XI). Gemäß § 2 Abs. 1 PflegeZG haben Beschäftigte das Recht, bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, wenn dies erforderlich ist, um für einen
pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren
oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen. Nach der Legaldefinition in § 7 Abs. 1 PflegeZG sind Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Nr. 1), die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten
(Nr. 2) und Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind;
zu diesen gehören auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten (Nr. 3). Hinsichtlich Nr. 1 gilt der
allgemeine Arbeitnehmerbegriff im Sinne des §
611a Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB; vgl. hierzu Lembke, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl. 2018, § 7 PflegeZG, Rn. 1; Treber, in: Bader/Fischermeier u.a., KR, 12. Aufl. 2019, §§ 1-8 PflegeZG Rn. 13, der zutreffend darauf hinweist, dass sich die Bestimmung des persönlichen Geltungsbereichs an § 6 Abs. 1 AGG orientiert [dort gilt im Übrigen für Selbstständige die in § 6 Abs. 3 AGG gesondert normierte eingeschränkte Anwendbarkeit des AGG] - s. hierzu ausführlich auch Treber, a.a.O., § 6 AGG Rn. 1, 2 ff.).
Hierunter fällt die Klägerin als selbstständige Rechtsanwältin nicht. Dies entnimmt der Senat bereits ihrem am 16. Februar
2018 gestellten Antrag auf Pflegeunterstützungsgeld, in welchem die Klägerin angab, selbstständig tätig und Pflichtmitglied
im Versorgungswerk der Rechtsanwälte zu sein. Gegenteiliges wird von ihr auch nicht behauptet, so dass sich weitere Ausführungen
hierzu erübrigen.
b) §
44a Abs.
3 Satz 1
SGB XI ist mangels planwidriger Regelungslücke entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht analog auf Selbstständige anwendbar.
Ein Analogieschluss setzt insbesondere voraus, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende
Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen
werden kann, der Gesetzgeber wäre im Zuge einer Interessenabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten
lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Analogie ist
die Übertragung der Rechtsfolge eines geregelten Tatbestandes auf einen ihm ähnlichen, aber ungeregelten Sachverhalt (vgl.
z.B. BSG, Urteil vom 12. März 2019 - B 13 R 19/17 R - juris, Rn. 25 m.w.N.). Die Methode der Analogie ist eine verfassungsrechtlich anerkannte Form der richterlichen Rechtsfortbildung
(vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Nichtannahmebeschluss vom 28. Juni 2014 - 1 BvR 1157/12 - juris, Rn. 6 m.w.N.), die aber von der dem Gesetzgeber vorbehaltenen Gesetzeskorrektur abzugrenzen ist. Dem Gericht ist
es grundsätzlich verwehrt, sich unter Verkennung seiner eigenen Bindung an Gesetz und Recht (Art.
20 Abs.
3 GG) aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz zu begeben (BVerfG, Beschluss vom 3. April 1990 - 1 BvR 1186/89 - juris, Rn. 20ff.). Demgemäß darf richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie stets nur dann eingesetzt werden,
wenn das Gericht auf Grund einer Betrachtung und Wertung des einfachen Gesetzesrechts eine Gesetzeslücke feststellt (vgl.
BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. März 1995 - 2 BvR 1437/93 - juris). Eine derartige Lücke ist aber nicht bereits dann gegeben, wenn eine erwünschte Ausnahmeregelung fehlt oder eine
gesetzliche Regelung aus sozial- oder rechtspolitischen Erwägungen als unbefriedigend empfunden wird (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss
vom 27. Dezember 1991 - 2 BvR 72/90 - juris, Rn. 4). Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese - auch im Interesse
der Rechtssicherheit für den einzelnen Bürger - nicht auf Grund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch
eine judikative Lösung ersetzen, die so ggf. im Parlament gar nicht erreichbar war (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. März
1995 - 2 BvR 1437/93 - juris, Rn. 40). Eine Lücke im Gesetz liegt vielmehr nur dort vor, wo es eine Regelung weder ausdrücklich noch schlüssig
getroffen hat und es deshalb nach dem Konzept des Gesetzes, dem "Gesetzesplan", unvollständig und damit ergänzungsbedürftig
ist. Keine Gesetzeslücke liegt also vor, wenn die Nichtregelung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände
entspricht, seine richterliche Ergänzung also dem "Willen des Gesetzes" widerspricht. Es muss sich um eine dem Plan des Gesetzgebers
widersprechende, also eine "planwidrige Unvollständigkeit" handeln (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 25. Februar
2015 - L 2 P 25/13 - juris, Rn. 49 m.w.N.).
Es fehlt hier bereits an der ersten Voraussetzung einer zulässigen Analogie, dem Vorliegen einer Regelungs- oder Gesetzeslücke,
die durch richterliche Rechtsfortbildung geschlossen werden könnte. Denn das Gesetz ist gemessen an der Regelungsabsicht des
Gesetzgebers und den gesetzesimmanenten Zwecken nicht planwidrig unvollständig (vgl. hierzu BSG vom 18. Juni 2014 - B 3 P 7/13 R - juris, Rn. 16). Der nach den Gesetzesmaterialien mit §
44a SGB XI verbundene Regelungszweck lässt auf eine solche Regelungslücke hinsichtlich des hier streitigen Sachverhalts nicht schließen.
§
44a SGB XI und das PflegeZG wurden durch das Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflege (Pflegeweiterentwicklungsgesetz vom 28. Mai 2008,
BGBl. I 874) mit Wirkung zum 1. Juli 2008 geschaffen. In den Gesetzesmaterialien zum Gesetzesentwurf (BT-Drucks. 16/7439)
wird zur Einführung von §
44a SGB XI Folgendes ausgeführt (S. 59 f.): "Das Pflegezeitgesetz (siehe Artikel 3) sieht für Beschäftigte im Rahmen der "kurzzeitigen Arbeitsverhinderung" nach § 2 die Möglichkeit vor, bis zu zehn Arbeitstage
der Arbeit fernzubleiben, und regelt zudem einen Anspruch auf Befreiung von der Arbeitsleistung für längstens sechs Monate
als sogenannte Pflegezeit nach § 3. Diese arbeitsrechtlichen Regelungen werden durch Leistungen der Pflegeversicherung flankiert,
um durch die ergänzenden Versicherungsleistungen die Möglichkeiten, die das Pflegezeitgesetz für Beschäftigte eröffnet, sozial abzufedern, ohne die Pflegeversicherung finanziell zu überfordern. ( ...) Die Leistungen
werden nur für pflegende Angehörige vorgesehen, die unter den Voraussetzungen des Pflegezeitgesetzes von ihrem Recht auf Arbeitsfreistellung (bzw. Recht auf Arbeitsverweigerung) Gebrauch machen. Zweck der Regelung des § 44a
ist nicht eine allgemeine Ausweitung von flankierenden sozialen Leistungen für Pflegepersonen, sondern nur eine verbesserte
Absicherung für diejenigen, die sich als Beschäftigte unter den Voraussetzungen des Pflegezeitgesetzes und für die nach dem Pflegezeitgesetz vorgesehene Dauer von der Arbeitsleistung wegen familiärer Pflege befreien lassen oder an der Arbeitsleistung gehindert sind.
Die Leistungen nach § 44a sind nicht vorgesehen für Personen, die sich unabhängig von dem Pflegezeitgesetz bzw. auf der Grundlage einer sonstigen Regelung (etwa aufgrund tarifvertraglicher oder beamtenrechtlicher Regelungen, siehe
dazu insbesondere § 44b Abs. 3 des Beamtenrechtsrahmengesetzes) vorübergehend von der Arbeitsleistung befreien lassen."
Nach dem Willen des Gesetzgebers, wie er sich aus Gesetz einschließlich Wortlaut, Gesetzessystematik sowie Entstehungsgeschichte
unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien ergibt, sollte der Anspruch auf Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung
nach §
44a SGB XI die arbeitsrechtlichen Regelungen des Pflegezeitgesetzes flankieren und nur und ausschließlich denjenigen Pflegepersonen eine verbesserte Absicherung bieten, die unter den Voraussetzungen
des Pflegezeitgesetzes und für die nach dem Pflegezeitgesetz vorgesehene Dauer von der Arbeitsleistung befreit oder an der Arbeitsleistung gehindert sind. Dementsprechend spricht §
44a SGB XI auch von Beschäftigten. Der Gesetzgeber hat sich ausweislich der Gesetzesmaterialien bewusst gegen Leistungen nach §
44a SGB XI für Personen entschieden, die sich unabhängig von dem Pflegezeitgesetz z.B. aufgrund anderer Regelungen vorübergehend von Arbeitsleistungen befreien lassen oder die ihre Beschäftigung von vornherein
auf Dauer aufgeben (vgl. hierzu Bayerisches LSG, Urteil vom 25. Februar 2015 - L 2 P 25/13 - juris, Rn. 65 ff.). Folgerichtig ist der mit dem Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf vom 23.
Dezember 2014 (BGBl. I 2462) eingeführte Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld gemäß §
44a Abs.
3 SGB XI ebenfalls nur für Beschäftigte bzw. zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten (Nr. 2) und arbeitnehmerähnliche Personen vorgesehen.
Weiter spricht auch der in §
44a Abs.
6 SGB XI für landwirtschaftliche Unternehmer normierte Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld gegen eine Regelungslücke. Für diese
selbstständigen landwirtschaftlichen Unternehmer ist es gerechtfertigt, sie mit in diesen Schutz aufzunehmen, da für sie eine
Pflichtmitgliedschaft in dem Sondersystem der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung besteht und landwirtschaftliche
Unternehmer im Gegensatz zu anderen selbständig Tätigen in den übrigen Wirtschaftsbereichen keine Wahlmöglichkeit haben, welche
Art der Absicherung für den Krankheitsfall sie treffen (Süsskind, in: Kassler Kommentar, 107. EL Dezember 2019,
SGB XI §
44a Rn. 27). Für andere selbstständig Tätige ist aber gerade kein Anspruch normiert.
Dass das Gesetz den Anspruch auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt, ist nicht planwidrig, sondern entspricht im Gegenteil
eindeutig dem Willen und Plan des parlamentarischen Gesetzgebers, wie er im Gesetz zum Ausdruck gekommen ist. Der hieran geäußerten
Kritik der Klägerin ist zudem entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber bei Einführung einseitiger Gestaltungsrechte des Arbeitnehmers
und flankierender sozialer Regelungen einen weiten Gestaltungsspielraum hat.
c) Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht ist ebenfalls nicht feststellbar. Insbesondere verstößt §
44a SGB XI nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art.
3 Abs.
1 GG.
Art.
3 Abs.
1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Demgemäß ist dieses Grundrecht vor allem dann verletzt, wenn
eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen
keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.
Maßgeblicher Bezugspunkt für die Prüfung eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ist also die Frage, ob eine
Personengruppe gegenüber einer anderen ohne hinreichenden sachlichen Grund unterschiedlich behandelt wird (zuletzt BVerfG,
Beschluss vom 19. November 2019 - 2 BvL 22/14 - juris, Rn. 95 ff. m.w.N.).
Sachlicher Grund für die erstmalige Schaffung und Gestaltung subjektiver Rechte durch Einführung von §
44a SGB XI flankierend zur Schaffung des Pflegezeitgesetzes war ausweislich der Gesetzesmaterialien die verbesserte Absicherung von denjenigen Beschäftigten, die sich auf Grund des
Pflegezeitgesetzes von der Arbeitsleistung wegen familiärer Pflege befreien lassen oder an der Arbeitsleistung gehindert sind. Ziel des Pflegezeitgesetzes wiederum ist es nach § 1 PflegeZG, Beschäftigten die Möglichkeit zu eröffnen, pflegebedürftige nahe Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen und damit
die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege zu verbessern. Der Anspruch auf Pflegezeit, verbunden mit dem Recht der
Beschäftigten, nach Inanspruchnahme der Pflegezeit zu denselben Arbeitsbedingungen zurückzukehren, sollte Menschen, die bereit
sind, Angehörige zu pflegen und Verantwortung zu übernehmen, vor einem unfreiwilligen Berufsausstieg bewahren und durch die
teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung und das Rückkehrrecht in die Vollzeitbeschäftigung eine Verschlechterung der
beruflichen Entwicklungschancen vermeiden. Diese gesetzliche Regelung des §
44a SGB XI wurde somit im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer bzw. arbeitnehmerähnlichen Personen geschaffen. Die
Situation der Selbstständigen ist hiermit nicht vergleichbar. So ist es Selbstständigen im Gegensatz zu abhängig Beschäftigten
mangels persönlicher Abhängigkeit zu einem Arbeitgeber auch ohne Freistellung von der Arbeitsleistung möglich, Arbeitszeit
und Arbeitsort nach ihrem Belieben frei zu bestimmen, wodurch familiäre Anforderungen durch Pflege von Angehörigen besser
mit der beruflichen Tätigkeit vereinbart werden können. Ein Anspruch auf Pflegezeit wird hierfür nicht benötigt. So führt
die Klägerin in ihrer Klagebegründung selbst aus, dass sie ihre Termine im streitigen Zeitraum verlegen konnte. Darüber hinaus
bestehen im gesamten Sozialrecht zahlreiche Unterschiede zwischen Selbstständigen und abhängig Beschäftigten, gerade im Hinblick
auf die Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung, die gerade an die unterschiedliche Schutzbedürftigkeit
dieser Personenkreise anknüpfen. Im Hinblick darauf, dass dem Gesetzgeber gerade bei Einführung sozialrechtlicher Rechtspositionen
ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht, kann ein Verstoß gegen Art.
3 Abs.
1 GG nicht festgestellt werden.
Der Einwand der Klägerin, sie würde die Pflegeversicherung mit ihren Beiträgen mitfinanzieren, da sie gemäß §
1 Abs.
2 SGB XI zum Abschluss einer Pflegeversicherung verpflichtet sei, erstaunt im Hinblick darauf, dass sie selbst angibt, privat krankenversichert
zu sein und somit nach §
1 Abs.
2 Satz 2
SGB XI i.V.m. §
23 SGB XI nur zum Abschluss einer privaten Pflegeversicherung verpflichtet ist, mithin gerade keine Beiträge in die Soziale Pflegeversicherung
einzahlt. Darüber hinaus betrifft diese Pflegeversicherung nur die eigene Absicherung gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit
und hat nichts mit dem in §
44a Abs.
3 SGB XI normierten Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld zu tun.
d) Nach alledem ist nicht mehr entscheidungserheblich, ob der vorliegend mehr als zwei Monate nach Eintritt der kurzzeitigen
Arbeitsverhinderung bei der Beklagten eingereichte Antrag auf Pflegeunterstützungsgeld von der Klägerin überhaupt unverzüglich,
also ohne schuldhaftes Zögern (§
121 Abs.
1 BGB) im Sinne des §
44a Abs.
3 Satz 3
SGB XI gestellt wurde.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
1 Satz 1, Abs.
4 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. §
160 Abs.
2 SGG) nicht vorliegen.