Anspruch auf Sozialhilfe; Angemessenheit der Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung
Gründe:
Die unter Beachtung der Vorschriften der §§
172,
173 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) eingelegten Beschwerden der Antragsteller sind zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.
Nach §
86b Abs.
2 Satz 1
SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 aaO. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf
den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung
eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur
Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 aaO.). Die §§
920,
921,
923,
926,
928 bis
932,
938,
939 und
945 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) gelten entsprechend (vgl. §
86b Abs.
2 Satz 4
SGG). Das Gericht entscheidet durch Beschluss (§
86b Abs.
4 SGG).
Vorliegend kommt, wie vom Sozialgericht Mannheim (SG) zutreffend erkannt, nur eine Regelungsanordnung nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt zunächst die Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Rechtsbehelfs
voraus. Die Begründetheit des Antrags wiederum hängt vom Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen ab (ständige Rechtsprechung
des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164); eine einstweilige Anordnung darf mithin
nur erlassen werden, wenn - bei Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Antrags - sowohl der Anordnungsanspruch als auch der
Anordnungsgrund gegeben sind. Dabei betrifft der Anordnungsanspruch die Frage der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs,
während der Anordnungsgrund nur bei Eilbedürftigkeit zu bejahen ist. Denn die Regelungsanordnung dient zur "Abwendung" wesentlicher
Nachteile mit dem Ziel, dem Betroffenen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller Notlagen notwendig
sind (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Beschlüsse vom 28. März 2007 - L 7 AS 121/07 ER-B - [juris] und 26. Januar 2009 - L 7 SO 78/09 ER -). Die Anordnungsvoraussetzungen sind glaubhaft zu machen (§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 ZPO). Maßgebend für die Beurteilung der Zulässigkeit und Begründetheit des Eilantrags sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt
der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 aaO. und 17. August
2005 aaO.; Beschluss vom 13. Juni 2006 - L 7 AS 2050/07 ER-B - [juris]).
Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht. Dies ergibt
sich aus Folgendem:
Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist älteren und dauerhaft voll erwerbsgeminderten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im
Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 SGB XII beschaffen
können, auf Antrag Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu leisten. Die Antragsteller, die die Altersgrenze gemäß
§ 41 Abs. 2 SGB XII erreicht haben, gehören grundsätzlich zum Kreis der Leistungsberechtigten. Sie können ihren notwendigen
Lebensunterhalt auch nicht aus ihrem Einkommen bzw. Vermögen beschaffen. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter umfassen
neben dem Regelsatz und den Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 42 Satz 1 Nr. 4 SGB XII auch die Übernahme von Kranken-
und Pflegeversicherungsbeiträgen entsprechend § 32 SGB XII. Gemäß § 32 Abs. 5 Satz 1 SGB XII werden auch die Aufwendungen
für eine private Krankenversicherung übernommen, soweit sie angemessen sind. Soweit Aufwendungen für die Krankenversicherung
übernommen werden, werden gemäß § 32 Abs. 5 Satz 4 SGB XII auch die Aufwendungen für eine Pflegeversicherung übernommen.
Bei dem Begriff der Angemessenheit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich voll nachprüfbar ist.
Dabei ist § 32 Abs. 5 SGB XII vor dem Hintergrund zu sehen, dass durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz [GKV-WSG]) vom 26. März 2007 (Bundesgesetzblatt I Seite 378) seit dem 1. Januar 2009 für alle Einwohner Deutschlands eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen oder der privaten
Krankenversicherung begründet worden ist. Damit wird der Zweck verfolgt, durch gesetzliche und private Krankenversicherung
als jeweils eigene Säule für die ihnen zugewiesenen Personenkreise einen dauerhaften und ausreichenden Versicherungsschutz
gegen das Risiko der Krankheit auch in sozialen Bedarfssituationen sicherzustellen. Hierzu wurden zahlreiche Vorschriften
des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V), des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) und des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) sowie der Kalkulationsverordnung geändert (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG]
BVerfGE 123, 186 Rdnr. 13). Danach besteht für alle Personen, die weder gesetzlich krankenversichert sind noch einem dritten Sicherungssystem
angehören, eine Pflicht zum Abschluss und zur Aufrechterhaltung einer Krankheitskostenversicherung bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen
(§ 193 Abs. 3 VVG). § 12 VAG enthält Regelungen über die substitutive Krankenversicherung, also die Krankenversicherung, die ganz oder teilweise den
im gesetzlichen Sozialversicherungssystem vorgesehenen Kranken- oder Pflegeversicherungsschutz ersetzen kann. Gemäß § 12 Abs.
1a VAG haben Versicherungsunternehmen mit Sitz im Inland, die die substitutive Krankenversicherung betreiben, einen branchenweit
einheitlichen Basistarif anzubieten, dessen Vertragsleistungen in Art, Umfang und Höhe den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung
nach dem Dritten Kapitel des
SGB V, auf die ein Anspruch besteht, jeweils vergleichbar sind. Der Beitrag für diesen Basistarif darf den Höchstbeitrag der gesetzlichen
Krankenversicherung nicht übersteigen (§ 12 Abs. 1c Satz 1 Halbsatz 1 VAG). Sozialhilfeempfänger betreffende Regelungen enthalten
§ 12 Abs. 1c Sätze 4 bis 6 VAG. Danach gilt: Entsteht allein durch die Zahlung des Beitrags Hilfebedürftigkeit i.S. des SGB
XII, vermindert sich der Beitrag für die Dauer der Hilfebedürftigkeit um die Hälfte (§ 12 Abs. 1c Satz 4 VAG). Besteht auch
bei einem verminderten Beitrag Hilfebedürftigkeit i.S. des SGB XII, beteiligt sich der zuständige Träger nach dem SGB XII
auf Antrag des Versicherten im erforderlichen Umfang, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird (§ 12 Abs. 1c Satz
5 VAG). Besteht unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit, gilt Satz 4 entsprechend; der zuständige
Träger zahlt den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen
ist (§ 12 Abs. 1c Satz 6 VAG).
Für den Antragsteller zu 2. folgt nach diesen Maßgaben bereits unter Berücksichtigung von § 12 Abs. 1c Satz 5 VAG, dass seine
Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in der Zeit vom 7. April 2010 bis zum 30. Juni 2010 in tatsächlich angefallener
Höhe und in der Zeit ab dem 1. Juli 2010 in Höhe der Beiträge bei einer Versicherung im Basistarif i.S.v. § 32 Abs. 5 Satz
1 SGB XII angemessen sein dürften, ohne dass es auf die Frage der Anwendung der in § 12 Abs. 1c Satz 6 Halbsatz 2 VAG vorgesehenen
Begrenzung im Verhältnis zum Sozialhilfeträger ankäme. Denn bei ihm besteht zwar auch bei einem verminderten Beitrag Hilfebedürftigkeit;
er hat nach § 12 Abs. 1c Satz 5 VAG damit einen Anspruch auf Beteiligung der Antragsgegnerin als zuständiger Trägerin im zur
Vermeidung von Hilfebedürftigkeit erforderlichen Umfang. Der Antragsteller zu 2. fällt dagegen nicht unter die Regelung in
§ 12 Abs. 1c Satz 6 VAG, weil bei ihm nicht unabhängig von der Höhe des Krankenversicherungsbeitrags Hilfebedürftigkeit besteht.
Ohne Berücksichtigung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung würde sein Einkommen nämlich seinen Bedarf decken.
Legt man den Berechnungsbogen zu dem letzten Bewilligungsbescheid vom 26. März 2010 zugrunde, steht seinem Bedarf von 395,96
Euro (540,05 Euro abzüglich der von der Antragsgegnerin berücksichtigten 144,09 Euro für Kranken- und Pflegeversicherung)
ein Einkommen von 422,83 Euro gegenüber. Seine Hilfebedürftigkeit entsteht mithin nur durch die Beiträge zur Kranken- und
Pflegeversicherung; ein Fall des § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG liegt nicht vor. Damit verbleibt es - unter Zugrundelegung des verminderten
Beitrags nach § 12 Abs. 1c Satz 4 VAG - bei der Verpflichtung der Sozialhilfeträgers zur Übernahme des zur Vermeidung von
Hilfebedürftigkeit erforderlichen Betrags (vgl. zu dieser Fallkonstellation auch Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg,
Beschluss vom 30. Juni 2009 - L 2 SO 2529/09 ER-B - FEVS 61, 183 Rdnr. 13; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Dezember
2009 - L 9 B 49/09 SO ER - Rdnr. 26 [juris]; Schmidt in Oestreicher, SGB XII, 56. Ergänzungslieferung, § 32 Rdnrn. 52, 54). Davon geht auch
die Bundesregierung aus (vgl. Bundestagsdrucksache [BT-Drs.] 16/13892 Seite 33). Der Antragsteller zu 2. ist bislang zwar
nicht im Basis-, sondern im Standardtarif versichert. Seine in der Zeit vom 7. April bis zum 30. Juni 2010 zu leistenden Beiträge
zur Kranken- und Pflegeversicherung im Standardtarif lagen aber - wie sich aus der Auskunft der Signal Iduna vom 30. Juni
2010 ergibt - unter den Beiträgen bei einer Versicherung im Basistarif. So beliefen sich seine monatlichen Beiträge im Standardtarif
auf 215,91 Euro für die Krankenversicherung zuzüglich 56,67 Euro für die Pflegeversicherung, insgesamt also auf 272,58 Euro.
Demgegenüber ist bei einer Krankenversicherung im Basistarif für diesen Zeitraum von einem verminderten Beitrag in Höhe von
250,05 Euro zuzüglich des Beitrags zur Pflegeversicherung gemäß § 110 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs.
1 Nr.
2e des Elften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB XI) in Höhe von 50 % des Höchstbeitrags der sozialen Pflegeversicherung auszugehen, der sich unter Zugrundelegung eines Beitragssatzes
von 1,95 % bezogen auf die Beitragsbemessungsgrenze von 3.750 Euro monatlich für das Jahr 2010 (vgl. §
55 Abs.
1 Satz 1, Abs.
2 SGB XI) auf derzeit 36,56 Euro monatlich beläuft. Damit ergibt sich im Basistarif für die Zeit von April bis Juni 2010 ein monatlicher
Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 286,61 Euro, der über dem Beitrag im Standardtarif liegt. Die Beiträge
des Antragstellers zu 2. im Standardtarif waren in diesem Zeitraum somit angemessen. Für die Zeit ab dem 1. Juli 2010 steht
diesem monatlichen Beitrag von 286,61 Euro für die Kranken- und Pflegeversicherung im Basistarif ein Beitrag im Standardtarif
von 307,58 Euro gegenüber (250,91 Euro Krankenversicherung und 56,67 Euro Pflegeversicherung). Für die Zeit ab dem 1. Juli
2010 hat der Antragsteller zu 2. somit nur einen Anspruch auf Übernahme des zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit erforderlichen
Betrags unter Berücksichtigung der Beiträge im Basistarif; darüber hinausgehende Beträge sind nicht mehr i.S.v. § 32 Abs.
5 SGB XII angemessen.
Bei der Antragstellerin zu 1. besteht demgegenüber - jedenfalls für die Monate, in denen die im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten
vom 17. September 2010 erwähnte Verletztenrente in Höhe von 222,22 Euro nicht an sie ausgezahlt wurde - bereits unabhängig
von den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung Hilfebedürftigkeit. Denn ihrem (auf der Grundlage des Berechnungsbogens
zum Bescheid vom 26. März 2010 ermittelten) Bedarf von 395,98 Euro (540,07 Euro abzüglich der von der Antragsgegnerin berücksichtigten
144,09 Euro für Kranken- und Pflegeversicherung) steht lediglich ein Einkommen von 378,64 Euro gegenüber. Damit liegt ein
Fall des § 12 Abs. 1c Satz 6 Halbsatz 1 VAG vor. Für diese Fallkonstellation ist umstritten, ob im Rahmen des § 32 Abs. 5
SGB XII der verminderte Beitrag im Basistarif im Sinne von § 12 Abs. 1c Satz 4 VAG als angemessen im Sinne von § 32 Abs. 5
SGB XII anzusehen ist, oder ob sich aus der Regelung des § 12 Abs. 1c Satz 6 Halbsatz 2 VAG ergibt, dass nur der - nochmals
geringere - Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag als angemessen anzusehen ist, der für Bezieher von Arbeitslosengeld II
in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung zu tragen wäre, wodurch sich für Hilfebedürftige eine
Finanzierungslücke ergäbe.
Der Senat hat bereits entschieden, dass der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit in § 32 Abs. 5 Satz 1 SGB XII nicht
unter Rückgriff auf die in § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG getroffene Regelung ausgefüllt werden kann, weil dies nicht der gesetzgeberischen
Intention entspricht und zu unauflösbaren Wertungswidersprüchen führen würde (Senatsbeschluss vom 8. Juli 2009 - L 7 SO 2453/09
ER-B - [juris]; vgl. auch LSG Baden-Württemberg FEVS 61, 183; Hessisches LSG, Beschluss vom 14. Dezember 2009 - L 7 SO 165/09
B - [juris]; zustimmend Flint in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl., § 32 Rdnr. 14; ebenso in Bezug auf Leistungen nach dem
Sozialgesetzbuch Zweites Buch [SGB II]: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. September 2009 - L 3 AS 3934/09 - [juris]; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. Dezember 2009 - L 15 AS 1048/09 B ER - ZFSH/SGB 2010, 107; offen gelassen: LSG Nordrhein-Westfalen, NDV-RD 2009, 145; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. März 2010 - L 13 AS 919/10 ER-B - [juris]). Das Verhältnis zwischen dem Hilfebedürftigen und dem Träger der Sozialhilfe wird grundsätzlich im SGB XII
geregelt; Ansprüche bestimmen sich danach (vgl. §
2 Abs.
1 Satz 2
SGB I). §
12 Abs.
1c Satz 6 VAG findet im SGB XII keine ausdrückliche Erwähnung. Die Vorschrift ist im Übrigen auch nach ihrem Sinn und Zweck
nicht auf das Sozialhilfeleistungsverhältnis anwendbar. Das VAG verfolgt grundsätzlich einen anderen Zweck als die Regelung
des Rechtsverhältnisses zwischen Beziehern von Sozialleistungen und den Sozialleistungsbehörden, nämlich die staatliche Aufsicht
über die privaten Versicherungsunternehmen, die nicht Träger der Sozialversicherung sind (§ 1 VAG). In § 12 VAG ist geregelt,
wie ein privates Versicherungsunternehmen substitutive (ganz oder teilweise den im gesetzlichen Sozialversicherungssystem
vorgesehenen Kranken- oder Pflegeversicherungsschutz ersetzende) Krankenversicherung betreiben kann. Das auch im Basistarif
privatrechtliche Leistungsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherungsgeber (vgl. BVerfG, aaO., Rdnr. 156) ist
in Ausgestaltung des § 12 VAG im VVG geregelt (vgl. § 1 VVG), das in § 193 Abs. 5 VVG darauf Bezug nimmt. Auch dem Wortlaut nach handelt es sich in § 12 Abs. 1c Satz 6, 2. Halbsatz VAG eher um eine Zahlungsanweisung, die sich nur auf das Verhältnis zwischen Sozialleistungsträger
und Krankenversicherungsunternehmen beziehen kann (LSG Baden-Württemberg FEVS 61, 183).
Für dieses Ergebnis spricht zudem ein ansonsten auftretender Wertungswiderspruch in der Behandlung der Gruppe von Hilfeempfängern,
die bereits ohne Berücksichtigung der Beiträge für die private Krankenversicherung hilfebedürftig sind einerseits, und der
Gruppe der Hilfeempfänger, bei denen Hilfebedürftigkeit erst unter Berücksichtigung entsprechender Beiträge gegeben ist, andererseits
(LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Dezember 2009 - L 9 B 49/09 SO ER - [juris]). Nur auf erstere Gruppe von Hilfebedürftigen bezieht sich § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG, was dazu führen würde,
dass nur für diese Gruppe ein Anspruch lediglich in Höhe der für einen gesetzlich Krankenversicherten aufzubringenden Beiträge
bestünde. Eine entsprechende Beschränkung wäre hingegen für die andere Gruppe der Hilfebedürftigen - zu denen etwa der Antragsteller
zu 2. gehört - nicht vorgesehen. Für diese gälte § 12 Abs. 1c Satz 5 VAG, wonach sich der zuständige Träger nach dem SGB II
oder SGB XII im erforderlichen Umfang beteiligt, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird. Damit erfolgt hier keine
Beschränkung auf die für einen gesetzlich Krankenversicherten aufzuwendenden Beträge. Es ist aber kein Grund ersichtlich,
warum ein Hilfebedürftiger, der möglicherweise nur einen ganz geringen Teil seiner Krankenversicherungsbeiträge aus eigenem
Einkommen selbst abdecken kann, einen Anspruch gegenüber dem Grundsicherungsträger bis zur Höhe des verminderten Beitrags
haben soll, nicht hingegen ein bereits ohne die Berücksichtigung der Krankenversicherungsbeiträge Hilfebedürftiger (LSG Nordrhein-Westfalen,
aaO.). Die vom SG in dem angefochtenen Beschluss angesprochene Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 12 Abs. 1c Satz 6 Halbsatz 2 VAG auch auf Fälle des § 12 Abs. 1c Satz 5 VAG überzeugt angesichts dessen, dass diese Bestimmung
bereits eine eigene Regelung über die Kostentragung durch den zuständigen Träger enthält, nicht.
Darüber hinaus ist - worauf der 2. Senat des LSG Baden-Württemberg (FEVS 61, 183) bereits hingewiesen hat - soweit ersichtlich
auch das BVerfG von einer vollen Übernahme des verminderten Beitrags im Basistarif durch den SGB XII-Träger ausgegangen und
hat die in § 12 Abs. 1c Satz 4 bis 6 VAG vorgesehenen Beitragsbegrenzungen bei Hilfebedürftigkeit verfassungsrechtlich nicht
beanstandet. Es hat ausgeführt, dass diese Grenzen der eingeschränkten Leistungsfähigkeit dieser Personengruppe Rechnung tragen.
Es hat weiter ausgeführt, dass bei Hilfebedürftigkeit im sozialhilferechtlichen Sinne ein Anspruch gegen den Sozialhilfeträger
besteht, die Aufwendungen für die private Krankenversicherung zu übernehmen, und hierzu nur auf § 32 Abs. 5 Satz 1 SGB XII
und - anders als bei den Hilfebedürftigen nach dem Recht der Grundsicherung nach dem SGB II - nicht auf § 12 Abs. 1c Sätze
5 und 6 VAG Bezug genommen (BVerfG aaO. Rdnrn. 184, 195). Auch die Bundesregierung (BT-Drs. 16/13892 Seite 33) geht davon
aus, dass sich § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG bei Bezug von Leistungen nach dem SGB XII nicht auswirkt, weil nach § 32 Abs. 5 SGB
XII der zuständige Sozialhilfeträger den Beitrag zu tragen habe, soweit dieser angemessen sei.
Eine "Deckelung" der von der Antragsgegnerin zu übernehmenden Beiträge nach § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG scheidet nach summarischer
Prüfung damit aus. Die von der Antragstellerin zu 1. in der hier maßgeblichen Zeit ab dem 7. April 2010 zu leistenden Beiträge
sind aber jedenfalls insoweit nicht mehr angemessen, als sie über den verminderten Beitrag im Basistarif i.S.v. § 12 Abs.
1c Satz 4 VAG hinausgehen. Nach der schriftlichen Auskunft der Signal Iduna vom 30. Juni 2010 und der weiteren telefonischen
Auskunft gegenüber der Berichterstatterin vom 15. September 2010 belaufen sich die monatlichen Beiträge für die Kranken- und
Pflegeversicherung im Standardtarif für die Zeit von April bis Juni 2010 auf 343,16 Euro (266,03 Euro Krankenversicherung
und 77,13 Euro Pflegeversicherung) bzw. für die Zeit ab dem 1. Juli 2010 auf 378,16 Euro (301,03 Euro Krankenversicherung
und 77,13 Euro Pflegeversicherung). Dem stehen bei einer Versicherung im Basistarif monatliche Beiträge für die Zeit von April
bis September 2010 von 310,48 Euro (273,92 Euro Krankenversicherung und 36,56 Euro Pflegeversicherung) bzw. ab dem 1. Oktober
2010 von 289,38 Euro (252,82 Euro Krankenversicherung und 36,56 Euro Pflegeversicherung) gegenüber. Damit sind im Fall der
Antragstellerin zu 1. im gesamten maßgeblichen Zeitraum lediglich Beiträge bis zur Höhe des Basistarifs als angemessen anzusehen.
Soweit die Antragstellerin im Juli 2010 - und gegebenenfalls auch in der folgenden Zeit, was nach telefonischer Auskunft der
Sachbearbeiterin der Antragsgegnerin noch nicht festgestellt werden konnte - eine Verletztenrente von 222,22 Euro erhalten
hat und insoweit nur durch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung hilfebedürftig geworden sein sollte, folgt dieses
Ergebnis - wie beim Antragsteller zu 2. - bereits aus § 12 Abs. 1c Satz 5 VAG, ohne dass es auf die Frage der Anwendung von
§ 12 Abs. 1c Satz 6 VAG bei der Bestimmung der Angemessenheit der Beiträge ankäme.
Die Antragsteller haben entgegen der Auffassung des SG auch einen Anordnungsgrund i.S.e. besonderen Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht. Nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG reicht es dabei aus, wenn die einstweilige Anordnung zur Abwendung "wesentlicher Nachteile" nötig erscheint; schwere und
unzumutbare Nachteile werden nicht vorausgesetzt. Einstweiliger Rechtsschutz ist im Falle des §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG zu gewähren, wenn den Antragstellern ein Aufrechterhalten des bisherigen Zustandes - hier die Nichterbringung der Sozialhilfeleistung
- bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist. Dabei sind die Interessen der Antragsteller einerseits und die
öffentlichen Interessen andererseits zu berücksichtigen. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stellen dabei ein bewegliches
System dar. Je nach Wahrscheinlichkeit des Erfolges in der Hauptsache können die Anforderungen an den Anordnungsgrund geringer
sein und umgekehrt (Senatsbeschluss vom 22. Juli 2010 - L 7 SO 3067/10 - [unveröffentlicht]; LSG Niedersachsen-Bremen SGb
2004, 44).
Bei den Antragstellern ist nach diesen Grundsätzen von der erforderlichen Eilbedürftigkeit auszugehen. Es ist ihnen entgegen
der Auffassung des SG nicht zumutbar, die Zahlung der Beiträge für ihre private Kranken- und Pflegeversicherung, die sie mit den derzeit von der
Antragsgegnerin bewilligten Leistungen nicht voll begleichen können, auszusetzen. Zwar ist jede Kündigung einer Krankheitskostenversicherung,
mit der die Pflichten nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG (also zum Abschluss einer substitutiven Krankheitskostenversicherung) erfüllt werden, durch den Versicherer ausgeschlossen,
selbst bei Prämienrückstand (absolutes Kündigungsverbot, § 206 Abs. 1 Satz 1 VVG). Nach § 193 Abs. 6 Satz 2 VVG stellt vielmehr der Versicherer, wenn zwei Wochen nach Zugang der Mahnung der Rückstand noch höher als der Prämienanteil
für einen Monat ist, das Ruhen der Leistungen fest. Während der Ruhenszeit haftet der Versicherer weiter, jedoch ausschließlich
für Aufwendungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich
sind (Notversorgungspflicht). Beendet ist das Ruhen nach § 193 Abs. 6 Satz 4 Alternative 2 VVG, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig im Sinne des SGB II oder XII wird. Die Verwendung
des Wortes "wird" zeigt jedoch, dass diese Vorschrift (möglicherweise) nur gilt, wenn jemand, der bisher nicht hilfebedürftig
war, Beitragsrückstände in der privaten Krankenversicherung hat und nunmehr erstmalig anspruchsberechtigt nach dem SGB II
oder SGB XII wird; ob sie auch für den Fall gilt, dass jemand bereits im Leistungsbezug nach dem SGB II oder SGB XII steht,
ist ungeklärt. Es ist den Antragstellern jedoch nicht zuzumuten, gegebenenfalls gegen ihre Krankenversicherung im Zivilrechtsweg
vorzugehen, um die Auslegung des § 193 Abs. 6 Satz 4 Alternative 2 VVG feststellen zu lassen (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 14. Dezember 2009 - L 7 SO - [juris]; ebenso für das SGB II: LSG
Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. September 2009 - L 3 AS 3934/09 - [juris], LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. Dezember 2009 - L 15 AS 1048/09 B ER - ZFSH/SGB 2010, 107; a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, NDV-RD 2009, 145; für das SGB II: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. März 2010 - L 13 AS 919/10 ER-B -; Bayerisches LSG, Beschluss vom 29. Januar 2010 - L 16 AS 27/10 - [juris]).
Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 8. Juli 2009 (aaO.; ebenso LSG Baden-Württemberg, FEVS 61, 183) darauf hingewiesen,
dass die Regelung des § 12 Abs. 1 c Satz 6 VAG eine politische Konzession darstellt, um das GKV-WSG mit der erforderlichen Stimmenmehrheit beschließen und in Kraft setzen zu können. Bereits im Gesetzgebungsverfahren war erkannt
worden, dass mit der jetzigen Formulierung des Gesetzestextes die Gefahr von Versicherungslücken für Hilfebedürftige im Sinne
des SGB XII im Hinblick auf ihren Krankenversicherungsschutz besteht. Auf die deshalb ausgesprochene Bitte des Bundesrates,
im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens durch geeignete Regelungen diese Gefahr zu beseitigen, hat die Bundesregierung in ihrer
Gegenäußerung darauf hingewiesen, dass zurzeit geprüft werde, wie dem bestehenden Problem abgeholfen werden könne (vgl. BT-Drs.
16/12677, Seiten 17 und 23). Auch die neue Bundesregierung hat bekräftigt, dem Gesetzgeber zeitnah einen Vorschlag zur Lösung
des Problems vorlegen zu wollen; die genaue Ausgestaltung der gesetzlichen Änderung werde derzeit noch innerhalb der Bundesregierung
abgestimmt (vgl. BT-Drs. 17/1342, Seite 42). Eine abschließende Lösung dieser Problematik ist damit immer noch nicht erreicht.
Vor diesem Hintergrund geht es jedoch nicht an und ist es den Antragstellern nicht zuzumuten, den politischen Konflikt auf
ihrem Rücken als schwächstem Glied der Kette austragen zu lassen (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juli 2009, aaO.; ebenso LSG
Baden-Württemberg, FEVS 61, 183). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass sich die 78-jährige Antragstellerin zu 1., bei der
ein Grad der Behinderung von 60 festgestellt ist, nach ihren Angaben in der Antragsschrift nach einer Luxation des linken
Armes mit geschädigter Sehne und mit Nervschädigung in ärztlicher Behandlung befindet und sich einer Marcumarbehandlung unterziehen
musste; eine Lungenthrombose sei hinzugekommen, weshalb eine längere Heilbehandlung notwendig gewesen sei. Der 72-jährige
Antragsteller zu 2. leidet seinen Angaben zufolge an Hypertonie. Auch vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass eine Beschränkung
der Leistungen der Krankenversicherung auf reine Notfallmaßnahmen zu wesentlichen Nachteilen für die Antragsteller führen
kann.
Die Verpflichtung zur Leistungserbringung setzt erst mit dem Eingang des Rechtschutzantrages beim SG - vorliegend also mit dem 7. April 2010 - ein. Eine Verpflichtung zur Leistungserbringung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
für zurückliegende Zeiträume vor Eingang des Rechtschutzantrags kommt demgegenüber nur in Betracht, wenn eine Nicht- oder
Minderleistung in der Vergangenheit noch andauernde Auswirkungen für Gegenwart und Zukunft begründet. Derartige Anhaltspunkte
sind jedoch vorliegend nicht erkennbar.
Nachdem die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 17. September 2010 mitgeteilt hat, dass die Antragstellerin
zu 1. jedenfalls im Monat Juli 2010 eine Verletztenrente in Höhe von 222,22 Euro bezogen hat und nach telefonischer Auskunft
der Antragsgegnerin möglicherweise auch in der Folgezeit eine solche Rente bezogen wurde, was derzeit aber noch nicht geklärt
sei, konnte im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur die hier umstrittene Höhe der im Rahmen der Leistungsgewährung
nach dem Vierten Kapitel des SGB XII bei der Feststellung des Bedarfs zu berücksichtigenden Beiträge zur privaten Kranken-
und Pflegeversicherung festgestellt werden. Die im Ergebnis monatlich zusätzlich zu den bereits bewilligten Leistungen zu
gewährenden Beträge sind aber der Höhe nach jedenfalls durch die Anträge im gerichtlichen Eilverfahren begrenzt, bei der Antragstellerin
zu 1. mithin auf 151,44 Euro und beim Antragsteller zu 2. auf 134,85 Euro.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG; dabei hat der Senat im Hinblick auf die überwiegende Obsiegen der Antragsteller von einer Kostenteilung abgesehen.
Den Antragstellern war gemäß §§ 73a Abs.
1 SGG i.V.m. §§
114 ff.
ZPO auch für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten zu bewilligen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§
177 SGG).