Anspruch auf Kostenerstattung für eine Behandlung mit autologen dendritischen Zellen bei malignem anorektalem Schleimhautmelanom
durch die gesetzliche Krankenversicherung
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten für eine Krebsbehandlung mit autologen dendritischen Zellen.
Die 1958 geborene Klägerin, bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, erkrankte im Juni 2009 an einem malignen anorektalen
Schleimhautmelanom. Am 05.06.2009 wurde eine operative Exzision des Tumors und am 13.07.2009 durch PD Dr. P. (Gemeinschaftspraxis
PD Dr. P. und PD Dr. G. für onkologische, endokrinologische und minimalinvasive Chirurgie, N.-U.) eine transanale Tumornachresektion
durchgeführt.
Am 09.07.2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung bzw. die Übernahme der Kosten einer Behandlung mit dendritischen
Zellen. Sie fügte zudem die Stellungnahme des PD Dr. G. vom 07.07.2009 bei. Darin ist u.a. ausgeführt, die Klägerin leide
an einem fortgeschrittenen Melanom des Rektums. Für diese spezielle Melanom-Entität lägen keinerlei Therapieempfehlungen vor.
Die Behandlung mit dendritischen Zellen sei als Ultima-Ratio-Therapie indiziert. Bei der Behandlung mit dendritischen Zellen
handele es sich um eine individuelle Therapie zur Bekämpfung von Tumorerkrankungen. Aus kompetenten Vorläuferzellen, die aus
dem Blut des Patienten gewonnen würden, könnten unter dem Einfluss von Zytokinen und Wachstumsfaktoren dendritische Zellen
gezüchtet werden. Nach dem Zurückspritzen der aktivierten dendritischen Zellen in das Unterhautfettgewebe werde das körpereigene
Immunsystem des Patienten zur Bildung von spezifischen Immunzellen und Antikörpern gegen den Tumor angeregt. Die Behandlung
mit dendritischen Zellen, die in einem Unternehmen in U. (Firma C.) auf höchstem Niveau hergestellt würden, habe sich bereits
bei einer nennenswerten Anzahl onkologischer Zentren durchgesetzt und werde von vielen Ärzten zur Behandlung von Tumorerkrankungen
angewandt. Sie sei auch (bei moderaten Kosten) vorliegend indiziert, da sie die konventionellen Behandlungsformen ergänze
und das körpereigene Immunsystem als weiteren Behandlungspfeiler zur Bekämpfung des Tumors in die Therapie einbeziehe.
Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg. In der MDK-Stellungnahme vom
24.07.2009 führte Dr. P. aus, die Unterlagen seien nicht ausreichend. Für die Klägerin stehe die leitliniengerechte Melanomtherapie
nach den Empfehlungen der wissenschaftlich anerkannten Fachgesellschaften zur Verfügung. Vermutlich seien die vertraglichen
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nicht ausgeschöpft. Durch die Anwendung der beantragten Maßnahme bestehe keine auf
Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
Mit Bescheid vom 06.08.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung bzw. die Übernahme der Kosten einer Behandlung mit dendritischen
Zellen ab. Diese Behandlungsmethode gehöre nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs legte die Klägerin (u.a.) eine Stellungnahme PD Dr. P. vom 09.09.2009
vor. Darin ist ausgeführt, alle erfolgversprechenden konventionellen Behandlungsmethoden seien angewendet worden und würden
auch weiter angewendet. Die Therapie mit dendritischen Zellen sei aus ärztlicher Sicht zwingend erforderlich. Unter der Kombinationstherapie
mit dendritischen Zellen sei es bei vielen Patienten zu einem sehr erfreulichen Verlauf der schweren Krebserkrankung gekommen.
Vergleichbare Therapien mit Behandlungserfolgen dieser Art gebe es nicht. Seit einer negativen Empfehlung des MDK aus dem
Jahr 2000 sei eine Vielzahl weiterer Studien veröffentlicht worden. Die Annahme, bei der Therapie mit dendritischen Zellen
komme es zu weitreichenden Nebenwirkungen und einer Verschlechterung der Lebensqualität, sei danach nicht zutreffend. Die
Kosten der Therapie (ca. 4.100 EUR) seien erheblich niedriger als die Kosten einer Chemotherapie. Vorgelegt wurde weiter der
Bericht des Comprehensive Cancer Center des Universitätsklinikums U. vom 20.08.2009, in dem darauf hingewiesen wurde, dass
im Tumor der Klägerin eine bisher nicht beschriebene c-kit-Mutation gefunden worden sei, und als Weiterbehandlungsmaßnahme
eine adjuvante Therapie mit Interferon alpha in niedriger Dosierung empfohlen wurde.
Die Beklagte befragte erneut den MDK. Im MDK-Gutachten vom 05.10.2009 führte der Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie,
internistische Onkologie, medikamentöse Tumortherapie und Palliativmedizin Dr. G. aus, die Klägerin leide an einem kurativ
operierten akral-lentiginösen malignen Melanom des anorektalen Übergangs. Hier sei eine den einschlägigen Leitlinien entsprechende
Behandlung mit Interferon alpha in niedriger Dosierung vorgeschlagen worden. Eine akut lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich
verlaufende Erkrankung liege nicht vor. Ohne Anwendung der beantragten Behandlung trete in wenigen Wochen keine schwere irreversible
Schädigung ein. Für die Klägerin stehe als vertragsärztliche Behandlungsmöglichkeit die Therapie mit Interferon alpha zur
Verfügung. Die vertragsärztlichen Behandlungsmöglichkeiten seien vermutlich nicht ausgeschöpft. Ob die vorgeschlagene Interferontherapie
durchgeführt worden sei, gehe aus den Unterlagen nicht hervor. Durch die Behandlung mit dendritischen Zellen bestehe keine
auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
Nachdem die Klägerin ausweislich eines Aktenvermerks der Beklagten am 06.10.2009 (telefonisch) mitgeteilt haben soll, die
Interferon-Behandlung werde seit 2 Wochen durchgeführt und solle noch 18 Monate andauern, bat die Beklagte den MDK erneut
um Stellungnahme. Im MDK-Gutachten vom 08.10.2009 führte Dr. G. (ergänzend) aus, bei der Klägerin liege ein lokal begrenztes,
kurativ operiertes akral-lentiginöses malignes Melanom des anorektalen Übergangs vor. Ca. 90 % aller malignen Melanome würden
derzeit als Primärtumor ohne erkennbare Metastasierung diagnostiziert. Die Anwendung tumor-antigen-präsentierender dendritischer
Zellen sei nach der gegenwärtig vorliegenden Literatur zunächst beim malignen Melanom und hellzelligem Nierenkarzinom im Blickpunkt
des Interesses. Sie sei allerdings nicht über das experimentelle Stadium hinausgekommen und keineswegs als Standard etabliert.
Die aktuelle Ausgabe der Fachzeitschrift "Der Onkologe" (Organ der Deutschen Krebsgesellschaft) von August 2009 behandele
als Hauptthema das Melanom. Danach habe die Anwendung von Interferon alpha in niedriger Dosierung über 18 Monate in den Stadien
II - III in prospektiv-randomisierten Studien zu einem signifikanten Vorteil für die Patienten geführt. Die Behandlung mit
niedrig-dosiertem Interferon alpha über 18 Monate hinaus solle jedoch nicht empfohlen werden.
Bislang habe keine größere kontrollierte Studie beweisen können, dass das rezidivfreie Intervall oder die Gesamtüberlebenszeit
durch eine adjuvante Vakzinierung (Einsatz dendritischer Zellen) habe verlängert werden können; die Vakzinierung stelle immer
noch eine experimentelle Therapie dar. Der Einsatz dendritischer Zellen als Adjuvanz oder Maßnahme nach Interferon alpha finde
in der genannten Veröffentlichung keinen Niederschlag. Auch in der zuletzt im September 2007 überarbeiteten AWMF-Leitlinie
"Malignes Melanom der Haut" fänden sich keine Hinweise auf eine adjuvante Therapie mit dendritischen Zellen im kurativ operierten
Stadium. Vielmehr werde ausdrücklich auf die Immuntherapie mit Interferon alpha hingewiesen, das als einzige Substanz in prospektiv-randomisierten
Studien zu einem signifikanten Vorteil geführt habe. Eine kombinierte Behandlung mit Interferon alpha und dendritischen Zellen
werde nicht erwähnt. Die Deutsche Leitlinie Malignes Melanom vom Februar 2005 beschreibe für das nicht-metastasierte Stadium
nur therapeutische und immunologische Ansätze und stelle wiederum klar, dass eine chemotherapeutische Modalität keinen Vorteil
biete. Eine explizite Empfehlung zum Einsatz dendritischer Zellen im adjuvanten Setting finde sich in den Leitlinien nicht.
Über Phase-I-Studien hinaus gebe es keine belastbaren Daten; das Verfahren habe auch keinen Eingang in die klinische Routine
gefunden. Außerdem würden bei der Herstellung dendritischer Zellen äußerst verschiedene Methoden angewandt; ein qualitätsgesichertes
standardisiertes Verfahren sei nicht konsentiert. Eine Therapie mit dendritischen Zellen parallel oder sequentiell zu Interferon
alpha sei in der Leitlinie nicht erwähnt. Hier habe eine prospektiv randomisierte doppelblind angelegte wissenschaftliche
Prüfung mit harten klinischen Eckpunkten nicht stattgefunden. Aufzufinden seien später durchgeführte Arbeiten vor allem bei
metastasierten Patienten, bei denen jedoch insgesamt keine schlüssigen konsistenten Ergebnisse hinsichtlich einer weiteren
Untersuchung der Anwendung von autologen dendritischen Zellen beim malignen Melanom abgeleitet werden könnten. Auch insoweit
handele es sich lediglich um Phase-I-Studien, aus denen zudem hervorgehe, dass die Art und Weise der Präparation dendritischer
Zellen weiterhin sehr heterogen sei. Auch in den USA seien offenbar Phase-I/II-Studien anhängig, allerdings existierten keine
Publikationen, die eine belastbare Grundlage für eine Anwendung der dendritischen Zellen beim Menschen nahelegten.
Zusammenfassend könne man feststellen, dass auch nach der neuesten Literatur kein hinreichender Wirksamkeitsnachweis für die
in Rede stehende Behandlungsmethode insbesondere als adjuvante Therapie vorliege. Es gebe (nur) präliminäre erste klinische
Versuche, die eine hinreichende Sicherheit oder gar einen Nutzen hinsichtlich der Anwendung bei der Tumorentität der Klägerin
nicht geben könnten. Darüber hinaus bestehe insbesondere keine Evidenz hinsichtlich eines Benefits für den Patienten insoweit,
als eine Überlegenheit gegenüber oder gar ein Effekt nach und zusätzlich zur Standardtherapie mit Interferon alpha nachgewiesen
wäre. Eine Prüfung habe hier nicht stattgefunden, weil die Entwicklung noch nicht soweit gediehen sei. In der Richtlinie Methoden
der vertragsärztlichen Versorgung (MvV-Richtlinie) sei die Behandlung mit dendritischen Zellen ebenfalls nicht erwähnt. Die
Übernahme der Kosten für autologe dendritische Zellen komme schließlich auch deshalb nicht in Betracht, weil diese gewerblich,
nicht apothekenmäßig hergestellt würden und eine arzneimittelrechtliche Zulassung hierfür nicht vorliege. Eine akut lebensbedrohliche
oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung liege bei der Klägerin nicht vor. Die Wirksamkeit der durchgeführten Therapie
mit Interferon alpha lasse sich zunächst im definierten Therapieintervall von 18 Monaten feststellen. Danach solle die leitliniengerechte
Nachsorge mit regelmäßigen Kontrollen erfolgen. Die medizinische Versorgung der Klägerin sei nach gegenwärtigem Stand der
Wissenschaft durch die laufende Therapie mit Interferon alpha ausreichend sichergestellt. Eine Behandlung mit dendritischen
Zellen sei keine wissenschaftlich geprüfte Methode zur Behandlung neben der laufenden Interferontherapie.
Die Klägerin soll nach einem Aktenvermerk der Beklagten (vgl. Bl. 67 Verw.-Akten) am 08.10.2009 bei der Beklagten angerufen
haben, sie sei mit einer Ablehnung nicht einverstanden, habe wegen ihrer angeschlagenen Gesundheit aber nicht die Kraft, weitere
Schritte zu unternehmen; der Vermerk schließt mit der Bemerkung, der Widerspruch habe sich damit erledigt.
Unter dem 12.02.2010 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung bzw. die Übernahme der Kosten für eine Therapie mit dendritischen
Zellen. Sie legte die Stellungnahme des PD Dr. G. vom 09.02.2010 vor. Darin ist ausgeführt, die Klägerin werde seit Juni 2009
wegen eines lokal fortgeschrittenen malignen Melanoms behandelt. Nach durchgeführter Operation sei eine Immuntherapie mit
autologen dendritischen Zellen vorgenommen worden. Dadurch habe ein Rezidiv verhindert werden können. Wegen des offensichtlichen
Erfolges der Therapie könne die Kostenübernahme nicht weiter abgelehnt werden. Insbesondere in den letzten Jahren sei der
Einsatz dendritischer Zellen bei verschiedenen malignen Erkrankungen in zahlreichen Studien erprobt worden. Zu diesem Thema
gebe es über 6000 wissenschaftliche Publikationen. Die Zulassung der Therapie durch die zuständige Behörde der USA stehe unmittelbar
bevor.
Die Beklagte befragte erneut den MDK. Im MDK-Gutachten vom 12.05.2010 führte Dr. B. aus, bei der Klägerin stehe für die adjuvante
- nicht einmal die kurative - Situation ein zugelassenes und verkehrsfähiges Arzneimittel (Interferon alpha) zur Verfügung.
Ob diese Therapie durchgeführt worden sei, könne den vorliegenden Berichten nicht eindeutig entnommen werden. Für die Herstellung
von dendritischen Zellen gebe es eine Vielzahl von Verfahren, die sich nicht unerheblich voneinander unterschieden. Außerdem
müsse man bei immunologischen Ansätzen in der Onkologie nach den einzelnen Tumoren unterscheiden, wobei hier vor allem das
Melanom und das Nierenzellkarzinom von Interesse seien. Nach wie vor lägen keine prospektiven randomisierten kontrollierten
Studien mit dendritischen Zellvakzinen vor. Die in Rede stehende Behandlung könne nicht als erprobt angesehen werden. Außerdem
liege die notwendige arzneimittelrechtliche Zulassung für die Herstellung dendritischer Zellen nicht vor. Auch sei nicht nachgewiesen,
dass es nicht zu gefährlichen Toleranzinduktionen komme.
Derzeit könne man nicht erkennen, ob die dendritischen Zellen auf rechtmäßige Weise hergestellt würden. Nach Auffassung des
Regierungspräsidiums T. (Leitstelle Arzneimittelüberwachung) liege hier ein arzneimittelrechtlich nicht mehr zulässiges Inverkehrbringen
dendritischer Zellen durch die Firma C. vor, bei der PD Dr. G. die Zellen offenbar herstellen lassen wolle. Die Firma C. verfüge
nicht über eine entsprechende Herstellungsgenehmigung und dürfe die Zellen daher nicht an den behandelnden Arzt weitergeben.
Die von PD Dr. G. angeführte Zulassung in den USA beziehe sich auf die Herstellung dendritischer Zellen zur Behandlung des
Prostatakarzinoms und nicht des Melanoms. Die übliche und ausreichende Therapie für die Klägerin wäre die niedrig dosierte
Anwendung von Interferon mit einer engmaschigen Überwachung.
Mit Bescheid vom 20.05.2010 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin unter Hinweis auf das MDK-Gutachten vom 12.05.2010
erneut ab.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, sie leide unter einer absoluten Sonderform des
Melanoms mit äußerst schlechter Prognose. Deshalb sei die Behandlung mit dendritischen Zellen indiziert. Diese Therapie sei
vor etwa einem Jahr eingeleitet worden und sie sei seitdem rezidivfrei. Die Behandlung mit Interferon alpha sei nicht ausreichend.
Die Krankenkassen hätten die Kosten einer Behandlung mit dendritischen Zellen auch in Einzelfällen übernommen. Hinsichtlich
der Herstellung der dendritischen Zellen durch PD Dr. G. seien die Übergangsregelungen in § 144 Abs. 7 Arzneimittelgesetz (AMG) einschlägig
Die Klägerin legte Rechnungen der Firma C. über die Herstellung dendritischer Zellen vom 16.07.2009 und 22.02.2010 (Kosten
4.078,11 EUR bzw. 4.261,84 EUR) vor. Als Herstellungszeitpunkt ist der 07.07.2009 bzw. der 09.02.2010 angegeben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, bei der Behandlung
mit autologischen dendritischen Zellen handele es sich um eine unkonventionelle Methode, für die der Gemeinsame Bundesausschuss
noch keine Empfehlung ausgesprochen habe. Die Behandlungskosten könnten daher grundsätzlich nicht übernommen werden. Die Voraussetzungen
für eine Kostenübernahme nach Maßgabe der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur grundrechtsorientierten
Auslegung des Leistungskatalogs (Beschl. v. 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -) seien nicht erfüllt. Nach Auffassung des MDK liege eine akut lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung
nicht vor. Außerdem stehe mit der Interferon-Behandlung im definierten Therapieintervall eine allgemein anerkannte, dem medizinischen
Standard entsprechende Behandlungsmethode zur Verfügung.
Am 29.10.2010 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Ulm. Sie trug vor, sie leide an einer fortgeschrittenen Sonderform
eines Melanoms mit äußerst schlechter Prognose. Nach Ansicht ihres behandelnden Arztes stünden hierfür konventionelle Behandlungsmethoden
nicht ausreichend zur Verfügung, weshalb ihr die Therapie mit autologen dendritischen Zellvakzinen empfohlen worden sei. Diese
sei als ultima ratio indiziert gewesen, um das Rezidivrisiko bzw. die Metastasenbildung auszuschließen oder zu verringern.
Sie habe sich für die genannte Therapie entschieden und begehre nunmehr die Erstattung der hierfür entstandenen Kosten. Eine
echte Behandlungsalternative gebe es für die Sonderform ihrer Krebserkrankung nicht; das gelte auch für die vom MDK angeführte
Interferon-Behandlung. Diese sei allenfalls bei einem bereits metastasierenden Melanom als medizinischer Standard etabliert.
Mit der seit 2009 durchgeführten Behandlung mit dendritischen Zellen habe bei ihr ein Rezidiv verhindert werden können. Das
stelle einen erheblichen Therapieerfolg dar und rechtfertige die Anwendung der in Rede stehenden Behandlungsmethode.
Die Klägerin legte eine Übersicht über die durchgeführte Behandlung mit dendritischen Zellen vor:
Juni 2009 erste und zweite Immunisierung in der Praxis PD Dr. G. 16.02.2010 erste Immunisierung in der Praxis PD Dr. G. 15.03.2010
zweite Immunisierung in der Praxis PD Dr. G. 28.09.2010 erste Immunisierung in der Praxis PD Dr. G. 28.10.2010 zweite Immunisierung
in der Praxis PD Dr. G.
Die Rechnung der Firma C. vom 16.12.2010 (4.261,84 EUR; Herstellungszeitpunkt der dendritischen Zellen 21.09.2010), sei noch
nicht beglichen.
Das Sozialgericht erhob das Gutachten des Prof. Dr. K. (Hautklinik der Universitätsklinik E.) vom 02.03.2012.
Der Gutachter führte aus, bei der Klägerin liege kein akral-lentiginöses Melanom, sondern ein Schleimhautmelanom vor; insoweit
sei es bei den Vorgutachten offenbar zu einer Verwechslung gekommen. Schleimhautmelanome stellten eine seltene Untergruppe
des Melanoms dar und träten mit 50- bis 100-mal geringerer Inzidenz auf. Sie hätten im Vergleich zu den häufigeren kutanen
Melanomen (der Haut) eine wesentlich schlechtere Prognose mit 5-Jahres-Überlebensraten zwischen 10% und 20%. Die mittlere
Überlebenszeit liege bei 10 bis 13 Monaten. Sie werde weder durch den Umfang der lokalen chirurgischen Therapie noch durch
eine elektive Lymphknotenausräumung signifikant verbessert, da es rasch zu Fernmetastasen komme.
Eine zugelassene wirksame adjuvante Therapie zur Verhinderung einer Fernmetastasierung beim Schleimhautmelanom gebe es bisher
nicht, was auch daran liege, dass Patienten mit Schleimhautmelanomen wegen ihrer besonders schlechten Prognose von Studien,
auch von allen Interferon-Studien, ausgeschlossen würden. Mangels Alternativen würden sie in verschiedenen Zentren mit Interferonen
oder Chemotherapie adjuvant behandelt. Die Erfahrungen seien aber unbefriedigend und würden nur anekdotenhaft in Übersichtsarbeiten
erwähnt. In der Literatur finde sich keine einzige Publikation, die über eine wirksame adjuvante Therapie beim Schleimhautmelanom
berichte. Angesichts der Seltenheit der Erkrankung sei auch nicht zu erwarten, dass es je große randomisierte Studien geben
werde, die die für die Zulassung eines Medikaments erforderlichen statistisch belastbaren Daten liefern könnten. Die Wirksamkeit
der Interferontherapie beim kutanen Melanom sei insgesamt gering; weniger als 10% der Patienten hätten davon einen Nutzen.
Bei anstehenden Studien sei das Schleimhautmelanom aber wiederum ausgeschlossen.
Er habe Publikationen zum Einsatz dendritischer Zellen gesichtet. Mehr als 300 Publikationen berichteten über die Anwendung
dendritischer Zellen beim Menschen; die Gesamtzahl der Patienten betrage 3.400. Das Spektrum der bisher behandelten Tumorentitäten
umfasse neben den dominierenden Melanomen, Hypernephrome und Prostatakarzinome sowie (in 113 Fällen) Mamma-Karzinome. Die
Anzahl der Studien werde vom Melanom mit 74 Studien angeführt. In der großen Mehrheit handele es sich um Phase-I/II-Studien
mit in der Regel bis zu 30 Patienten. In 2 Studien würden Daten aus randomisierten Phase-III-Studien vorgestellt. Derzeit
gebe es keinen allgemeinen Standard zur Generierung und Applizierung dendritischer Zellen. Auch die Beladung der Zellen mit
Tumorantigenen und die pro Impfung eingesetzte Menge dendritischer Zellen sei heterogen. Dennoch werde in fast allen Studien
und in allen Tumorentitäten von einem klinischen Ansprechen bei einem Teil der Patienten berichtet. Die Patienten hätten mit
wenigen Ausnahmen schulmedizinische Therapien absolviert und seien weiter progredient gewesen, so dass das Ansprechen auf
dendritische Zellen nicht auf die Auswahl von Patienten mit von sich aus langsamerem Krankheitsverlauf zurückzuführen sei.
Die beiden randomisierten Studien beträfen das Prostatakarzinom. Am 29.04.2010 sei nach Abschluss einer weiteren klinischen
Phase-III-Studie das erste dendritische Zellvakzin als Arzneimittel in den USA zugelassen worden. Die (als Übersicht zusammengestellten
46) Studien für die Tumorentität Melanom ergäben Ansprechraten von wenigen % bis 30%. In 14 der 46 Studien werde über komplette
Remissionen, die auch andere Tumorentitäten beträfen (Nierenzellkarzinom, Lymphom) berichtet. Die Nebenwirkungen der Behandlung
mit dendritischen Zellen seien mild (u.a. Grippesymptome, Übelkeit, Hautreaktionen). Über Todesfälle werde nicht berichtet
und es würden nur wenige WHO Grad III-IV Reaktionen festgestellt. Die Sinnhaftigkeit der Aktivierung des Immunsystems zur
Behandlung des Melanoms sei kürzlich durch eine randomisierte Studie eindrucksvoll belegt worden, allerdings mit sehr hoher
Nebenwirkungsrate (2 bis 3 Todesfälle). Für diese Studie seien auch Patienten mit metastasierendem Schleimhaut- und Aderhautmelanom
zugelassen worden. Allerdings fänden sich in der Publikation keine Aussagen zur Wirksamkeit in diesen seltenen Untergruppen.
Nach derzeitigem Kenntnisstand würden über 90% der Patienten mit einem Schleimhautmelanom innerhalb von 5 Jahren versterben,
auch beim Einsatz zugelassener Standards einer adjuvanten Therapie. Im Fall der Klägerin wäre sogar eine Hochdosis-Interferontherapie
mit Kosten von 30.000 EUR bis 40.000 EUR von der Beklagten finanziert worden, obwohl die seltene Untergruppe (Schleimhautmelanom)
in allen Interferonstudien ausgeschlossen gewesen sei. Beim Auftreten von Metastasen wäre sodann auch eine Therapie mit Yervoy
mit Kosten um 100.000 EUR gewährt worden, die bei maximal 10% der Patienten einen längeren Nutzen, aber bei 30 % der Patienten
schwere und zusätzlich kostenträchtige Nebenwirkungen verursache. Die bei der Klägerin abgelehnte kostengünstige Immuntherapie
mit patienteneigenen dendritischen Zellen habe ein viel höheres Potential im Gegensatz zu den unspezifischen Immuntherapien
mit Interferon oder letztendlich mit Yervoy, spezifische Immunantworten gegen relevante Antigene, wie gegen die bei der Klägerin
festgestellte Mutation im cKIT-Rezeptor hervorzurufen. Nur solche Immunantworten gegen individuelle Mutationen seien stark
genug, alle Tumorzellen eines Patienten zu vernichten. Deswegen habe auch der Entdecker der dendritischen Zellen 2011 den
Nobelpreis erhalten.
Auch wenn bei der Klägerin wegen des malignen Schleimhautmelanoms keine akute Lebensgefahr bestehe, handele es sich bei der
Erkrankung doch um eine regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit mit äußerst schlechter Prognose. Die angewandten Therapien
entsprächen den Leitlinien und publizierten Erfahrungen. Die Klägerin habe sodann im Laufe eines Jahres 6 Vakzinierungen mit
dendritischen Zellen erhalten, die von der Firma C. aus Vorläuferzellen ihres Blutes gezüchtet worden seien. Gesicherte Standards
für die Herstellung und Applikation dendritischer Zellen gebe es noch nicht. Allerdings habe es sich bei der hier angewandten
Herstellungsmethode um ein übliches Vorgehen gehandelt. Abgesehen von der Chirurgie, bei der die Exzision des Tumors mit einem
Sicherheitsabstand angestrebt werde, gebe es beim Schleimhautmelanom keine weitere konservative Therapie. Hier liege de facto
ein Systemmangel vor, weshalb nach der Rechtsprechung des BVerfG zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs
die Voraussetzungen für die Finanzierung auch unkonventioneller Behandlungsmethoden erfüllt seien. Bei der Klägerin wäre die
Überlebensprognose weder durch eine größere lokale Operation noch durch eine diagnostische oder elektive Lymphknotenexstirpation/-dissektion
verbessert worden. Auch für eine Wirksamkeit der im Tumorboard des Comprehensive Cancer Center U. vorgeschlagenen Interferontherapie
fehle beim Schleimhautmelanom jeglicher Anhalt. Auf Basis der publizierten Erfahrungen und des Ausschlusses von Schleimhautmelanomen
bei allen bisherigen Interferonstudien müsse davon ausgegangen werden, dass eine Interferontherapie der Klägerin keinen Nutzen
gebracht hätte.
Die Beklagte legte das Gutachten des MDK N. (Kompetenz Zentrum Onkologie, Dr. W., Prof. Dr. H.) vom 16.07.2012 vor. Darin
ist ausgeführt, beim anorektalen Melanom handele es sich um eine seltene Erkrankung. Die operative Entfernung des Melanoms
gelte derzeit als Therapie der Wahl. Chemotherapie, Immuntherapie und Strahlentherapie würden bei Patienten mit anorektalen
Melanomen in neoadjuvanter, adjuvanter und palliativer Intention eingesetzt. Für die Immuntherapie stünden Zytokine und Interferon
alpha 2b oder Interleukin zur Verfügung. Wegen der kleinen Fallzahlen gebe es keine Standardtherapieprotokolle und entsprechend
liege keine Evidenz bei der Evaluierung der Ansprechraten vor. Genauso wenig Evidenz bestehe bisher für den Stellenwert der
Strahlentherapie. Nach einer Phase-II-Studie in den USA habe man angenommen, dass Chemotherapie als adjuvante Therapie bei
Schleimhautmelanomen im Vergleich zu Interferon oder der Beobachtung rezidivfreies Überleben und Gesamtüberleben signifikant
verbessere. Die Studie zeige aber auch, dass durch Gabe von Interferon im Vergleich zum Verzicht auf eine adjuvante medikamentöse
Tumortherapie eine deutliche Verlängerung der Überlebenszeit erreicht werde (von 21 auf 41 Monate im Median). Die vermutete
Wirksamkeit von Interferon auch beim Schleimhautmelanom habe somit bestätigt werden können.
Wie von Prof. Dr. K. ausgeführt, gebe es keine zugelassene adjuvante Therapie zur Verhinderung von Fernmetastasen beim anorektalen
Melanom. Interferon alpha 2a sei zur Therapie des malignen Melanoms des AJCC Stadiums II bei Patienten, die nach einer Tumorresektion
krankheitsfrei seien, zugelassen. Interferon alpha 2b sei zur adjuvanten Therapie von Melanompatienten, die nach chirurgischem
Eingriff tumorfrei, aber in hohem Maße rezidivgefährdet seien, zugelassen. Eine Unterscheidung zwischen kutanen Melanomen
(der Haut) und Melanomen anderer, auch anorektaler Lokalisation sei der arzneimittelrechtlichen Zulassung nicht zu entnehmen.
Auf der anderen Seite seien anorektale bzw. allgemein Schleimhautmelanome in großen Phase-III-Studien entweder nicht explizit
erwähnt, nicht eingeschlossen oder von diesen Studien sogar ausgeschlossen worden. Obwohl die Daten keinen so deutlichen Überlebensvorteil
wie bei anderen Tumorentitäten zeigten, sei gültige Lehrmeinung, dass Patienten mit malignen Melanomen im AJCC-Stadium II
B/C und III - C eine adjuvante Interferontherapie unter sorgfältiger Abwägung und Aufklärung angeboten werden sollte. Das
bedeute, dass grundsätzlich eine Standardtherapie zur adjuvanten Therapie des malignen Melanoms zur Verfügung stehe; das sei
die zugelassene Interferontherapie. Andere Standardtherapien gebe es nicht. Eine adjuvante Vakzinationstherapie (durch dendritische
Zellen) werde hingegen nach der - allerdings erst in der Konsultationsfassung vorliegenden - interdisziplinären S3-Leitlinie
"Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms" der Deutschen Krebsgesellschaft wie auch in allen vorherigen Versionen der
Leitlinie nicht empfohlen.
Hinsichtlich der adjuvanten Therapie anorektaler Melanome gebe es nahezu keine gesicherten Erkenntnisse. In der Literatur
fänden sich deutliche Hinweise darauf, dass Patienten mit anorektalem Melanom regelhaft in Analogie zum kutanen Melanom behandelt
würden, wie es in der Onkologie auch bei anderen seltenen Tumorentitäten gehandhabt werde. Zusammenfassend sei die (der Klägerin
erteilte) Therapieempfehlung der Tumorkonferenz der Universitätsklinik U. sachgerecht, wenn diese aufgrund der Seltenheit
von Schleimhautmelanomen ein Vorgehen analog der Hautmelanome empfehle. Der abweichenden Auffassung von Prof. Dr. K. müsse
entgegengehalten werden, dass für die spezielle Situation der adjuvanten Therapie des anorektalen Melanoms kein anderer Therapieansatz,
insbesondere auch nicht der Einsatz dendritischer Zellen, begründet werden könne und kein Anhalt dafür bestehe, dass es sich
bei schleimhautassoziierten Melanomen um eine tumorbiologisch grundsätzlich von kutanen Melanomen distinkte Entität handele,
so dass die Therapie mit Interferon in Analogie zur Therapie kutaner Melanome der gegenwärtig besten externen wissenschaftlichen
Evidenz zur Entscheidungsfindung und damit auch dem Therapiestandard (§
2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch,
SGB V) entspreche.
Die Anwendung dendritischer Zellen bei malignen Erkrankungen sei ein interessanter Therapieansatz. Deswegen gebe es hierzu
auch viel Literatur, wenngleich ausgesprochen wenige Phase-III-Studien. Die Studienergebnisse zu dendritischen Zellen seien
aufgrund der unzähligen verschiedenen Methoden schwer vergleichbar. Die allermeisten Studien hätten keine überzeugenden Ergebnisse
liefern können. Die jetzt erforderliche Konsolidierung des Forschungsgebiets durch methodisch hochwertige vergleichende Studien
sei aufgrund des erforderlichen Aufwands notwendigerweise mit einer Reduktion der Publikationsfrequenz verbunden; die Ära
der kleinen, nicht kontrollierten Phase-I-Studien sei beendet. Der Nachweis klinischen Nutzens im Sinne einer positiven Einwirkung
auf patientenorientierte Eckpunkte (wie Verlängerung der Überlebenszeit) sei bisher nicht bzw. nur in hier nicht einschlägigen
Konstellationen erbracht worden. Die hierfür, auch von Prof. Dr. K., als Beleg für eine Wirksamkeit dendritischer Zellen angeführte
Studie von Schadendorf sei kritisch kommentiert werden. Sie habe 98 Patienten mit malignen Melanomen in dem Stadium IV randomisiert,
die mittels Standardchemotherapie oder mit Vakzinierung unter Verwendung von mit autologen Peptiden beladener dendritischer
Zellen behandelt worden seien. Die Studie sei statistisch nur darauf ausgelegt gewesen, eine mögliche Überlegenheit der experimentellen
Therapie (dendritische Zellen) zu zeigen. Ein Unterschied habe jedoch nicht herausgearbeitet werden können. Das mediane Überleben
sei in beiden Gruppen nicht unterschiedlich ausgefallen. Die primären Endpunkte der Studie seien damit verfehlt worden. Es
handele sich um eine hinsichtlich des Wirksamkeitsnachweises der Prüf-Intervention negative Studie. Die einzige auf Basis
dieser Studie zulässig gesicherte Aussage sei, dass eine gegenüber DTIC bessere Wirkung hinsichtlich des Tumoransprechens
und des Überlebens nicht nachgewiesen sei. Außerdem hätten an der Studie Patienten mit manifest metastasierten malignen Melanomen
teilgenommen, also mit gegenwärtig makroskopischer Krankheitslast. Das sei von der adjuvanten Situation mit nur mikroskopischer
Resterkrankung gerade bei immunologischen Ansätzen fundamental verschieden. Die Studie sei für die Situation der Klägerin
daher nicht einschlägig. Eine andere von Prof. Dr. K. angeführte Studie betreffe Patienten mit Prostatakarzinomen. Das eingesetzte
Antigen könne nur bei dieser Erkrankung wirksam sein. Eine Aussage für die Krebserkrankung der Klägerin sei daraus nicht zu
gewinnen.
Derzeit gebe es (im Hinblick auf den gegenwärtigen Forschungsstand) keinen allgemeinen Standard, wie dendritische Zellen generiert
und appliziert würden. Welche Methode in der Praxis des PD Dr. G. angewandt werde, bleibe bewusst vage. Autologes patienteneigenes
Tumorantigen könne bei der Klägerin jedenfalls nicht angewandt worden sein, weil der Tumor primär R0-reseziert worden sei
und damit also bei der späteren Nachresektion am 13.07.2009 kein patienteneigenes Tumormaterial habe gewonnen werden können,
das möglicherweise zur Beladung dendritischer Zellen nutzbar gewesen wäre.
Mit der Herstellung der dendritischen Zellen ohne entsprechende Genehmigung verstoße die Firma C. gegen das Arzneimittelgesetz. Ein rechtswidrig hergestelltes Arzneimittel könne aber nicht Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkasse sein. PD Dr.
G. halte 80 % der Kapitalanteile an der Firma C ... Hierüber sei die Klägerin offenbar nicht informiert worden. Insgesamt
gebe es sehr vielfältige Möglichkeiten, dendritische Zellen zu veranlassen, immunologische Antworten des Organismus zur Bekämpfung
von Tumorzellen in Gang zu setzen. Der Begriff dendritische Zelltherapie habe keinen spezifischen Inhalt; ohne nähere Erläuterung
könne über das Therapieverfahren so keinerlei Aussage gemacht werden. Ferner sei eine Einordnung bezüglich belastbarer klinischer
Daten aus Phase-III-Studien mit Belegen der Wirksamkeit der Therapie sowie valider Sicherheitsdaten zu fordern. Die vagen
Angaben im Antrag der Klägerin seien so nicht prüffähig, insgesamt weit entfernt von einem konkreten Behandlungsplan und entbehrten
jeden Hinweises auf vorherige wissenschaftliche Evaluation der konkret durchgeführten Therapie. Auch dem Gutachten des Prof.
Dr. K. sei hierzu nichts Näheres zu entnehmen.
Entgegen der Auffassung des Prof. Dr. K. habe man keine belastbaren wissenschaftlichen Studien gefunden, die einen Nutzen
einer adjuvanten Therapie mit dendritischen Zellen bei malignen Melanomen belegten. Hier wäre ein Vergleich im Rahmen einer
Phase-III-Studie zum zugelassenen und etablierten Standardmedikament Interferon zu fordern. Lediglich drei der von Prof. Dr.
K. angeführten 46 Studien hätten die adjuvante Situation beim malignen Melanom betrachtet. Bezüglich dieser seien keine Effektivitätsdaten
in der Tabelle berichtet. Auch die Nebenwirkungen seien angesichts des nicht nachgewiesenen Nutzens im Hinblick auf die angegebene
Grad-III/IV-Toxizität ethisch nicht vertretbar.
Letztendlich sei rein spekulativ, ob die dendritische Zelltherapie hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bei Melanomen gegenüber
den in der adjuvanten Situation belegten unspezifischen Immuntherapien, wie Interferon, geeigneter sei. Dafür gebe es, wie
eingehend dargelegt, keine Daten. Dass die dendritische Zelltherapie ein geeigneter Einsatz sei, habe bislang nur für Prostatakarzinome,
nicht jedoch für andere Tumorerkrankungen belegt werden können. Der Ansatz bei Prostatakarzinomen sei absolut prostataspezifisch
und könne auf andere Tumore nicht übertragen werden.
Bei der Klägerin liege eine potentiell lebensbedrohliche Erkrankung vor. Inwieweit die adjuvante Situation nach vollständiger
Entfernung allen klinisch erkennbaren Tumors im Zustand der Heilungsbewährung die Definition der lebensbedrohlichen Erkrankung
noch erfülle, sei fraglich. Regelmäßig tödlich verlaufend sei die Erkrankung in diesem Stadium nach dieser Behandlung jedenfalls
nicht. Die operative Therapie sei leitliniengerecht erfolgt. Die anschließend vorgenommene Vakzinierung mit dendritischen
Zellen sei jedoch hoch experimentell und aus den dargelegten Gründen abzulehnen. Die Erkrankung der Klägerin solle in Anwendung
der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin in Analogie zur adjuvanten Behandlung des kutanen malignen Melanoms therapiert
werden. Somit sei die Gabe von Interferon leitliniengerecht und arzneimittelrechtlich zugelassen. Dass dies gängige Praxis
bei nicht-kutanen Melanomen und dort auch erfolgreich sei, könne der Literatur entnommen werden. Dies sei auch gleichzeitig
die allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG. Das gälte
auch dann, wenn die Konferenz der Uniklinik U. der Klägerin empfohlen hätte, eine adjuvante Therapie sei nicht erforderlich.
Allgemeinem medizinischem Standard entsprechend könne auch das Unterlassen einer spezifischen Therapie sein. Auch dann müsste
die Überlegenheit alternativer Ansätze nachgewiesen werden. Ein Systemmangel liege nur dann vor, wenn es eine etablierte,
dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechende Therapie gäbe, die aufgrund vorwerfbarer verzögerter
Anerkennung durch die zuständigen Gremien den Versicherten vorenthalten würde; das sei hier nicht der Fall. Bei der Klägerin
sei die adjuvante Therapie mit Interferon die geeignete, zumutbare und dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft
entsprechende Therapie der ersten Wahl. Der Einwand mangelnden Nutzens sei durch die neuere Literatur entkräftet. Die von
der Klägerin nicht gewünschte Entfernung von Wächterlymphknoten wäre nicht nur diagnostisch, sondern auch therapeutisch indiziert
gewesen. Es sei nicht erkennbar, dass dies mit nicht vertretbaren Risiken behaftet gewesen wäre. Die Klägerin sei insgesamt
nicht austherapiert gewesen. Vielmehr habe eine leitliniengerechte Behandlung zur Verfügung gestanden.
Nachdem die Klägerin abschließend zu den vorliegenden Gutachten Stellung genommen und in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts
vom 26.02.2013 erklärt hatte, alle Rechnungen der Firma C. über die Herstellung dendritischer Zellen bezahlt zu haben, wies
das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 26.02.2013 ab.
Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, hinsichtlich der Rechnung der Firma C. vom 07.07.2009 sei ein Überprüfungsantrag
gem. § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) Streitgegenstand. Der (allein in Betracht kommende) Kostenerstattungsanspruch nach §
13 Abs.
3 SGB V setze voraus, dass der Versicherte vor der Beschaffung der Leistung die Entscheidung der Krankenkasse über sein Leistungsbegehren
abwarte. Die Klägerin habe die Gewährung einer Therapie mit dendritischen Zellen erstmals am 10.07.2009 beantragt. Aus der
Rechnung der Firma C. vom 16.07.2009 gehe aber hervor, dass die bei der Klägerin applizierten Zellen bereits am 07.07.2009
hergestellt worden seien. An diesem Tag habe die Behandlung daher begonnen. Betrachte man alle Behandlungen mit dendritischen
Zellen im Juli 2009, im Februar/März 2010 und im September/Oktober 2010 als Behandlungseinheit, könne die Klägerin schon mangels
Einhaltung des Beschaffungswegs Kostenerstattung für die selbst beschaffte Leistung nicht beanspruchen. Da die Klägerin in
der mündlichen Verhandlung erklärt habe, sie habe die Behandlung mit dendritischen Zellen gewählt, weil sie leben wolle, stelle
die Ablehnungsentscheidung der Beklagten insoweit keine Zäsur dar. Die Klägerin sei von Anfang an darauf festgelegt gewesen,
weitere Behandlungen mit dendritischen Zellen vornehmen zu lassen. Nichts anderes gälte, wenn man jede Zellbehandlung - was
vorzugswürdig sei - als neue Behandlungsleistung einstufen würde. Die Kostenübernahme für den zweiten Behandlungszyklus habe
die Klägerin am 12.02.2010 beantragt. Nach der Rechnung der Firma C. vom 22.02.2010 seien die dendritischen Zellen hierfür
aber bereits am 9.2.2010 hergestellt worden; die Beklagte habe den Antrag erst mit Bescheid vom 20.05.2010 abgelehnt. Für
den dritten Behandlungszyklus, auf den sich die Rechnung der Firma C. vom 16.12.2010 beziehe, habe die Klägerin gar keinen
Antrag bei der Beklagten mehr gestellt. Eine Notfallsituation, bei der die Entscheidung der Beklagten nicht habe abgewartet
werden können, habe nicht vorgelegen.
Der Klägerin stehe ein Leistungsanspruch auch in der Sache nicht zu. Die Therapie mit dendritischen Zellen stelle eine neue
Behandlungsmethode dar, für die es eine (positive) Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht gebe. Systemversagen
liege nicht vor. Für die Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen sei ein (Anerkennungs-)Antrag von den zuständigen Stellen
nicht gestellt worden und dies sei offensichtlich auch nicht beabsichtigt. Die Klägerin könne ihr Leistungsbegehren schließlich
nicht auf die Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -) zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs bzw. auf §
2 Abs.
1a SGB V stützen. Zwar liege (unstreitig) eine lebensbedrohliche Erkrankung vor. Allerdings gebe es für die Anwendung dendritischer
Zellen bei Schleimhautmelanomen kein wissenschaftlich ausreichendes Studienmaterial, aus dem auf eine durch Indizien gestützte,
nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf geschlossen werden
könnte. Insoweit habe Prof. Dr. K. auf 46 Studien zur Behandlung des Melanoms mit dendritischen Zellen verwiesen. Zu den Ergebnissen
dieser Studien habe er sich jedoch nicht geäußert, während im MDK-Gutachten des Kompetenz-Zentrums Onkologie vom 16.07.2012
auf diese Studien eingegangen und klargestellt werde, dass diese keinerlei Wirksamkeitsvorteile ergeben hätten, die größere
Studie (Schadendorf, 2006) sogar negativ ausgefallen sei. Außerdem könnten die Studien nicht ohne Weiteres auf die bei der
Klägerin vorliegende Sonderform des Melanoms übertragen werden. Die Behandlung mit dendritischen Zellen stelle - mit Ausnahme
des Prostatakarzinoms - ein Verfahren dar, das sich noch in der wissenschaftlichen Entwicklung befinde. Die Behandlung von
Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen werde außerhalb klinischer Studien von der Deutschen Krebsgesellschaft nicht
als Therapie empfohlen. Empfohlen werde vielmehr die Behandlung mit dendritischen Zellen nur innerhalb klinischer Studien.
Die Deutsche Krebsgesellschaft fordere alle Ärzte auf, ihren Patienten von Therapieangeboten außerhalb von Studien auf privater
Zahlungsbasis abzuraten und Patienten mit Informationsbedarf an ein entsprechendes Forschungs- und Studienzentrum zu verweisen
(vgl. LSG Schleswig Holstein, Urt. v. 12.01.2012, - L 5 KR 49/10 -; LSG Hessen, Beschl. v. 27.08.2012, - L 8 KR 189/12 B ER - (aber aufgehoben durch BVerfG, Beschl. v. 26.02.2013, - 1 BvR 2045/12 -); Stellungnahme der Deutschen Krebsgesellschaft vom 05.04.2011 - Presseinformation). Eine Kostenerstattung käme schließlich
ohnehin nur für solche Behandlungen in Betracht, welche die Beklagte selbst rechtmäßig gewähren könnte. Der MDK habe insoweit
darauf verwiesen, dass die Firma C. (unstreitig) nicht über eine behördliche Erlaubnis für die Herstellung dendritischer Zellen
verfüge. Die Erteilung einer solchen Erlaubnis sei lediglich beantragt. Ob möglicherweise ein Ausnahmefall nach § 144 AMG in Verbindung mit § 2 und § 4 Abs. 9, Abs. 4b AMG vorliege, sei dahingestellt; es komme entscheidungserheblich darauf nicht an.
Auf das ihr am 06.03.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 04.04.2013 Berufung eingelegt. Sie trägt ergänzend vor, auf
Einzelheiten des Beschaffungswegs komme es nicht an, weil eine unaufschiebbare Leistung in Rede stehe. Sie sei unmittelbar
auf die Inanspruchnahme einer Behandlung mit dendritischen Zellen angewiesen gewesen. Andernfalls hätte sie bereits binnen
weniger Monate mit dem Tod rechnen müssen. Bei Leistungen, die nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs
zu gewähren seien, müsse die Ablehnungsentscheidung der Krankenkasse vor der Selbstbeschaffung nicht abgewartet werden. Auch
in seinem Beschluss vom 06.12.2005 (a. a. O.) habe das BVerfG die Einhaltung des Beschaffungswegs jedenfalls offen gelassen.
Sie stütze den geltend gemachten Erstattungsanspruch nicht unmittelbar auf §
13 Abs.
3 SGB V, sondern auf das Vorliegen einer akut lebensbedrohlichen Erkrankung. Die Beklagte lehne die Gewährung dendritischer Zellbehandlungen
grundsätzlich ab, weshalb man von ihr - zumal bei einem dringlichen Behandlungsfall - nicht vE. dürfe, eine erfahrungsgemäß
langwierige Antragsbearbeitung und die absehbare Antragsablehnung abzuwarten. In Fällen, in denen sich die Krankenkasse losgelöst
vom konkreten Behandlungsfall gegen eine neuartige Therapiemethode ausspreche, der Versicherte jedoch nach fachärztlicher
Empfehlung auf einen unverzüglichen Therapiebeginn angewiesen sei, müsse die nachträgliche Antragstellung bei der Krankenkasse
genügen. Sie habe im Übrigen nicht vor Antragstellung mit der Therapie begonnen. Die Herstellung der dendritischen Zellen
sei mit dem Therapiebeginn nicht gleichzusetzen, sondern stelle lediglich die Voraussetzung für die (künftige) ärztliche Behandlung
dar. Das Sozialgericht habe aus ihrer Äußerung zu Ende der mündlichen Verhandlung, am Leben bleiben zu wollen, zu Unrecht
geschlossen, sie sei von vornherein auf die Behandlung mit dendritischen Zellen festgelegt gewesen. Auf die Möglichkeit, ihre
Klage - ungeachtet der Erhebung eines Gutachtens - (schon) mangels Einhaltung des Beschaffungswegs abzuweisen, habe man sie
nicht hingewiesen und ihr insoweit nicht rechtliches Gehör gewährt.
Sie habe am 07.07.2009 die Gewährung bzw. Übernahme der Kosten einer dendritischen Zelltherapie beantragt. Diesen Antrag haben
sie vorsorglich erneut am 12.02.2010 gestellt. Bei Erbringung der den Rechnungen der Firma C. vom 22.02.2010 und 16.12.2010
zu Grunde liegenden Behandlungen habe der Beklagten daher ein Leistungsantrag vorgelegen. Im Bescheid vom 09.10.2009 habe
die Beklagte den Antrag unter Hinweis auf die fehlende Anerkennung der Behandlungsmethode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss
und damit aus formal-rechtlichen Erwägungen abgelehnt. Die Ablehnungsgründe hätten auch für künftige Behandlungszyklen gegolten,
weshalb sie einen erneuten Leistungsantrag als sinnlos hätte ansehen dürfen. Das Sozialgericht habe die Behandlung mit dendritischen
Zellen auch zu Unrecht in unterschiedliche Behandlungszyklen aufgeteilt, die immer neu beginnen würden. Ihr behandelnder Arzt,
PD Dr. G., gehe in aller Regel von einer einheitlichen und durchgehenden Immuntherapie, bestehend aus mehreren zeitlich aufeinanderfolgenden
Zyklen, aus. Jeder Zyklus sei als Teil eines einheitlichen Therapieansatzes einzustufen, weshalb eine neue Indikationslage
für die weitere Verabreichung dendritischer Zellen nicht erforderlich sei. Deswegen sei ein gesonderter Antrag vor jedem neuen
Behandlungsschritt bzw. Zyklus nicht notwendig. Bei wiederkehrenden Behandlungsleistungen der vorliegenden Art setze die Ablehnungsentscheidung
der Krankenkasse eine Zäsur mit der Folge, dass die Kostenerstattung (mangels Einhaltung des Beschaffungswegs) nur für die
Zeit davor ausgeschlossen sei (vgl. LSG Schleswig Holstein, Urt. v. 12.01.2012, - L 5 KR 49/10 -; BSG, Urt. v. 25.09.2000, - B 1 KR 5/99 R -). Für seine davon abweichende Auffassung hätte das Sozialgericht wenigstens den behandelnden Arzt nach Inhalt und Ablauf
der Immuntherapie befragen müssen.
Ihr stehe auch der Sache nach ein Anspruch auf Gewährung der in Rede stehenden Immuntherapie als neuartige Behandlungsmethode
zu. Dass es hierfür eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht gebe, stehe dem nicht entgegen. Für sie gebe es
eine anerkannte Behandlungsmethode mit ebenso positiver wie risikofreier Wirkungsweise nicht. Das gehe aus dem Gutachten des
Prof. Dr. K. hervor. Prof. Dr. K. sei ein renommierter Wissenschaftler auf dem Gebiet der Onkologie, gerade im Bereich der
malignen Melanome, und Koordinator des Hautkrebszentrums der Universitätsklinik E ... Die gegenteilige Auffassung des MDK
könne nicht überzeugen. Das Fehlen klinischer Studien zur Behandlung ihrer Erkrankungen zeige gerade, dass sie auf die ihr
angeratene Therapie mit dendritischen Zellen als ultima ratio angewiesen sei. Zumindest hätte das Sozialgericht ein weiteres
(Ober-)Gutachten erheben oder Prof. Dr. K. zu den Einwendungen des MDK anhören müssen.
Die Einschätzung der Deutschen Krebsgesellschaft aus dem Jahr 2011, wonach es der Behandlung mit dendritischen Zellen an einem
ausreichenden Wirksamkeitsnachweis fehle, werde in der Wissenschaft nicht ausnahmslos geteilt. Für einen Leistungsanspruch
nach Maßgabe einer grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs genüge es, wenn, außerhalb von klinischen Studien,
zuverlässige und wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zu Qualität und Wirksamkeit der Behandlungsmethode vorlägen; um eine
dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode könne es in solchen Fällen naturgemäß nicht gehen. Außerdem genügten
nach der Rechtsprechung des BVerfG auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussichten auf Heilung oder eine spürbar
positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Dabei sei (auch) auf den konkreten Einzelfall abzustellen. Der MDK habe das
im Unterschied zu Prof. Dr. K. unterlassen und sich aus eher grundsätzlichen Erwägungen gegen die Therapie mit dendritischen
Zellen ausgesprochen. Für die positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf genüge es, wenn zumindest das Fortschreiten der
Krankheit aufgehalten werde oder Komplikationen verhindert würden. Fehlten dabei theoretisch-wissenschaftliche Erklärungsmuster,
könne im Einzelfall bei vertretbaren Risiken auch die bloße ärztliche Erfahrung für die Annahme eines Behandlungserfolges
entscheidend sein, wenn sich diese Erkenntnisse durch andere Ärzte in ähnlicher Weise wiederholen ließen (LSG Baden-Württemberg,
Urt. v. 26.06.2012, - L 11 KR 5856/09 -). Das sei hier der Fall. Relevante Risiken und Nebenwirkungen der Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen seien bislang
nicht aufgetreten oder bekannt geworden. Ein vom MDK und der Beklagten geforderter Wirksamkeitsnachweis sei nicht notwendig.
Je schwerwiegender die Erkrankung, desto geringer müssten auch die Anforderungen an die Indizien für einen nicht ganz entfernt
liegenden Behandlungserfolg ausfallen. Dabei könnten beim Fehlen evidenzbasierter Studien auch deskriptive Darstellungen,
Einzelfallberichte und Meinungen anerkannter Experten oder Berichte von Konsensuskonferenzen in Betracht zu ziehen sein. Aus
ihrer Sicht gebe es danach hinreichende Indizien für einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg. Man möge hierzu
ggf. den Gutachter Prof. Dr. K. in der mündlichen Verhandlung befragen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26.02.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 28.09.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 06.08.2009 zurückzunehmen und ihr 12.601,79 EUR
zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, aufgrund der lebensbedrohlichen Grunderkrankung
habe eine Notfallsituation nicht vorgelegen. Das folge auch daraus, dass es sich bei der dendritischen Zelltherapie um eine
adjuvante (unterstützende) Therapie gehandelt habe. Hypothetisch sei auch das postulierte Versterben innerhalb weniger Monate
ohne Durchführung der begehrten Therapie. Aus den vorliegenden Gutachten gehe hervor, dass das klinisch erkennbare, lokal
begrenzte Tumorgewebe vollständig operativ entfernt worden sei. Anhaltspunkte für Metastasen hätten nicht vorgelegen. Die
weitere Therapie, ob nun durch Interferon oder durch dendritische Zellen, sei (nur) vorsorglich zur Minimierung eines letztendlich
noch verbleibenden Restrisikos durchgeführt worden. Eine Ultima-Ratio-Therapie habe nicht vorgelegen, weil es Behandlungsalternativen
gegeben habe. Die Klägerin habe den Leistungsantrag auch erst gestellt, als sie sich zur Behandlung mit dendritischen Zellen
entschlossen gehabt habe. Andernfalls sei kaum erklärbar, dass der behandelnde Arzt bereits vor dem 07.07.2009 einen Herstellungsauftrag
an das Labor (der Firma C.) erteilt habe.
Die Firma C. hat unter dem 27.02.2014 mitgeteilt, sie habe die Herstellung autologer dendritischer Zellen im April 2012 eingestellt.
Die Herstellungstätigkeit sei bis dahin unter der Verantwortlichkeit des PD Dr. G. gem. § 4b AMG ausgeübt worden. Die Herstellung dendritischer Zellen werde nunmehr von dem Labor PD Dr. G. (auf der Grundlage einer Anzeige
nach § 67 AMG) vorgenommen. Die abschließende Erteilung einer Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG stehe noch aus.
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat mit Schreiben vom 13.03.2014 (Bl. 51 LSG-Akte) dem Senat mitgeteilt, die Anwendung dendritischer
Zellen zur Behandlung eines Schleimhautmelanoms oder anderer Erkrankungen sei bisher im Gemeinsamen Bundesausschuss nicht
überprüft worden, auch sei ein entsprechender Antrag noch nicht gestellt worden. Schließlich bestünden keine Anhaltspunkte
dafür, dass die Voraussetzungen für eine Antragspflicht vorlägen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die
Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§
143,
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthaft; der Beschwerdewert des §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG (750 EUR) ist bei einem geltend gemachten Erstattungsbetrag von über 12.000 EUR überschritten. Die Berufung ist auch sonst
zulässig (§
151 SGG). Sie ist auch begründet. Die Beklagte hat die Erstattung der Aufwendungen der Klägerin für die Behandlung ihrer Krebserkrankung
mit dendritischen Zellen mit den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht abgelehnt.
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob die Beklagte der Klägerin 12.601,79 EUR zu erstatten hat, die die Klägerin
der Firma C. auf deren Rechnungen vom 16.07.2009, 22.02.2010 und 16.12.2010 gezahlt hat. Die Erstattung des Betrags der Rechnung
vom 16.07.2009 war bereits Gegenstand des Bescheids vom 06.08.2010. Ob der Widerspruch gegen diesen Bescheid tatsächlich von
der Klägerin am 08.10.2009 fernmündlich zurückgenommen wurde und ob ein nicht weiter bestätigter Telefonvermerk eines Mitarbeiters
der Beklagten ausreicht, das Widerspruchsverfahren einzustellen, kann offenbleiben. Da die Klägerin mit dem eingereichten
Schreiben vom 09.02.2010 die Übernahme der gesamten Kosten der bisherigen Behandlung mit dendritischen Zellen verlangt hat,
bezieht sich der Bescheid vom 20.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2010 nicht nur auf die Rechnungen
vom 22.02.2010 und 16.12.2010, sondern auch auf die Rechnung vom 16.07.2010. Jedenfalls der Widerspruchsbescheid vom 28.09.2010
enthält eine abschließende Stellungnahme der Beklagten zum gesamten Behandlungskomplex mit dendritischen Zellen als Folge
des im Juni 2009 operativ entfernten Schleimhautmelanoms der Klägerin. Das SG hat deshalb zu Recht in diesen Bescheiden eine inzidente Ablehnung eines Antrags nach § 44 SGB X in Bezug auf den Bescheid vom 06.08.2009 gesehen. Die Beklagte hat die erneute Überprüfung des Bescheids nach § 44 SGB X durch den Senat im Berufungsverfahren auch nicht in Frage gestellt.
I. Rechtsgrundlage des mit Klage und Berufung verfolgten Erstattungsanspruchs ist §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V. Die Vorschrift bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie
eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind
diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Vorschrift sieht
in Ergänzung des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung (§
2 Abs.
2 Satz 1
SGB V) ausnahmsweise Kostenerstattung vor, wenn der Versicherte sich eine Leistung auf eigene Kosten selbst beschaffen musste,
weil sie von der Krankenkasse als Sachleistung wegen eines Mangels im Versorgungssystem nicht oder nicht in der gebotenen
Zeit zur Verfügung gestellt worden ist (vgl. etwa BSG, Urt. v. 02.11.2007, - B 1 KR 14/07 R -; Urt. v. 14.12.2006, - B 1 KR 8/06 R -).
Der hier allein in Betracht kommende Erstattungstatbestand des §
13 Abs.
3 Satz 1, 2. Alt.
SGB V setzt die rechtswidrige Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse und grundsätzlich auch einen Ursachenzusammenhang zwischen
Leistungsablehnung und Leistungsbeschaffung durch den Versicherten voraus. Die rechtswidrige Ablehnung der Leistung scheidet
für solche (selbst beschaffte) Leistungen von vornherein aus, die von den Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung
nicht zu erbringen sind. Der Kostenerstattungsanspruch gem. §
13 Abs.
1 Satz 1 2. Alt.
SGB V reicht nämlich nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Der Ursachenzusammenhang zwischen rechtswidriger
Leistungsablehnung und Leistungsbeschaffung durch den Versicherten fehlt, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme bzw. Beschaffung
der Leistung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG, Urt. v. 30.06.2009, - B 1 KR 5/09 R -; vgl. auch §
19 Abs.
1 Satz 1
SGB IV sowie ab 01.01.2013 die Beschleunigungsvorschrift in §
13 Abs.
3a SGB V).
§
13 Abs.
3 Satz 1 2. Alt.
SGB V darf nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 19.03.2009 - 1 BvR 316/09) nicht in der Weise ausgelegt werden, dass er für einen bestehenden Leistungsanspruch die Funktion eines anspruchsvernichtenden
Tatbestands entwickelt. Dies gilt erst recht, wenn - wie nachstehend aufgezeigt - bei grundrechtsorientierter Auslegung des
Leistungsrechts des
SGB V ein Anspruch auf Behandlung mit dendritischen Zellen besteht, den die Beklagte von Anfang an als Sachleistung hätte gewähren
müssen und den sie in der Folge zu Unrecht abgelehnt hat. Bei der Rechtsanwendung im Einzelfall müssen dann die grundrechtlichen
Maßgaben insbesondere des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes berücksichtigt werden, namentlich, wenn erhebliche und nicht wiedergutzumachende
Schäden für Leib und Leben drohen (Art.
2 Abs.
2 GG) und der Versicherte deswegen existentielle Leistungen der Krankenversicherung begehrt. Auch insoweit gilt, dass sich das
Gericht (genauso wie die Krankenkasse) schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen muss (vgl. BVerfG,
Beschl. v. 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -; auch Senatsbeschluss vom 11.09.2012, - L 5 KR 2797/12 ER-B - zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung). Das verbietet es,
im Einzelfall überzogene und damit unverhältnismäßige Verfahrenserfordernisse nicht nur für den Zugang des Versicherten zu
den Leistungen der Krankenkasse, sondern auch für die Selbstbeschaffung einer Leistung und die Erstattung der hierfür entstandenen
Aufwendungen nach Maßgabe des §
13 Abs.
3 SGB V aufzustellen. Gerade in den Fällen des §
2 Abs.
1a SGB V, also bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden bzw. wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankungen wird es
daher vielfach genügen müssen, wenn der Versicherte sich mit seinem Leistungsbegehren unverzüglich an die Krankenkasse wendet
und dieser daher jedenfalls eine zeitnahe Prüfung ermöglicht wird. Einzelheiten des Beschaffungswegs werden dann für den Erstattungsanspruch
keine ausschlaggebende Rolle spielen können, vielmehr wird die Krankenkasse und im Streitfall das Gericht zu prüfen haben,
ob das Erstattungsverlangen in der Sache berechtigt ist.
II. Rechtsgrundlage des dem Kostenerstattungsanspruch zugrunde liegenden Leistungsanspruchs auf Gewährung ärztlicher Behandlung
ist §
27 Abs.
1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen,
ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst neben der ärztlichen
Behandlung (§
27 Abs.
1 Satz 1 und
2 Nr.
1 SGB V) auch die Versorgung mit Arzneimitteln (§
27 Abs.
1 Satz 1 und
2 Nr.
3 SGB V). Der Anspruch auf Krankenbehandlung bzw. Arzneimittelversorgung unterliegt den für alle Leistungsansprüche (§
11 SGB V) geltenden allgemeinen Maßgaben der §§
2,
12 SGB V. Gem. §
2 Abs.
1 SGB V stellen die Krankenkassen den Versicherten die Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§
12 SGB V) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden,
Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen
haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.
Gem. §
12 Abs.
1 SGB V müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.
Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer
nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Die Versicherten erhalten die ihnen danach zustehenden Leistungen gemäß
§
2 Abs.
2 Satz 1
SGB V als Sach- und Dienstleistungen, soweit das
SGB V nichts anderes vorsieht.
1.) Bei der Versorgung der Versicherten mit ärztlicher Heilbehandlung ist hinsichtlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
das in §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V festgelegte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (BSG, Urt. v. 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 R -; Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R -) zu beachten. Danach dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten
der Krankenkasse nur erbracht werden und gehören auch dann nur zu den den Versicherten von der Krankenkasse geschuldeten Leistungen
(vgl. BSG, Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R -), wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V Empfehlungen u. a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische
Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit abgegeben hat. An die Entscheidungen des Bundesausschusses sind Krankenkassen und Gerichte
gebunden (BSG, Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R - m.w.N.). Ohne befürwortende Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses kommt eine Leistungspflicht der Krankenkassen
nicht in Betracht (zu alledem auch Senatsurteil vom 30.8.2006, - L 5 KR 281/06 -). Die Sperrwirkung des §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V erfasst "Methoden", also Maßnahmen, die bei einem bestimmten Krankheitsbild systematisch angewandt werden (BSG, Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 R -); dazu können ggf. auch über die bloße Verabreichung von Arzneimitteln hinausgehende Pharmakotherapien zählen.
Neu ist eine Behandlungsmethode zunächst dann, wenn sie erst nach Inkrafttreten des §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V - also erst in der Zeit seit dem 01.01.1989 - als kassen- bzw vertragsärztliche Behandlungsmethode praktiziert worden ist.
Neu ist auch eine Behandlungsmethode, für die eine entsprechende Leistungsposition im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für
ärztliche Leistungen (EBM-Ä) zunächst nicht bestand, diese vielmehr erst später - nach dem 01.01.1989 - in das Leistungsverzeichnis
des EBM-Ä aufgenommen wurde (zur Maßgeblichkeit des EBM auch BSG, Urt. v. 05.05.2009, - B 1 KR 15/08 R -). Nach diesen Abgrenzungen ist bei Arzneitherapien - bei Arzneimitteln ist kein Raum für die Schaffung einer Leistungsposition
im EBM-Ä - darauf abzustellen, ob sie schon vor dem 01.01.1989 oder erst nach dem 01.01.1989 praktiziert wurden. Wurden sie
schon vorher praktiziert, so sind sie nicht neu; dann käme nur eine Überprüfung nach Maßgabe des §
135 Abs.
1 Satz 2 und
3 SGB V in Betracht, wonach die Verordnungsfähigkeit erst ausgeschlossen wäre, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss die Behandlungsmethode
ausdrücklich für unvereinbar mit den Erfordernissen des §
135 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB V erklärt hatte (BSG; Urt. v. 13.10.2010, - B 6 KA 48/09 R -). Eine Behandlungsmethode kann auch dann als "neu" zu beurteilen und deshalb der besonderen krankenversicherungsrechtlichen
Qualitätskontrolle zu unterwerfen sein, wenn sie sich aus einer neuartigen Kombination verschiedener - für sich jeweils anerkannter
oder zugelassener - Maßnahmen zusammensetzt (BSG; Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 R -).
Näheres zur Arzneimittelversorgung der Versicherten ist in §
31 Abs.
1 Satz 1
SGB V geregelt. Danach besteht Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach
§
34 SGB V oder durch Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
6 SGB V ausgeschlossen sind. Der (krankenversicherungsrechtliche) Arzneimittelbegriff in §§
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
3,
31 SGB V knüpft an den (verwaltungsrechtlichen) Arzneimittelbegriff des AMG an. Dieser ist in der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 AMG festgelegt; weitere Begriffsbestimmungen enthält § 4 AMG. Gem. § 2 Abs. 1. AMG sind Arzneimittel (u.a.) Stoffe, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung im menschlichen Körper Krankheiten zu heilen, zu
lindern, zu verhüten oder zu erkennen; Stoffe in diesem Sinne sind gem. § 3 Nr. 3 AMG auch menschliche Stoffwechselprodukte in bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand, also auch Blut und Blutplasma (Rehmann,
AMG § 3 Rdnr. 2). Gem. § 4 Abs. 2 AMG sind Blutzubereitungen Arzneimittel, die aus Blut gewonnene Blut-, Plasma- oder Serumkonserven, Blutbestandteile oder Zubereitungen
aus Blutbestandteilen sind oder als Wirkstoffe enthalten. § 4 Abs. 9 AMG (i. d. F. des Gesetzes v. 17.07.2009, BGBl. I, S. 1990, gültig ab 23.07.2009) bestimmt, dass (u.a.) somatische Zelltherapeutika (i. S. d. in dieser Vorschrift genannten EG-Verordnungen)
Arzneimittel für neuartige Therapien sind. Das aus dem Blut des Patienten durch Beladung mit Antigenen hergestellte Präparat
mit dendritischen Zellen stellt ein (zelluläres) Arzneimittel (Blutzubereitung bzw. somatisches Zelltherapeutikum nach § 4 Abs. 2, 9 AMG) dar (vgl. dazu auch etwa OLG München, Urt. v. 16.11.2005, - 20 U 3950/05 - sowie DÖSGHO-Jahrestagung, veröffentlicht unter www://haematologie-onlologie.universimed.com/artikel). Damit unterliegt
die Herstellung dendritischer Zellen und deren Anwendung im Rahmen der Krankenbehandlung nach §
27 Abs.
1 SGB V den Maßgaben des Arzneimittelrechts.
Hinsichtlich der Herstellung dendritischer Zellen ist gem. § 20b Abs. 1 und 4 AMG (eingeführt durch Gesetz v. 20.07.2007, BGBl. I. S. 1574 zum 01.08.2007) im Grundsatz eine behördliche Erlaubnis notwendig. Hinsichtlich der Arzneimittel für neuartige Therapien
nach § 4b AMG (eingeführt durch Gesetz v. 17.07.2009, a. a. O. zum 23.07.2009), also für Arzneimittel, die als individuelle Zubereitung
für einen einzelnen Patienten ärztlich verschrieben, nach spezifischen Qualitätsnormen nicht routinemäßig hergestellt und
in einer spezialisierten Einrichtung der Krankenversorgung unter der fachlichen Verantwortung eines Arztes angewendet werden
(§ 4b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 AMG) sind in der (ebenfalls ab 23.07.2009 geltenden) Vorschrift des § 144 AMG Übergangsregelungen getroffen worden. Danach gilt (u.a.): Wer die in § 4b Abs. 1 AMG genannten Arzneimittel für neuartige Therapien am 23.07.2009 befugt herstellt und bis zum 01.012010 eine Herstellungserlaubnis
beantragt, darf diese Arzneimittel bis zur Entscheidung über den gestellten Antrag weiter herstellen.
Hinsichtlich des Inverkehrbringens dendritischer Zellen ist die für Fertigarzneimittel, wozu auch außerhalb der Apotheke gewerblich
hergestellte Rezepturarzneimittel gehören (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 AMG), gem. § 21 Abs. 1 AMG an sich notwendige arzneimittelrechtliche Zulassung nicht erforderlich. Gem. § 21 Abs. 2 Nr. 1a AMG bedarf es einer Zulassung nämlich nicht für Arzneimittel, bei deren Herstellung Stoffe menschlicher Herkunft eingesetzt werden
und die entweder zur autologen oder gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehenen Anwendung bestimmt sind oder auf Grund
einer Rezeptur für einzelne Personen hergestellt werden; dies trifft auf das in Rede stehende zelluläre Arzneimittel zu. Nach
näherer Maßgabe des § 21a Abs. 1 AMG kann demgegenüber ggf. eine Genehmigung der zuständigen Bundesoberbehörde erforderlich sein (vgl. § 21a Abs. 1 Satz 3: Blutstammzellzubereitungen zur autologen oder gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehenen Anwendung).
2.) Bei der Anwendung von Arzneimitteln können die Maßgaben des Arzneimittelrechts, insbesondere arzneimittelrechtliche Verkehrsverbote
mit ihren Folgewirkungen für das Krankenversicherungsrecht (dazu näher etwa Senatsbeschluss vom 11.09.2012, - L 5 KR 2797/12 ER-B -: Botoxinjektion zur Blasenvergrößerung), und der krankenversicherungsrechtliche Erlaubnisvorbehalt für die Anwendung
neuer ärztlicher Behandlungsmethoden gem. §
135 Abs.
1 SGB V gleichzeitig anzuwenden sein. Für die Abgrenzung der Pharmakotherapie durch bloße Verabreichung eines Arzneimittels - auch
im Wege der Injektion - von der Pharmakotherapie als ärztliche Behandlungsmethode kommt es darauf an, welches Gewicht der
ärztlichen Tätigkeit für den Therapieerfolg zukommt (vgl. näher BSG, Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 R -, LSG Baden-Württemberg, Urt. v. Urt. v. 15.5.2012, - L 11 KR 5817/10 -). Ist diese im Rahmen eines Zusammenspiels von ärztlicher Kunst und Arzneimittelgabe ebenso wichtig wie das Wirkprinzip
des in den Körper eingebrachten Stoffes, liegt in jedem Fall eine über die schlichte Verabreichung eines Arzneimittels hinausgehende
ärztliche Behandlungsmethode vor. Die Anforderungen des Krankenversicherungsrechts sind dann ggf. im Erlaubnisverfahren nach
§
135 Abs.
1 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss zu prüfen. Dessen krankenversicherungsrechtliche Prüfung kommt zur ggf. notwendigen arzneimittelrechtlichen
Prüfung durch die hierfür zuständige Verwaltungsbehörde hinzu (vgl. BSG Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 R -). Für solche Pharmakotherapien besteht eine Leistungspflicht der Krankenkasse daher erst dann, wenn die aus dem Arzneimittelrecht
folgenden leistungsrechtlichen Mindestvoraussetzungen und die krankenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine neue
Behandlungsmethode kumulativ erfüllt sind, wenn also weder ein arzneimittelrechtliches Verkehrsverbot noch der krankenversicherungsrechtliche
Erlaubnisvorbehalt das verwendete Arzneimittel erfasst (BSG Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 -; auch dazu Senatsbeschluss vom 11.09.2012, - L 5 KR 2797/12 ER-B -). Das gilt nach Auffassung des Senats für die Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen als Anwendung eines zellulären
Arzneimittels für neuartige Therapien i. S. d. § 4 Abs. 9 AMG. Dabei handelt es sich (wovon ersichtlich auch die Beteiligten ausgehen) nicht um die bloße Verabreichung eines Arzneimittels,
sondern um eine ärztliche Behandlungsmethode nach §
135 Abs.
1 SGB V.
3.) Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann ungeachtet des in §
135 Abs.
1 SGB V statuierten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt und des Fehlens einer Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses eine Leistungspflicht
der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen
ist, dass das Verfahren vor dem Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen
Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde und damit ein "Systemversagen" vorliegt. Dann ist die in §
135 Abs.
1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien nämlich rechtswidrig unterblieben, weshalb die Möglichkeit bestehen muss, das
Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (näher BSGE 81, 54 sowie BSG, Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R -). Auch bei Krankheiten, die wegen ihrer Seltenheit praktisch nicht systematisch erforschbar sind, muss die Behandlung aus
dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung nicht schon mangels entsprechender Empfehlung des Bundesausschusses
ausscheiden (vgl. dazu BSGE 93,236).
Nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG können sich (ansonsten nicht bestehende) Leistungsansprüche darüber hinaus auch
aus einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts ergeben. In seinem
Beschluss vom 06.12.2005 (- B 1 BvR 347/98 -) hat es das BVerfG für mit dem Grundrecht aus Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und dem Grundrecht aus Art.
2 Abs.
2 Satz 1
GG nicht vereinbar erklärt, einen gesetzlichen Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung
eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer
von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht
auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die zu einem solchen Ergebnis führende
Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts sei in der extremen Situation krankheitsbedingter
Lebensgefahr (im vom BVerfG entschiedenen Fall durch die Duchenne`sche Muskeldystrophie) verfassungswidrig.
Das Bundessozialgericht hat diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt und näher konkretisiert.
Danach - so etwa BSG Urt. v. 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R -; Urt. v. 04.04.2006 - B 1 KR 7/05 R - verstößt die Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine bestimmte neue ärztliche Behandlungsmethode
sei im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, weil der zuständige Gemeinsame Bundesausschuss diese noch
nicht anerkannt oder sie sich zumindest in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion noch nicht durchgesetzt habe,
gegen das
Grundgesetz, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Es liegt (1.) eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich
verlaufende Erkrankung (oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Krankheit - BSG, Urt. v. 16.12.2008, - B 1 KN 3/07 KR R -; Übersicht bei BSG, Urt. v. 05.05.2009, - B 1 KR 15/08 R -) vor. Für diese Krankheit steht (2.) eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur
Verfügung. Beim Versicherten besteht (3.) hinsichtlich der ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode
eine auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung
auf den Krankheitsverlauf. Es muss eine durch nahe Lebensgefahr individuelle Notlage gegeben sein, wobei das BVerfG es in
einer speziellen Situation (Apharesebehandlung in einem besonderen Fall) hat ausreichen lassen, dass die Erkrankung voraussichtlich
erst in einigen Jahren zum Tod führt (BVerfG, Beschl. 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -).
Diese Grundsätze sind auf die Arzneimittelversorgung übertragen worden. Sie können ggf. einen Anspruch auf Versorgung mit
Arzneimitteln begründen, die arzneimittelrechtlich noch gar nicht oder nicht für den in Rede stehenden Anwendungsbereich zugelassen
sind. Ergänzend hat das BSG - im Hinblick auf die Versorgung mit Arzneimitteln - aber dargelegt, dass an das Krankheits-Kriterium (im Sinne der vorstehend
unter 1. genannten Voraussetzung) strengere Anforderungen zu stellen sind als an das Kriterium der schwerwiegenden Erkrankung
für die Eröffnung des Off-Label-Use (vgl. BSG, Urt. v. 08.11.2011, - B 1 KR 19/10 R -; auch BSG, Urt. v. 13.10.2010, - B 6 KA 48/09 R -).
In der seit 01.01.2012 geltenden Vorschrift des §
2 Abs.
1a Satz 1
SGB V hat der Gesetzgeber die von der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG entwickelten Rechtgrundsätze zu grundrechtsfundierten Leistungsansprüchen in das
SGB V aufgenommen. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest
wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
nicht zur Verfügung steht, auch eine von §
2 Abs.
1 Satz 3
SGB V abweichende, insbesondere also eine in Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse
(noch) nicht entsprechende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine
spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach §
2 Abs.
1a Satz 1
SGB V vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen.
Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung festgestellt. Für Auslegung und Anwendung des
§
2 Abs.
1a Satz 1
SGB V sind die Maßgaben der genannten Rechtsprechung des BVerfG und des BSG heranzuziehen (Senatsurteil vom 14.03.2012, - L 5 KR 5406/11 -).
III. Davon ausgehend steht der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die von PD Dr. G. in den Jahren 2009 und
2010 durchgeführte Behandlung mit dendritischen Zellen zu. Die Voraussetzungen des §
13 Abs.
3 Satz 1 2. Alt.
SGB V sind erfüllt. Die Klägerin hat den in dieser Vorschrift vorgesehenen Beschaffungsweg eingehalten (unten 1). Die Beklagte
hat die von der Klägerin selbstbeschaffte Leistung auch zu Unrecht abgelehnt (unten 2). Auch die Übrigen Voraussetzungen des
geltend gemachten Erstattungsanspruchs sind erfüllt (unten 3).
1.) Die Klägerin hat sich die Behandlung ihrer Krebserkrankung mit dendritischen Zellen durch PD Dr. G. ohne Missachtung des
in §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V vorgesehenen Beschaffungswegs selbst beschafft. Die Frage nach der Einhaltung des Beschaffungswegs kann sich dabei nur auf
die Rechnungen beziehen, die vor der grundsätzlichen Ablehnungsentscheidung der Beklagten im Bescheid vom 06.08.2009 ergangen
sind, das ist hier allein die Rechnung vom 16.07.2009. Die Klägerin hat nämlich mit ihrem Antrag vom 09.07.2009 initial für
die gesamte Behandlung mit dendritischen Zellen den Antrag auf Kostenfreistellung bei der Beklagten gestellt; das genügt (BSG Urt. v. 07.05.2013 - B 1 KR 44/12 R - Juris Rn 30). Eine Beschränkung lediglich auf die im Juli 2009 angefallenen Kosten lässt sich diesem Antrag nicht entnehmen.
Im Übrigen stellen sich die einzelnen Behandlungszyklen als unselbständige (Teil-)Leistungen der auf die Verhinderung der
Metastasenbildung gerichteten adjuvanten Behandlung der Klägerin nach der operativen Entfernung des Tumorgewebes dar, weshalb
es mit dem (rechtzeitigen) Herantragen des Leistungsbegehrens an die Beklagte hinsichtlich des ersten Behandlungszyklus sein
Bewenden haben muss.
Die Klägerin, die an einem im Juni 2009 diagnostizierten Schleimhautmelanom und damit - wie Prof. Dr. K. in seinem Gutachten
vom 03.02.2012 dargelegt hat - an einer seltenen Untergruppe des Melanoms mit wesentlich schlechterer Prognose als das Hautmelanom
(kutane Melanom) leidet, ist am 05.06.2009 und am 13.07.2009 durch Exzsion des Tumors und Nachresektion operativ behandelt
worden. Die (weitere) Behandlung mit dendritischen Zellen ist danach im Juli 2009 aufgenommen und in mehreren Behandlungszyklen
durchgeführt worden. Die Klägerin hat sich - hinsichtlich des ersten Behandlungszyklus - erstmals am 09.07.2009, also noch
vor der operativen Tumornachresektion am 13.07.2009, wegen einer sich an die operative Therapie anschließenden (adjuvanten)
Nachbehandlung mit dendritischen Zellen (zur Metatsasenprophylaxe) an die Beklagte gewandt und die Gewährung dieser Behandlung
als Sachleistung beantragt. Sie hat sich nicht von vornherein außerhalb des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung
gestellt, um sich von dort ohne weitere Prüfung durch die Krankenkasse eine vom Leistungskatalog nicht umfasste Behandlungsleistung
zu verschaffen, sondern sie hat die Beklagte nach Lage der Dinge unverzüglich mit dem Leistungsbegehren konfrontiert und eine
zeitnahe Prüfung ermöglicht. Dass mit der Herstellung der dendritischen Zellen wenige Tage vor Antragstellung - am 07.07.2009
- begonnen worden ist, ist demgegenüber unschädlich, ohne dass es noch darauf ankäme, ob man den Behandlungsbeginn der dendritischen
Zelltherapie auf diesen Tag oder den Tag der erstmaligen Verabreichung der dendritischen Zellen festzulegen hätte. Angesichts
der Gefahr einer Metastasierung der schweren Krebserkrankung und der damit verbundenen Todesgefahr ist es im Hinblick auf
das Grundrecht der Klägerin auf Leben und Gesundheit bzw. die daraus folgenden Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
nicht zu vereinbaren, ihr zur Vermeidung einer etwaigen Kostenbelastung vor der Aufnahme der in Rede stehenden Behandlung
zur Metastasenprophylaxe auch das Abwarten einer (Ablehnungs-)Entscheidung der Beklagten abzuvE. (ebenso BSG Urt. v. 12.09.2012 - B 3 KR 20/11 R - Juris Rn 12 für den Fall einer verzögerten Entscheidung über eine Hilfsmittelgewährung), zumal angesichts der zu erwartenden
Einschaltung des MDK mit einem länger dauernden Verwaltungsverfahren zu rechnen gewesen ist. Bei dieser Sachlage kommt es
nicht in Betracht, den geltend gemachten Erstattungsanspruch schon wegen der Einzelheiten des Beschaffungsvorgangs abzulehnen,
vielmehr ist eine Sachprüfung erforderlich.
2.) Die Beklagte hat die Gewährung der beantragten Behandlung mit dendritischen Zellen zu Unrecht abgelehnt. Die Beklagte
hätte der Klägerin die in Rede stehende Behandlung nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs
als Sachleistung gewähren müssen (unten a). Vorschriften des Arzneimittelrechts stehen dem nicht entgegen (unten b).
a.) Die Klägerin hatte Anspruch auf die Behandlung ihrer Krebserkrankung mit dendritischen Zellen als Leistung der gesetzlichen
Krankenversicherung.
Bei der Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode i. S. d §
135 Abs.
1 SGB V; für diese ärztliche Leistung ist eine Leistungsposition im EBM nicht vorhanden. Eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses
existiert nicht. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist mit der hier streitigen Behandlung des Schleimhautmelanoms mit dendritischen
Zellen auch nicht befasst, wie er gegenüber dem Senat mit Schreiben vom 13.03.2014 dargelegt hat. Anhaltspunkte für ein so
genanntes Systemversagen liegen nicht vor (Senatsbeschluss vom 16.05.2011, - L 5 KR 970/11 ER-B -). Bei dem Schleimhautmelanom, an dem die Klägerin leidet, handelt es sich zwar um eine seltene Untergruppe des Melanoms,
jedoch nicht um eine wegen ihrer Seltenheit systematisch gar nicht erforschbare Krankheit. Hierüber herrscht unter den Beteiligten
ersichtlich kein Streit. Danach kommt ein Leistungsanspruch nur nach Maßgabe der vom BVerfG (Beschl. v. 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -) vorgenommenen grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs (jetzt: §
2 Abs.
1a SGB V) in Betracht. Die in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung hierfür aufgestellten Voraussetzungen sind erfüllt.
Die Klägerin leidet (unstreitig) an einer lebensbedrohlichen und regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung. Das Schleimhautmelanom,
an dem sie erkrankt ist, hat, wie aus dem Gutachten des Prof. Dr. K. hervorgeht, eine äußerst schlechte und (noch) ungünstigere
Überlebensprognose als das kutane Melanom (der Haut) mit einer mittleren Überlebenszeit von 10 bis 13 Monaten. Über 90% der
Patienten versterben innerhalb von 5 Jahren. Entgegen der Auffassung der Beklagten (und des MDK, etwa Gutachten des Dr. G.
vom 05.10.2009) scheitert die Leistungsgewährung auch nicht am Erfordernis einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten
individuellen Notlage. Das BVerfG hat hierfür ersichtlich stets auf den Einzelfall abgestellt und eine rein zeitliche Betrachtung
nicht vorgenommen, etwa auch ausreichen lassen, dass in Sonderfällen der Tod voraussichtlich erst in einigen Jahren eintreten
wird (Beschl. v. 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -). Auch die Unterscheidung zwischen einer adjuvanten und einer kurativen Behandlungssituation, auf die sich der MDK stützen
will, ist für die hier maßgebliche grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs nicht von ausschlaggebender Bedeutung.
Die Behandlung mit dendritischen Zellen hat nach der operativen Entfernung des Tumorgewebes zum Ziel, die Bildung von Metastasen
zu verhindern. Nur dann besteht Aussicht auf eine Heilung der Krebserkrankung. Sind demgegenüber Metastasen aufgetreten, bestehen
praktisch keine aussichtsreichen Behandlungsmöglichkeiten mehr und es muss mit einem (baldigen, innerhalb von Monaten eintretenden)
Tod des Patienten gerechnet werden. Der Senat entnimmt dies dem überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. K ... Danach liegt die
(sehr) schlechte Prognose des Schleimhautmelanoms (u.a.) daran, dass es rasch zu Fernmetastasen kommt. Ist es dazu gekommen,
besteht allenfalls noch eine Therapieoption durch Yervoy, was aber nur bei maximal 10% der Patienten einen längeren Nutzen
hat (mit schweren Nebenwirkungen bei 30% der Patienten). Bei dieser Sachlage gibt es keine Zwischenzeit zwischen der operativen
Entfernung des Tumorgewebes und dem jedenfalls im Stadium der Heilungsbewährung stattfindenden Auftreten von Metastasen, während
der die für die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs notwendige individuelle Notlage naher Lebensgefahr
nicht bestünde und während der zunächst das ohne adjuvante Therapie (erst recht) zu erwartende Auftreten von Metastasen abzuwarten
wäre. Die vorliegende Fallgestaltung ist nach Ansicht des Senats mit der Fallgestaltung eines Prostatakarzinoms im Anfangsstadium
ohne Hinweis auf metastatische Absiedlungen (vgl. BSG, Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R -) nicht vergleichbar. Der These, eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs sei auf die Situation der Rezidivprophylaxe
nicht anwendbar (vgl. etwa LSG Schleswig- Holstein, Urt. v. 08.09.2011, L 5 KR 97/10 -), kann sich der Senat jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht anschließen; sie findet in der Rechtsprechung des BVerfG
keine ausreichende Stütze.
Damit ist vorliegend letztendlich ausschlaggebend, ob für die - konkrete - Erkrankung der Klägerin eine allgemein anerkannte,
medizinischem Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung steht, und, wenn dies nicht festgestellt werden kann, ob für
die bei ihr angewandte Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen eine durch Indizien gestützte, nicht ganz entfernt liegende
Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Da für die grundrechtsorientierte
Auslegung des Leistungskatalogs die Grundrechte des jeweiligen Versicherten und die diesem bei Verweigerung der Leistung im
Einzelfall drohenden Grundrechtseingriffe bzw. Grundrechtsverletzungen maßgeblich sind, findet eine vom Einzelfall gelöste
abstrakte Betrachtung, etwa im Sinne einer abstrakten wissenschaftlich-medizinischen Methodendiskussion, nicht statt.
Für die adjuvante Therapie des Schleimhautmelanoms der Klägerin steht nach Auffassung des Senats eine allgemein anerkannte
und dem medizinischen Standard entsprechende und die Anwendung der in Rede stehenden Alternativtherapie verdrängende Behandlungsmethode
nicht zur Verfügung. Die Beklagte verweist (gestützt auf das MDK-Gutachten des Prof. Dr. H.) auf eine Interferonbehandlung,
die man als eine Art "Analogbehandlung" entsprechend der Behandlung des kutanen Melanoms auch beim (mit dem kutanen Melanom
tumorbiologisch jedoch nicht ohne Weiteres gleichzusetzenden) Schleimhautmelanom anwenden könne. Die Wirksamkeit einer solchen
Therapie wird aber - wenn auch gestützt durch eine von Prof. Dr. H. angeführte Phase-II-Studie in den USA - nur vermutet.
Demgegenüber hat Prof. Dr. K. in seinem Gutachten überzeugend dargelegt, dass es eine wirksame adjuvante Therapie zur Verhinderung
einer Fernmetastasierung beim Schleimhautmelanom nicht gibt und darauf verwiesen, dass Patienten mit Schleimhautmelanomen
von den Interferonstudien (gerade) ausgeschlossen werden. Die Erfahrungen mit der mangels Alternativen notgedrungen eingesetzten
Interferon- und Chemotherapie hat Prof. Dr. K. als unbefriedigend eingestuft; sie würden nur "anekdotenhaft" in Übersichtsarbeiten
erwähnt. In der Literatur findet sich - so Prof. Dr. K. - keine einzige Publikation, die über eine wirksame adjuvante Therapie
beim Schleimhautmelanom berichtet.
Prof. Dr. H. hat im MDK-Gutachten vom 16.07.2012 der Auffassung des Prof. Dr. K. im Kern zugestimmt und ebenfalls dargelegt,
dass es eine zugelassene adjuvante Therapie zur Verhinderung von Fernmetastasen beim anorektalen Melanom (dem Schleimhautmelanom
der Klägerin) nicht gibt. Hierfür bestehen - so Prof. Dr. H. - nahezu keine gesicherten Erkenntnisse. Es finden sich vielmehr
nur - und seien es auch deutliche - Hinweise in der wissenschaftlichen Literatur, dass Patienten mit anorektalem Melanom in
Analogie zu Patienten mit kutanem Melanom behandelt werden, wie es in der Onkologie auch bei anderen Tumorentitäten gehandhabt
wird. Der Erfolg der letztendlich auf die Vermutung einer (tumorbiologischen) Vergleichbarkeit des Schleimhautmelanoms mit
dem kutanen Melanom gestützten Interferonbehandlung ist im Übrigen schon beim kutanen Melanom sehr gering; weniger als 10%
der Patienten haben davon einen Nutzen. Insgesamt besteht daher nach der überzeugenden Auffassung des Prof. Dr. K. für die
Wirksamkeit der der Klägerin im Tumorboard des Comprehensive Cancer Center U. vorgeschlagenen Interferontherapie beim Schleimhautmelanom
jeglicher Anhalt und es muss auf der Grundlage der publizierten Erfahrungen davon ausgegangen werden, dass ihr eine Interferontherapie
keinen Nutzen gebracht hätte. Sie kann damit nicht auf diese Therapie als Standardtherapie verwiesen werden. Dem ist im MDK-Gutachten
des Prof. Dr. H. nichts wirklich Überzeugendes entgegengesetzt. Prof. Dr. H. hat sich der Sache nach mit einer eher vom Erkrankungsfall
der Klägerin abstrahierenden Methodendiskussion befasst, etwa indem er es als gültige Lehrmeinung bezeichnet, Patienten mit
malignen Melanomen (in einem bestimmten Stadium) eine adjuvante Interferontherapie unter sorgfältiger Abwägung und Aufklärung
anzubieten; damit wird nicht ausreichend klar auf den Behandlungsfall der Klägerin eingegangen. Die Schlussfolgerung des Prof.
Dr. H., für diese stehe mit der Interferontherapie - und das auch nur grundsätzlich - eine Standardtherapie zur adjuvanten
Behandlung des malignen Melanoms zur Verfügung, ist im Kern zu allgemein gehalten. Der Senat kann ihr angesichts der überzeugenden
Darlegungen des Prof. Dr. K., denen sich Prof. Dr. H. in wesentlichen Teilen auch angeschlossen hat, nicht folgen. Die Klägerin
ist auch nicht auf eine weitere Operation, etwa die Entfernung von Wächterlymphnoten (MDK-Gutachten des Prof. Dr. H.) zu verweisen.
Prof. Dr. K. hat in seinem Gutachten insoweit schlüssig dargelegt, dass die Überlebensprognose der Klägerin weder durch eine
größere lokale Operation noch durch eine diagnostische oder elektive Lymphknotenexstirpation/-dissektion zu verbessern wäre.
Außerdem ist Gegenstand des vorliegenden Streits keine (weitere) operative Heilbehandlung, sondern eine adjuvante Heilbehandlung
durch Anwendung eines zellulären Arzneimittels zur Metastasenprophylaxe.
Hinsichtlich der bei der Klägerin durch PD Dr. G. (ärztlich) angewandten Behandlung des Schleimhautmelanoms mit dendritischen
Zellen besteht eine auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare
positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
Der Anspruch des Versicherten auf Gewährung ärztlicher Behandlung (§§
27,
28 SGB V) als Sachleistung im Wege der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs (bzw. jetzt nach Maßgabe des §
2 Abs.
1a SGB V) erfordert nach der eingangs wiedergegebenen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG nicht, dass die begehrte Behandlungsmethode bereits als Standard etabliert ist und dass ihre Wirksamkeit durch größere kontrollierte
oder belastbare Studien (bereits) bewiesen ist oder dass sie Eingang in die klinische Routine gefunden hat; die entsprechenden
Postulate im MDK-Gutachten des Dr. G. vom 08.10.2009 und auch im MDK-Gutachten des Dr. B. vom 12.05.2010 sowie im MDK-Gutachten
des Prof. Dr. H. sind zu eng und so mit den verfassungsgerichtlichen Maßgaben der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs
nicht vereinbar. Ein grundrechtsfundierter (bzw. in §
2 Abs.
1a SGB V verankerter) Leitungsanspruch ist auch nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil die zuständige medizinische Fachgesellschaft
- hier die Deutsche Krebsgesellschaft - die in Rede stehende Behandlungsmethode nicht als Therapie empfiehlt. Empfehlungen
dieser Art haben tatsächliches Gewicht, jedoch keine den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nahekommende Ausschlusswirkung.
Davon abgesehen hat die Deutsche Krebsgesellschaft die Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen in ihrer Stellungnahme vom
03.11.2011 zur Therapie von Tumorpatienten mit onkologischen Viren auch nicht allgemein abgelehnt, sondern darauf verwiesen,
dass hinsichtlich der onkologischen Virentherapie - die der Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen entspricht - bei in der
Regel sehr guter Verträglichkeit in einzelnen Fällen eine gute Wirksamkeit dokumentiert worden ist. Bedenken werden vor allem
in Hinblick auf (derzeit nicht) auszuschließende negative Auswirkungen geäußert. Die Deutsche Krebsgesellschaft empfiehlt
die in Rede stehende Behandlung - immerhin - im Rahmen klinischer Studien. Ungeachtet des negativen Tenors sind der genannten
Empfehlung damit - worauf alleine es für die Gewährung eines grundrechtsfundierten Leistungsanspruchs ankommt - (sogar) Indizien
für eine nicht ganz fern liegende positive Wirkung der dendritischen Zellbehandlung zu entnehmen. Hinzukommt als weiteres
stützendes Indiz, dass - so Prof. Dr. K. in seinem Gutachten - in fast allen von ihm gesichteten Studien zur Krebsbehandlung
mit dendritischen Zellen von einem klinischen Ansprechen bei einem Teil der Patienten berichtet wird mit Ansprechraten bei
der Tumorentität Melanom von wenigen Prozent bis (immerhin) 30 %; in 14 von 46 Studien wird sogar über komplette Remissionen,
die auch andere Tumorentitäten (wie Nierenzellkarzinom oder Lymphom) betreffen, berichtet. Dass es sich bei diesen Studien
in der großen Mehrheit um Phase-I/II-Studien mit in der Regel bis zu 30 Patienten handelt, ist unerheblich. Im Rahmen der
grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs kommt es nicht auf einen - möglichst weitgehenden - Wirksamkeitsnachweis,
sondern nur darauf an, ob eine nicht ganz fern liegende Aussicht wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den
Krankheitsverlauf auf (bloße) Indizien gestützt werden kann. Außerdem liegen (immerhin) 2 randomisierte Phase-III-Studien
zur Behandlung des Prostatakarzinoms mit dendritischen Zellen vor. Der indiziellen Wirkung der von Prof. Dr. K. angeführten
Studienergebnisse wird man nicht ohne Weiteres die Unterschiede der Tumorentitäten entgegenhalten dürfen, nachdem die Beklagte
hinsichtlich der etablierten Behandlungsmethoden ebenfalls einen Analogschluss von der Wirksamkeit der Interferontherapie
beim kutanen Melanom auf eine entsprechende Wirksamkeit beim Schleimhautmelanom vornimmt und "Analogbehandlungen" - so Prof.
Dr. H. in seinem MDK-Gutachten - in der Onkologie auch bei anderen seltenen Tumorarten praktiziert werden.
Bei dieser Sachlage kann der an einer schweren Krebserkrankung leidenden Klägerin die Behandlung des Schleimhautmelanoms mit
dendritischen Zellen ohne Grundrechtsverstoß nicht als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung versagt werden, zumal
- wie Prof. Dr. K. in Einklang mit der Deutschen Krebsgesellschaft dargelegt hat - (nur) mit eher milden Nebenwirkungen gerechnet
werden muss. Die begehrte Behandlungsmethode enthält als Krebsbehandlung mit zellulären Arzneimitteln im Rahmen neuartiger
Therapien (vgl. §§ 4 Abs. 9, 4b AMG) keine "unseriösen" Heilungsversprechen, für deren Kosten die Versichertengemeinschaft nicht aufzukommen braucht, stellt
vielmehr eine (seriöse) ärztliche Behandlungsmethode dar, der Prof. Dr. K. als Koordinator des Hautkrebszentrums der Universitätsklinik
E. bei der Krebserkrankung der Klägerin in der Summe ein viel höheres Potenzial als den unspezifischen Immuntherapien mit
Interferon oder Yervoy beimisst. Die Beklagte und ersichtlich auch der MDK werden mit ihrer (zu engen) Auffassung den besonderen
Leistungsanforderungen, die den gesetzlichen Krankenkassen nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung aus den Grundrechten
der Versicherten erwachsen, im vorliegenden Fall nicht ausreichend gerecht (anders etwa LSG Hessen, Beschl. v. 28.03.2013,
- L 8 KR 68/13 ZVW - (nach Aufhebung eines zuvor in gleicher Sache ergangenen Beschlusses durch das BVerfG, Beschl. v. 26.02.2013, -1 BvR 2045/12 -); LSG, Urt. v. 12.01.2012, - L 5 KR 49/10 -; zum Recht der beamtenrechtlichen Beihilfe etwa VGH Baden-Württemberg Urt. v. 14.07.2010, - 11 S 2730/09 -). Der Senat sieht sich mit dieser Rechtsprechung im Wesentlichen in Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG (Beschl.
v. 26.2.2013, - 1 BvR 2045/12 -; zum Recht der privaten Krankenversicherung etwa BGH, Urt. v. 30.10.2013, - IV ZR 307/12 -).
b). Die auch im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung zu beachtenden Maßgaben des Arzneimittelrechts stehen
der Leistungsgewährung nicht entgegen.
Hinsichtlich der Herstellung der bei der Klägerin durch PD Dr. G. im mehreren Behandlungszyklen applizierten dendritischen
Zellen als zelluläres Arzneimittel für neuartige Therapien (§§ 4 Abs. 9, 4b AMG) ist, wie der Senat dem Gutachten des Prof. Dr. K. entnimmt, ein übliches Verfahren angewendet worden. Dass es keinen allgemein
Herstellungsstandard gibt, ist nicht maßgeblich. Die Einwendungen im MDK-Gutachten des Prof. Dr. H., der offenbar die angewandte
Herstellungsmethode in ihrer Eigenart nicht hat nachvollziehen können, sind daher nicht berechtigt. Dass die Firma C. die
dendritischen Zellen unter Verletzung des Arzneimittelrechts hergestellt und in Verkehr gebracht hätte, ist von der Beklagten
letztendlich nur behauptet worden; stichhaltige Anhaltspunkte hierfür bestehen - auch im Hinblick auf das eingangs dargestellte
- Übergangsrecht für Arzneimittel für neuartige Therapien nicht. Wie die Firma C. unter dem 27.02. 2014 mitgeteilt hat, hat
sie die Herstellung dendritischer Zellen im April 2012 eingestellt. Die Herstellung dendritischer Zellen wird nunmehr von
dem Labor Dr. G. vorgenommen. Die abschließende Entscheidung der zuständigen Verwaltungsbehörde über die von der Firma C.
seinerzeit beantragte Erteilung einer Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG ist offenbar nicht ergangen, so dass es für die streitige Zeit (2009, 2010) bei der Anwendung des Übergangsrechts (insbesondere
§ 144 Abs. 1 AMG) bleibt. Die Beklagte kann den grundrechtsfundierten Leistungsanspruch der Klägerin nicht unter Hinweis auf (verfahrensrechtliche)
arzneimittelrechtliche Anforderungen an die Herstellung und Anwendung der bei der Klägerin applizierten dendritischen Zellen
abwehren, nachdem insoweit sachliche Bedenken, wie aus dem Gutachten des Prof. Dr. K. hervorgeht, nicht bestehen und auch
weder von der Beklagten noch vom MDK (substantiiert) geltend gemacht werden.
3.) Die übrigen Voraussetzungen des von der Klägerin verfolgten Erstattungsbegehrens sind erfüllt. Die Klägerin hat die Behandlungskosten
nach Maßgabe der Rechnungen des PD Dr. G. gezahlt und dessen Zahlungsanspruch erfüllt. Bedenken hinsichtlich der Höhe der
Kosten sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.
Insgesamt erweisen sich damit der Bescheid der Beklagten vom 20.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2010
sowie der Bescheid vom 06.08.2009 als rechtswidrig. Diese Bescheide können damit ebenso wenig Bestand haben wie das Urteil
des SG. Der Berufung der Klägerin war in vollem Umfang stattzugeben.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§
160 Abs.
2 SGG).