Anspruch auf Versorgung mit einem Therapiedreirad als Leistung der medizinischen Rehabilitation
Anforderungen an die Prüfpflichten des Trägers der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII als zweitangegangener Rehabilitationsträger
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Versorgung mit einem Therapiedreirad der Firma W..
Die am 1978 geborene Klägerin ist bei der Beigeladenen krankenversichert. Im Jahr 1994 wurde bei der Klägerin erstmals die
Diagnose einer Encephalomyelitis disseminata (Multiple Sklerose) gestellt. Seit 1. Mai 2014 sind bei ihr ein Grad der Behinderung
(GdB) von 60 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G festgestellt.
Durch den Facharzt für Neurologie Dr. G. wurde aufgrund der bei der Klägerin bestehenden Enzephalomyelitis disseminata unter
dem 7. Juni 2016 ein "Elektro-Dreirad 26 Fa. W." zulasten der beigeladenen Krankenkasse verordnet (Bl. 1 VA).
Die Beigeladene leitete den Antrag auf Kostenübernahme für ein Elektro-Dreirad mit Schreiben vom 15. Juni 2016, beim Beklagten
eingegangen am 20. Juni 2016, an den Beklagten weiter. Es würden Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beantragt.
Die Klägerin könne den Nahbereich zu Fuß erschließen. Für längere Strecken stehe ihr ein PKW zur Verfügung. Das beantragte
Elektro-Dreirad solle bei Kurzstrecken den Einsatz des Autos ersetzen. Das Elektro-Dreirad sei somit nicht für die Sicherung
der Krankenbehandlung und für den Behinderungsausgleich erforderlich.
Auf Frage des Beklagten zu Einzelheiten der beabsichtigten Nutzung des Dreirads und zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen
teilte die Klägerin mit, sie sei nicht sozialhilfebedürftig und habe eine sozialhilferechtliche Kostenübernahme nicht beantragt.
Die Zuständigkeit für die Bearbeitung des Antrags auf Versorgung mit einem Therapiedreirad habe grundsätzlich bei der Krankenkasse
gelegen, da es sich bei dem Therapiedreirad um ein Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung gemäß §
33 Abs.
1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) handele. Das Elektro-Therapiedreirad sei ärztlich verordnet worden. Die Therapie-Dreiräder der Firma W. seien mit einer
Hilfsmittelnummer im Sinne des Hilfsmittelverzeichnisses der gesetzlichen Krankenversicherung ausgestattet. Die Benutzung
des Therapiedreirades unterstütze und fördere den Gleichgewichtssinn insbesondere durch die Notwendigkeit zu Koordination
von gleichzeitigem Treten und Lenken und sei individuell an die körperlichen Bedürfnisse des Benutzers angepasst. Insoweit
handele es sich nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Das Therapiedreirad solle bei Kurzstrecken sowie
ausschließlich von der Klägerin benutzt werden. Die Klägerin legte medizinische Unterlagen vor (Bl. 79/170 VA). Nach einem
Arztbrief des Dr. G. vom 23. Juli 2013 (Bl. 152/153 VA) sei medizinisch sinnvoll auch hinsichtlich der Teilhabe am Familienleben
etc. ein Dreirad, damit die Klägerin in der Lage sei, ihre sozialen Aktivitäten mit der Familie aufrecht zu erhalten und gleichzeitig
die Koordination zu trainieren bzw. die dringend erforderliche Bewegung wahrzunehmen.
Seitens der Beigeladenen wurde dem Beklagten mitgeteilt (Schreiben vom 4. Januar 2017, Bl. 78 VA), es sei keine Ablehnung
des bei ihr gestellten Antrags erfolgt, sondern eine Weiterleitung an den Beklagten wegen Unzuständigkeit der gesetzlichen
Krankenversicherung. Es seien Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beantragt worden. Die Klägerin könne den
Nahbereich zu Fuß erschließen, da sie nach wie vor gehfähig sei. Für längere Strecken stehe ihr der eigene Pkw zur Verfügung.
Das beantragte Elektro-Dreirad sei somit nicht zur Sicherung der Krankenbehandlung und den Behinderungsausgleich erforderlich.
Um die beeinträchtigte Muskulatur zu unterstützen, würden regelmäßig krankengymnastische Übungen durchgeführt. Eine Muskelkräftigung
durch ein elektronisch betriebenes Dreirad sei hier nicht zielführend und diene nicht der Krankenbehandlung.
Vom 18. Januar 2017 bis 15. Februar 2017 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung im Neurologischen Fach- und Rehabilitationskrankenhaus
der S.-Kliniken. Nach dem Entlassungsbericht vom 20. Februar 2017 (Bl. 188/193 VA) wurden insbesondere eine Multiple Sklerose
mit schubförmigem Verlauf und unvollständiger Remittierung, Erstdiagnose 1994, seit 2015 Tecfidera, eine Stand- und Gangataxie
sowie eine Feinmotorikstörung rechts diagnostiziert. Um die Teilhabe zu verbessern und um ein gutes Training der Rumpf- und
Beinmuskulatur durchzuführen mit sekundärer positiver Auswirkung auch auf die Gangsicherheit bzw. Gangataxie sei aus ärztlicher
Sicht die Verordnung eines Dreirads zu befürworten. Angesichts der bestehenden Kraftminderung müsse dies ein Elektro-Dreirad
sein. In diesem Sinne sei das Elektro-Dreirad als medizinisches Hilfsmittel zu verstehen.
Mit Bescheid vom 31. Juli 2017 lehnte der Beklagte den Antrag auf Übernahme der Kosten für ein Elektro-Dreirad ab. Es bestehe
weder ein Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) noch ein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse nach dem
SGB V oder Leistungen anderer Rehabilitationsträger im Sinne von §
6 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX). Da die Klägerin den Nahbereich zu Fuß erschließen und weitere Strecken mit ihrem PKW zurücklegen könne, bestehe keine wesentliche
Einschränkung an der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Die Ermöglichung einer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft durch
ein weiteres Beförderungsmittel als es bereits durch das Kraftfahrzeug zur Verfügung stehe, sei keine Aufgabe der Eingliederungshilfe.
Da kein Antrag und kein sozialhilferechtlicher Bedarf für das Elektro-Dreirad als Leistung der Eingliederungshilfe vorlägen,
sei der nach §
14 SGB IX weitergeleitete Antrag nach den Bestimmungen des SGB XII abzulehnen. Nach den Bestimmungen des
SGB V sei der Antrag ebenfalls abzulehnen. Eine Muskelkräftigung durch ein elektronisch betriebenes Dreirad sei nicht zielführend
und diene nicht der Krankenbehandlung. Die regelmäßigen krankengymnastischen Übungen seien zweckmäßig und ausreichend.
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin am 15. August 2017 Widerspruch. Der Anspruch auf Versorgung mit einem Therapiedreirad
sei weder an das Vorliegen einer Tetraspastik geknüpft noch für Erwachsene ausgeschlossen. Das verordnete Therapie- bzw. Elektrodreirad
diene der Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung. Zur dauerhaften Sicherung der Gehfähigkeit der Klägerin reichten physiotherapeutische
Anwendungen nicht aus. Der Einsatz des Therapiedreirads, welches lediglich über einen unterstützenden E-Antrieb verfüge, verbessere
den Muskelaufbau und beuge insoweit auch dauerhaft einem vorzeitigen Verlust des Gehvermögens vor. Die Klägerin legte einen
Kostenvoranschlag vom 20. November 2017 für ein Front-Dreirad "HUGO 26" mit zusätzlichem Elektromotor und Hydraulik-Scheibenbremse
über 5538,24 EUR (Bl. 252 VA) vor.
Der Beklagte holte ein sozialmedizinisches Gutachten beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK)
ein. Im Gutachten vom 9. Januar 2018 führte Dr. S. aus, die medizinischen Voraussetzungen für die Leistung seien nicht erfüllt.
Dreiräder mit Fußpedalantrieb für Kinder seien positiv im Hilfsmittelverzeichnis gelistet. Eine Hilfsmittelversorgung von
Zwei- oder Dreirädern für Jugendliche und Erwachsene komme nicht in Betracht. Hier dienten Zwei- und Dreiräder primär der
Fortbewegung, ohne dass derartige Hilfsmittel die hohen therapeutischen Anforderungen wie bei einem Kind erfüllten. Die frühkindliche
Entwicklung sei hier bereits abgeschlossen und zur Therapie der vorliegenden Erkrankungen stünden andere zielgerichtetere
und wirtschaftlichere Behandlungsmaßnahmen zur Verfügung (z.B. Maßnahmen der physikalischen Therapie). Bei Jugendlichen und
Erwachsenen seien Zwei- und Dreiräder als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen, die in keinem Fall eine Leistungspflicht
der gesetzlichen Krankenversicherung begründeten. Umstände, wonach nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bewegliche sächliche Mittel zur Förderung oder Ermöglichung der Mobilisation, wie z.B. ein Therapiedreirad, in besonders
gelagerten Fällen Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung im Sinne von §
33 Abs.
1 Satz 1 1. Alt.
SGB V sein könnten, lägen nicht vor. Sollte für die Klägerin zum Zwecke sportlicher Aktivitäten ein entsprechendes Sportgerät erforderlich
sein, so falle dies (wie bei altersgleichen Gesunden) in die Eigenverantwortlichkeit des Betreffenden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2018 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung verwies der Beklagte hinsichtlich
des Nichtvorliegens der medizinischen Voraussetzungen für die Leistung durch die Krankenkasse auf das Gutachten des MDK. Der
Beklagte müsse danach davon ausgehen, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Kostenübernahme im Sinne der Bestimmungen
der BKK Mobil Oil und des
SGB V nicht vorlägen. Ob eine andere gesetzliche Krankenkasse im Rahmen des Ermessens einen Zuschuss zum beantragten Elektro-Therapiedreirad
gewähren würde, könne nicht beurteilt werden. Hinsichtlich eines Anspruchs auf Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII sei ein Sozialhilfeantrag mit den erforderlichen Nachweisen nicht vorgelegt worden. Die Ermöglichung einer Teilhabe am Leben
in der Gesellschaft durch ein weiteres Beförderungsmittel neben dem zur Verfügung stehenden Kraftfahrzeug sei keine Aufgabe
der Eingliederungshilfe. Da die Erschließung der Nah- und der Fernbereiche entweder zu Fuß oder mit dem Kraftfahrzeug möglich
sei, werde keine Bedarfssituation gesehen, in der die Mobilität der Klägerin eingeschränkt wäre. Weitere Rehabilitationsträger
kämen laut vorgebrachtem Sachverhalt nicht für eine Kostenübernahme in Betracht.
Am 27. März 2018 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, das ihr vom
behandelnden Neurologen Dr. G. verordnete Therapiedreirad diene der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung. Im Rahmen
des Entlassungsberichts vom 20. Februar 2017 der Kliniken S. sei nachvollziehbar und unmissverständlich dargelegt, dass die
regelmäßige Betätigung mit einem Dreirad eine gute Möglichkeit böte, Ausdauer mit körperlicher Kraft, insbesondere im Rumpf-
und Beinbereich zu verbessern, wobei hierdurch die Ausdauer und Sicherheit beim Gehen verbessert und die Sturzgefahr verringert
werden könne. Zur dauerhaften Sicherung der Gehfähigkeit der Klägerin reichten physiotherapeutische Anwendungen nicht aus.
Mit Beschluss vom 16. Juli 2018 hat das SG die BKK M. O. zum Verfahren beigeladen.
Das SG hat den Facharzt für Neurologie Dr. G. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Auf die Frage, welche Strecke die
Klägerin außerhalb des Hauses unter Zugrundelegung durchschnittlicher Wohn- und Lebensverhältnisse ohne Hilfe Dritter und
übermäßige Anstrengung, schmerzfrei und aus eigener Kraft zurücklegen könne, hat der sachverständige Zeuge in der Stellungnahme
vom 15. November 2018 eine Strecke auf ebenem Gelände von einem bis maximal 1,5 Kilometer bei deutlichen Fluktuationen im
Rahmen der Tagesform angegeben. Ein Elektro-Dreirad wäre einerseits hinsichtlich des notwendigen körperlichen Trainings, andererseits
jedoch auch zur sozialen Teilhabe an beispielsweise Familienaktivitäten medizinisch sinnvoll und hinsichtlich des Vorbeugens
einer Zunahme der Behinderung unbedingt sinnvoll. Zur Unterstützung der laufenden krankengymnastischen Behandlung sei ein
Elektro-Dreirad sinnvoll. Eine Reduktion der physikalischen Therapie wäre eventuell denkbar, sei jedoch nicht ex ante zu klären.
Auf die Frage, ob der Therapieerfolg gegebenenfalls durch andere Hilfsmittel abgedeckt werden könne, hat Dr. G. mitgeteilt,
von Seiten der körperlichen Situation wäre sicherlich ein Ausgleich durch beispielsweise einen Heimtrainer bzw. hochfrequente
krankengymnastische Behandlung möglich. Allerdings berücksichtige dies nicht die soziale Teilhabe hinsichtlich der psychischen-psychiatrischen
Komponente der Erkrankung, die wünschenswert wäre.
Mit Urteil vom 23. Mai 2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit dem begehrten Elektro-Therapiedreirad
gegenüber dem Beklagten. Es sei weder zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung noch zum Behinderungsausgleich erforderlich.
Das Elektro-Therapiedreirad sei auch nicht zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung erforderlich. Aus den ärztlichen
Stellungnahmen ergebe sich nicht, dass die Nutzung des Dreirads im Rahmen einer ärztlich verantworteten Krankenbehandlung
eingesetzt werden solle. Vielmehr sei das Elektrodreirad "medizinisch sinnvoll" und diene der "Unterstützung". Damit könnten
allenfalls therapeutische Nebeneffekte erzielt werden. Nicht jedwede gesundheitsfördernde Betätigung sei als spezifischer
Einsatz im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung anzusehen. Der Anspruch der Klägerin sei jedenfalls auch ausgeschlossen,
weil das Therapiedreirad nicht wirtschaftlich sei. Nach den Angaben des Dr. G. könne der Therapieerfolg ebenso durch einen
Heimtrainer bzw. hochfrequente krankengymnastische Behandlung erzielt werden.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 17. Juni 2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. Juli 2019 Berufung beim
Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Bereits im Entlassungsbericht vom 20. Februar 2017 habe das Neurologische
Fach- und Rehabilitationskrankenhaus Kliniken S. die Verordnung des Elektro-Dreirads als medizinisches Hilfsmittel bestätigt,
wobei der sachverständige Zeuge Dr. G. in seinem Bericht vom 23. Juli 2013 bereits darauf hingewiesen habe, dass zur Sicherung
des Erfolges der Krankenbehandlung ein Therapiedreirad zur Verbesserung der Gleichgewichtsstabilität beitrage. Letzteres lasse
sich zweifelsfrei nicht mit dem Einsatz eines Hometrainers erreichen. Der Antrag eines Therapiedreirads gestalte sich auch
nicht als unwirtschaftlich, da der Bedarf an physiotherapeutischen Anwendungen im Falle des Einsatzes eines Therapiedreirads
zumindest reduziert werde.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 23. Mai 2019 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Juli
2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2018 zu verurteilen, sie mit einem Elektro-Therapiedreirad 26 der
Firma W. zu versorgen, hilfsweise die Beigeladene zu verurteilen, sie mit einem Elektro-Therapiedreirad 26 der Firma W. zu
versorgen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin habe bislang nicht dargelegt, ob und inwieweit das begehrte Hilfsmittel in der auf ihre Erkrankung bezogenen
Therapie als unverzichtbar eingestuft werden müsse.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Der Senat hat den ärztlichen Entlassungsbericht der Kliniken S. vom 25. Oktober 2019 über den stationären Aufenthalt der Klägerin
vom 26. September 2019 bis 23. Oktober 2019 beigezogen (Bl. 45/49 der Senatsakte).
Die Klägerin hat eine ärztliche Bescheinigung des Facharztes für Neurologie H. vom 14. Februar 2020 (Bl. 56 der Senatsakten)
vorgelegt.
Wegen weiterer Einzelheiten sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie
die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, ist zulässig, insbesondere statthaft (§
144 Abs.
1 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz [SGG]), aber unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 31. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2018
(§
95 SGG), mit dem es der Beklagte abgelehnt hat, die Klägerin mit einem Therapiedreirad der Fa. W. zu versorgen. Dagegen wendet sich
die Klägerin statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§
54 Abs.
1 und 4, 56
SGG).
Der Bescheid vom 31. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2018 ist rechtmäßig und verletzt die
Klägerin nicht in ihren Rechten, da sie gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Versorgung mit dem begehrten Therapiedreirad
hat.
1. Der Beklagte ist im Außenverhältnis zur Klägerin der allein zuständige Träger für Leistungen der Rehabilitation. Zwar wurde
die begehrte Versorgung der Klägerin durch die ärztliche Verordnung vom 7. Juni 2016 durch Dr. G. zunächst bei der Beigeladenen
beantragt. Jedoch hat diese den Antrag mit Schreiben vom 15. Juni 2016 an den Beklagten weitergeleitet. Werden Leistungen
zur Teilhabe beantragt, stellt gemäß §
14 Abs.
1 Satz 1
SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung vom 23. April 2004 (a.F.) ein Rehabilitationsträger innerhalb von zwei
Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig
ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach §
40 Abs.
4 SGB V. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach
seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu (§
14 Abs.
1 Satz 2
SGB IX a.F.). Die Beigeladene hat den Antrag, nachdem sie zur Einschätzung gelangt ist, dass die Klägerin Teilhabeleistungen geltend
macht, die sie nicht nach den für sie geltenden Vorschriften des
SGB V zu erbringen hat, fristgerecht an den Beklagten weitergeleitet. Unerheblich für die Einhaltung der Frist ist, dass der Antrag
nicht bereits vor Fristablauf beim Beklagten eingegangen ist. Ein Leistungsantrag wird von dem erstangegangenen Rehabilitationsträger
dem für zuständig erachteten Rehabilitationsträger rechtzeitig "zugeleitet", wenn er innerhalb der - höchstens zwei Wochen
plus einen Werktag betragenden - Prüfungs- und Weiterleitungsfrist abgesandt wird; auf den Zeitpunkt des Eingangs beim Empfänger
kommt es nicht an (BSG, Urteil vom 3. November 2011 - B 3 KR 8/11 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 37).
Durch die nach §
14 SGB IX begründete Zuständigkeit haben andere Leistungsträger, im vorliegenden Fall die Beigeladene, ihre Entscheidungsbefugnis über
die Gewährung von Teilhabeleistungen nach den für sie geltenden Leistungsgesetzen verloren (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 5/07 R - SozR 4-3250 § 14 Nr. 8, juris Rdnr. 16). Als Folge ist die Beklagte verpflichtet, Teilhabeleistungen nach allen in Betracht
kommenden Rechtsgrundlagen unter Beachtung der besonderen persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der jeweiligen
Leistungsgesetze zu prüfen (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 5/07 R - SozR 4-3250 § 14 Nr. 8).
Der Beklagte ist als Träger der Eingliederungshilfe gem. § 6 Abs. 1 Nr. 7 SGB XII grundsätzlich auch Rehabilitationsträger für die Leistungen nach § 5 Nr. 1 und 5 SGB XII (Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur sozialen Teilhabe)
2. Der Beklagte ist als örtlicher Träger der Eingliederungshilfe (§
98 Abs.
1 SGB IX) richtiger Gegner des Verfahrens. Danach ist für die Eingliederungshilfe örtlich zuständig der Träger der Eingliederungshilfe,
in dessen Bereich die leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung nach
§
108 Abs.
1 SGB IX hat oder in den zwei Monaten vor den Leistungen einer Betreuung über Tag und Nacht zuletzt gehabt hatte. Nach §
94 Abs.
1 SGB IX bestimmen die Länder die für die Durchführung von Teil 2 des
SGB IX zuständigen Träger der Eingliederungshilfe. Gemäß §
1 Abs.
1 des Gesetzes zur Ausführung des
Neunten Buches Sozialgesetzbuch (AGSGB IX) vom 10. April 2018 (GBl. 2018, 113) sind in Baden-Württemberg die Stadt- und Landkreise Träger der Eingliederungshilfe
nach §
94 Abs.
1 SGB IX, vorliegend der Landkreis O.
3. Maßgeblich für die Frage, ob ein Leistungsanspruch besteht, ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entstehung (Fälligkeit)
der Kosten (vgl. BSG, Urteil vom 2. Februar 2012, SozR 4-5910 § 39 Nr. 1 Rdnr. 19; BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 8 SO 18/12 R - juris Rdnr. 12). Bei bislang unterbliebener Beschaffung ist deshalb die
Rechtslage zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz, somit am 25. März 2021, maßgeblich.
Rechtsgrundlage bis zum 31. Dezember 2019 war § 19 Abs. 3 SGB XII (in der Fassung des Gesetzes vom 20. April 2007 [BGBl. I S. 554]), §§ 53, 54 SGB XII in Verbindung mit §
55 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung des Gesetztes vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046). §§ 53 und 54 SGB XII sind durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz
- BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) mit Wirkung zum 1. Januar 2020 aufgehoben worden. Die Leistungen der Eingliederungshilfe sind ab dem 1. Januar 2020 geregelt
im
SGB IX, Teil 2 Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen (Eingliederungshilferecht).
4. Gegenüber dem Beklagten kommt zunächst ein Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe, insbesondere Leistungen zur
Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bzw. zur sozialen Teilhabe in Betracht.
Nach §
99 SGB IX leistungsberechtigten Personen werden gemäß §
113 Abs.
1 Satz 1
SGB IX Leistungen zur Sozialen Teilhabe erbracht, um eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen
oder zu erleichtern, soweit sie nicht nach den Kapiteln 3 bis 5 erbracht werden. Nach §
113 Abs.
2 Nr.
8, Abs.
3 in Verbindung mit §
84 SGB IX kommen auch Hilfsmittel als Leistung zur Sozialen Teilhabe in Betracht. Allerdings sind diese Leistungen insbesondere gegenüber
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Drittes Kapitel
SGB IX, §§
109,
110 SGB IX) nachrangig (§
102 Abs.
2 SGB IX). Nach §
90 Abs.
2 SGB IX ist besondere Aufgabe der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, eine Beeinträchtigung nach §
99 SGB IX, d.h. eine Behinderung, abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimmerung zu verhüten oder die Leistungsberechtigten
soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (Bieback in Grube/Wahrendorf/Flint, 7. Aufl. 2020,
SGB IX §
90 Rdnr. 22). Leistungen zur medizinischen Rehabilitation setzen an der Krankheit selbst und ihren Ursachen an. Ihr Zweck ist
es, einer drohenden Behinderung vorzubeugen, den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern oder eine Behinderung nur bei den
Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen. Die Zielsetzung der Leistungen zur sozialen Teilhabe geht darüber hinaus
und richtet sich auf die gesamte Alltagsbewältigung. Sie sollen den Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung von (Teil-)Bereichen
des gesellschaftlichen Lebens ausgegrenzt sind, den Zugang zur Gesellschaft ermöglichen, oder den Personen, die in die Gesellschaft
integriert sind, die Teilhabe sichern, wenn sich abzeichnet, dass sie von gesellschaftlichen Ereignissen und Bezügen abgeschnitten
werden. Sie haben die Aufgabe, dem behinderten Menschen den Kontakt mit seiner Umwelt, nicht nur mit Familie und Nachbarschaft,
sowie die Teilnahme am öffentlichen und kulturellen Leben zu ermöglichen und hierdurch insgesamt die Begegnung und den Umgang
mit nichtbehinderten Menschen zu fördern (Bieback in Grube/Wahrendorf/Flint, 7. Aufl. 2020,
SGB IX §
90 Rdnr. 32).
Ob die Klägerin die personenbezogenen Voraussetzungen des §
99 SGB IX, der § 53 SGB XII a.F. ersetzt hat, erfüllt, kann dahinstehen. Die Klägerin selbst hat zur Begründung ihres Begehrens, mit dem Therapiedreirad
versorgt zu werden, keinen über medizinische Gründe hinausgehenden Bedarf für die Alltagsbewältigung angeführt. Es ist auch
nicht ersichtlich, dass das Therapiedreirad erforderlich sein könnte, um eine durch die Behinderung der Klägerin bestehende
Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Denn die Klägerin ist nach den
vorliegenden medizinischen Unterlagen und den Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. G. noch in der Lage, eine Strecke bis
1,5 Kilometer zu Fuß zurückzulegen und verfügt darüber hinaus über ein Kraftfahrzeug. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen,
dass der Klägerin der Kontakt mit ihrer Umwelt und die Teilnahme am öffentlichen und kulturellen Leben (noch) möglich ist,
so dass es insoweit keines Behinderungsausgleichs bedarf. Darüber hinaus hat sie ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse
nicht dargelegt, so dass nicht festgestellt werden kann, dass die Klägerin die Aufwendungen für das begehrte Therapiedreirad
nicht aus ihrem nach §§
135 ff.
SGB IX einzusetzenden Einkommen und Vermögen aufbringen kann.
5. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Bewilligung der Leistung als Leistung zur medizinischen Rehabilitation.
a) Einem Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation als Leistung der Eingliederungshilfe gemäß §§
102 Abs.
1 Nr.
1,
109 SGB IX steht der Nachranggrundsatz des §
91 Abs.
1 SGB IX entgegen. Danach erhält Eingliederungshilfe, wer die erforderliche Leistung nicht von anderen oder von Trägern anderer Sozialleistungen
erhält. Vorrangig sind insoweit Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem
SGB V und Leistungen der sogenannten unechten Krankenversicherung nach §
264 SGB V. Zudem entsprechen gemäß §
109 Abs.
2 SGB IX die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Rahmen der Eingliederungshilfe ohnehin den Rehabilitationsleistungen der
gesetzlichen Krankenversicherung. Daher ist die Versorgung mit Hilfsmitteln (§
42 Abs.
2 Nr.
6 SGB IX) auch als Leistung der Eingliederungshilfe in Form der medizinischen Rehabilitation nur möglich, soweit sie zum Leistungsumfang
der gesetzlichen Krankenversicherung gehören.
b) Der Beklagte ist gemäß §
14 Abs.
2 Satz 4
SGB IX zwar als zweitangegangener Rehabilitationsträger zur Leistungserbringung nach allen in Betracht kommenden Vorschriften, somit
auch nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, zuständig. Jedoch besteht auch danach kein Anspruch der Klägerin.
Ein Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation zielt nicht primär auf das Erkennen, Heilen, Verhüten einer Verschlimmerung
oder Lindern von Beschwerden einer "Krankheit" (§
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V), sondern in erster Linie darauf, eine "Behinderung" oder "Pflegebedürftigkeit" abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen,
ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern (vgl. §
11 Abs.
2 Satz 1
SGB V; §
4 Abs.
1 Nr.
1, §
42 Abs.
1 Nr.
1 SGB IX). Als Leistung zur medizinischen Rehabilitation ist das Hilfsmittel dann grundsätzlich unter Beachtung der Regelungen des
SGB IX zu erbringen (§
11 Abs.
2 Satz 3
SGB V; BSG, Urteil vom 7. Mai 2020 - B 3 KR 7/19 R - juris Rdnr. 19).
Nach §
2 Abs.
1 SGB IX sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie
in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit
hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper-
und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn
eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist. Die Klägerin ist ein Mensch mit Behinderungen im Sinne des §
2 Abs.
1 SGB IX. Bei ihr bestehen ausweislich des Entlassungsberichts der Kliniken S. vom 25. Oktober 2019 eine multiple Sklerose mit schubförmigem
Verlauf und unvollständiger Remittierung, eine Fatigue, eine Stand- und Gangataxie, ein Intentionstremor rechtsbetont und
eine konzentrative Belastbarkeitsminderung. Die Gangataxie bedingt eine Gangunsicherheit und Gleichgewichtsproblematik, Schwierigkeiten
beim Gehen in unebenem Gelände, z.B. auf Waldwegen; die maximale Gehstrecke ist eingeschränkt. Die kognitive Belastbarkeitsminderung
führt zu einer nachlassenden konzentrativen Belastbarkeit, sodass die Klägerin beispielsweise nach 45 Minuten lesen erschöpft
und müde ist und eine Pause benötigt. Die Feinmotorikstörung geht vor allem mit einer Schreibstörung und mit einem erhöhten
Zeitaufwand in der Alltagsbewältigung einher.
aa) Ansprüche auf Versorgung mit Hilfsmitteln nach §
33 SGB V fallen nur dann unter den Begriff der "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation", wenn das Hilfsmittel dem Ausgleich oder
der Vorbeugung einer Behinderung dienen soll (§
33 Abs.
1 Satz 1 Var. 2 und 3
SGB V; BSG, Urteil vom 15. März 2018 - B 3 KR 18/17 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 41 Rdnr. 12). Soweit das Therapiedreirad als Krankenbehandlung (Hilfsmittel) nach dem Recht der gesetzlichen
Krankenversicherung zu gewähren sein könnte, (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr.
3 in Verbindung mit §
33 Abs.
1 Satz 1 Var. 1
SGB V), handelt es sich nicht um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation.
bb) Ein Hilfsmittel dient als Leistung zur medizinischen Rehabilitation der Vorbeugung einer drohenden Behinderung (§
33 Abs.
1 Satz 1 Var 2
SGB V), wenn es eine erwartbare Teilhabebeeinträchtigung verhindert. Ein Hilfsmittel ist erforderlich, um einer drohenden Behinderung
vorzubeugen, wenn ein konkretes Behinderungsrisiko besteht, und es im Schwerpunkt um die Vermeidung von krankheitsbedingten
Funktionsabweichungen geht, die in sachlicher und zeitlicher Hinsicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Teilhabebeeinträchtigung
führen können. Bei bereits bestehenden krankheitsbedingten Funktionsabweichungen dient das Vorbeugen einer Behinderung der
Vermeidung des Eintritts von (weiteren) zu erwartenden Teilhabebeeinträchtigungen. Es geht jeweils um das präventive Abwenden
einer nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zukunft und in Form eines ansonsten nicht mehr
behebbaren Dauerzustands zu erwartenden konkreten Behinderung als typische Folge einer bestimmten Krankheit so früh wie möglich
(vgl. BSG, Urteil vom 22. April 2009 - B 3 KR 11/07 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 22 Rdnr. 25: konkretes Behinderungsrisiko in sachlicher und zeitlicher Hinsicht; vgl. auch BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010 - B 3 KR 5/10 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 32 Rdnrn. 16 f). Bei einer bereits bestehenden Behinderung dient ein Hilfsmittel dann zur Vorbeugung
einer drohenden Behinderung, wenn mit dessen Einsatz im Schwerpunkt die Verschlimmerung der vorhandenen Behinderung verhütet
oder der Hinzutritt einer wertungsmäßig neuen Behinderung abgewendet wird. Dies erfordert, dass in sachlicher und zeitlicher
Hinsicht die dauerhafte Verschlimmerung der bestehenden Behinderung oder der Hinzutritt einer wertungsmäßig neuen Behinderung
konkret drohen, denen vorzubeugen den Schwerpunkt des Hilfsmitteleinsatzes bildet (BSG, Urteil vom 7. Mai 2020 - B 3 KR 7/19 R - juris Rdnr. 22). Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Die krankheitsbedingten Funktionsabweichungen
der Klägerin wie auch ihre hieraus folgenden Teilhabebeeinträchtigungen liegen bereits seit mehreren Jahren vor. Insbesondere
im ärztlichen Entlassungsbericht der Kliniken S. über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 25. September 2013 bis 23.
Oktober 2013 sind Beschwerden der Klägerin über einen Tremor an der rechten Hand, wodurch ihr Schreiben kaum möglich sei,
eine Gangunsicherheit bei Schwäche im rechten Bein und Schwindelsymptomatik sowie eine reduzierte Belastbarkeit dokumentiert.
Anhaltspunkte für in sachlicher und zeitlicher Hinsicht konkret zu erwartende qualitative und zeitnahe dauerhafte Veränderungen
im oben beschriebenen Sinne, deren Vorbeugung das Therapierad im Schwerpunkt dienen soll, sind nicht ersichtlich. Insbesondere
ergeben sich weder aus dem Vortrag der Klägerin noch aus den medizinischen Unterlagen und Angaben des sachverständigen Zeugen
Dr. G. Hinweise dafür, dass sich die Beeinträchtigungen - anders als in der Vergangenheit - mit hoher Wahrscheinlichkeit in
absehbarer Zukunft nachhaltig erhöhen oder weitere hinzutreten bzw. dass durch das Therapiedreirad dem vorgebeugt werden kann.
cc) Das Therapiedreirad ist auch nicht zum Ausgleich der bereits bestehenden Behinderungen der Klägerin nach §
33 Abs.
1 Satz 1 Var. 3
SGB V erforderlich. Ein Hilfsmittel dient als Leistung zur medizinischen Rehabilitation dem "Ausgleich einer Behinderung", wenn
es seinem Zweck entsprechend die Auswirkungen der Behinderung beseitigt oder mindert und damit der Befriedigung eines Grundbedürfnisses
dient. Leistungen zum Zweck des Behinderungsausgleichs sind nicht unbegrenzt von der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen.
Vielmehr ist deren Aufgabenbereich im Rahmen der medizinischen Rehabilitation von den Aufgabenbereichen anderer Rehabilitationsträger
und der Eigenverantwortung der Versicherten abzugrenzen. Die gesetzliche Krankenversicherung hat nicht jegliche Folgen von
Behinderung in allen Lebensbereichen durch Hilfsmittel auszugleichen. Im Bereich des von ihr zu erfüllenden Behinderungsausgleichs
bemisst sich die originäre Leistungszuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Zweck des Hilfsmittels, wenn
es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mindert und damit der Befriedigung eines allgemeinen
Grundbedürfnisses des täglichen Lebens und einem möglichst selbstbestimmten und selbstständigen Leben dient. Zu den allgemeinen
Grundbedürfnissen zählen u.a. das Gehen und Stehen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums.
Für den Versorgungsumfang, insbesondere Qualität, Quantität und Diversität, kommt es entscheidend auf den Umfang der mit dem
begehrten Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile im Hinblick auf das zu befriedigende Grundbedürfnis an. Es besteht
Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine
Optimalversorgung (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 15. März 2018 - B 3 KR 4/16 R - juris Rdnr. 46). Im Ergebnis kommt es daher auf den Umfang der mit dem Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile an,
ohne dass hierfür maßgeblich die Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Behinderungsausgleich heranzuziehen
wäre (vgl. dazu BSG; Urteil vom 15. März 2018 - B 3 KR 18/17 R - juris Rdnrn. 31 ff.). Als ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens ist das Erschließen eines körperlichen Freiraums
und in Bezug auf Bewegungsmöglichkeiten das Grundbedürfnis der Erschließung des Nahbereichs der Wohnung von Versicherten mit
einem Hilfsmittel anerkannt. Maßgebend für den von der gesetzlichen Krankenversicherung insoweit zu gewährleistenden Behinderungsausgleich
ist grundsätzlich der Bewegungsradius, den ein nicht behinderter Mensch üblicherweise noch zu Fuß erreicht. In den Nahbereich
einbezogen ist zumindest der Raum, in dem die üblichen Alltagsgeschäfte in erforderlichem Umfang erledigt werden. Hierzu gehören
nach einem abstrakten Maßstab die allgemeinen Versorgungswege (Einkauf, Post, Bank) ebenso wie die gesundheitserhaltenden
Wege (Aufsuchen von Ärzten, Therapeuten, Apotheken) und auch elementare Freizeitwege (BSG, Urteil vom 7. Mai 2020 - B 3 KR 7/19 R - juris Rdnr. 28 m.w.N.). Bei der Prüfung eines Anspruchs auf ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich darf das zu befriedigende
Grundbedürfnis der Erschließung des Nahbereichs nicht zu eng gefasst werden in Bezug auf die Art und Weise, wie sich Versicherte
den Nahbereich der Wohnung zumutbar und in angemessener Weise erschließen. Dies folgt unter Beachtung der Teilhabeziele des
SGB IX (vgl. §
11 Abs.
2 Satz 3
SGB V), insbesondere ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben zu führen (vgl. §
1 SGB IX), aus dem verfassungsrechtlichen Benachteiligungsverbot des Art
3 Abs.
3 Satz 2
GG als Grundrecht und objektive Wertentscheidung in Verbindung mit dem Recht auf persönliche Mobilität nach Art. 20 UN-Behindertenrechtskonvention (BSG, Urteil vom 7. Mai 2020 - B 3 KR 7/19 R - juris Rdnr. 29). Dem ist dadurch Rechnung zu tragen, dass im Rahmen des Behinderungsausgleichs zu prüfen ist, ob der Nahbereich
ohne ein Hilfsmittel nicht in zumutbarer und angemessener Weise erschlossen werden kann und insbesondere durch welche Ausführung
der Leistung diese Erschließung des Nahbereichs für einen behinderten Menschen durch ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich
verbessert, vereinfacht oder erleichtert werden kann. Hinzu kommt gegebenenfalls die Prüfung, ob eine über den Nahbereich
hinausgehende Mobilität zur Wahrnehmung eines anderen Grundbedürfnisses notwendig ist. Dabei ist dem Wunsch- und Wahlrecht
des behinderten Menschen (vgl. §
8 Abs.
1 Satz 1 und
2 SGB IX in Verbindung mit §
33 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I]) volle Wirkung zu verschaffen. Dies bedeutet auch, dass die Leistung dem Leistungsberechtigten
viel Raum zu eigenverantwortlicher Gestaltung der Lebensumstände lässt und die Selbstbestimmung fördert (vgl. §
8 Abs.
3 SGB IX; vgl. (BSG, Urteil vom 7. Mai 2020 - B 3 KR 7/19 R - juris Rdnr. 30 m.w.N.). Nach neuerer Rechtsprechung des BSG ist der Anspruch auf ein Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung zum Behinderungsausgleich danach nicht von vornherein
auf einen Basisausgleich im Sinne einer Minimalversorgung beschränkt. Vielmehr kommt ein Anspruch auf Versorgung im notwendigen
Umfang bereits in Betracht, wenn das begehrte Hilfsmittel wesentlich dazu beiträgt oder zumindest maßgebliche Erleichterung
verschafft, Versicherten auch nur den Nahbereich im Umfeld der Wohnung in zumutbarer und angemessener Weise zu erschließen
(BSG, Urteil vom 7. Mai 2020 - B 3 KR 7/19 R - juris Rdnr. 31). Zwar mag das Therapiedreirad geeignet sein, die Mobilität der Klägerin im Nahbereich zu verbessern. Das
begehrte Therapiedreirad ist jedoch zum Erschließen des Nahbereichs der Wohnung der Klägerin nicht erforderlich. Vielmehr
kann sich die Klägerin den Nahbereich noch zu Fuß erschließen. Die Klägerin ist noch in der Lage, ohne fremde Hilfe und ohne
Hilfsmittel Strecken von ca. einem Kilometer zurückzulegen. Nach dem Entlassungsbericht der Kliniken S. vom 25. Oktober 2019
waren ihr im Rahmen von Gehtests das Zurücklegen von zehn Metern in 6 Sekunden, von 450 Metern in sechs Minuten und auf dem
Laufband von 1,2 Kilometern in 25 Minuten möglich. In unebenem Gelände konnte die Klägerin bei Abschluss der stationären Behandlung
eine Strecke von einem Kilometer auch auf unebenem Gelände zurücklegen. Damit kann sich die Klägerin den Nahbereich zumutbar
und angemessen ohne Hilfsmittel, insbesondere ohne ein Therapiedreirad erschließen. Ein solches ist daher zum Behinderungsausgleich
nicht erforderlich.
Darüber hinaus ist ein Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit dem Therapiedreirad aus dem Bereich weiterer Rehabilitationsträger
nicht ersichtlich.
6. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch gegen die Beigeladene auf Versorgung mit einem Therapiedreirad.
Leistungen außerhalb des Rechts der Teilhabe fallen nicht unter die durch §
14 SGB IX begründete Zuständigkeit des Beklagten. Die Beklagte kann schon deshalb nicht verpflichtet werden, Leistungen für das Therapiedreirad
als Krankenbehandlung zu erbringen. Soweit das begehrte Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung im Sinne
des §
33 Abs.
1 Satz 1 Var. 1
SGB V im Rahmen einer Krankenbehandlung (§
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V), d.h. zu einer medizinisch-therapeutischen Behandlung einer Erkrankung als der Kernaufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung
nach dem
SGB V eingesetzt werden soll, handelt es sich nicht um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation (vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 30/15 R - juris Rdnr. 35 ff.). Ein Anspruch auf die Hilfsmittelversorgung könnte daher nur unmittelbar gegenüber der Beigeladenen
bestehen. Da die Beigeladene bislang nicht bestandskräftig über die Versorgung der Klägerin mit dem Therapiedreirad als Hilfsmittel
zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung entschieden hat, käme eine Verurteilung der gemäß §
75 Abs.
2 SGG notwendig Beigeladenen gemäß §
75 Abs.
5 SGG in Betracht.
Jedoch sind auch hierfür die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt. Hilfsmittel dienen dann der "Sicherung des Erfolgs der
Krankenbehandlung", wenn sie im Rahmen einer Krankenbehandlung, d.h. zu einer medizinisch-therapeutischen Behandlung einer
Erkrankung als der Kernaufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem
SGB V eingesetzt werden. Krankenbehandlung umfasst dabei nach der Definition des §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V die notwendigen Maßnahmen, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden
zu lindern. Der Begriff der Krankheit ist im
SGB V nicht näher definiert. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist eine Krankheit ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand, der behandlungsbedürftig ist oder den Versicherten
arbeitsunfähig macht (vgl. BSG, Urteil vom 15 März 2018 - B 3 KR 12/17 R - juris Rdnr. 27). Dies hat die höchstrichterliche Rechtsprechung im Laufe der Zeit dahingehend präzisiert, dass nicht schon
jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert zukommt. Erforderlich ist vielmehr zusätzlich, dass der Versicherte dadurch
in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder die Abweichung vom Regelzustand entstellende Wirkung hat (st. Rspr.; vgl.
nur BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 30/15 R - juris Rdnr. 22).
Ausgehend von diesen rechtlichen Maßgaben dient das Therapiedreirad nicht "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung"
im Sinne von §
33 Abs.
1 Satz 1 Var. 1
SGB V. Zwar können bewegliche sächliche Mittel zur Förderung oder Ermöglichung der Mobilisation in besonders gelagerten Fällen
Hilfsmittel "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" im Sinne von §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V sein (st. Rspr.; vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010 - B 3 KR 5/10 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 32, juris Rdnr. 21 ff.). Der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung dient ein bewegliches sächliches
Mittel nach der Rechtsprechung des BSG dann, wenn es spezifisch im Rahmen ärztlich verantworteter Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen
(vgl. BSG, Urteil vom 19. April 2007 - B 3 KR 9/06 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 15, juris Rdnr. 11). Jedoch ist nicht jedwede gesundheitsfördernde Betätigung als "spezifischer Einsatz
im Rahmen der ärztlich verordneten Krankenbehandlung" anzusehen. Einen fehlenden engen Bezug zu einer konkreten Krankenbehandlung
weisen gesundheitsförderliche Maßnahmen auf, die (nur) allgemein auf die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit,
die Mobilisierung von Restfunktionen des behinderten Menschen, die Erhöhung der Ausdauer und Belastungsfähigkeit sowie die
Hilfe bei der Krankheitsbewältigung zielen. Andernfalls bedürfte es nicht der besonderen Leistungstatbestände u. a. der §§
20 ff.
SGB V sowie des §
64 Abs.
1 Nr.
3 und Nr.
4 SGB IX, mit denen die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung unter den jeweils dort genannten Voraussetzungen über
die gezielte Krankheitsbekämpfung als Kernaufgabe hinaus (BSG, Urteil vom 9. Dezember 1997 - 1 RK 23/95 - SozR 3-2500 § 27 Nr. 9) auf Aufgaben im Rahmen der gesundheitlichen Prävention und Rehabilitation ausgedehnt worden ist.
Ein weitergehender spezifischer Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung kommt daher nur solchen Maßnahmen zur
körperlichen Mobilisation zu, die in engem Zusammenhang mit einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden
Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und für die gezielte Versorgung im Sinne der
Behandlungsziele des §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V als erforderlich anzusehen sind. Davon ist auszugehen, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere seiner körperlichen Beeinträchtigung
dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der physikalischen Therapie hat, diese entweder die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte
eigene körperliche Betätigung wesentlich fördern oder die therapeutische Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Bewegung
geringer ausfallen kann und sich deshalb die Versorgung mit dem Hilfsmittel im Rahmen der Wahlmöglichkeit des Versicherten
(vgl. §
33 SGB I und §
8 Abs.
1 SGB IX) als wirtschaftlich darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 18. Mai 2011 - B 3 KR 10/10 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 35, juris Rdnr. 11).
Eine solche enge Einbindung in die Krankenbehandlung weist die begehrte Versorgung mit dem Therapiedreirad nicht auf. Soweit
Dr. G. darauf verweist, dass ein Elektrodreirad hinsichtlich der sozialen Teilhabe und um einer Zunahme der Behinderung vorzubeugen
unbedingt sinnvoll sei, betrifft dies nicht die Erforderlichkeit zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung im Sinne
von §
33 Abs.
1 Satz 1 Var. 1
SGB V. Hinsichtlich des notwendigen körperlichen Trainings sei, so die Ausführungen von Dr. G., ein Elektrodreirad medizinisch
sinnvoll. Des Weiteren hat er ausgeführt, dass das Elektrodreirad zur Unterstützung der laufenden krankengymnastischen Behandlung
sinnvoll wäre und eine Reduktion der physikalischen Therapie eventuell denkbar, jedoch nicht ex ante zu klären sei. Schließlich
hat er angegeben, dass von Seiten der körperlichen Situation ein Ausgleich beispielsweise durch einen Heimtrainer bzw. hochfrequente
krankengymnastische Behandlung möglich sei, was allerdings nicht die soziale Teilhabe hinsichtlich der psychischen-psychiatrischen
Komponente der Erkrankung, die wünschenswert wäre, berücksichtige. Eine Erforderlichkeit des Therapiedreirads im Rahmen der
Krankenbehandlung ist danach nicht begründet. Dass die Verwendung eines Therapiedreirads durch die Klägerin in einem ärztlichen
Therapieplan berücksichtigt wäre und auf eine Verringerung der Frequenz der physiotherapeutischen Behandlungsfrequenz abzielen
würde, ist dem nicht zu entnehmen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Bericht der Kliniken S. vom 20. Februar 2017.
Danach lässt sich der bei der Klägerin eher niedrige Muskeltonus durch regelmäßige körperliche Aktivität etwas erhöhen, was
sich dann auch wiederum in einem sichereren Gangbild und vermehrter Ausdauer wiederfinde. Neben der ambulant durchzuführenden
Physiotherapie biete die regelmäßige Betätigung mit einem Dreirad eine gute Möglichkeit, Ausdauer und körperliche Kraft, insbesondere
im Rumpf- und Beinbereich zu verbessern. Aufgrund der bestehenden Kraftminderung sei ein Elektro-Hilfsmotor notwendig, so
dass es sich um ein "E-Dreirad" handeln müsse. Unter therapeutischen Gesichtspunkten lasse sich hierdurch die Rumpfstabilität
verbessern und die Kraft in den Beinen erhöhen. Um die Teilhabe zu verbessern und um ein gutes Training der Rumpf- und Beinmuskulatur
durchzuführen mit sekundärer positiver Auswirkung auch auf die Gangsicherheit bzw. Gangataxie sei aus ärztlicher Sicht die
Verordnung eines Dreirads zu befürworten. Auch daraus folgt keine enge Einbindung in die Krankenbehandlung und Erforderlichkeit
des Therapiedreirads. Die Klägerin selbst hat vielmehr eine beabsichtigte Verwendung des Therapiedreirads für Kurzstrecken
angegeben. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass hier ein gezielter Einsatz im Hinblick auf eine zusätzliche
bzw. erhöhte körperliche Betätigung der Klägerin erfolgen soll. Vielmehr ist die Klägerin in der Lage - wie dargelegt - den
Nahbereich zu Fuß zu erschließen. Dass der Einsatz eines Therapiedreirads mit Elektromotor die körperliche Betätigung demgegenüber
verstärken könnte, ist nicht erkennbar. Erst recht ergibt sich daraus kein ausreichend enger Bezug zu einer konkreten Krankenbehandlung,
da kein Einsatz des Therapiedreirads ersichtlich ist, der auf eine allgemeine Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit,
die Mobilisierung von Restfunktionen der Klägerin oder die Erhöhung ihrer Ausdauer und Belastungsfähigkeit abzielt. Allein
therapeutische Nebeneffekte der Nutzung des Therapiedreirads begründen keine Erforderlichkeit zur Sicherung des Erfolgs der
Krankenbehandlung (vgl. BSG, Urteil vom 16. September 1999 - B 3 KR 9/98 R - SozR 3-2500 § 33 Nr. 32, juris Rdnr. 14). Insgesamt bestehen damit keine Anhaltspunkte dafür, dass der Einsatz des Therapiedreirades
Teil eines ärztlich verantworteten komplexen therapeutischen krankheitsbezogenen Vorgehens ist, in dem das Hilfsmittel neben
weiteren therapeutischen Maßnahmen wie insbesondere einer regelmäßigen Krankengymnastik zum Zwecke der Mobilisation und Verbesserung
des Gangbildes, zur Minderung von Spastiken sowie zur Förderung des ansonsten gefährdeten Erhalts der Gehfähigkeit eingesetzt
wird und dies von den behandelnden Ärzten bei der Planung von Intensität und Häufigkeit der Krankengymnastik als weiteres
Therapieelement berücksichtigt wird (vgl. demgegenüber BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010 - B 3 KR 5/10 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 32, juris Rdnr. 22).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.