Auferlegung von Verschuldenskosten im sozialgerichtlichen Verfahren wegen Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Wege des Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Feststellung der Berufskrankheit (BK) Nr. 4105 der Anlage 1 zur
Berufskrankheitenverordnung (
BKV) sowie deren Entschädigung insbesondere in Form der Verletztenvollrente.
Der.1927 geborene Kläger war eigenen Angaben zufolge von 1947 bis 1961 selbständiger Gast- und Landwirt und von Februar 1961
bis Juli 1963 bei der Firma M. K., L., heute p. K.p. GmbH & Co KG, M. (vgl. Bl. 29 BA) beschäftigt. Hier war er mit dem Zertrümmern,
Mischen und Verarbeiten von Pulvern, Materialbrocken und - platten sowie Faserstoffen befasst (Bl. 20, 27 BA). Von Dezember
1963 bis März 1987 war er als Bankkaufmann in leitender Stellung bei der Raiffeisenbank L. tätig (vgl. Bl. 20, 27 BA).
Am 02.12.2008 zeigte die Klinik L. (Unterschrift unleserlich) bei der Berufsgenossenschaft Elektro, Textil, Feinmechanik,
einer Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte), den Verdacht auf eine BK an und fügte ihren Entlassungsbericht
vom 27.11.2008 über den stationären Aufenthalt des Klägers dort vom 04. bis 28.11.2008 bei. Hierin wird u.a. eine asbestassoziierte
Pleuritis mit pulmonaler Fibrose rechts diagnostiziert und als histologischer Befund einer am 10.11.2008 durchgeführten videothoraskoskopisch
assistierten Decortication der rechten Lunge eine asbestinduzierte chronisch-granulierende unspezifische fibrinöse Pleuritis
ohne atypische Mesothelproliferate sowie ohne Anhalt für Malignität angegeben.
Die Beklagte leitete ein BK-Feststellungsverfahren ein und nahm die Ermittlungen auf.
Auf Anfrage teilte die p. K.p. GmbH & Co KG mit Schreiben vom 26.02.2009 mit, es sei nicht mehr festzustellen, wann der Kläger
genau bei ihnen beschäftigt gewesen sei. Asbest sei in ihrer Produktion zu keinem Zeitpunkt weder verarbeitet noch recycelt
worden. Sie seien ausschließlich Hersteller von Kunststoffp.en auf Thermop.-Basis gewesen. Es sei zum damaligen Zeitpunkt
ausschließlich PVC-weich auf Basis E-PVC/DOP verarbeitet worden.
Der Staatliche Gewerbearzt Dr. H. stellte am 07.05.2009 fest, dass eine BK Nr. 4103 der
BKV nicht zur Anerkennung vorgeschlagen werde, da die haftungsbegründende Kausalität nicht wahrscheinlich gemacht worden sei.
Obwohl offenbar das klinische Bild für eine asbestassoziierte Pleuraerkrankung des Klägers spreche, könne aus der vorliegenden
Akte nicht entnommen werden, wo eine Asbestexposition stattgefunden habe.
Der Betriebsleiter der p. K.p. GmbH & Co KG, O, teilte auf telefonische Anfrage der Beklagten am 28.08.2009 mit, es sei niemals,
weder bei der Firma M. K. noch in der Nachfolgefirma p. K.p., mit Asbest gearbeitet worden (Bl. 47 BA).
Anlässlich eines Hausbesuchs beim Kläger durch einen Mitarbeiter der Beklagten am 16.11.2009 verneinte der Kläger die Frage,
ob er definitiv wisse, dass Asbest im Betrieb K. verarbeitet worden sei. Das PVC sei aus Italien angeliefert worden, eine
Produktbezeichnung nicht möglich, dem PVC seien Weichmacher und Farbe beigemischt gewesen, mehr könne er nicht dazu sagen.
In der Zeit als selbständiger Landwirt könne er sich auch nicht an Asbestkontakte erinnern. Der Landwirtschaft sei ein Gasthaus
angegliedert gewesen, in der Küche habe sich ein großer Wasserboiler befunden, hier könne es sein, dass dieser Boiler eine
Asbestisolierung gehabt habe. Eine weitere Möglichkeit der Asbestaufnahme könne während der Zeit der Kriegsgefangenschaft
in Russland im Ural gewesen sein, als die Gefangenen beim Aufbau eines Gaskraftwerkes hätten helfen müssen (Bl. 60 BA).
Schließlich zog die Beklagte den Entlassungsbericht des Klinikums Sch. G. vom 12.12.2008 bei, in dem nach stationärer Behandlung
des Klägers vom 07. bis 16.12.2008 u. a. eine pulmonale Fibrose bei asbestassoziierter Pleuritis mit restriktiver Ventilationsstörung
diagnostiziert wurde.
Mit Bescheid vom 05.10.2010 lehnte die Beklagte die Feststellung einer BK Nr. 4105 der
BKV-Liste ab. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht. Zur Begründung wird ausgeführt, Voraussetzung für eine beruflich bedingte
Tumorerkrankung des Brustfells sei der berufliche Umgang mit Asbest. Eine solche Asbesteinwirkung sei hier nicht nachweisbar.
Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Thermop.e seien seinerzeit mit Talkum und Asbest
verstärkt gewesen, auch Talkum sei asbesthaltig. Medizinisch gehe es um einen Pleuraerguss über zwei Liter. Der Verdacht auf
eine BK Nr. 4105 bestehe bei jedem Pleuramesotheliom.
In ihrem Schreiben an den Kläger vom 14.12.2010 führte die Beklagte aus, es handele sich bei Thermop.e technisch um synthetische
makromolekulare Werkstoffe. Je nach beabsichtigter Verwendung des Kunststoffes würden verschiedene Hilfsstoffe (Stabilisatoren,
Weichmacher und Füllstoffe) zugesetzt. Als anorganische Füllstoffe würden z.B. Gesteinsmehl, Kaolin, feinfaseriger Asbest,
Kreide und Glasfasern beigemischt. Asbest sei als anorganischer Füllstoff daher nicht auszuschließen, aber auch nicht zwangsläufig
in Thermop.en eingesetzt worden. Bei Talk (Speckstein), gemahlen Talkum, handele es sich um ein Magnesiumsilikat, das, je
nachdem, wo es abgebaut worden sei, Quarz oder Asbest enthalten könne. Da somit ein berufsbedingter Asbestkontakt des Klägers
zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich sei, sei der Antrag zu Recht abgelehnt worden (Bl. 103 BA).
Die Beklagte holte die ergänzende Stellungnahme des Technischen Aufsichtsbeamten K. vom 20.01.2011 ein, der ausführte, seine
einzige Informationsquelle sei der mittlerweile aus Altersgründen ausgeschiedene Betriebsleiter der Nachfolgefirma p. K.p.,
O, gewesen. Dieser habe seinerzeit auf mehrmalige Nachfrage jedes Mal bestätigt, dass kein Asbest verwendet worden sei. Zum
Talkum habe er ihn nicht befragt, dieses werde aber seiner Erfahrung nach auch nicht beim Extrudieren eingesetzt. Ob in Talkum
Asbest vorkommen könne, sei abhängig von der Lagerstätte. Inwieweit Handelsbeziehungen zu China und der ehemaligen UdSSR (Lagerstätte
mit Asbest) zum Zeitpunkt des "Kalten Krieges" bestanden hätten, vermöge er nicht zu beurteilen (Bl. 107 BA).
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Präventionsabteilung der Berufsgenossenschaft
Chemie habe einen Asbestkontakt nicht feststellen können. Ein Zusammenhang zwischen seiner Erkrankung und der beruflichen
Tätigkeit bei der Firma M. K. bestehe daher nicht.
Hiergegen erhob der Kläger am 23.03.2011 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) (S 10 U 1035/11) und beantragte, von Amts wegen die Diagnose eines Mesothelioms zu ermitteln respektive aufzuklären.
Das SG vernahm die behandelnde Ärztin Dr. B. schriftlich als sachverständige Zeugin vernommen, die mit Schreiben vom 08.06.2011
angab, im Wechsel mit Dr. B. den Kläger seit dem 03.11.2008 in ihrer lungenfachärztlichen Gemeinschaftspraxis zu behandeln.
Die letzte Untersuchung sei am 22.11.2010 erfolgt. Es bestehe eine asbestassoziierte Pleuritis mit pulmonaler Fibrose rechts,
die in der Klinik L. diagnostiziert worden sei. Bei Pleuraerguss rechts und gefesselter Lunge sei dort eine videoassistierte
Decortication der rechten Lunge durchgeführt worden. Hier habe sich kein Hinweis auf ein Pleuramesotheliom ergeben. Radiologisch
habe sich im November 2010 ein unveränderter Befund ergeben. Ein Mesotheliom habe sie bei dem Kläger nicht diagnostiziert.
Mit Urteil vom 18.08.2011 wies das SG die Klage ab, da das für die Feststellung einer BK Nr. 4105 vorauszusetzende Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells
oder des Pericards beim Kläger nicht vorliege.
Hiergegen legte der Kläger am 05.10.2011 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) ein und wiederholte sein
bisheriges Vorbringen, wonach bei der Produktion von Thermop.en Asbest und Talkum eingesetzt worden sei. Ein Mesotheliomverdacht
sei nicht von der Hand zu weisen, denn es werde von einem großen Pleuraerguss gesprochen.
Mit Beschluss vom 26.03.2012 wies das LSG die Berufung des Klägers zurück (L 8 U 4332/11), da beim Kläger ein Mesotheliom nicht diagnostiziert worden sei. Unabhängig hiervon stehe zur Überzeugung des Senats auch
fest, dass der Kläger eine gesundheitsgefährdende Einwirkung von Asbest während seiner knapp eineinhalbjährigen beruflichen
Tätigkeit nicht nachgewiesen habe.
Am 30.04.2012 hat der Kläger einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt und sein bisheriges Vorbringen wiederholt.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 26.06.2012 den Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X abgelehnt und den hiergegen eingelegten Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 12.10.2012 unter Hinweis auf die ergangenen
Gerichtsentscheidungen zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 15.11.2012 Klage beim SG erhoben (S 10 U 3614/12) und zur Begründung geltend gemacht, da der Asbest mehrfrontenartig wirke, also in mehreren Fronten auftrete, könne hier
ein Pleuramesotheliom aufgrund des Pleuraergusses von über 2 Litern nicht ausgeschlossen werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.03.2013 hat das SG die Klage nach vorangegangener Anhörung abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen für die Rücknahme des
Bescheides vom 05.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2011 seien nicht gegeben. Denn es seien zum
maßgebenden Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidun, und im Übrigen auch darüber hinaus, keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich,
dass der Tatbestand der BK Nr. 4105 erfüllt sei. Als BK Nr. 4105 sei ein durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells,
des Bauchfells oder des Pericards bezeichnet. Ein solches sei weder von der Klinik L., noch dem Klinikum Sch. G. und letztlich
auch nicht durch den behandelnden Lungenarzt Dr. B. diagnostiziert worden, so dass das medizinische Bild der BK nicht erfüllt
sei. Ein Pleuraerguss, auf den der Kläger wiederholt verweise, erfüllt den Tatbestand der BK nicht, so dass es auf einen solchen
nicht ankomme. Dieser vermöge an dem Umstand, dass bei dem Kläger ein Mesotheliom nicht diagnostiziert worden sei, nichts
zu ändern. Nachdem die Anerkennung einer BK sowohl das Vorliegen des medizinischen Bildes als auch der arbeitstechnischen
Voraussetzungen erfordere, es aber bereits an ersterem mangele, komme es auf letztere nicht mehr entscheidungserheblich an.
Es könne somit dahin stehen, ob der Kläger einer entsprechenden Asbesteinwirkung ausgesetzt gewesen sei.
Gegen den dem Klägervertreter am 28.03.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 08.04.2013 Berufung zum LSG eingelegt
und geltend gemacht, solange er mit dem Verdacht des Pleuramesothelioms lebe, müsse es ihm möglich sein, im Rechtswege die
Anerkennung der Asbesterkrankung zu erreichen. Soweit im Gerichtsbescheid des SG die Klage auf Gewährung von Entschädigungsleistungen insbesondere in Form der Verletztenrente als unzulässig abgewiesen worden
sei, sei dieser Standpunkt nicht prozessökonomisch, weil sich ein zusätzliches Verfahren anschließen würde und müsste, wenn
die BK Nr. 4105 festgestellt wurde.
Der Kläger beantragt sachdienlich gefasst,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 22. März 2013 sowie den Bescheid vom 26. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 12. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 5. Oktober 2010 zurückzunehmen, eine Berufskrankheit
Nr. 4105 der Anlage 1 zur
Berufskrankheitenverordnung festzustellen und insbesondere in Form der Verletztenvollrente zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat im Wesentlichen auf den Beschluss des LSG vom 26.03.2012 verwiesen.
Mit Verfügung vom 16.05.2013 hat der Berichterstatter den Kläger darauf hingewiesen, dass das LSG durch Beschluss vom 26.03.2012
rechtskräftig festgestellt habe, dass der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung der BK Nr. 4105 habe. Mit dem ca. fünf Wochen
später gestellten Überprüfungsantrag würden keine Umstände vorgetragen, die Anlass gäben, die der Entscheidung zugrunde gelegten
tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte in Zweifel zu ziehen. Wie im vorangegangenen Ausgangsverfahren werde auch im
Überprüfungsverfahren verkannt, dass bereits die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 4105 im Falle
des Klägers nicht vorliegen dürften, da es an der Diagnose eines Mesotheliom fehle.
Im Hinblick auf den anberaumten Erörterungstermin hat der Kläger unter Vorlage ärztlicher Atteste die Entbindung des Klägers
von der Anordnung des persönlichen Erscheinens beantragt. Im Schreiben des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. P. vom 28.05.2013
wird angegeben, der Kläger leide an einer Mehrfacherkrankung (Asbestose, Angina pectoris, Wirbelsäulensyndrom) und habe erhebliche
Schwierigkeiten größere Strecken zurückzulegen. Zusätzlich komme es häufig zu Atemnot, die den Patienten in seiner Belastbarkeit
und Mobilität zusätzlich einschränkten. Im weiteren Schreiben des Dr. P. vom 12.07.2013 wird unter Bezugnahme auf beigefügte
Befundberichte dargelegt, dass der Kläger an einer schweren zunehmenden Asbestose, einer schwergradigen coronaren Herzerkrankung
sowie einer hochgradigen spinalen Stenose leide. Dr. B. hat mit Schreiben vom 02.07.2013 an den Berichterstatter mitgeteilt,
der Kläger sei als multimorbide einzustufen. Zum einen bestehe eine schwergradige koronare Herzkrankheit, zum anderen eine
schwere zunehmende Lungenkrankheit. Bei letzterer handele es sich um eine asbestassoziierte Pleuritis mit pulmonaler Fibrose
rechts, wobei sich mittlerweile eine schwergradige Einschränkung der Lungenfunktion zeige. Es sei ihm nicht zumutbar, zu Gerichtsverhandlungen
nach Stuttgart zu kommen.
Mit weiterer Verfügung vom 17.07.2013 hat der Berichterstatter unter Bezugnahme auf die gerichtliche Verfügung vom 16.05.2013
darauf hingewiesen, dass bei Fortführung der Berufung die Möglichkeit bestehe, dem Kläger Verschuldenskosten nach §
192 Abs.
1 Nr.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) aufzuerlegen, da die Rechtsverfolgung bei bereits entschiedener Berufung (Beschluss vom 26.03.2012 - L 8 U 4323/11) ohne neue Tatsachendarlegung missbräuchlich sein dürfte.
Die Tochter des Klägers hat in ihrem Schreiben vom 20.07.2013 hiergegen eingewandt, sowohl ihr Vater als auch sie selbst hätten
wiederholt Stellung genommen, ohne Beachtung zu finden. Sie könnten keine neue Tatsachendarlegung bieten, sondern forderten
endlich die Beachtung der bislang reichlich vorgebrachten Tatsachen und Zusammenhänge auf wissenschaftlicher Basis. Die Lungenfachärztin
Dr. B. habe am 01.07.2013 nochmals die Eindeutigkeit der Diagnose "Asbestose" bestätigt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten
der Beklagten (3 Bände) sowie die Gerichtsakten des SG (S 10 U 1035/11 und S 10 U 3614/12) sowie des LSG (L 8 U 4323/11 und L 6 U 1529/13) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die nach §
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere statthafte Berufung (§§
143,
144 Abs.
1 Satz 2
SGG) ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 26.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
12.10.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des
Bescheides vom 05.10.2010.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem
Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht
worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger im Interesse der materiellen Gerechtigkeit einen einklagbaren
Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt
wurde (BSGE 51, 139, 141; BSG SozR 2200 § 1268 Nr. 29). Ob bei Erlass des Bescheides von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist, beurteilt sich im Vergleich
der Sachlage, wie sie dem zu überprüfenden Verwaltungsakt zu Grunde gelegt worden ist und wie sie sich bei Erlass des Verwaltungsaktes
bei nachträglicher Betrachtung im Zeitpunkt der Überprüfung rückschauend tatsächlich darstellt. Mithin kommt es nicht auf
den Erkenntnisstand bei Erlass, sondern bei Überprüfung an, die Rechtswidrigkeit beurteilt sich also nach der damaligen Sach-
und Rechtslage aus heutiger Sicht (BSGE 57, 209; 90, 136). Dies gilt auch dann, wenn z. B. die richtige medizinische Beurteilung erst später möglich geworden ist. Nach Unanfechtbarkeit
des zu überprüfenden Verwaltungsaktes liegt allerdings die objektive Beweislast für Tatsachen, aus denen sich eine Unrichtigkeit
des Verwaltungsaktes wegen fehlerhafter Sachverhaltsannahme ergeben kann, bei dem Adressaten des Verwaltungsaktes (st. Rspr.
BSG SozR 5870 § 2 Nr. 44).
Danach hat die Beklagte mit Bescheid vom 05.10.2010 zu Recht die Anerkennung der BK Nr. 4105 der
BKV abgelehnt.
Unter welchen Voraussetzungen eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen ist, ergibt sich aus §
9 Abs.
1 SGB VII, wenn - wie vorliegend - der Eintritt einer BK für die Zeit nach dem Inkrafttreten des
SGB VII am 01.01.1997 geltend gemacht wird (vgl. §
212 SGB VII). Danach sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen
bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen
zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen
bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt
sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten
versehen (§
9 Abs.
1 Satz 2
SGB VII). Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung Gebrauch gemacht und am 31.10.1997 die
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV) erlassen (BGBl. I 2623) sowie durch Art. 1 der Zweiten Verordnung zur Änderung der
Berufskrankheiten-Verordnung vom 11. Juni 2009 (BGBl I S. 1273) weitere BKen in Anlage 1 der
BKV neu aufgenommen.
Unter Nr. 4 der Anlage 1 werden verschiedene Erkrankungen der Atemwege und der Lungen, des Rippenfells und Bauchfells aufgelistet
(Nrn. 4101 bis 4302). Unter der Nr. 4105 wird "durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells oder
des Perikards" als BK definiert.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, da der Kläger weder bezogen auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides
vom 05.10.2010, noch - was indes nicht entscheidungserheblich ist - nach heutigen Erkenntnissen an einem Mesotheliom (von
Mesothel ausgehender Tumor der serösen Haut, Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch 2011) gelitten hat bzw. leidet.
Dies hat das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 22.03.2013 bereits im Einzelnen dargestellt. Zum selben Ergebnis ist der 8. Senat des
LSG in seinem Beschluss vom 26.03.2012 gelangt. Der erkennende Senat schließt sich diesen Ausführungen nach nochmaliger eigener
Überprüfung voll inhaltlich an und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung der Entscheidungsgründe
insoweit ab (§
153 Abs.
2 SGG). Insbesondere gibt das Vorbringen des Klägers im anhängigen Berufungsverfahren keinen Anlass zu weiteren Ausführungen, da
die vorgelegten medizinischen Auskünfte von Dr. P. und Dr. B. wiederum bestätigen, dass beim Kläger zu keinem Zeitpunkt ein
Mesotheliom bestanden hat. Es besteht somit auch kein medizinischer Aufklärungsbedarf, vielmehr ist der Sachverhalt durch
die eingeholten Zeugenauskünfte bzw. die vorgelegten aktuellen Befundberichte ausermittelt, sodass dem Ansinnen des Klägers
auf Einholung eines medizinischen Gutachtens von Amts wegen nicht nachzukommen war.
Da ein Anspruch auf Feststellung der BK Nr. 4105 mithin zu keinem Zeitpunkt bestanden hat, bedarf es keiner Entscheidung darüber,
ob der Kläger neben der Rücknahme des Bescheides vom 05.10.2010 und der Verurteilung der Beklagten zur Feststellung der BK
Nr. 4105 zugleich auch die Gewährung der von ihm beantragten Verletztenvollrente in zulässiger Weise hat einklagen können
(vgl. hierzu BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 12; SozR 4-2700 § 2 Nr. 2; Senatsurteil vom 16.05.2013 - L 6 U 5789/09). Denn nach §
56 Abs.
1 Satz 2
SGB VII ist Voraussetzung für die Bewilligung einer Verletztenrente, ebenso wie für andere Entschädigungsleistungen, u. a. das Bestehen
eines Versicherungsfalles, also eines Arbeitsunfalles oder einer BK (§
7 Abs.
1 SGB VII). Da die BK Nr.
4105 nicht festgestellt werden kann, kann der Kläger auf diesen Versicherungsfall auch keinen Anspruch auf eine Verletztenrente
stützen.
Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
1 SGG.
Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gemäß §
192 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG dem Kläger Verschuldenskosten aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise
die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die
Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung
des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Eine entsprechende Belehrung ist durch den Berichterstatter, der hinsichtlich prozessleitender
Verfügungen im vorbereitenden Verfahren und somit auch hinsichtlich der Darlegung nach §
192 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG die Aufgaben des Vorsitzenden wahrnimmt (so auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.11.2011 - L 13 R 2150/10 - [...]), mit gerichtlicher Verfügung vom 17.07.2013 erfolgt.
Die Rechtsverfolgung ist im vorliegenden Fall auch missbräuchlich. Ein Missbrauch im Sinne dieser Regelung ist insbesondere
dann anzunehmen, wenn der Rechtsstreit trotz offensichtlicher Aussichtslosigkeit weitergeführt wird (BT-Drucks. 14/6335 S.
35; BVerfG NJW 1986, 2102). Dabei genügt nach der geltenden Fassung des §
192 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG die objektive Aussichtslosigkeit (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.06.2003 - L 12 AL 3537/02; Hessisches LSG Urteil vom 11.12.2002 - L 6 AL 1000/01, jeweils zit. n. [...]; Knittel in Hennig,
SGG, §
192 Rdnr. 12; Groß in Hk-
SGG, §
192 Rdnr. 10; a. A. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, §
192 Rdnr. 9a) dann, wenn die weitere Rechtsverfolgung von jedem Einsichtigen auch als völlig aussichtslos angesehen werden muss.
Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Missbrauchsgebühr in §
34 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.11.1995 - 2 BvR 1806/95 - NJW 1996 S. 1273, 1274, zit. n. [...]). Die Rechtsprechung des BVerfG ist auch zur Auslegung des §
192 SGG heranzuziehen, denn Wortlaut und Zweck beider Vorschriften stimmen überein.
Die Fortführung der Berufung ist vorliegend missbräuchlich. Der Kläger hat lediglich fünf Wochen nach Zurückweisung seiner
Berufung durch Beschluss des LSG vom 26.03.2012 einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt, ohne auf die in den Gründen des Beschlusses dargelegten Umstände, die einer Anerkennung der beantragten BK Nr.
4105 entgegen stehen, zu reagieren. Nachdem erstinstanzlich im Verfahren S 10 U 1035/11, sodann im Berufungsverfahren L 8 U 4323/11 und erneut im sozialgerichtlichen Verfahren S 10 U 3614/12 wiederholt im Einzelnen dargelegt worden ist, dass nicht der Verdacht, sondern die Diagnose eines Mesotheliom neben weiteren
Voraussetzungen anspruchsbegründende Voraussetzung für die Anerkennung einer BK Nr. 4105 ist, und die vom Kläger selbst vorgelegten
medizinischen Auskünfte der ihn behandelnden Lungenfachärztin gerade nicht das Vorliegen eines Mesotheliom bestätigen, ist
die gänzlich aussichtslose Fortführung der Berufung missbräuchlich. Der Senat hält im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens
deshalb die Auferlegung einer Verschuldensgebühr für geboten. Die Höhe der auferlegten Kosten entspricht der gesetzlichen
Mindestgebühr (§
192 Abs.
1 Satz 3
SGG in Verbindung mit §
184 Abs.
2 SGG).
Daneben hat der Kläger die Hälfte der von Gesetzes wegen durch die Beklagte zu entrichtenden Pauschgebühr zu erstatten, denn
nach §
186 Satz 1
SGG wäre die Pauschgebühr als regelmäßig anfallende Gerichtskosten bei einer Erledigung des Rechtsstreits ohne Urteil auf die
Hälfte ermäßigt worden. Bei verständigem Handeln des Klägers wäre auch dieser Gerichtskostenanteil daher vermeidbar gewesen.
Er ist somit durch den Kläger in dieser Höhe der Beklagten zu erstatten (vgl. BSG, Urteil vom 27. April 1994 - 10 Rar 10/93 -, zit. n. [...]; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.04.2010 - L 12 AL 5449/09 -, zit. n. [...]; Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., §
192 Rdnrn. 13, 15). §
192 SGG i. d. F. ab 02.01.2002 ist eine Sonderregelung zu §§
193 Abs.
4,
186 Abs.1
SGG und begründet auch einen Erstattungsanspruch des anderen Beteiligten (h. M., vgl. Leitherer, a.a.O. Rdnrn 1a, 13 m.w.N.).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.