Rechtmäßigkeit einer Herabsetzung des Grades der Behinderung im Schwerbehindertenrecht
Feststellung des GdB bei Schlafapnoesyndrom, rezidivierender depressiver Störung, arterieller Hypertonie, Funktionsbehinderung
der Wirbelsäule und gering- bis mittelgradiger Schwerhörigkeit
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Grades der Behinderung (GdB).
Der im Jahr 1958 geborene Kläger beantragte erstmals am 06.09.2009 die Zuerkennung eines GdB. Zuletzt betrug der GdB 30 aufgrund
des Bescheides vom 16.09.2009. Hierbei wurde eine seelische Störung und Depression mit einem GdB von 30, eine Schwerhörigkeit
mit Ohrgeräuschen (Tinnitus) mit 10 sowie eine Herzleistungsminderung, Bluthochdruck und arterielle Verschlusskrankheit mit
10 berücksichtigt (Bl. 36 der Verwaltungsakte).
Am 31.03.2015 beantragte der Kläger die Erhöhung des GdB und teilte mit, dass er an einem Schlafapnoe-Syndrom leide und mit
Maske nicht länger als 2 bis 2,5 Stunden schlafen könne (Bl. 79 - 80 der Verwaltungsakte). Das Landratsamt R.-M.-Kreis (LRA)
zog einen Befundbericht des Facharztes für Innere Medizin/Pneumologie/Schlafmedizin Dr. H. vom 23.03.2015 bei (Bl. 81 der
Verwaltungsakte) und lehnte nach Einholung einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme bei Dr. F. (Bl. 83 - 84 der Verwaltungsakte)
die Höherbewertung des GdB mit Bescheid vom 07.05.2015 ab (Bl. 85 - 86 der Verwaltungsakte).
Der Kläger erhob hiergegen am 18.05.2015 Widerspruch und teilte zur Begründung mit, dass er die Voraussetzungen der Schwerbehinderung
nach §
2 Abs.
2 SGB IX erfülle. Das Schlafapnoe-Syndrom sei nicht angemessen bewertet. Eine Behandlung und nächtliche Beatmung werde durch die nächtlichen
Atemaussetzer und die grundsätzliche Bauchschläferlage erheblich erschwert. Es sei ein GdB von 50 zuzuerkennen. Die Osteoporose
sei ebenfalls nicht ausreichend bewertet und rechtfertige angesichts der nachweislich auftretenden vermehrten Knochenbruchneigung
einen höheren GdB. Die beidseitigen Hörbeschwerden und Ohrgeräusche führten zu einer deutlichen Befindlichkeitseinschränkung
und zu einer Verschlechterung des Gehörs. Der hierfür zuerkannte GdB sei ebenfalls deutlich zu gering. Der Kläger legte Befundberichte
der behandelnden Ärzte vor (Bl. 93 - 102 der Verwaltungsakte). Dr. S. bewertete in einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme
vom 07.07.2015 nach Beiziehung eines weiteren Befundberichts des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. K. (Bl. 104 der Verwaltungsakte)
den GdB mit 30 (Seelische Störung, Depression GdB 30, Schwerhörigkeit, Ohrgeräusche GdB 10, Herzleistungsminderung, Bluthochdruck
GdB 10, arterielle Verschlusskrankheit GdB 10, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose)
GdB 10, Nierenfunktionseinschränkung GdB 10, Schlafapnoe-Syndrom GdB 10, Bl. 110 - 108 der Verwaltungsakte).
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.08.2015 zurück (Bl. 110 - 112 der Verwaltungsakte) und verwies
darauf, dass das Schlafapnoe-Syndrom zusätzlich zu berücksichtigen sei, jedoch nur mit einem GdB von 10 und somit keine wesentliche
Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung vorliege. Ein GdB von 50 könne nicht festgestellt werden.
Der Kläger hat am 11.09.2015 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und hat zur Klagebegründung angeführt, dass das Schlafapnoe-Syndrom nicht angemessen bewertet sei. Die Schlafapnoe
lasse sich durch eine Maske nicht beheben. Er sei Bauchschläfer, hierdurch verrutsche die Maske ständig und sei nicht brauchbar.
Hierfür sei allein ein GdB von 50 gerechtfertigt.
Das SG hat die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen.
Der Orthopäde Dr. Se. hat mit Schreiben vom 19.10.2015 mitgeteilt, dass ein Lendenwirbelsäulensyndrom und eine Osteopenie
der Lendenwirbelsäule vorliege. Diese seien als mittelgradig einzustufen (Bl. 40 - 41 der SG-Akte).
Der Hals-Nasen-Ohren-Facharzt Dr. K. hat mit Schreiben vom 22.10.2015 mitgeteilt, dass er eine Innenohrschwerhörigkeit beidseits
und einen Tinnitus aurium diagnostiziert habe. Die Schwerhörigkeit beidseits sei gering bis mittelgradig. Der Auffassung des
Versorgungsärztlichen Dienstes stimme er zu (Bl. 42 - 44 der SG-Akte).
Der Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Sportmedizin Dr. Kn. hat mit Schreiben vom 26.10.2015 angegeben, dass der
Kläger an einer leichtgradigen arteriellen Hypertonie mit eingeschränkter diastolischer Funktionsstörung leide. Des Weiteren
liege eine geringgradige minimale Insuffizienz der Aorten und Mitralklappe vor. Die duplexsonographisch nachzuweisende Makroangiopathie
der hirnversorgenden Gefäße sei ebenfalls geringgradig. Der beim Versorgungsärztlichen Dienst festgesetzte GdB von 10 sei
zutreffend (Bl. 45 - 50 der SG-Akte).
Der Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie, Allergologie, Suchtmedizin und Notfallmedizin Dr. Ru. hat mit Schreiben vom
04.11.2015 ausgeführt, dass er Reizhusten, ein hochgradiges hyperreaktives Bronchialsyndrom, periodische Beinbewegungen im
Schlafen (PLM - Periodic Limb Movement) sowie ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom diagnostiziert habe. Die Verwendung der
APAP-Therapie gelinge bei bevorzugter Bauchlage und dabei auftretenden Maskenleckagen nicht. Die Schlafapnoe sei mittelgradig
einzustufen. Der GdB hierfür betrage bei nicht durchführbarer Therapie 50 (vgl. Bl. 51 - 58 der SG-Akte).
Der Kläger hat mit Schreiben vom 15.12.2015 vorgetragen, dass er verschiedene Atemmasken ausprobiert habe. Diese hätten jedoch
alle nicht funktioniert, da sie in Bauchlage undicht wurden (vgl. Bl. 67 - 71 der SG-Akte).
Der Beklagte hat eine versorgungsmedizinische Stellungnahme von Dr. B.-K. vom 30.01.2016 vorgelegt, wonach es diverse Hilfsmittel
für die Verhinderung der nächtlichen Bauchlage gebe und aus dem Bericht des Schlaflabors im Rot Kreuz-Krankenhaus vom 23.03.215
ein ausschließliches Schlafen in Bauchlage nicht nachgewiesen sei. Das Schlafapnoe-Syndrom sei mit einem GdB von 20 zu bewerten
(vgl. Bl. 73 - 75 der SG-Akte).
Das SG hat Dr. Sch. mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Amts wegen beauftragt. In seinem am 04.04.2016
erstellten Gutachten hat Dr. Sch. eine rezidivierende depressive Störung gegenwärtig mittelgradige Episode diagnostiziert
und diese mit einem GdB von 30 bewertet (vgl. Bl. 81 - 91 der SG-Akte).
Das SG hat am 26.04.2017 einen Erörterungstermin durchgeführt (vgl. Bl. 115 - 116 der SG-Akte).
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 05.05.2017 ein Vergleichsangebot dahingehend abgegeben, dass der GdB 40 ab dem 31.04.2015
beträgt und eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit ab dem 31.03.2015 anerkannt wird. Hierzu hat der Beklagte
eine versorgungsmedizinische Stellungnahme von Dr. W. vom 28.04.2017 vorgelegt (vgl. Bl. 178 - 180 der SG-Akte).
Das SG hat Dr. Ru. ergänzend als sachverständigen Zeugen vernommen. Dieser hat am 08.05.2017 mitgeteilt, dass sich in der im April
2017 durchgeführten Polygraphie-Kontrolle ein Wechsel zwischen Links- und Bauchlage zeige. Aus der Polygraphie ergebe sich
primär kein Befund, der die Tagesmüdigkeit hinreichend erklären würde. Prinzipiell wäre ein Versuch einer Bauchlagenverhinderung
mit einer individuell anzufertigenden Weste möglich. Davor sei jedoch zweifelsfrei zu klären, ob eine CPAP/APAP-Therapie überhaupt
notwendig sei, da evtl. der Tagesmüdigkeit eine ganz andere Störung des Schlafes (beispielsweise PLMS) zugrunde liege (Bl.
182 - 183 der SG-Akte).
Der Kläger hat mit Schreiben vom 17.05.2017 mitgeteilt, dass er das Vergleichsangebot des Beklagten nicht annehmen könne (Bl.
185 der SG-Akte).
Mit Schreiben vom 10.08.2017 hat Dr. Ru. auf Anforderung des SG ein Bericht des Schlaflabors des M.hospitales vom 27.07.2017 eingereicht, wonach eine REM-schlafbezogene Schlafapnoe vorliege.
An der Hypersomnie bestehe aus klinischer und auch testpathologischer Sicht kein Zweifel (Bl. 188 - 192 der SG-Akte).
Der Beklagte hat unter Vorlage einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme von Dr. Re. (Bl. 199 - 200 der SG-Akte) vom 06.12.2017 an seiner bisherigen Bewertung des GdB festgehalten.
Das SG hat mit Urteil vom 28.06.2018, Tenor berichtigt durch Beschluss vom 21.08.2018, den GdB unter Aufführung des Bescheids vom
07.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2015 auf 40 festgesetzt und im Übrigen die Klage abgewiesen.
Das SG hat hierbei die rezidivierende depressive Störung mit einem GdB von 30 bewertet. Das Schlafapnoe-Syndrom bedinge ebenfalls
einen GdB von 30. Die Zuerkennung eines GdB von 50 komme vorliegend für das Schlafapnoe-Syndrom nicht in Betracht, da kein
mittleres oder schwergradiges Schlafapnoe-Syndrom vorliege und eine Nasenüberdruckbeatmung nicht objektiv und vollständig
ausgeschlossen sei. Zu berücksichtigen sei, dass eine nachgewiesene erhebliche Tagesmüdigkeit vorliege. Diese schränke den
Kläger zwar ein, die Folgen seien jedenfalls nicht mit einer schweren psychischen Störung vergleichbar, welche ebenfalls mit
einem GdB von 50 bewertet werde. Auch sei die Maskenbeatmung nicht vollständig ausgeschlossen, sondern nur teilweise durchführbar,
da der Kläger die Maske im Laufe der Nacht unbewusst abnehme. Es ließe sich nicht ausschließen, dass dieses Verhalten durch
eine Psychotherapie behandelbar wäre. Insgesamt sei der GdB aufgrund der erheblichen Überschneidungen zwischen dem Schlafapnoe-Syndrom
und der depressiven Erkrankung des Klägers mit 40 angemessen bewertet.
Der Kläger hat gegen das ihm am 28.08.2018 zugestellte Urteil am 21.09.2018 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg
(LSG) erhoben und hat zur Begründung angeführt, dass das Schlafapnoe-Syndrom mit einem GdB von mindestens 50 zu bewerten sei,
da objektiv eine Unmöglichkeit des Tragens der Maske bei ihm vorliege. Dies ergebe sich aus dem Bericht des M.hospitales Stuttgart
vom 27.07.2017 (vgl. Bl. 20 - 23 der Senatsakte).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28.06.2018 und den Bescheid der Beklagten vom 07.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 07.08.2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, für den Kläger ab dem 02.12.2014 einen GdB von mindestens 50
festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hat zur Berufungserwiderung auf das Urteil des SG sowie die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 28.04.2017 verwiesen (vgl. Bl. 24 - 25 der Senatsakte).
Der Senat hat Dr. Ru. ergänzend als sachverständigen Zeugen befragt. Dr. Ru. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage
vom 22.10.2018 mitgeteilt, dass formell bei einem lageunabhängigen AHI ) 10/H die kontinuierliche Überdruckbeatmung angeraten,
aber nicht zwingend indiziert sei. An Alternativen käme beispielsweise eine Unterkiefer-Protrusionsschiene in Betracht. Generell
werde bei übergewichtigen Patienten bei allen Formen der Schlafapnoe eine Gewichtsreduktion angeraten. Der Kläger habe von
2015 bis 2017 bereits 10 Kilo bewusst Gewicht abgenommen, ohne Einfluss auf die Schlafqualität und die erhöhte Tagesmüdigkeit.
Der Kläger sei vorwiegend Bauchschläfer. Besonders in Bauchlage komme es häufig zu Maskenleckagen, die den Nachtschlaf teilweise
erheblich stören könnten. Eine Umkonditionierung bei Bauchschläfern sei im Gegensatz zur Rückenlage assoziierten Schlafapnoe
nicht sehr erfolgversprechend (vgl. Bl. 29 - 30 der Senatsakte).
Die Berichterstatterin hat das Verfahren mit den Beteiligten in einem Erörterungstermin am 15.02.2019 erörtert (vgl. Bl. 36
- 37 der Senatsakt).
Der Senat hat Dr. Se. sowie Dr. Sch. ergänzend als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. Se. hat in seiner Stellungnahme vom
25.02.2019 mitgeteilt, dass er den Kläger zuletzt am 24.05.2018 behandelt habe und eine leichte bis mäßige Degeneration der
Lendenwirbelsäule mit Bewegungseinschränkung vorliege. Es ergebe sich keine wesentliche Änderung. Der GdB betrage 10 (vgl.
Bl. 45 der Senatsakte).
Dr. Sch. hat mit Schreiben vom 28.02.2019 ausgeführt, dass der Kläger ihn zuletzt am 14.02.2019 konsultiert habe und er eine
akute Belastungsreaktion sowie rezidivierende depressive Episoden bei aktuell mittelschwerer depressiver Episode sowie eine
Cephalgie, eine Plaque-Bildung der extrakraniellen hirnversorgenden Gefäße eine beginnende Polyneuropathie der Beine sowie
ein Schlafapnoesyndrom diagnostiziert habe. Ein GdB von 30 entspreche nicht annähernd der Einschränkung, die durch die rezidivierende
depressive Störung mit den zunehmenden Problemen verursacht werde (vgl. Bl. 46 - 50 der Senatsakte).
Der Senat hat einen Entlassungsbericht über eine akutstationäre Behandlung des Klägers in der Fachklinik für Psychosomatische
Medizin und Psychotherapie St. vom 22.04.2019 bis zum 01.06.2019 (Bl. 57 - 65 der Senatsakte) sowie einen Bericht über eine
Polysomnographie im Schlaflabor des MVZ K./Allgäu vom 07.05.2019 von Dr. H. (Bl. 66 - 69 der Senatsakte) beigezogen.
Der Beklagte hat unter Vorlage einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme von Dr. W. vom 09.07.2019 an seiner bisherigen
Bewertung des Sachverhaltes festgehalten.
Dr. Sch. hat auf Anforderung des Senats mit Schreiben vom 22.10.2019 den weiteren Behandlungsverlauf nach der Entlassung aus
der Klinik St. mitgeteilt (Bl. 86 - 96 der Senatsakte).
Der Beklagte hat unter Vorlage einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme von Dr. W. vom 13.11.2019 mitgeteilt, dass sich
an der bisherigen Bewertung des Sachverhaltes keine Änderung ergebe.
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 02.03.2020 (Bl. 105 der Senatsakte), der Kläger mit Schreiben vom 03.03.2020 (Bl. 107 der
Senatsakte) Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach §
124 Abs.
2 SGG erteilt.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und erneutem Anhörens des Sachverhalts hat auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§
143 und
144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte, nach §
151 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten
ohne mündliche Verhandlung nach §§
153 Abs.
1,
124 Abs.
2 SGG entscheidet, ist teilweise begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Verpflichtung des Beklagten, über den im Urteil des SG zuerkannten GdB von 40 seit dem 02.12.2014 hinaus den GdB des Klägers mit mindestens 50 seit dem 02.12.2014 festzustellen.
Dieses Ziel verfolgt der Kläger zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des §
54 Abs.
1 Satz 1
SGG.
Der Kläger hat über das Urteil des SG hinaus Anspruch auf Feststellung eines GdB von 60 für die Zeit ab dem 07.05.2019. Insoweit ist die Berufung erfolgreich.
Sofern er dagegen nach seinem Klageantrag die Zuerkennung eines GdB von mehr als 60 sowie die Feststellung eines GdB von mehr
als 40 für den Zeitraum ab dem 02.12.2014 bis zum 06.05.2019 begehrt, bleibt die Berufung ohne Erfolg.
Ermächtigungsgrundlage für die vom Kläger begehrte Neufeststellung des GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit §
2 Abs.
1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX) in den bis zum 31.12.2017 und ab dem 01.01.2018 geltenden Fassungen in Verbindung mit §
69 SGB IX in den bis zum 14.01.2015, 29.12.2016 und 31.12.2017 geltenden Fassungen beziehungsweise in Verbindung mit §
152 Abs.
1 und
3 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung. Im Hinblick auf die den vorliegend zu beurteilenden Zeitraum betreffenden unterschiedlichen
Gesetzesfassungen sind diese - da Übergangsregelungen fehlen - nach dem Grundsatz anzuwenden, dass die Entstehung und der
Fortbestand des sozialrechtlichen Anspruchs auf Leistungen nach dem Recht zu beurteilen ist, welches zur Zeit der anspruchsbegründenden
Ereignisse oder Umstände jeweils gegolten hat (BSG, Urteil vom 16.12.2014, B 9 SB 2/13 R, juris; BSG, Urteil vom 04.09.2013, B 10 EG 6/12 R, juris; vergleiche Stölting/Greiser in SGb 2015, 135-1 Jetzt43).
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen,
die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Von einer solchen ist bei einer Änderung
im Gesundheitszustand auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung oder Herabsetzung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt, während
das Hinzutreten weiterer Funktionsstörungen mit einem Einzel-GdB von 10 regelmäßig ohne Auswirkung auf den Gesamt-GdB bleibt.
Nach §
2 Abs.
1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder
seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen
und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach §
2 Abs.
1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige
oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten
Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können, wobei eine Beeinträchtigung
in diesem Sinne vorliegt, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.
Nach §
69 Abs.
1 Satz 1
SGB IX in den bis zum 14.01.2015 und 29.12.2016 geltenden Fassungen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung
und den GdB fest. Nach §
69 Abs.
1 Satz 1
SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach §
152 Abs.
1 Satz 1
SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt ergänzend, dass der GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung festgestellt wird.
Als GdB werden dabei nach §
69 Abs.
1 Satz 4 und 5
SGB IX in den bis zum 14.01.2015 und 29.12.2016 geltenden Fassungen, nach §
69 Abs.
1 Satz 5 und 6
SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach §
152 Abs.
1 Satz 5 und 6
SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden
abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung hierbei nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.
Nach §
70 Abs.
2 SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung
mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen
Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen
sind. Nach §
70 Abs.
2 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach §
153 Abs.
2 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt diese Ermächtigung für die allgemeine - also nicht nur für die medizinische
- Bewertung des GdB und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen sowie auch für die Kriterien für die Bewertung
der Hilflosigkeit. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden. Indes bestimmt §
159 Abs.
7 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise § 241 Abs. 5
SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung, dass - soweit eine solche Verordnung nicht erlassen ist - die Maßstäbe des §
30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 17 BVG in der bis zum 30.06.2011 geltenden Fassung beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der ab dem 01.07.2011 geltenden Fassung erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete
Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 01.01.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit
im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2412), die durch die Verordnungen vom 01.03.2010 (BGBl. I S. 249), 14.07.2010 (BGBl. I S. 928), 17.12.2010 (BGBl. I S. 2124), 28.10.2011 (BGBl. I S. 2153) und 11.10.2012 (BGBl. I S. 2122) sowie das Gesetz vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) geändert worden ist, heranzuziehen. In den VG sind unter anderem die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen
(GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A, Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Die VG stellen ihrem
Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar. Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf
die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die Bewertung
des GdB auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu
entwickeln (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach §
69 Abs.
3 Satz 1
SGB IX in den bis zum 14.01.2015, 29.12.2016 und 31.12.2017 geltenden Fassungen beziehungsweise nach §
152 Abs.
3 Satz 1
SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung
ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht
nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen nach §
2 Abs.
1 SGB IX und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt
sind diese dann den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten
Schritt ist dann in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen
der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken),
sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris). Nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. c ist bei der Bildung des Gesamt-GdB in der Regel von der Beeinträchtigung mit
dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und sodann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und
inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen
um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen nach den VG, Teil
A Nr. 3 Buchst. d, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen,
nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte,
auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen
mit einem GdB von 20 ist es danach vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung
zu schließen. Außerdem sind nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. b bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu
vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind.
Die Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden
Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).
Unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze hat der Kläger ab dem 07.05.2019 Anspruch auf Feststellung eines GdB von
60. Ein GdB von mehr als 60 kann der Senat jedoch ebenso wenig feststellten, wie einen GdB von 50 oder mehr im Zeitraum vom
02.12.2014 bis zum 06.05.2019.
Das Schlafapnoesyndrom im Funktionssystem Atmung ist mit einem GdB von 50 ab dem 07.05.2019 zu bewerten.
Die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" bestimmen in B 8.7 zur Bewertung eines Schlafapnoe-Syndroms (Nachweis durch Untersuchung
im Schlaflabor): Ohne Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung beträgt der GdB 0 bis 10; mit Notwendigkeit
einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung beträgt der GdB 20 und bei nicht durchführbarer nasaler Überdruckbeatmung
beträgt der GdB 50. Folgeerscheinungen oder Komplikationen (z. B. Herzrhythmusstörungen, Hypertonie, Cor pulmonale) sind zusätzlich
zu berücksichtigen.
Hiervon ausgehend ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in erster und zweiter Instanz gesichert, dass bei dem Kläger ein
Schlafapnoe-Syndrom mit Indikation zur nasalen Überdruckbeatmung vorliegt. Der Senat schließt dies aus dem Bericht von Dr.
H. vom 07.05.2019 über die Polysomnographie vom 06.05.2019 bis zum 07.05.2019, welcher eine mittelgradige obstruktive Schlafapnoe
mit Hypersomnie diagnostiziert. Der AHI (Apnoe-Hypopnoe-Index) betrug 17/h, so dass die Einleitung einer nasalen Überdruckbeatmungstherapie
indiziert ist (vgl. S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen Kapitel "Schlafbezogene Atemstörungen bei Erwachsenen",
AWMF-Register-Nr. 063/001, Stand August 2017, Ziff. 5.15.1, Seite 13ff).
Eine nasale Überdruckbeatmungstherapie (CPAP bzw. APAP - Therapie) kann jedoch infolge der Maskenunverträglichkeit des Klägers
nicht durchgeführt werden. Der Senat stellt dies anhand des Berichtes von Dr. H. vom 07.05.2019 sowie den sachverständigen
Zeugenaussagen von Dr. Ru. vom 04.11.2015, 08.05.2017, 10.08.2017. sowie vom 22.10.2018 fest. Da der Kläger überwiegend in
Bauchlage schläft, ist eine Maskenbeatmung ohne Leckagen nicht durchführbar. Der Kläger hat - wie sich aus dem Bericht des
Schlaflabors im M.hospital Stuttgart vom 27.07.2017 von Dr. G. und Dr. Ha. ergibt - bis zuletzt mehrere auch kleinere Masken
ausprobiert. Diese konnten jedoch nicht mit zufriedenstellendem Ergebnis in Bauchlage angepasst werden. Eine Lagerungshilfe
zur Verhinderung der Bauchlage, welche von Dr. Ru. in seiner Stellungnahme vom 08.05.2017 diskutiert wird, existiert nach
Aussage von Dr. G. und Dr. Ha. aufgrund der völlig anderen anatomischen Verhältnisse am Rücken und der Atemphysiologie nicht.
Zudem zeige die Erfahrung, so Dr. G. und Dr. Ha., beim Versuch, die Rückenlage bei ausgeprägten habituellen Rückenschläfern
zu verhindern, dass diese Menschen auch mit einer Lagetherapieweste sich immer wieder auf den Rücken drehten und ein solcher
Therapieversuch dann nicht effizient sei.
Bei der Frage, ob eine nasale Überdruckbeatmung nicht durchführbar ist (hiervon hängt die Frage des Vorliegens der Schwerbehinderteneigenschaft
mit einem GdB von 50 ab), ist die Therapieverträglichkeit entscheidend (Ulrich Wendler, Martin Schillings, Versorgungsmedizinische
Grundsätze, Kommentar, Sozialmedizinischer Verlag des VdK Deutschland, 5. Aufl. S. 182). Bei der Beurteilung der Therapieverträglichkeit
kommt es allerdings nicht darauf an, ob der Betroffene aus seiner Sicht meint, die Maske nicht tragen zu können, oder gar
glaubt, dass eine CPAP-Behandlung keinen Sinn mache (Bayer. Landessozialgericht, Urteil vom 12.10.2010 - L 15 SB 64/09 - a. a. O.). Entscheidend ist vielmehr die objektive Therapierbarkeit. Psychische Abnormitäten wie Zwangs- oder Angstneurosen
können gegebenenfalls eine Berücksichtigung finden. Hier ist aber zu fordern, dass sich der Betroffene wegen der behaupteten
psychischen Probleme beim Tragen der Atemmaske in psychiatrische Behandlung begeben hat (Ulrich Wendler, Martin Schillings
a. a. O. mit Hinweis auf Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.07.2004 - L 6 SB 93/02; siehe auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. Oktober 2014 - L 3 SB 61/12 -, juris). Von einer Nichtdurchführbarkeit der nasalen Überdruckbeatmung kann erst ausgegangen werden, wenn anatomische Besonderheiten
einer nasalen Überdruckbeatmung entgegenstehen oder wenn durch das Scheitern entsprechender Therapieversuche der Nachweis
der Nichtdurchführbarkeit der nasalen Überdruckbeatmung erbracht ist. Dazu gehört, dass der Betroffene verschiedene Masken
ausgetestet und ein Gewöhnungstraining erfolglos durchlaufen hat. Es reicht nicht, wenn die Beatmungsmaske wegen subjektiver
Beschwerden nicht mehr benutzt wird (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 17. Juli 2012 - L 15 SB 213/11 -, juris).
Vorliegend wird die Nichtdurchführbarkeit der Maskentherapie durch die Schlafposition und damit nicht nur durch subjektiver
Beschwerden verursacht. Dem Kläger wurde nach der Polysomnographie vom 07.05.2019 als sogenannte Second-Line-Therapie eine
intraorale Protrusionsschiene verordnet. Deren Behandlungserfolg ist allerdings nicht gesichert, wie der Senat dem Bericht
von Dr. H. vom 07.05.2019 entnimmt. Nach den VG B 8.7 ist Voraussetzung für die Bewertung eines GdB von 50 allein die Nichtdurchführbarkeit
der nasalen Überdruckbeatmung. Dies steht im Fall des Klägers zur Überzeugung des Senats fest, so dass die Schlafapnoe mit
einem GdB von 50 zu bewerten ist. Diese Bewertung kann indes erst ab dem 07.05.2019 getroffen werden, da erst die Polysomnographie
vom 06.05.2019 auf den 07.05.2019 den endgültigen Nachweis einer maskenpflichtigen Schlafapnoe mit Maskenintoleranz erbracht
hat. Im Bericht des Schlaflabors des M.hospitales Stuttgart vom 27.7.2017 wurde dagegen nur ein leichtgradiges Schlafapnoesyndrom
diagnostiziert und die Ursächlichkeit der Schlafapnoe für die ausgeprägte Tagesmüdigkeit bezweifelt. Im Gegensatz hierzu hatte
Dr. H. im Bericht des Schlaflabors vom 18.12.2014 bei einem AHI von 20,4/h die Einleitung einer APAP-Therapie für notwendig
erachtet. Angesichts dieser diskrepanten Befunde, auf die auch Dr. Ru. in seinen Stellungnahmen vom 08.05.2017 und vom 10.08.2017
hinweist, kann der Senat die Diagnose einer maskenpflichtigen Schlafapnoe erst ab dem 07.05.2019 als gesichert feststellen
und den GdB ab diesem Zeitpunkt mit 50 bewerten. Für den Zeitraum davor kann ein höherer GdB als 20 entsprechend den VG 8.7
bzw. wie vom SG angenommen von 30 nicht zuerkannt werden.
Die daneben im Funktionssystem Atmung bestehende hochgradige bronchiale Hyperreagibilität ist nach den VG 8.5 mit einem GdB
von 10 zutreffend bewertet, wie auch Dr. Ru. in seiner Auskunft gegenüber dem SG vom 04.11.2015 bestätigt. Eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion ist den Befundberichten nicht zu entnehmen.
Die rezidivierende depressive Störung im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche (B 3.7 VG) ist mit einem GdB
von 30 zu bewerten.
Nach den VG B 3.7 ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen
oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis-
und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen
mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit)
mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten
der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten.
Das SG und der Beklagte haben die hier vorliegenden Gesundheitsstörungen mit einem GdB von 30 bewertet. Dem schließt sich der Senat
unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. Sch. vom 04.04.2016 sowie des Entlassungsberichts der Klinik St. vom 13.06.2019
über den stationären Aufenthalt vom 22.04.2019 bis zum 01.06.2019 an. Der Kläger leidet nach dem Gutachten von Dr. Sch. an
einer rezidivierenden, zum Zeitpunkt der Begutachtung mittelgradigen depressiven Störung. Er zeigte sich nach dem psychiatrischen
Befund von Dr. Sch. in seiner affektiven Schwingungsfähigkeit leicht eingeengt mit deutlichen zwanghaften Zügen und streckenweise
anklingenden hypochondrischen Zügen. Im Kontaktverhalten, in Mimik, Gestik und Körperhaltung lag eine mittelgradige depressive
Verstimmung ohne akute Psychose oder höhergradiges hirnorganisches Psychosyndrom vor. Die mnestischen und intellektuellen
Funktionen waren ausreichend. Der Senat kann in Übereinstimmung mit Dr. Sch. eine leicht- bis mittelgradige Symptomatik nach
den VG B 3.7 feststellen, welche mit einem GdB von 30 entsprechend einer stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung
der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit zu bewerten ist. Ein GdB von mehr als 30 kommt jedoch nach den von Dr. Sch. erhobenen
Befunden und der noch bestehenden Alltagsgestaltung nicht in Betracht. Der Kläger war im Zeitpunkt der Begutachtung noch berufstätig
und konnte auch noch den Alltag ohne höhergradige Einschränkungen bewältigen. Ein schwergradiger sozialer Rückzug mit entsprechender
Antriebslosigkeit lag nicht vor. Der Kläger hat soziale Kontakte vor allem in seiner Familie und verfügt auch noch über Interessen
wie Spaziergänge mit dem Hund oder Fernsehen sowie Radio hören. Die Behandlung bei Dr. Sch. war auch nach den Angaben bei
Dr. Sch. zunächst eher niederfrequent mit halbjährlichen Terminen. Eine Intensivierung erfolgte nach einer Eskalation am Arbeitsplatz
Anfang des Jahres 2019, welche nach der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. Sch. vom 28.02.2019 zur stationären Behandlung
im St.-Haus geführt hat. Der Senat kann jedoch auch unter Berücksichtigung des Entlassungsberichts vom 13.06.2019 einen GdB
von mehr als 30 für die rezidivierende depressive Störung nicht befürworten. Als Auslöser für die depressive Störung wurde
ein seit längerem bestehender Arbeitsplatzkonflikt mit Umstrukturierungsmaßnahmen und fehlender Wertschätzung der Kompetenz
und des hohen beruflichen Einsatzes des Klägers genannt. Die stationäre Behandlung führte diesbezüglich zu einer psychischen
Stabilisierung und Besserung der Konfliktfähigkeit mit Teilremission der depressiven Symptomatik. Diese ist daher nach dem
Ausprägungsgrad noch Behandlungsmaßnahmen zugänglich. Zudem verfügt der Kläger noch über Ressourcen durch die familiäre Unterstützung.
Dr. Sch. hat zwar in seiner weiteren sachverständigen Zeugenaussage vom 22.10.2019 einen GdB von 50 vorgeschlagen und diesbezüglich
auf die immer wieder auftretenden mittelschweren bis schweren depressiven Episoden verwiesen. Der Senat vermag dem indes angesichts
des bisherigen Ausprägungsgrads und der hiermit verbundenen Teilhabeeinschränkungen nicht zu folgen. Der GdB für die rezidivierende
depressive Störung ist somit mit 30 angemessen bewertet.
Die bei dem Kläger weiterhin bestehende arterielle Hypertonie ist nach Aussage des behandelnden Kardiologen Dr. Kn. vom 26.10.2015
geringgradig. Auch die minimalen Insuffizienzen der Aorten- und Mitralklappe sowie die Makroangiopathie der hirnversorgenden
Gefäße sind lediglich leichtgradig. Die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem Herz-Kreislauf bedingen daher insgesamt
einen Einzel-GdB von 10 (VG B 9.3).
Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (VG B 18.9) ist ebenfalls mit einem GdB von 10 zu bewerten. Die Osteochondrose der
LWS und die hiermit einhergehenden Funktionseinschränkungen werden vom behandelnden Orthopäden Dr. Se. in seinen sachverständigen
Zeugenaussagen vom 19.10.2015 und vom 25.02.2019 als leichtgradig bis mäßig beurteilt. Die Osteopenie hat bislang noch nicht
zu Wirbelkörperbrüchen oder manifesten Funktionseinschränkungen geführt. Allein eine ausschließlich messtechnisch nachgewiesene
Minderung des Knochenmineralgehalts rechtfertigt noch nicht die Annahme eines GdB (VG B 18.1).
Die im Funktionssystem Ohren bestehende gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit beidseits ist nach Aussage des behandelnden
Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. K. mit einem GdB von 10 ebenfalls angemessen berücksichtigt. Dasselbe gilt für den Tinnitus, welcher
bislang nach Aussage von Dr. K. noch nicht zu eigenständigen psychovegetativen Begleiterscheinungen geführt hat.
Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdBrelevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens
10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht für erforderlich. Die
vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten dem Senat die für die
richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§
118 Abs.
1 Satz 1
SGG, §
412 Abs.
1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung
des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden
Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen
Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen
anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 30, 40 oder 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung
ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von 50 für die Funktionsbeeinträchtigungen
im Funktionssystem Atmung (Schlafapnoe) sowie von 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem Gehirn einschließlich
Psyche. Die depressive Störung ist zwar in erster Linie nicht durch das Schlafapnoesyndrom sondern durch den Arbeitsplatzkonflikt
verursacht. Jedoch wirkt sich auch die depressive Störung auf das Schlafverhalten und die Hypersomnie aus, wie Dr. G. und
Dr. Ha. im Schlaflaborbericht vom 27.07.2017 anführen. Der Senat hält daher eine Erhöhung des GdB von 50 auf insgesamt 60
unter Einbeziehung des GdB von 30 für die depressive Erkrankung für gerechtfertigt. Die des Weiteren vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen
bedingen allesamt lediglich einen GdB von 10 und wirken sich daher nicht erhöhend auf den Gesamt-GdB aus.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §
193 SGG und berücksichtigt die Tatsache, dass ein GdB von mehr als 40 erst ab dem 07.05.2019 festgestellt werden kann. Hinsichtlich
der Kostenentscheidung im SG-Verfahren verbleibt es bei der Entscheidung des SG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.