Versagung der Neufeststellung des Grads der Behinderung im Schwerbehindertenrecht bei fehlender Mitwirkung
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte zu Recht die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) wegen
unterlassener Mitwirkung versagt hat.
Der Beklagte hatte bei der 1953 geborenen Klägerin unter Zugrundelegung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. E.
vom 08.04.2008, in der als Behinderungen eine posttraumatische Belastungsstörung, eine seelische Störung und ein chronisches
Schmerzsyndrom mit einem Einzel-GdB von 40 sowie eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, ein Fibromyalgiesyndrom und ein
chronisches Schmerzsyndrom mit einem Einzel-GdB von 20 berücksichtigt und der Gesamt-GdB mit 50 eingeschätzt worden war/en,
mit Bescheid vom 14.04.2008 den GdB mit 50 seit 20.03.2008 festgestellt.
Am 07.08.2009 ließ die Klägerin durch Rentenberater E. unter Vorlage einer am 05.08.2009 unterschriebenen Vollmacht eine Überprüfung
des Bescheides vom 14.04.2008 sowie eine Neufeststellung des GdB beantragen. Zur Begründung wurde ausgeführt, unfallbedingt
sei eine chronifizierte und operativ zu versorgende Meniskusverletzung hinzugetreten. Unter dem 10.08.2009 übersandte der
Beklagte seine Akten zur Einsicht und ein Antragsformular mit der Bitte, dieses bis Mitte September ausgefüllt zurückzusenden.
Mit Schreiben vom 17.08.2009 kündigte Rentenberater E. eine Erledigung bis zum 31.10.2009 an. Am 03.12.2009 mahnte der Beklagte
an, bis zum 15.01.2010 den Überprüfungsantrag zu begründen und das Antragsformular für den Neufeststellungsantrag ausgefüllt
zu übersenden. Eine Antwort hierauf ging beim Beklagten indessen nicht ein. Mit Schreiben vom 25.01.2010 wies der Beklagte
unter Hinweis auf die §§
60 Abs.
1 und
66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) darauf hin, er werde die beantragte Feststellung nach dem
Neunten Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX) versagen, wenn die Klägerin ihrer Mitwirkungspflicht weiterhin nicht nachkomme und bis zum 01.03.2010 eine Antwort von ihr
nicht vorliege.
Der Versorgungsarzt B. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.05.2010 als Behinderungen eine posttraumatische
Belastungsstörung, ein chronisches Schmerzsyndrom sowie ein Fibromyalgiesnydrom mit einem Einzel-GdB von 50 und degenerative
Veränderungen der Wirbelsäule sowie einen Bandscheibenschaden mit einem Einzel-GdB von 10 und bewertete den Gesamt-GdB weiterhin
mit 50. Eine Fehlbeurteilung könne nicht festgestellt werden.
Mit Bescheid vom 10.06.2010 lehnte der Beklagte den Antrag auf Erteilung eines Rücknahmebescheides nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ab. Er führte zur Begründung aus, die Klägerin habe keine neuen rechtserheblichen Tatsachen oder Gesichtspunkte vorgebracht
und stütze sich vielmehr auf dieselben Tatsachen und Gesichtspunkte, die bereits bei Erteilung des Bescheides vom 14.04.2008
berücksichtigt worden seien. An dessen Bindung müsse daher festgehalten werden.
Mit weiterem Bescheid vom 11.06.2010 versagte der Beklagte die beantragte Feststellung nach dem
SGB IX. Er führte unter Hinweis auf die §§
60 Abs.
1 und
66 SGB I zur Begründung aus, die Klägerin sei ihrer Mitwirkungspflicht trotz Fristsetzung und Hinweis auf die nachteiligen Folgen
ihres Verhaltens nicht nachgekommen, weshalb die beantragte Feststellung nach dem
SGB IX versagt werde. Der Beklagte führte ferner aus, bei dieser Entscheidung habe er in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens berücksichtigt,
dass die Erfüllung der Mitwirkungspflicht in einem angemessenen Verhältnis zur beantragten Sozialleistung stehe und der Klägerin
auch zugemutet werden könne, zumal von ihm alle Möglichkeiten, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, ausgeschöpft seien.
Werde die Mitwirkung nachgeholt und lägen die Voraussetzungen für eine Feststellung nach dem
SGB IX vor, könne er die versagte Feststellung nachträglich ganz oder teilweise erbringen.
Am 12.07.2010 legte die Klägerin durch Rentenberater E. gegen den Bescheid vom 11.06.2010 Widerspruch ein. Trotz dreimaliger
Aufforderung des Beklagten erfolgte eine Begründung des Widerspruchs nach erneut gewährter Akteneinsicht nicht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2011 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Überprüfung habe
ergeben, dass der angefochtene Bescheid nach Lage der Akten keinen Anlass zu Beanstandungen gebe.
Hiergegen hat die Klägerin am 28.02.2011 durch Rentenberater E. Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben. Er hat die Ansicht
vertreten, sei im Rahmen des Schwerbehindertenrechts sei eine Versagung wegen fehlender Mitwirkung nicht möglich. Zahlreiche
Bundesländer hätten zu der Frage, ob §
66 SGB I im Rahmen des §
69 SGB IX anwendbar sei, eine unterschiedliche Auffassung. Er hat hierzu Auskünfte diverser Ministerien vorgelegt, wonach eine Anwendung
im Freistaat Sachsen statt- und im Land Brandenburg sowie in der Freien und Hansestadt Hamburg nicht stattfinde. Ferner hat
er auf den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16.06.2010 - L 3 SB 4214/09 - hingewiesen.
Mit Urteil vom 15.03.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, hinsichtlich der Folgen
unterlassener Mitwirkung bestehe bei der Bewilligung von Sozialleistungen und bei der Feststellung von Behinderungen eine
vergleichbare Interessenlage. Zum einen solle die Verwaltung von Entscheidungen mit unter Umständen aufwändiger Sachprüfung
nach Beweislastgrundsätzen entlastet werden, insbesondere bei Überprüfungen von Amts wegen nach § 48 SGB X, wenn zu Ungunsten des nicht mitwirkenden Betroffenen keine Beweislastentscheidung getroffen werden könne, weil die Beweislast
auf Seiten der Behörde liege. Zum anderen schütze die Versagung den Antragsteller vor einer Beweislastentscheidung mit materieller
Bindungswirkung, die - falls Rechtsbehelfsfristen versäumt würden - nur noch im Zugunstenverfahren gemäß § 44 SGB X beseitigt werden könne. Demgegenüber könnten die negativen Folgen einer Versagung gemäß §
66 SGB I jederzeit durch Nachholung der Mitwirkungshandlung behoben werden. Die Interessen der Beteiligten seien bei der Entscheidung
über eine Statusfeststellung ebenso schützenswert.
Die Klägerin hat durch Rentenberater E. gegen das ihm am 21.03.2012 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am Montag, den 23.04.2012,
Berufung eingelegt und zur Begründung auf die in einem Teil der Bundesländer vertretene Rechtsauffassung verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15. März 2012 und den Bescheid des Beklagten vom 11. Juni 2010 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2011 aufzuheben,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten
des Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe
1.
Die gemäß §§
143 und
144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte und nach §
151 SGG frist- und formgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §
124 Abs.
2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist auch im Übrigen zulässig. Die Berufung ist insbesondere ordnungsgemäß erhoben,
denn nach Ansicht des Senats ist Rentenberater E. im zu entscheidenden Rechtsstreit vertretungsbefugt.
Vertretungsbefugt nach §
73 Abs.
2 Nr.
3 SGG in der seit 01.07.2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12.12.2007 (BGBl. I S.
2840) sind Rentenberater im Umfang ihrer Befugnisse nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Ferner gelten §§ 1 und 3 Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz (RDGEG) sowie Art. 1 § 1 Rechtsberatungsgesetz (RBerG).
Natürliche und Juristische Personen sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die bei der zuständigen Behörde registriert
sind (registrierte Personen), dürfen aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen unter anderem in dem Bereich Rentenberatung
auf dem Gebiet der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung, des sozialen Entschädigungsrechts, des übrigen Sozialversicherungs-
und Schwerbehindertenrechts mit Bezug zu einer gesetzlichen Rente sowie der betrieblichen und berufsständischen Versorgung
erbringen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RDG).
Inhaber einer Erlaubnis nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 5 oder 6 RBG werden unter Angabe des Umfangs ihrer Erlaubnis
als registrierte Personen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder 3 RDG registriert (§ 1 Abs. 3 Satz 1 RDGEG). Erlaubnisinhaber, deren Erlaubnis sich auf andere Bereiche erstreckt oder deren Befugnisse über die in § 10 Abs. 1 RDG geregelten Befugnisse hinausgehen, werden gesondert oder zusätzlich zu ihrer Registrierung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 RDGEG als Rechtsbeistände oder Erlaubnisinhaber (registrierte Erlaubnisinhaber) registriert (§ 1 Abs. 3 Satz
2 RDGEG). Sie dürfen unter ihrer bisher geführten Berufsbezeichnung Rechtsdienstleistungen in allen Bereichen des Rechts erbringen,
auf die sich ihre bisherige Erlaubnis erstreckt (§ 1 Abs. 3 Satz 3 RDGEG). Registrierte Erlaubnisinhaber stehen unter anderem
im Sinne von §
73 Abs.
2 Satz 1
SGG einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung nach dem Umfang
ihrer bisherigen Erlaubnis oder durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten
zuständige Stelle gestattet war (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 RDGEG).
Die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, einschließlich der Rechtsberatung und der Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken
abgetretener Forderungen, darf geschäftsmäßig - ohne Unterschied zwischen haupt- und nebenberuflicher oder entgeltlicher und
unentgeltlicher Tätigkeit - nur von Personen betrieben werden, denen dazu von der zuständigen Behörde die Erlaubnis erteilt
ist. Die Erlaubnis wird jeweils für einen Sachbereich erteilt: 1. Rentenberatern, 2. Versicherungsberatern für die Beratung
und außergerichtliche Vertretung gegenüber Versicherern a) bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen,
b) bei der Wahrnehmung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag im Versicherungsfall, 3. Frachtprüfern für die Prüfung
von Frachtrechnungen und die Verfolgung der sich hierbei ergebenden Frachterstattungsansprüche, 4. vereidigten Versteigerern,
soweit es für die Wahrnehmung der Aufgaben als Versteigerer erforderlich ist, 5. Inkassounternehmern für die außergerichtliche
Einziehung von Forderungen (Inkassobüros), 6. Rechtskundigen in einem ausländischen Recht für die Rechtsbesorgung auf dem
Gebiet dieses Rechts; eine für das Recht eines der Mitgliedstaaten der Europäischen Union erteilte Erlaubnis erstreckt sich
auf das Recht der Europäischen Gemeinschaften (Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG). Sie darf nur unter der der Erlaubnis entsprechenden Berufsbezeichnung ausgeübt werden (Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 RBerG). Die Erlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Antragsteller die für den Beruf erforderliche Zuverlässigkeit und persönliche
Eignung sowie genügende Sachkunde besitzt und ein Bedürfnis für die Erlaubnis besteht (Art. 1 § 1 Abs. 2 Satz 1 RBerG).
Aus diesem Regelungszusammenhang ergibt sich, dass Erlaubnisinhaber, deren Erlaubnis sich auf andere Bereiche erstreckt oder
deren Befugnisse über die in § 10 Abs. 1 RDG hinausgehen, gesondert oder zusätzlich zu ihrer Registrierung als Erlaubnisinhaber registriert werden können. Sie dürfen
dann unter ihrer bisher geführten Berufsbezeichnung Rechtsdienstleistungen in allen Bereichen des Rechts erbringen, auf die
sich ihre bisherige Erlaubnis erstreckt. Registrierte Erlaubnisinhaber stehen insoweit einem Rechtsanwalt gleich.
Rentenberater E. ist im Rechtsdienstleistungsregister - wie sich dies aus der Registrierung der Registrierungsbehörde, dem
Landgericht Freiburg, ergibt - für den Bereich "Rentenberatung" als "registrierter Erlaubnisinhaber" unter anderem wie folgt
eingetragen: "Erlaubnis nach §
73 Abs.
6 SGG i.V.m. §
157 Abs.
3 ZPO und der Verordnung des damaligen Arbeitsministeriums Baden-Württemberg über die Zuständigkeit für die Zulassung zum mündlichen
Verhandeln vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit vom 26.06.1963 zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten Freiburg,
Heilbronn, Karlsruhe, Konstanz, Mannheim, Reutlingen, Stuttgart und Ulm sowie vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg
im Rahmen seiner Erlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG gemäß Verfügung des Präsidenten des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 05.08.1993" (www.rechtsdienstleistungsregister.de).
Der Sinn und Zweck des § 1 RDGEG liegt darin, Alterlaubnisinhabern einen eingeschränkten Bestandsschutz zu gewähren, indem
sie die Möglichkeit erhalten sollen, ihre Rechtsdienstleistungen dauerhaft weiter zu erbringen, wenn sie auf ihren Antrag
hin im neuen Rechtsdienstleistungsregister registriert worden sind. Eine Einschränkung des Umfangs ihrer Rechtsdienstleistungsbefugnis
ist nicht vorgesehen (so VG Mainz, Urteil vom 18.02.2011 - 4 K 642/10.MZ - [...] Rz. 25; VG Würzburg, Urteil vom 11.06.2012 - W 7 K 11.720 - [...] Rz. 39). Die Gegenmeinung (LSG Baden-Württemberg,
Beschluss vom 29.11.2012 - L 8 SB 2721/12 - [...] Rz. 16; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.06.2012 - L 8 SB 537/11 - [...] Rz. 12; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.05.2008 - L 5 SB 25/03 - [...] Rz. 20 bis 25 und 30 unter Hinweis auf den Wortsinn des Begriffs "Rentenberater", die Möglichkeit der Erteilung auch
nur von Teilerlaubnissen und den Schutzgedanken des RBerG) hätte zur Folge, dass letztlich erst im gerichtlichen Verfahren die Frage anhand einer dann zu entwickelnden Kasuistik geklärt
werden könnte, ob die prozessualen Handlungen des Rentenberaters zulässig sind beziehungsweise waren, was bei der rechtssuchenden
Bevölkerung und insbesondere den Mandanten eines Rentenberaters zu einer nicht mit den Schutzzwecken des RBerG zu vereinbarenden Unsicherheit führen würde und daher nicht überzeugt (VG Mainz, Urteil vom 18.02.2011 - 4 K 642/10.MZ - [...] Rz. 31; VG Frankfurt, Urteil vom 25.01.2012 - 4 K 1803/10.F - [...] Rz. 42 und 44; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.10.2007 - L 6 SB 6134/06 B - [...] 19; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.02.1995 - L 11 B 262/94 - Leitsatz in [...], Breithaupt 1995, 523 ff., 527; zustimmend OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27.10.2011 - 3172 E 6-1/11,
3172 E 6-1/11 - Leitsatz in [...]). Der Senat ist deshalb der Auffassung, dass bei der formalen Frage, ob ein Rentenberater
in Schwerbehindertensachen zulässigerweise die Vertretung übernehmen kann, von vornherein sichere Abgrenzungskriterien vorhanden
sein müssen.
Nach Maßgabe dessen ist Rentenberater E. als registrierter Erlaubnisinhaber im vorliegenden Fall vertretungsbefugt. Der Senat
orientiert sich bei der Prüfung seiner Vertretungsbefugnis allein am Wortlaut der dem Rentenberater früher erteilten Erlaubnis
zur Rentenberatung. Denn nach Sinn und Zweck des § 1 RDGEG sollen Alterlaubnisinhaber ihre früher erlaubten Rechtsdienstleistungen
dauerhaft weiter erbringen können (anderer Ansicht auf die aktuellen Umstände abstellend LSG Baden-Württemberg, Beschluss
vom 29.11.2012 - L 8 SB 2721/12 - [...] Rz. 16; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.06.2012 - L 8 SB 537/11 - [...] Rz. 9). Eine Auslegung der in den Jahren 1983 und 1993 erteilten Erlaubnisse, die sich an heutigen Vorstellungen
zum Rentenberaterberuf orientiert, stünde damit nicht in Einklang (VG Mainz, Urteil vom 18.02.2011 - 4 K 642/10.MZ - [...] Rz. 30; VG Frankfurt, Urteil vom 25.01.2012 - 4 K 1803/10.F - [...] Rz. 25).
Zwar spricht der Begriff des Rentenberaters schon dem Wortsinn nach dafür, dass sein Tätigwerden Renten betreffen muss, womit
vor allem die Bereiche der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte, der betrieblichen
Altersversorgung sowie des Versorgungsrechts gemeint sind (vgl. zum Folgenden BSG, Urteil vom 06.03.1997 - 7 RAr 20/96 - SozR 3-1300 § 13 Nr. 4, [...] Rz. 20). Nach der amtlichen Begründung zu Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RBerG, die auf Empfehlung des Rechtsausschusses in den Gesetzestext Eingang fand, war der Begriff des Rentenberaters allerdings
umfassend zu verstehen (BT-Drucks 8/4277 S. 22 zu Art. 2 Abs. 6 Nr. 1): "Die Rentenberater (Nr. 1) haben sich bei der Unübersichtlichkeit
und zunehmenden Bedeutung des Sozialversicherungsrechts im Rechtsleben - insbesondere auch bei der Kontrolle der Versicherungsanstalten
- als unentbehrlich erwiesen, insbesondere gerade auch in der Zusammenarbeit mit der Anwaltschaft. Der Begriff Rentenberater
in Nr. 1 ist umfassend zu verstehen. Eine Erlaubnis soll nicht nur solchen Personen erteilt werden, die auf dem Gebiet der
Sozialrenten beraten, sondern z. B. auch solchen, die auf dem Gebiet der betrieblichen Altersversorgung oder dem Versorgungsrecht
tätig sind." Der Gesetzgeber wollte also zumindest keine Beschränkung des Rentenberaters etwa nur auf Tätigkeiten ausschließlich
auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.02.1995 - L 11 B 262/94 - Breithaupt 1995, 523 ff., 526).
Hinzu kommt, dass nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RDG die Vertretung auf dem Gebiet des sozialen Entschädigungsrechts nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu dem Tätigkeitsgebiet des Rentenberaters gehört, soziales Entschädigungsrecht und Schwerbehindertenrecht aber eng miteinander
verzahnt sind. So ist nach § 69 Abs. 1 Satz 1 BVG eine Behördenidentität gegeben, verweist §
69 Abs.
1 Satz 3
SGB IX auf das Recht der Kriegsopferversorgung und gelten nach §
69 Abs.
1 Satz 5
SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG sowie die aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassene Rechtsverordnung entsprechend. Auch diese enge Verzahnung beider Rechtsgebiete spricht zur Überzeugung des Senats
dafür, den Rentenberatern den Zugang zum Schwerbehindertenrecht insgesamt zu eröffnen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt LSG Baden-Württemberg,
Beschluss vom 23.02.1995 - L 11 B 262/94 - Leitsatz in [...], Breithaupt 1995, 523 ff.).
Wie sich aus Art. 1 § 1 Abs. 2 RBerG ergibt, verfolgt das RBerG schwerpunktmäßig das Ziel, den Rechtsuchenden vor Schäden zu bewahren, die sich daraus ergeben können, dass er die Erledigung
seiner Rechtsangelegenheiten Personen überlässt, die nicht die Gewähr für eine ordnungsgemäße Erledigung bieten (so BSG, Urteil vom 06.03.1997 - 7 RAr 20/96 - SozR 3-100 § 13 Nr. 4, [...] Rz. 25). Diese Zielsetzung wird dadurch unterstrichen, dass Versicherungsberatern, Frachtprüfern,
vereidigten Versteigeren, Inkassounternehmen und Rechtskundigen in einem ausländischen Recht die Erlaubnis zur Besorgung fremder
Rechtsangelegenheit nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 bis 6 RBerG nur für bestimmte Tätigkeitsbereiche vorsieht. Die Tatsache, dass hingegen nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RBerG keinerlei Einschränkung der Erlaubnis bei Rentenberatern gesetzlich vorgesehen ist, spricht gegen eine enge Auslegung dieser
Erlaubnis.
Aus dem Prüfungsstoff schließlich lassen sich ebenfalls keine Rückschlüsse auf den Umfang einer gemäß Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 RBerG zu erteilenden Teilerlaubnis ziehen (so BSG, Urteil vom 06.03.1997 - 7 RAr 20/96 - [...] Rz. 26; dem folgend LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.05.2008 - L 5 SB 25/03 - [...]).
Folglich ist auf die dem Rentenberater E. erteilten Erlaubnisse vom 14.09.1983 und 05.08.1993 zur Rechtsberatung als Rentenberater
abzustellen. Die Erlaubnis vom 14.09.1983 hat unter anderem folgenden Wortlaut: "M. E. ist am 15.6.1983 aufgrund des Artikels
1 § 1 des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) die Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einschließlich der Rechtsberatung, als Rentenberater gemäß Artikel
1 § 1 Abs. 1 Satz 2 RBerG erteilt worden." Mit Verfügung vom 05.08.1993 gestattete ferner der Präsident des LSG Baden-Württemberg dem Prozessbevollmächtigten
der Klägerin im Rahmen der Erlaubnisse des Präsidenten des AG Berlin-Tiergarten vom 14.09.1983 und des Präsidenten des LG
Freiburg vom 07.05.1993 das mündliche Verhandeln vor allen acht Sozialgerichten des Landes Baden-Württemberg und vor dem LSG.
Zwar enthalten diese Erlaubnisse selbst keine dezidierte Aussage dazu, in welchem Umfang Rentenberater E. als Prozessbevollmächtigter
tätig sein darf, sondern verweist diesbezüglich nur auf Art. 1 § 1 RBerG. Vorliegend spricht aber im Rahmen der notwendigen Auslegung der dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin erteilten Rechtsberatungserlaubnisse
Überwiegendes dafür, deren Umfang so zu verstehen, dass ein konkreter Rentenbezug im jeweiligen Einzelfall in Verfahren aus
dem Schwerbehindertenrecht unter der Geltung des RBerG nicht erforderlich war. Eine solche Beschränkung auf Rechtstreitigkeiten mit Bezug zu einer gesetzlichen Rente enthält die
Verfügung nämlich nicht; dementsprechend war und ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin seit 30 Jahren auf dem Gebiet
des Schwerbehindertenrechts tätig. Zwar war und ist Ausgangs- und Endpunkt der Rentenberatung die Rente. Es wurde aber unter
Geltung des früheren Rechts nach - zwar nicht unbestrittener, aber letztlich - überzeugender Ansicht die Betätigung jedenfalls
auf dem Gebiet des Schwerbehindertenrechts ausgehend von historisch begründeten Zuständigkeiten der Rentenberater auf dem
Gebiet der Sozialrenten und des Versorgungsrechts und einer abstrakten (aber eben nicht notwendigerweise in jedem konkreten
Einzelfall bestehenden) Verzahnung der genannten Rechtsbereiche mit der gesetzlichen Rente als von der Rentenberatererlaubnis
mit umfasst angesehen. Daher handelt es sich bei der hier vertretenen Auslegung auch nicht, wie von der Gegenmeinung (LSG
Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.05.2008 - L 5 SB 25/03 - [...]) angenommen, um eine Erweiterung von Vertretungskompetenzen ohne sachlichen Bezug zur Kernkompetenz eines Rentenberaters
(VG Mainz, Urteil vom 18.02.2011 - 4 K 642/10.MZ - [...] Rz. 36).
Dass keine Vertretungsbefugnis eines Rentenberaters und registrierten Erlaubnisinhabers im Bereich des Arbeitsförderungsrechts
(BSG, Urteil vom 21.03.2002 - B 7 AL 64/01 R - SozR 3-1300 § 13 Nr. 7, [...] Rz. 20 bis 29; BVerfG, Beschluss vom 22.12.2000 - 1 BvR 717/97 - [...] Rz. 13 bis 18; BSG, Urteil vom 06.03.1997 - 7 RAr 20/96 - SozR 3-1300 § 13 Nr. 4, [...] Rz. 16 bis 26; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 14.08.2007 - L 13 AL 3429/05; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.02.1996 - L 13 Ar 336/95 - Leitsatz in [...], Breithaupt 1996, 887 ff.; OVG Rheinland-Pfalz,
Urteil vom 24.04.1990 - 6 A 144/89.OVG - Leitsatz in [...]) und im Bereich der sozialen Pflegeversicherung (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.04.2012
- L 4 P 3405/11 - [...] Rz. 13; anderer Ansicht: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.07.2003 - L 4 P 208/01 - [...]; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23.05.2000 - L 5 B 34/00 - [...]) besteht, steht dem nicht entgegen, zumal es das BSG (Urteil vom 06.03.1997 - 7 RAr 20/96 - SozR 3-1300 § 13 Nr. 4, [...] Rz. 20) ausdrücklich offengelassen hat, wie die Rechtslage im Schwerbehindertenrecht zu beurteilen
ist (VG Mainz, Urteil vom 18.02.2011 - 4 K 642/10.MZ - [...] Rz. 32; VG Frankfurt, Urteil vom 25.01.2012 - 4 K 1803/10.F - [...] Rz. 43) und die soziale Pflegeversicherung erst zum 01.06.1994, also nach der an Rentenberater E. erfolgten Erlaubniserteilung,
eingeführt worden ist.
Damit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die über die reine Rentenberatung hinausgehenden Befugnisse dauerhaft weiter
erbringen kann, ist mit Verfügung des LG Freiburg vom 07.04.2010 eine Registrierung im Bereich "registrierte Erlaubnisinhaber"
erfolgt. Folgerichtig ist in dieser Verfügung ausgeführt, dass er unter seiner bisher geführten Berufsbezeichnung Rechtsdienstleistungen
in allen Gebieten des Rechts erbringen darf, auf die sich seine bisherige Erlaubnis erstreckt. Daraus folgt, dass er auf dem
Gebiet des Schwerbehindertenrechts auch dann auftreten kann, wenn die Rechtssache keinen konkreten Bezug zu einer gesetzlichen
Rente aufweist.
Dass sich Naturparteien generell Versäumnisse ihrer Bevollmächtigten zurechnen lassen müssen und fehlende Kenntnisse eines
Rentenberaters auf Verfahrens- und/oder prozessualer Ebene oder dessen sachwidrige Verfahrensbetreuung vielfach zu Lasten
der Mandantschaft gehen, rechtfertigt nicht, einer erteilten Alterlaubnis mit nachfolgender Registrierung als registrierter
Alterlaubnisinhaber die Anerkennung zu verweigern. Es ist hier dem Rechtsuchenden zuzumuten, den Bevollmächtigten, zum Beispiel
wegen unnötiger Prozessverschleppung mit hieraus folgenden Rechtsnachteilen, in Regress zu nehmen.
Dass das vorliegend von der Klägerin auf die Feststellung des GdB mit 50 gerichtete Verfahren aufgrund dessen, dass ein bereits
vor Beginn einer Regelaltersrente gestellter Rentenantrag weder vorgetragen noch aktenkundig ist, keinen Bezug zu einer gesetzlichen
Rente hat, steht deshalb der Annahme einer Vertretungsbefugnis ihres Rentenberaters nicht entgegen.
Im Ergebnis gilt daher, dass Rentenberater E. als "registrierter Erlaubnisinhaber" in Verfahren aus dem Schwerbehindertenrecht,
auch ohne konkreten Rentenbezug im Einzelfall, und damit auch vorliegend beratungs- und vertretungsbefugt ist.
2.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Beklagte hat mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 11.06.2010 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2011 zutreffend den Antrag auf die Bescheidung der Neufeststellung versagt. Zu Recht
hat daher das Sozialgericht die auf die Aufhebung dieser Bescheide gerichtete isolierte Anfechtungsklage im Sinne des §
54 Abs.
1 SGG abgewiesen.
Denn die Rechtmäßigkeit eines auf §
66 SGB I gestützten Bescheides richtet sich allein danach, ob die dort normierten Tatbestandsmerkmale der mangelnden Mitwirkung gegeben
sind und zwar unabhängig davon, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen vorliegen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom
19.07.2007 - L 7 AS 1703/06 - [...]). Eine Leistungs- oder Verpflichtungsklage wäre vielmehr unzulässig, solange der auf §
66 SGB I gestützte Versagungsbescheid Wirksamkeit entfaltet. Vorab muss daher erst dieser Bescheid mit Hilfe einer Anfechtungsklage
beseitigt werden (vgl. BSG, Urteil vom 25.10.1988 - 7 RAr 70/87 - SozR 1200 § 66 Nr. 13, [...]).
Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide ist §
66 Abs.
1 Satz 1
SGB I. Nach dieser Vorschrift kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen bis zur Nachholung der Mitwirkung die Leistung
ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistungen nicht nachgewiesen sind, wenn derjenige,
der eine Sozialleistung beantragt, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§
60 bis
62,
65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird.
Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen
des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen (§
60 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB I), Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen
abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen (§
60 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGB I), Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage
zuzustimmen (§
60 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB I). Soweit für die in §
60 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 und
2 SGB I genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden (§
60 Abs.
2 SGB I). Die Mitwirkungspflichten nach den §§
60 bis
64 SGB I bestehen nicht, soweit ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung
oder ihrer Erstattung steht oder ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder
der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen
Kenntnisse selbst beschaffen kann (§
64 Abs.
1 SGB I).
Diese Voraussetzungen liegen im Falle der Klägerin vor. Denn sie ist den ihr nach §
64 SGB I zumutbaren und in §
60 Abs.
1 SGB I geregelten Mitwirkungspflichten trotz des gemäß §
66 Abs.
3 SGB I erfolgten schriftlichen Hinweises auf die Folgen nicht innerhalb der ihr angemessen gesetzten Frist nachgekommen. Sie hat
es vielmehr trotz mehrfacher Erinnerung unterlassen, Angaben zu der behaupteten unfallbedingten Meniskusverletzung zu machen,
insbesondere wann ein solches Unfallereignis stattgefunden haben soll und bei wem sie sich deswegen in Behandlung begeben
hat, ggfs. auch neuere Befunde hierzu vorzulegen. Dadurch konnte der Beklagte den Antrag inhaltlich nicht bescheiden, sondern
nur formal ablehnen (Bescheid vom 10.06.2010), denn es lagen ihm keinerlei Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen über die
geltend gemachte Meniskusverletzung vor. Er war deswegen berechtigt, in Ausübung seines Ermessens die Neufeststellung des
GdB zu versagen und hat in dem Bescheid vom 11.06.2011 auch entsprechende Ermessenserwägungen angestellt, d. h. es liegt weder
ein Ermessensausfall noch ein Ermessensfehlgebrauch vor.
Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, sind die Regelungen der §§
60 Abs.
1 und
66 SGB I vorliegend zwar bereits nach dem Wortlaut der Vorschriften nicht unmittelbar anwendbar. Denn die in §
60 Abs.
1 Satz 1
SGB I geregelte Mitwirkungspflicht betrifft unmittelbar nur diejenigen, die Sozialleistungen im Sinne des §
11 SGB I beantragt haben. Die Klägerin begehrt aber die Neufeststellung des GdB, d. h. eine Statusfeststellung der Versorgungsbehörden
und damit keine Sozialleistungen im Sinne des §
11 SGB I (zu §§
60 bis
67 SGB I: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.01.2012 - L 8 SB 1808/11 - Breithaupt 2012, 872 ff., [...] Rz. 28; zu §§
60 und
66 SGB I: offen lassend Hessisches LSG, Urteil vom 21.01.2009 - L 4 SB 36/08 - [...] Rz. 20; zu Art. 67
SGB-IX-ÄndG: SG Dresden, Urteil vom 31.07.2001 - S 7 SB 193/00 - [...] Rz. 12; zu §
66 SGB I: Bayerisches LSG, Urteil vom 27.10.1999 - L 18 SB 12/96 - Breithaupt 2000, 593 ff., [...] Rz. 28; zu § 44 Abs. 1 SGB X: LSG Berlin, Urteil vom 09.10.1997 - L 11 Vs 27/97 - [...] Rz. 19; zu §§
63 und
64 SGB I: BSG, Urteil vom 12.02.1997 - 9 RVs 2/96 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 17, [...] Rz. 17; zu § 44 Abs. 1 SGB X: BSG, Urteil vom 29.05.1991 - 9a/9 RVs 11/89 - SozR 3-1300 § 44 Nr. 3, [...] Rz. 17 bis 22; so auch Mönch-Kalina in JurisPK-
SGB I, 2. Auflage 2011, § 11 Rz. 33; Luthe in JurisPK-SGB X, 1. Auflage 2013, § 20 Rz. 25; Richter in LPK-
SGB I, §
11 Rz. 7).
Die Klägerin war aber dennoch zur Mitwirkung verpflichtet. Denn die Regelungen der §§
60 Abs.
1 und
66 SGB I sind vorliegend nach Sicht des Senats analog anwendbar.
Die entsprechende Regelungslücke ergibt sich bereits aus der Systematik des
SGB I. Denn der Allgemeine Teil des Sozialgesetzbuchs umfasst grundsätzlich auch das
SGB IX. Im Ersten Abschnitt des
SGB I sind nämlich sowohl die Aufgaben des Sozialgesetzbuchs (SGB) als auch die sozialen Rechte geregelt, wobei das Recht der behinderten
Menschen auf die notwendige Hilfe zur Förderung ihrer Selbstbestimmung und gleichberechtigten Teilhabe nach §
10 SGB I die Statusfeststellung mit der Feststellung einer Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht voraussetzt. Die folgenden
Abschnitte, die die Verwirklichung dieser sozialen Rechte regeln, befassen sich dann aber ausschließlich mit den Sozialleistungen,
was auch für den Dritten Abschnitt gilt, der sich im Dritten Titel in §
66 SGB I mit den Rechtsfolgen unterlassener Mitwirkung befasst. Dabei ist übersehen worden, dass die sozialen Rechte nicht nur durch
Sozialleistungen, sondern auch durch Statusfeststellungen verwirklicht werden, die wiederum die Mitwirkung des Antragstellers
voraussetzen. Die Rechtsfolgen der unterlassenen Mitwirkung bei Statusfeststellungen sind aber nicht geregelt, hierin liegt
aus Sicht des Senats die Regelungslücke. Der Annahme einer Lücke steht auch nicht entgegen, dass das Verhalten der Klägerin
auch im Rahmen einer Beweislastentscheidung gewürdigt werden könnte. Denn insbesondere bei einer Heilungsbewährung trifft
zunächst die Behörde die Beweislast.
Die ausdrückliche Verweisung in §
69 Abs.
1 Satz 2
SGB IX auf §
60 Abs.
1 SGB I steht dieser Annahme nicht entgegen. Diese Verweisung betrifft nämlich ausschließlich erwerbstätige Antragsteller und ist
lediglich im Zusammenhang mit der weiteren Verweisung auf die Bearbeitungsfristen in §
14 Abs.
2 Satz 2 und
4 sowie Abs.
5 Satz 2 und
5 SGB IX zu sehen. Hieraus lässt sich nicht schließen, dass der Gesetzgeber von einer zusätzlichen allgemeinen Verweisung auf weitere
Vorschriften des
SGB I bewusst abgesehen hat.
Die Planwidrigkeit der Regelungslücke ergibt sich aus Sicht des Senats zum einen aus dem ersichtlichen Regelungsbedürfnis
und zum anderen daraus, dass an anderer Stelle bei vergleichbarer Interessenlage Spezialregelungen getroffen sind. So regelt
§ 44 Abs. 1 SGB X das Zugunstenverfahren im Hinblick auf zu Unrecht vorenthaltende Sozialleistungen, während § 44 Abs. 2 SGB X das Zugunstenverfahren im Übrigen - also auch im Hinblick auf Statusfeststellungen - betrifft. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber
grundsätzlich auf eine sachgerechte Differenzierung bedacht ist, die sämtliche Handlungsformen zur Verwirklichung der sozialen
Rechte erfasst.
Dessen ungeachtet ergibt sich die Pflicht zur Mitwirkung auch aus dem Anwendung findenden Grundsatz von Treu und Glauben (so
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.01.2012 - L 8 SB 1808/11 - Breithaupt 2012, 872 ff., [...] Rz. 28). Denn in den §§
60 bis
67 SGB I wird der allgemeine Mitwirkungsgrundsatz ausgestaltet, der jedenfalls für das Sozialrechtsverhältnis als öffentlich-rechtliches
Schuldverhältnis zwischen Behörde und Antragsteller anerkannt ist. Die Mitwirkungspflichten bestehen darin, dass Behörden
und Antragsteller alles in ihren Kräften Stehende und Zumutbare zu tun haben, um sich gegenseitig vor vermeidbaren, das Sozialrechtsverhältnis
betreffenden Nachteilen oder Schäden zu bewahren (BSG, Urteil vom 12.02.1997 - 9 RVs 2/96 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 17, [...] Rz. 18 und 19, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 23.03.1972 - 5 RJ 63/70 - SozR Nr. 25 zu § 29
RVO, [...]; so auch Seewald in Kasseler Kommentar, Vor §§ 60 bis 67 Rz. 24f.). Dieser, letztlich auf den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (BSG, Urteil vom 04.07.1962 - 3 RK 53/58 - SozR Nr. 33 zu § 165
RVO, [...]; BSG, Urteil vom 13.12.1960 - 3 RJ 117/56 - SozR Nr. 8 zu § 1258
RVO a. F., [...]) zurückzuführende Grundsatz gilt nach der Rechtsprechung auch im Schwerbehindertenrecht (BSG, Urteil vom 12.02.1997 - 9 RVs 2/96 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 17, [...]). Danach muss ein Antragsteller alles in seinen Kräften Stehende und Zumutbare tun, um an
der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Dem korrespondiert der Amtsermittlungsgrundsatz der Behörde. Dem Antragsteller
obliegt es, der Behörde die Neufeststellung des GdB zu ermöglichen und hieran mitzuwirken. Das hat die Klägerin indessen nicht
getan, so dass der Beklagte keinerlei Ansatz zu Ermittlungen hatte.
Hinsichtlich der Folgen unterlassener Mitwirkung besteht, worauf auch das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat, bei der
Bewilligung von Sozialleistungen und bei der Feststellung von Behinderungen eine vergleichbare Interessenlage. Die Versagung
von Sozialleistungen nach §
66 SGB I dient zum einen der Entlastung der Verwaltung von Entscheidungen mit unter Umständen aufwändiger Sachprüfung nach Beweislastgrundsätzen.
Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn es sich um Überprüfungen von Amts wegen nach § 48 SGB X handelt und zu Ungunsten des nicht mitwirkenden Betroffenen nicht ohne Weiteres eine Beweislastentscheidung getroffen werden
kann, weil die Beweislast auf Seiten der Behörde liegt. Die Versagungsentscheidung schützt aber auch andererseits den Antragsteller
vor einer materiell bindenden Beweislastentscheidung, die - falls Rechtsbehelfsfristen versäumt werden - nur noch im Zugunstenverfahren
gemäß § 44 SGB X beseitigt werden kann. Demgegenüber kann eine Versagung nach §
66 Abs.
1 Satz 1
SGB I jederzeit durch Nachholung der Mitwirkungshandlung behoben werden, denn das Versagen und Entziehen ist ausdrücklich auf die
Zeit "bis zur Nachholung der Mitwirkung" begrenzt.
Die Entziehung verhindert nämlich nicht das Entstehen eines Leistungsanspruchs oder das Bestehen eines subjektiven Leistungsrechts;
jedoch gehen Leistungsansprüche (erst) vom Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Entziehungsentscheidung an, d. h. zukunftsgerichtet
für die Dauer der Wirksamkeit der Entziehungsentscheidung, unter (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.01.2010 - L 11 KR 2274/09 - [...]). Da die Entziehung nach §
66 Abs.
1 Satz 1
SGB I rechtmäßig nur wegen fehlender Mitwirkung des Leistungsberechtigten, nicht aber wegen Fehlens materieller Leistungsvoraussetzungen
ausgesprochen werden darf, wird dieser Verwaltungsakt rechtswidrig, sobald die Mitwirkungspflicht nachgeholt wird oder aus
sonstigen Gründen entfällt. Dann ist der Entziehungsbescheid gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB X aufzuheben.
Schließlich sind die Interessen der Beteiligten bei der Bewilligung von Sozialleistungen ebenso schützenswert wie bei der
Entscheidung über eine Statusfeststellung, zumal es sich im Hinblick auf die erforderlichen Mitwirkungshandlungen - jedenfalls
im Schwerbehindertenrecht - lediglich um eine formale Differenzierung handelt. Ebenfalls im Schwerbehindertenrecht lassen
sich sachgerechte Feststellung einer Behinderung regelmäßig nur nach umfassender medizinischer Sachaufklärung mit entsprechender
Mitwirkungsbereitschaft des Antragstellers treffen. Das gilt in gleichem Maße für viele Sozialleistungen, beispielsweise für
Versichertenrenten oder Entgeltersatzleistungen wegen Krankheit, so dass nicht nur die dargestellte Schutzfunktion, sondern
auch die vergleichbare Interessenlage für eine analoge Anwendung spricht.
Nach alledem war der Beklagte in Ausübung seines Ermessens befugt, analog §
66 Abs.
1 Satz 1
SGB I die beantragte Neufeststellung des GdB bis zur Nachholung der Mitwirkung zu versagen. Die Berufung war daher zurückzuweisen,
wobei die Kostenentscheidung auf §
193 SGG beruht.
Die Revision war zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, ob die §§
60 Abs.
1 und
66 SGB I auch im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach §
69 SGB IX Anwendung finden, liegt nicht vor.