Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 2102 der Anlage zur
Berufskrankheiten-Verordnung (Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden
Tätigkeiten) bei einem Berufshandballspieler.
Der 1986 geborene Kläger spielt seit dem Kindesalter Handball. Seit dem 01.07.2003 übte er die Tätigkeit als Handballspieler
im Rahmen eines Arbeitsvertrages, zunächst bei der SG K. bis zum 30.06.2008, vom 01.07.2008 bis zum 30.06.2011 bei der TSG L. sowie vom 01.07.2011 bis zum 30.06.2016 bei der SG N. aus. Parallel spielte er auch in der Jugend- und Juniorennationalmannschaft.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 10.12.2016 wandte sich der Kläger an die Beklagte als zuständige Berufsgenossenschaft.
Die Beklagte habe die Anerkennung des Radiärrisses am linken Außenmeniskus als Folge des Versicherungsfalles vom 24.10.2009
mit Bescheid vom 22.01.2014 abgelehnt, da nach überwiegender Ansicht ein isolierter Meniskusschaden als Folge einer degenerativen
Veränderung gewertet werde. Da er am 24.10.2009 bereits über mehrere Jahre lang aktiv Handball gespielt habe, lägen objektive
Anhaltspunkte dafür vor, dass hier die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 2102 der
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV) erfüllt seien.
Die Beklagte zog die Akten mehrerer vorangegangener Arbeitsunfälle des Klägers bei.
Der Kläger erlitt am 02.10.2008 im Training eine Blockade des rechten Knies mit einschießenden Schmerzen (vgl. H-Arzt-Bericht
vom 22.10.2008 von Dr. M., Diagnose: traumatisches Knochenmarködem laterale Femurcondyle rechts sowie Gutachten von Dr. R.
und Dr. W. vom 21.10.2013). Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22.01.2014 einen Anspruch auf Rente wegen des Versicherungsfalls
vom 02.10.2008 ab, da keine MdE von mindestens 20 v. H. vorliege, und anerkannte als Unfallfolge eine endgradige Bewegungseinschränkung
im rechten Kniegelenk nach III- IV-gradigem Knorpelschaden an der lateralen Femurkondyle rechts.
Am 24.10.2009 verdrehte sich der Kläger bei einem Zweikampf das linke Knie (vgl. H-Arzt-Bericht von Dr. M. vom 26.10.2009,
Diagnose: Außenmeniskusläsion linkes Knie). Die Beklagte lehnte nach Einholung eines Gutachtens bei Dr. R. und Dr. W. (Gutachten
vom 22.10.2013) die Gewährung einer Verletztenrente wegen des Versicherungsfalls vom 24.10.2009 mit Bescheid vom 22.01.2014
ab und anerkannte als Folgen des Unfalles eine ohne wesentliche Folgen ausgeheilte Zerrung des linken Kniegelenks. Keine Unfallfolge
sei der Radiärriss des linken Außenmeniskus.
Am 16.05.2011 stieß der Kläger im Spiel mit dem rechten Knie gegen das Knie des Gegenspielers (vgl. H-Arzt-Bericht von Dres.
K., M. vom 19.05.2011, Diagnose: Knieprellung rechts).
Am 06.09.2015 verdrehte sich der Kläger bei einem Zweikampf das rechte Knie (vgl. Durchgangsarztbericht vom 06.09.2015 sowie
Zwischenbericht vom 11.09.2015 von Dr. M., Diagnose: frischer Knorpelschaden rechts). Mit Bescheid vom 02.03.2016 lehnte die
Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente wegen des Versicherungsfalls vom 06.09.2015 ab und anerkannte als Unfallfolge
eine ohne wesentliche folgen ausgeheilte Distorsion des rechten Kniegelenks. Keine Unfallfolge sei der Knorpelschaden des
rechten Kniegelenks. Dieser sei Folge des Unfalles vom 02.10.2008.
Die Beklagte veranlasste nachfolgend eine Überprüfung der MdE wegen der Folgen des Unfalles vom 02.10.2008 (Gutachten von
Dr. M. vom 29.07.2016, Unfallfolgen: Z.n. Mikrofrakturierung und AMIC-Operation, flächiger Knorpeldefekt am lateralen Femurkondylus
"4,5 cm cm2", sekundäres Knochenmarködem laterales Tibiaplateau, Muskelminderung von gut 2 cm, endgradiges Beugedefizit rechtes Knie von
10 Grad im Vergleich zu links, glaubhafte Beschwerden bei Belastung sowohl im Alltag als auch zuletzt unter sportlicher Belastung,
MdE 20 v.H.). Mit Bescheid vom 18.08.2016 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H.
auf unbestimmte Zeit ab dem 25.06.2016 und anerkannte als Folgen des Versicherungsfalls vom 02.10.2008 ein endgradiges Beugedefizit
im rechten Kniegelenk mit Muskelminderung am rechten Oberschenkel sowie Knochenmarködem am lateralen Schienbeinplateau nach
operativ versorgtem, posttraumatischem IV.-gradigen Knorpelschaden am lateralen Femurcondylus rechts.
Der Kläger machte am 12.01.2017 in einem Fragenbogen der Beklagten Angaben zu den Spiel- und Trainingszeiten sowie den Vereinen,
bei denen er tätig war. Die SG N. übermittelte am 06.02.2017, die TSG L. am 20.09.2017 und die SG K. am 09.03.2017 die Spiel- und Trainingszeiten.
Dr. T. teilte in einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 10.03.2017 mit, dass der Kläger im Zeitpunkt der Erstdiagnose
des degenerativen Meniskusriss 23 Jahr alt gewesen sei. Dies bedeute, dass er um die nötige Expositionsdauer zur Annahme einer
BK Nr. 2102 zu rechtfertigen, bereits im Kindes -und Jugendalter mehrere Stunden täglich unter professionellen Bedingungen
hätte Handball hätte trainieren und spielen müssen. Er sehe die Voraussetzungen der BK Nr. 2102 als nicht gegeben an.
Mit Bescheid vom 10.05.2017 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach der Nr. 2102 der Anlage 1 zur
BKV ab. Voraussetzung für die Anerkennung der BK Nr. 2102 sei u. a., dass eine mehrjährige Einwirkungsdauer vorliege. Mehrjährig
bedeute eine Ausübung der belastenden Tätigkeit von mindestens zwei Jahren. Handballsport gehöre aufgrund der Art und Weise
der ausgeübten Sportart grundsätzlich zu den gefährdenden Tätigkeiten. Bei der Festlegung der Mindestexpositionsdauer lege
der Verordnungsgeber regelhaft eine vollschichtige Tätigkeit zugrunde. Der Vollarbeiterrichtwert werde durchschnittlich mit
1.600 Stunden pro Jahr bewertet. Für die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit 2102 bedeute
dies für Personen, die eine untervollschichtige Tätigkeit ausübten, dass eine Einwirkung mit einem Umfang von mindestens 3.200
Stunden (zwei Jahre mal 1.600 Stunden) nachgewiesen sein müsse. Für die Beurteilung erheblich seien versicherte Zeiten bis
zur ersten gesicherten Diagnose einer primären Meniskopathie. Am linken Kniegelenk sei bei der Kernspintomographie am 27.10.2009
ein Radiärriss am Außenmeniskusvorderhorn festgestellt worden. Ab diesem Zeitpunkt ergäben sich Hinweise für das Vorliegen
einer Veränderung im Sinne einer primären Meniskopathie. Der Kläger habe ab dem 01.07.2004 eine in der gesetzlichen Unfallversicherung
versicherte Tätigkeit als Handballspieler ausgeübt. Aufgrund der Angaben des Klägers und der Vereine SG K. sowie TSG L. errechneten sich versicherte Trainings- und Wettkampfzeiten bis zum Auftreten der ersten degenerativen Veränderungen im
Bereich des linken Kniegelenks von 2.818 Stunden. Eine Einwirkung von mindestens 3.200 Stunden habe daher nicht vorgelegen.
Die Erkrankung sei damit nicht ursächlich auf die versicherte berufliche Tätigkeit zurückzuführen.
Der Kläger legte am 12.06.2017 Widerspruch ein und führte zur Begründung an, dass die vorgenommene Berechnung der arbeitstechnischen
Voraussetzungen in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft sei. So sei die Orientierung am sog. Vollarbeiterrichtwert bei der Tätigkeit
eines Berufssportlers verfehlt. Auch müssten Urlaubs- oder Krankheitszeiten in der Berechnung wie bei anderen Arbeitnehmern
berücksichtigt werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.08.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Gleichbehandlung der Versicherten sei
nicht allein auf eine kniebelastende Tätigkeit über eine Dauer von zwei Jahren abzustellen, sondern es müsse genau betrachtet
werden, welchen zeitlichen Anteil die Kniebelastung in der täglichen Arbeit einnehme.
Der Kläger hat am 11.09.2017 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Er hat zur Begründung ausgeführt, dass weder der Verordnungstext der BK Nr. 2102 noch das dazugehörige Merkblatt
den Nachweis einer bestimmten, in Stunden zu berechnenden Expositionszeit voraussetzten. Auch sei der Kläger im Zeitpunkt
der Manifestation des Risses bereits über 5 Jahre als Profihandballer tätig gewesen, so dass das Kriterium der Mehrjährigkeit
erfüllt sei. Im Übrigen werde auch bei Arbeitern im Baugewerbe nur verlangt, dass dieser ein Fünftel seiner Arbeitszeit meniskusbelastenden
Tätigkeiten verrichte. Das Hessische LSG habe zudem in einer Entscheidung vom 30.09.2013 (L 9 U 214/09) klargestellt, dass die Zeitdauer des Trainings- und Spielbetriebs bei einem Berufssportler nicht mit der 8stündigen Arbeitsschicht
sonstiger Arbeitnehmer in Relation zu setzen sei.
Das SG hat zunächst den Orthopäden Dr. M. als sachverständigen Zeugen schriftlich befragt. Dr. M. hat mit Schreiben vom 15.02.2018
die Behandlungsdaten und die von ihm gestellte Diagnose eines Z.n. nach Außenmeniskus-Teilresektion des linken Knies und in
der Folge posttraumatischer Knorpelschaden des linken Knies mitgeteilt. Er teile die Auffassung von Dr. T., dass die Voraussetzungen
für eine BK Nr. 2102 nicht gegeben seien.
Anschließend hat das SG den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 05.09.2018 zu den Spiel- und Trainingszeiten angehört und die mündliche Verhandlung
mit Beschluss vom 05.09.2019 zur Nachreichung weiterer Unterlagen vertagt.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 19.10.2018 verschiedene Nachweise zu seinen versicherten Tätigkeiten als Handballspieler
vorgelegt.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 20.03.2019 mitgeteilt, dass sich nunmehr unter Miteinbeziehung der Spielpausen eine korrigierte
Einwirkung aus der beruflichen Tätigkeit von mehr als 3200 Stunden errechne und damit grundsätzlich eine ausreichende Gefährdung
im Sinne einer Berufskrankheit Nr. 2102 gegeben sei. Bei fehlender Beteiligung des Innenmeniskus fehle es jedoch an einem
belastungskonformen Schadensbild.
Das SG hat Dr. P. mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens von Amts wegen beauftragt. In seinem am 01.07.2019 erstellten
Gutachten hat Dr. P. eine endgradige Funktionseinschränkung und muskulär stabilisierbare leichte Schwäche des lateralen Seitenbandes
bei radiologisch und kernspintomographisch nachweisbarer lateraler Gonarthrose Grad I-II sowie eine endgradige Funktionseinschränkung
und Minderbelastbarkeit bei kernspintomographisch nachweisbarem Knorpelschaden an der lateralen Femurrolle nach Teilresektion
des Außenmeniskus diagnostiziert. Bei isolierter Betroffenheit des Außenmeniskusvorderhorns und fehlenden wesentlichen krankhaften
Veränderungen des Restaußenmeniskus und des gesamten Innenmeniskus links sowie fehlenden wesentlichen Veränderungen der Menisken
des rechten Kniegelenks sei ungeachtet einer ausreichenden beruflichen Exposition eine expositionsbedingte Entstehung des
im Jahr 2009 aufgetretenen Meniskusschaden nicht wahrscheinlich zu machen.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 14.08.2019 Einwände gegen das Gutachten von Dr. P. erhoben. Er hat vorgetragen, dass eine
Außenmeniskusläsion ein belastungskonformes Schadensbild darstelle und hierzu auf ein Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom
18.01.2019 (S 40 U 205/17) sowie auf die Veröffentlichung von Schiltenwolf/Hollo (Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane) verwiesen.
Dr. P. hat am 15.09.2019 auf Anforderung der SG eine ergänzende Stellungnahme abgegeben. Er hat darin ausgeführt, dass auch bei einem sogenannten Pivotieren des Kniegelenkes
im Wesentlichen das vordere Kreuzband und nicht die Menisken einer erheblichen Krafteinwirkung unterliegen würden. Diese Verletzung
des vorderen Kreuzbandes sei dann auch nicht selten mit einer Verletzung des Innenmeniskus vergesellschaftet (sog. unhappy
triad). Er könne sich daher der Auffassung des Klägers nicht anschließen.
Der Kläger hat hierzu mit Schreiben vom 11.11.2019 vorgetragen, dass der Gutachter verkenne, dass bei häufig wiederkehrenden
erheblichen Bewegungsbeanspruchungen ein völlig anderer Schädigungsmechanismus vorliege. Als entscheidender Schädigungsmechanismus
würden hier rezidivierende Mikrotraumen durch häufig brüske Überforderungen durch muskulär nicht oder nur unvollkommen kontrollierte
Bewegungen angesehen. Gerade der typische Sprung- und Landevorgang beim Torwurf eines rechtshändigen Rückraumspielers belaste
den Außenmeniskus des beim Absprung und der Landung maßgeblich betroffen linken Kniegelenkes. Dies habe der Sachverständige
im Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 21.02.2007 (L 8 U 115/05) schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. Die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 2102 seien somit
erfüllt.
Dr. P. hat auf Anforderung des SG eine weitere Stellungnahme am 04.12.2019 abgegeben, Er hat erläutert, dass evidenzbasierte wissenschaftliche Arbeiten und
biomechanischen Studien zur tatsächlichen intraartikulären Kraftverteilung bei bestimmten sportlichen Belastungen nicht existieren.
Es könne daher weiterhin nur auf die gutachterliche Literatur sowie die praktische Erfahrung mit der statischen Verteilung
intraartikulärer Gelenkschäden zurückgegriffen werden.
Das SG hat die Klage nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 17.02.2020 abgewiesen. Zur Begründung hat
das SG ausgeführt, dass es zwar nach weiterer Sachaufklärung im Gerichtsverfahren zwischenzeitlich zwischen den Beteiligten unstrittig
sei, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2102, also mehrjährige andauernde oder häufig wiederkehrende,
die Kniegelenke überdurchschnittlich belastende Tätigkeiten, beim Kläger erfüllt seien. Diese Belastungen hätten jedoch nicht
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich den Meniskusschaden am linken Kniegelenk des Klägers verursacht.
Beim Kläger bestehe ein Substanzverlust des Außenmeniskusvorderhorns links bei Zustand nach im Jahr 2009 erfolgter Teilresektion.
Der Innenmeniskus links sei weiterhin intakt. Auch die Menisken des rechten Kniegelenks seien nicht wesentlich verändert.
Nach dem Gutachten von Dr. P. wäre bei belastungsinduzierten Verschleißveränderungen angesichts der anatomisch höheren Verletzbarkeit
des Innenmeniskus zumindest eine Mitbeteiligung auch des Innenmeniskus links zu erwarten, woran es vorliegend fehle. Die medizinischen
Voraussetzungen für die Anerkennung der BK NR. 2102 seien somit nicht erfüllt.
Der Kläger hat gegen den seinem Prozessbevollmächtigtem am 21.02.2020 zugestellten Gerichtsbescheid am 19.03.2020 Berufung
beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er hat zur Berufungsbegründung das Vorbringen aus dem Klageverfahren wiederholt
und vertieft. Zudem hat er angeführt, dass sofern sich für Dr. P. in dessen ergänzender Stellungnahme vom 04.12.2019 nicht
erschließe, weshalb bei einem, eventuell auch noch auf einer speziellen Position spielendem, Handballspieler im Vergleich
zu anderen Mannschaftssportlern (etwa Volleyballer, Basketballer, aber auch Fußballer) eine ungleich stärkere Belastung und
dann auch noch ausschließlich der Kniegelenke (warum nicht der Sprunggelenke?) auftreten solle, auf den jährlich erscheinenden
VBG-Sportreport zu verwiesen sei (vgl. u.a. VBG-Sportreport 2019). Darin werde deutlich, dass es gerade im Handball positionsspezifische
Verletzungsschwerpunkte (Rückraum links) und somit natürlich auch positionsspezifische Belastungsschwerpunkte, vor allem für
das Kniegelenk bestünden. Auch verkenne Herr Dr. P., dass das von ihm bemängelte Fehlen biomechanischer oder epidemiologischer
Studien gerade der Tatsache geschuldet sei, dass - anders als etwa bei der vom Sachverständigen zum Vergleich herangezogenen
BK Nr. 2112 (Gonarthrose) - gerade keine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen beruflicher Belastung und Meniskopathie bestehe.
Der weitgehend klinisch stumme Verlauf, das Fehlen belastungsspezifischer struktureller Reaktionsmöglichkeiten der versicherten
Struktur, das Fehlen einer Gefährdungsgrenze, also einer Belastungsschwelle, die generell - mit statistischer Signifikanz
mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko verbunden sei, und die Multikausalität des Schadensbildes ließen den Nachweis eines Dosis-Wirkungs-Zusammenhanges
daher auch in Zukunft nicht erwarten.
Auch sei es zwar zutreffend, dass der Außenmeniskus im Vergleich zum Innenmeniskus mobiler sei. Dies führe jedoch auch dazu,
dass der Außenmeniskus dadurch deutlich mehr Lastenübertragung vermittle als der Innenmeniskus. Entsprechend ihrer flexionsabhängigen
Fähigkeit, unter axialer Last entstehende Kräfte entlang der zirkumferenten Kollagenfasern in Zugkräfte umzuwandeln, vermittle
der Innenmeniskus nämlich lediglich 50 % und der Außenmeniskus demgegenüber ganze 70 % (!) der femorotibialen Lastenübertragung
im medialen bzw. lateralen Kompartiment. Die Betrachtungsweise des Sachverständigen in Bezug auf Anatomie und Biomechanik
der Menisken sei insoweit zu einseitig. Das Gutachten von Dr. P. vom 01.07.2019 sowie dessen ergänzenden Stellungnahmen vom
15.09.2019 und 04.12.2019 könnten aufgrund der aufgezeigten Mängel nicht überzeugen und folglich nicht Grundlage einer rechtmäßigen
gerichtlichen Entscheidung sein. Für eine abschließende Beurteilung des Ursachenzusammenhanges zwischen der schädigenden beruflichen
Einwirkung und der Meniskuserkrankung erschienen weitere Sachverhaltsermittlungen daher unumgänglich.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 17.02.2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.05.2017 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2017 aufzuheben und festzustellen, dass der Außenmeniskusschaden im linken Kniegelenk
des Klägers eine Berufskrankheit der Ziffer 2102 der Anlage 1 der
Berufskrankheiten-Verordnung ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung vorgetragen, dass ein belastungskonformes Schadensbild der BK Nr. 2102 nach anerkannten
wissenschaftlichen Erkenntnissen eine Beteiligung des Innenmeniskus fordere. Der Innenmeniskus sei über seine gesamte Konvexität
mit der Gelenkkapsel verbunden, der Außenmeniskus sei nur im Vorder- und Hinterhornbereich mit der Gelenkkapsel verbunden.
Diese anatomischen Voraussetzungen erlaubten es dem Außenmeniskus, im Gegensatz zum Innenmeniskus, unphysiologischen Belastungen
auszuweichen. Ein belastungskonformes Schadensbild sei aus diesem Grund bevorzugt am Innenmeniskus zu erwarten. Begleitend,
aber schwerlich isoliert, könnten Außenmeniskusveränderungen, bevorzugt im Bereich des Außenmeniskushinterhorns auftreten.
Die fehlende Beteiligung des Innenmeniskus oder zumindest des Außenmeniskushinterhorns bei einer isolierten Schädigung des
Außenmeniskusvorderhorns entbehre nach den anerkannten medizinischen Erfahrungswerten gänzlich der geforderten Belastungskonformität
eines Schadensbildes im Sinne einer BK Nr. 2102. Das von Seiten des Klägerbevollmächtigten zitierte Urteil des Schleswig-Holsteinischen
LSG (L 8 U 115/05) treffe nicht zu. Es handele sich um eine Einzelfallentscheidung basierend auf den im betreffenden Fall festgestellten Gesundheitsstörungen.
Entgegen dem vorliegenden Fall wurden dort neben einer Schädigung im Bereich des Außenmeniskusvorderhorns und dem mittleren
Anteil des Außenmeniskus auch Veränderungen im Bereich des Außenmeniskushinterhorns nachgewiesen und aus diesem Grund der
Zusammenhang als ausreichend bewertet worden. Im vorliegenden Fall liege nachweislich eine isolierte Schädigung im Bereich
des Außenmeniskusvorderhorns links und keine Schädigungen im Bereich des Außenmeniskushinterhorns oder des Innenmeniskus links
vor. Unabhängig von der Spielerposition des Klägers sei damit kein Krankheitsbild im Sinne einer BK Nr. 2102 entsprechend
den anerkannten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen gegeben.
Der Senat hat Prof. Dr. R. mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens nach §
109 SGG beauftragt. In seinem am 28.09.2020 erstellten Gutachten diagnostiziert Prof. Dr. R. einen III.-IV.-gradigen Knorpelschaden
(2mal operativ behandelt - 2008 und 2015) sowie eine Sekundärarthrose des rechten Kniegelenkes sowie einen Zustand nach Teilresektion
Außenmeniskus (im Bereich der Pars intermedia und des Vorderhornes, OP am 05.11.2009) und einen gemäß Kernspintomographie
vom 10.04.2012 III.-IV.-gradiger Knorpelschaden an der äußeren Oberschenkelrolle am linken Kniegelenk. Die Läsion des Außenmeniskus
am linken Knie des Klägers, die zur arthroskopischen Operation im Jahre 2009 geführt habe, einschließlich der sekundär entstandenen
Knorpelschädigung an der äußeren Oberschenkelrolle gehe wesentlich auf die Einwirkung der Tätigkeit der beruflichen Exposition
(Handballspieler) zurück. Der Kläger sei zum Zeitpunkt der Schadensentwicklung 23 Jahre alt und damit selbst nach eindeutig
publizierten Vorgaben im Handbuch Schöneberger/Mehrtens/Valentin zu jung gewesen, um relevante degenerative Veränderungen
am Meniskus entwickeln zu können. Der vorliegende Schadensort am Außenmeniskus entspreche einer Lokalisation, die auch unter
der Hypothese degenerativer Veränderungen in der Regel nicht betroffen werde. Deshalb bestehe keine belastbare Begründung
für die Annahme einer relevanten expositionsunabhängigen Verursachung des hier gesicherten Meniskusschadens. Damit könne nur
die berufliche Exposition im Sinne der repetitiven Mikrotraumatisierung durch die mit dem Handballsport verbundenen meniskusbelastenden
Bewegungsmuster eine relevante Ursache des gesicherten Meniskusschadens sein. Die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung
einer BK nach der Nr. 2102 der Anlage 1 zur
BKV seien somit erfüllt.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 23.10.2020 auf die Ergebnisse der durch den ärztlichen Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten
beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales eingesetzten interdisziplinären Arbeitsgruppe zur Beschreibung des Krankheitsbildes
einer Meniskopathie im Sinne einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur
Berufskrankheitenverordnung (veröffentlich in der Fachzeitschrift "Der Orthopäde", Orthopädie und Recht am 08.05.2020) verwiesen und vorgetragen, dass
die interdisziplinäre Arbeitsgruppe weiter an der Einschätzung festhalte, dass im Hinblick auf die anatomische Fixierung des
Innenmeniskus an der Gelenkkapsel bei lockerer Aufhängung des Außenmeniskus und wegen übermäßiger Belastung des Innenmeniskushinterhorns
in der Kniebeugung zu fordern sei, dass die Meniskopathie den Innenmeniskus betreffe (mit einer möglichen Mitbeteiligung des
Außenmeniskus) und dass das Hinterhorn des Innenmeniskus stärke Signalstörungen aufweisen müsse als das Vorderhorn und das
Zwischenstück. Des Weiteren werde ausgeführt, das aufgrund der aktuellen Studienergebnisse eine beidseitige, mindestens drittgradige
Meniskopathie nach Stoller im Bereich der Innenmenisken zu fordern ist, damit das belastungskonforme Schadensbild einer Meniskopathie
im Sinne der BK Nr. 2102 angenommen werden kann. Die Anerkennung einer einseitigen Meniskopathie im Bereich der Innenmenisken
komme nach diesen Ausführungen nur in Betracht, wenn durch den Präventionsdienst die einseitige Einwirkung aufgrund der Eigenart
der beruflichen Tätigkeit nachgewiesen ist. Beim Kläger liege weder das Krankheitsbild einer Innenmeniskusschädigung noch
eine beidseitige Schädigung der Innenmenisken vor. Es seien damit die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung
einer Berufskrankheit nach der Nummer 2102 nicht erfüllt.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 27.11.2020 vorgetragen, dass die Beklagte verkenne, dass sich die von der interdisziplinären
Arbeitsgruppe in der Fachzeitschrift "Der Orthopäde" veröffentlichte Aussage, dass für das Vorliegen einer Berufskrankheit
eine beidseitige Meniskopathie am Innenmeniskus mit einer Schädigung von mindestens Grad III nach Stoller zu fordern sei,
ausschließlich auf die erste im Merkblatt zur Berufskrankheit 2102 genannte Expositionsalternative beziehe, sprich die Dauerzwangshaltung,
insbesondere bei Belastungen durch Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung. Dies sei von der vom ärztlichen Sachverständigenbeirat
Berufskrankheiten beauftragten Arbeitsgruppe in einer weiteren Veröffentlichung in der Zeitschrift "Der Orthopäde" vom 17.09.2020
auch ausdrücklich klargestellt worden. Die der Arbeitsgruppe angehörenden Sachverständigen weisen in dem Artikel daraufhin,
dass die Studie von Rytter et al. bei Bodenlegern durchgeführt worden sei und diese Studie daher keine Aussage für die zweite
Belastungsalternative nach dem Merkblatt der Bundesregierung zur Berufskrankheit 2102 in Form einer häufig wiederkehrenden
erheblichen Bewegungsbeanspruchung, insbesondere Laufen oder Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf
grob unebenen Unterlagen machen könne.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 21.12.2020 vorgetragen, dass sowohl der Kommentar "Die
Berufskrankheitenverordnung, Handkommentar aus rechtlicher und medizinischer Sicht für Ärzte, Versicherungsträger und Sozialgerichte" (Prof. Dr. Mehrtens,
Prof. Dr. Brandenburg) als auch die rechtlichen und medizinischen Grundlagen für Gutachter, Sozialverwaltung, Berater und
Gerichte "Arbeitsunfall und Berufskrankheit" (Schönberger, Mehrtens, Valentin) zum belastungskonformen Schadensbild einer
BK Nr. 2102 ausführten, dass zwingend eine Schädigung des Innenmeniskus vorliegen müsse. Dieses belastungskonforme Schadensbild
liege beim Kläger nachweislich nicht vor. Eine rein isolierte Schädigung im Bereich des Außenmeniskus erfülle niemals ein
belastungskonformes Schadensbild im Sinne einer BK Nr. 2102. An der Einschätzung des belastungskonformen Schadensbildes änderten
die aktuellen Veröffentlichungen der interdisziplinären Arbeitsgruppe nichts. Auch diese forderten weiterhin die Schädigung
im Bereich des Innenmeniskus, ergänzt um den Nachweis eines Ausmaßes der Schädigung von mindestens Grad III nach Stoller sowie
einer beiderseitigen Betroffenheit in gleichem Ausmaß. Die Aussage von Herrn Prof. Dr. R. stelle eine medizinische Einzelmeinung
dar, die nicht mit den bereits bekannten und weiterhin geltenden Erkenntnissen der Literatur zum belastungskonformen Schadensbild
übereinstimme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Gerichtsakten beider Rechtszüge
sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist zulässig (§§
143,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) und in der Sache begründet. Bei dem Kläger liegen die Voraussetzungen für die Anerkennung seiner Meniskuserkrankung als
BK Nr. 2102 vor. Der Bescheid der Beklagten vom 10.05.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2017 sowie der
Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 17.02.2020, in denen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr.
2102 verneint wurden, sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.
Die Klage auf Verurteilung der Beklagten zur Feststellung der streitigen BK ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage
zulässig. Der Kläger kann wählen, ob er sein Begehren mit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (§
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG) oder mit einer Kombination aus Anfechtungsklage gegen den das Nichtbestehen des von ihm erhobenen Anspruchs feststellenden
Veraltungsakt und einer Verpflichtungsklage verfolgen will (BSG, Urteile vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R - und vom 15.09.2011 - B 2 U 22/10 R -, juris, m.w.N.). Beide Rechtsschutzformen sind grundsätzlich gleich rechtsschutzintensiv (BSG, Urteile vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R - und vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R -, juris).
Berufskrankheiten sind nach §
9 Abs.
1 Satz 1
SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet
und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt,
in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen
Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind und denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit
in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Die streitgegenständliche BK Nr. 2102 erfasst Meniskusschäden
nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten.
Für die Anerkennung einer BK muss die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von
Belastungen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen müssen weiterhin die
betreffende Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die vorgenannten Merkmale der versicherten Tätigkeit,
Verrichtung, Einwirkungen und Krankheit müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit
vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt dagegen die hinreichende
Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit. Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender
ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden.
"Wesentlich" ist dabei nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige,
sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange
die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache
sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung,
konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens und Rückschlüsse
aus dem Verhalten des Verletzten nach dem schädigenden Ereignis, den Befunden und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie
der gesamten Krankengeschichte. Trotz dieser Ausrichtung an dem konkreten Versicherten ist der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs
im Einzelfall der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Ereignissen und Gesundheitsschäden
zugrunde zu legen. Abweichend von einem Arbeitsunfall mit seinem zeitlich begrenzten Ereignis, das oftmals relativ eindeutig
die allein wesentliche Ursache für einen als Unfallfolge geltend gemachten Gesundheitsschaden ist, ist die Beurteilung des
Ursachenzusammenhangs bei Berufskrankheiten in der Regel schwieriger. Denn angesichts der multifaktoriellen Entstehung vieler
Erkrankungen, der Länge der zu berücksichtigenden Zeiträume und des Fehlens eines typischerweise durch berufliche Einwirkung
verursachten Krankheitsbildes bei vielen Berufskrankheiten stellt sich letztlich oft nur die Frage nach einer wesentlichen
Mitverursachung der Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen (BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 20/04 R, juris).
Der Kläger unterlag im maßgeblichen Zeitraum vom 01.07.2003 bis zum 30.06.2016 als Profihandballspieler einer ausreichenden
Belastung im Sinne der BK Nr. 2102 und erfüllt daher die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Meniskuserkrankung
als BK Nr. 2102. Dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig.
Der Kläger erfüllt jedoch nach Überzeugung des Senats auch die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK
Nr. 2102. Der Kläger erlitt am 24.10.2009 bei der versicherten Tätigkeit einen isolierten Außenmeniskusriss im Übergang vom
Vorderhorn zur Pars intermedia am linken Knie. Der Innenmeniskus des linken Knies war dagegen intakt. Am rechten Knie lag
keine Meniskusläsion vor. Der Senat stellt dies anhand der insoweit übereinstimmenden Gutachten von Dr. P. vom 01.07.2019
sowie von Prof. Dr. R. vom 28.09.2020 fest.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sowie des Gutachters Dr. P. stellt der isolierte Außenmeniskusriss am linken Knie ein
belastungskonformes Schadensbild für die hier maßgebliche Berufsgruppe eines Profihandballspielers dar. Nach dem Merkblatt
(vgl. Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur
BKV, M 2102, S. 1) sind Belastungen durch Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung oder häufig wiederkehrende erhebliche
Bewegungsbeanspruchung, insbesondere Laufen oder Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf grob unebener
Unterlage eine geeignete Belastung. Sportarten, wie Fußball oder Handball fallen somit hierunter, soweit diese durch einen
Berufssportler ausgeübt werden. Dies wird von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt.
Nach dem Merkblatt zur BK (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur
BKV, M 2102, S. 4) ist ein belastungskonformes Schadensbild bevorzugt am Innenmeniskushinterhorn zu erwarten, da dieser über
seine gesamte Konvexität mit der Gelenkkapsel verbunden ist, der Außenmeniskus aber nur im Vorder- und Hinterhornbereich und
dies ihm somit bei unphysiologischen Belastungen ein Ausweichen erlaubt. Ein belastungskonformes Schadensbild ist somit bevorzugt
am Innenmeniskushinterhorn zu erwarten. Begleitend - aber schwerlich isoliert - können Außenmeniskusveränderungen - wiederum
bevorzugt im Hinterhornbereich - hinzutreten. Die fehlende Beteiligung des Hinterhorns oder z.B. nur eine Außenmeniskusvorderhornschädigung
entbehren danach gänzlich der geforderten Belastungskonformität (vgl. Merkblatt, a.a.O sowie Schönberger/Mehrtens/Valentin,
Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, S. 662f).
Diese Ausführungen zum belastungskonformen Schadensbild können nach Ansicht des Senats jedoch nicht ohne weiteres auf die
Gruppe der Berufssportler mit geeigneter Meniskusbelastung übertragen werden. Die zu den Ausführungen im Merkblatt unter V.
aufgeführte Literatur befasst sich nur mit der zunächst allein von der BK Nr. 2102 erfassten klassischen Berufsgruppe im Knie-
und Hocksitz wie Untertagearbeiter, Fliesen- und Bodenleger und nicht konkret mit der Gruppe der Berufssportler (vgl. hierzu
auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29.09.2010, L 6 U 14/06, juris Rdnr. 31). Auf diesen Umstand weist auch Prof. Dr. R. in seinem Gutachten vom 28.09.2020 hin. Eine ausreichende wissenschaftliche
Grundlage, dass auch bei Berufssportlern mit geeigneter beruflicher Belastung nur ein Innenmeniskusriss ein geeignetes Schadensbild
darstellt, enthalten die aufgeführten Studien nicht. Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O, S. 662 bis 663) verweist diesbezüglich
auf eine Veröffentlichung von A. Laarmann aus dem Jahr 1977 (Berufskrankheiten nach mechanischen Einwirkungen, 2. Auflage,
1977). Eine spezifische Untersuchung der Einwirkungsmechanismen und entsprechenden medizinischen Folgeerscheinungen bei Profiballsportlern
liegt nicht vor (vgl. hierzu auch Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 21.02.2007 - L 8 U 115/05 -, juris). Auch Dr. P. spricht diesen Umstand in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15.09.2019 an. Somit ist bei der BK
Nr. 2102 im Unterschied zur BK Nr. 2112 ein eindeutiges belastungskonformes Schadensbild für die zweite Belastungsalternative
nicht definiert.
An dieser Feststellung ändert auch der von der Beklagten eingereichte Aufsatz von Bolm-Audorff, Braunschweig, Grosser, Ochsmann
und Schiltenwolf vom 08.05.2020 (vgl. "Das Krankheitsbild im Sinne der Berufskrankheit 2102 Meniskopathie - Ergebnisse einer
interdisziplinären Arbeitsgruppe", veröffentlicht in: Der Orthopäde) nichts. So basieren die Erkenntnisse der Autoren der
interdisziplinären Arbeitsgruppe auf einer Studie von Rytter et. al. zur Meniskusbelastung von Bodenlegern aus dem Jahr 2009
und die Ausführungen beziehen sich somit nur auf erste Belastungsalternative, wie die Autoren auch in einem zweiten Aufsatz
als Reaktion auf einen Leserbrief von Spahn/Hofmann/Grifka klarstellen (vgl. "Zur Diskussion über das Krankheitsbild im Sinne
der Berufskrankheit 2102 Meniskopathie", veröffentlicht in: Der Orthopäde 10/2020, S. 925 bis 927). Beide Aufsätze enthalten
daher keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur vorliegend einschlägigen zweiten Belastungsalternative und zur Berufsgruppe
der Handballer oder zumindest Profiballsportler. Hierzu wird vielmehr ausgeführt, dass zur Frage, ob es für diese Berufsgruppen
vergleichbare epidemiologischen Studien, wie die von Rytter et al. gebe, die Ergebnisse eines noch laufenden systematischen
Reviews von Bahns et al. abgewartet werden sollte. Insofern folgt aus den vorgelegten Veröffentlichungen nach dem derzeitigen
Erkenntnisstand keine anderweitige Bewertung des streitigen Sachverhalts.
Der Gutachter Prof. Dr. R. hat jedoch in seinem Gutachten auf sportmedizinische Studien zur Meniskusschadensverteilung bei
Kindern und Jugendlichen sowie bei Fußballspielern aus den Jahren 2004, 2013 und 2019 verwiesen. Er führt aus, dass degenerative
Meniskusveränderungen ohne besondere prädispositionelle Erkrankungen und ohne besondere meniskusschädigende Exposition anlagebedingt
erst nach dem 40. Lebensjahr zu erwarten seien. Vor dem 40. Lebensjahr seien keine bzw. höchstens geringe bis leichtgradige
Veränderungen zu erwarten. Auch träten Meniskusschäden im mittleren und höheren Lebensalter weit überwiegend am Innenmeniskus
auf. Bezogen auf die Gruppe der Patienten im Lebensalter zwischen 10 und 19 Jahren ergebe sich bei sportlich aktiven Jugendlichen
dagegen ein völlig anderes Verteilungsmuster mit einer Prävalenz von Außenmeniskusschäden von fast 75 % zu 25 % Innenmeniskusschäden.
Auch wenn bei 46 % zusätzlich eine Kreuzbandruptur und bei 27 % ein Scheibenmeniskus als anatomische Variante vorlag, könne
aus den Zahlen geschlossen werden, dass die sportliche Beanspruchung stark den Außenmeniskus betreffe. Dies zeigten auch Untersuchungen
zu Belastungsreaktionen und Mikroverletzungen von Fußballspielern im Schienbeinplateau und Meniskusbereich, welche deutlich
häufiger das äußere Kniekompartiment und den Außenmeniskus betreffen würden. Somit wirke bei Ballsportarten aufgrund der spezifischen
Bewegungsmuster eine höhere Belastung auf den äußeren Kniebereich als den inneren Kniebereich. Dies stelle den bedeutenden
Unterschied im Vergleich zu der typischen Bevorzugung des Innenmeniskus beim degenerativen Meniskusschaden bei älteren Menschen
dar. Soweit Dr. P. in der ergänzenden Stellungnahme vom 15.09.2019 als Kontraargument anführt, dass auch bei Nichtsportlern
ohne entsprechende Exposition Meniskusschäden in nicht unerheblichem Ausmaß festzustellen seien, greift dies daher nach den
überzeugenden und wissenschaftlich fundierten Ausführungen von Prof. Dr. R. in seinem Gutachten vom 28.09.2020 zu kurz (siehe
hierzu auch SG Hamburg, Urteil vom 10.10.2008, S 40 U 252/07, juris Rdnr. 49f).
Der Senat folgt dem Gutachter Prof. Dr. R. auch darin, dass keine Anhaltspunkte für eine relevante degenerative und somit
expositionsunabhängige Mitverursachung des Meniskusschadens im Zeitpunkt des Außenmeniskusrisses vorlagen. Der Kläger war
im Zeitpunkt des Auftretens des Außenmeniskusrisses erst 23 Jahre alt und damit nach den wissenschaftlichen Erfahrungssätzen
zu jung, um relevante Veränderungen am Meniskus entwickeln zu können. Auch führt der Gutachter zutreffend an, dass der Schadensort
am Außenmeniskus einer Lokalisation entspreche, die auch unter der Hypothese degenerativer Veränderungen in der Regel nicht
betroffen werde.
Soweit Dr. P. einwendet, dass die Fortsetzung der Tätigkeit als Profihandballer und die Teilnahme an Mannschaftspielen bis
zum Jahr 2016 gegen einen expositionsbedingten Schaden des Außenmeniskusvorhorns des linken Kniegelenkes spreche, überzeugt
dies den Senat nicht. Prof. Dr. R. weist hierzu in seinem Gutachten vom 28.09.2020 schlüssig darauf hin, dass bei korrektem
Operationsergebnis das Bestreben eines Berufssportlers zu seinem Beruf zurückzukehren sehr häufig gegeben ist. Die einzige
in der Literatur bekannte Besonderheit sei, dass die Rückkehrquote nach Außenmeniskusteilresektionen geringer sei, als nach
einer Innenmeniskusschädigung, was indirekt auch für eine sehr starke Beanspruchung des Außenmeniskus bei diesen Ballsportarten
spreche. Es ist jedoch nach Ansicht des Senats trotz des höheren Schweregrads der Verletzung nicht ausgeschlossen, dass der
Sport weiter auf Profiniveau ausgeübt werden kann. Ob dies der Fall ist, hängt vom Operationsergebnis, dem Heilungsverlauf
und dem konkreten Gesundheitszustand sowie der individuellen Entscheidung des betroffenen Sportlers ab. Der Senat sieht daher
die Tatsache der Fortsetzung der Profikarriere nicht als Argument gegen das Vorliegen einer BK der Nr. 2102 an.
Da es für die Bejahung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Belastung aufgrund der versicherten Tätigkeiten und dem
Eintritt der zur Entschädigung berechtigenden Gesundheitsstörung ausreichend ist, dass die berufliche Belastung zumindest
eine rechtlich wesentliche Teilursache im vorgenannten Sinn darstellt, steht dem Anspruch des Klägers auch nicht entgegen,
dass dieser bei einer Aufnahme des Handballsports im Kindesalter und nach Durchlaufen aller Jugendmannschaften bis zum Übergang
in den Lizenzspielerkader bereits einer erheblichen Meniskusbelastung mit möglicherweise vorauseilenden Veränderungen unterlag.
Es ist nicht zulässig, einerseits zur Ermittlung der Belastungsdosis nur den Zeitraum ab Beginn der Ausübung als Berufssportler
zugrunde zu legen, andererseits aber einen möglicherweise vorzeitig einsetzenden Verschleiß durch die - zum Erreichen eines
Profiniveaus vorausgesetzte - intensive Ausübung des Sports im Kindes- und Jugendalter bei der medizinischen Kausalitätsbetrachtung
als anspruchsausschließende Konkurrenzursache anzusehen.
Somit stellt die berufliche Exposition die rechtlich wesentliche Ursache für den Meniskusschaden dar. Zusammen mit der unstreitigen
Tatsache, dass der Kläger einer geeigneten Belastung mit repetitiver Mikrotraumatisierung unterlag, sind daher die Voraussetzungen
für die Anerkennung einer BK Nr. 2102 zur Überzeugung des Senats erfüllt. Der Berufung war daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Kosten des gemäß §
109 SGG im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens des Prof. Dr. R. sowie die baren Auslagen des Klägers, über die als Gerichtskosten
der Senat in Ausübung des ihm nach §
109 Abs.
1 Satz 2
SGG zustehenden Ermessens auch im Urteil entscheiden kann (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 1 U 3854/06 KO-B -, juris; Urteil des Senats vom 23.11.2012 -L 8 U 3868/11-, unveröffentlicht), werden auf die Staatskasse übernommen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach §
109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung
von wesentlicher Bedeutung war und zu seiner Erledigung beigetragen bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte
erbracht hat. Es muss sich, gemessen an dem Prozessziel des Klägers, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben und dementsprechend
die Entscheidung des Rechtsstreits (oder die sonstige Erledigung) maßgeblich gefördert haben. Durch die Anbindung an das Prozessziel
wird verdeutlicht, dass es nicht genügt, wenn eine für die Entscheidung unmaßgebliche Abklärung eines medizinischen Sachverhalts
durch das Gutachten nach §
109 SGG vorangetrieben worden ist. Vielmehr muss sich die Förderung der Sachaufklärung auf den Streitgegenstand beziehen (Kühl in:
Breitkreuz/Fichte,
SGG, 2. Auflage, §
109 RdNr. 11).
Hiervon ausgehend ist es gerechtfertigt, die Kosten des Gutachtens von Prof. Dr. R. sowie die baren Auslagen des Klägers auf
die Staatskasse zu übernehmen. Der Senat hat sich der Ansicht des Gutachters Prof. Dr. R. angeschlossen und hat die Voraussetzungen
der streitigen BK Nr. 2102 bejaht. Das Gutachten hat somit den Rechtsstreit objektiv gefördert, weshalb auch in diesem Fall
die Kosten auf die Staatskasse zu übernehmen sind.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.