Gründe:
I. Streitig ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH). Die Klägerin begehrt im Verfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg
(SG) die Gewährung einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme.
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten erstmals im Jahr 1998 Leistungen zur beruflichen Rehabilitation, die mit Bescheid
vom 10.02.2004 eingestellt wurden, nachdem die Klägerin ab dem 01.10.2003 eine selbständige Tätigkeit aufgenommen hatte. Nach
Bestandskraft dieses Bescheides meldete sich die Klägerin im April 2004 bei der Beklagten und begehrte - unter Hinweis auf
die Aufgabe der selbständigen Tätigkeit - erneut Leistungen der beruflichen Rehabilitation.
In der Folgezeit beabsichtigte sie, einen Lehrgang zur Betriebswirtin für Sozialwesen bzw. zur Krankenhausbetriebswirtin zu
absolvieren. Mit Schreiben vom 15.05.2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine Weiterbildung zur Krankenhausbetriebswirtin
nicht möglich sei, weil insoweit eine vorhergehende Beratung noch nicht stattgefunden habe. Nach Anfrage des Bevollmächtigten
der Klägerin teilte die Beklagte diesem mit Schreiben vom 18.08.2006 mit, dass es sich bei dem Hinweis vom 15.05.2006 nicht
um eine ablehnende Entscheidung in Bezug auf eine konkrete Weiterbildungsmaßnahme gehandelt habe, und dass die Klägerin zur
weiteren Klärung der beruflichen Rehabilitation zu einem Gespräch eingeladen werde.
Mit Bescheid vom 11.05.2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie das Rehabilitationsverfahren als abgeschlossen
ansehe, weil die Klägerin zum 01.05.2007 ein neues Beschäftigungsverhältnis - bei der Fa. F. International - aufgenommen habe,
von dem man ausgehe, dass dieser Arbeitsplatz gesundheitlich geeignet sei. Soweit zu einem späteren Zeitpunkt erneut Leistungen
zur Teilhabe erforderlich sein sollten, sei ein neuer Antrag zu stellen. Der Eingang eines Widerspruches in Bezug auf diesen
Bescheid findet sich nicht in den Akten.
Der Bevollmächtigte der Klägerin rügte mit Schriftsatz vom 28.02.2008, dass die Klägerin - entgegen der Ankündigung im Schreiben
vom 18.08.2006 - noch immer nicht zu einem Gespräch hinsichtlich des weiteren Rehabilitationsverlaufes eingeladen worden sei.
Hierauf erwiderte die Beklagte (Schreiben vom 14.03.2008), dass nach verschiedenen Gesprächen (Ende 2006/Anfang 2007) das
Rehabilitationsverfahren - nach Aufnahme einer Beschäftigung durch die Klägerin - mit bestandskräftigen Bescheid vom 11.05.2007
abgeschlossen worden sei, und man habe die Klägerin bereits am 03.03.2008 telefonisch auf die Notwendigkeit eines erneuten
Antrages hingewiesen; die an die Klägerin übersandten Antragsunterlagen sollten zügig zurückgesandt werden, da auch die Leistungsträgerschaft
des Rentenversicherungsträgers in Betracht zu ziehen sei.
Im Schriftsatz vom 28.03.2008 mahnte der Bevollmächtigte der Klägerin - mit der Ankündigung einer Untätigkeitsklage - eine
eiligste Bearbeitung der Angelegenheit an, weil die Klägerin zum nächst möglichen Termin - im April 2008 - die Maßnahme beginnen
wolle.
Mit Schreiben vom 05.04.2008 übersandte die Klägerin der Beklagten die Unterlagen in Bezug auf den erneuten Rehabilitationsantrag.
Nach dem Vermerk auf dem Antragsformular wurden die Antragsunterlagen der Klägerin am 03.03.2008 ausgehändigt und gingen am
14.04.2008 bei der Beklagten ein.
Mit weiterem Schreiben vom 07.04.2008 machte der Bevollmächtigte der Klägerin geltend, dass bereits mit Schreiben vom 31.05.2007
die Klägerin persönlich Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.05.2007 eingelegt habe.
Am 15.04.2008 leitete die Beklagte den am 14.04.2008 schriftlich eingegangenen Rehabilitationsantrag - unter Hinweis auf §
14 Abs
1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (
SGB IX) - an den nach ihrer Auffassung zuständigen Rentenversicherungsträger (Bund) weiter.
Nachdem der Eingang eines Schreibens vom 31.05.2007 in den Akten der Beklagte nicht zu verzeichnen war, fasste diese das Schreiben
vom 07.04.2008 als Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.05.2007 auf und wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid
vom 21.04.2008 wegen Verfristung als unzulässig zurück.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 21.05.2008 Klage (S 6 AL 254/08) zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie die Beiordnung des Rechtsanwaltes M. aus B-Stadt beantragt. Der
Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.05.2007 sei am Tage des Schreibens (31.05.2007) oder am Folgetag zur Post gegeben worden.
Auch werde bestritten, dass der Bescheid am 11.05.2007 an diesem Tag zur Post gegeben worden sei. Zuletzt sei der Widerspruch,
auch wenn er nach Ablauf der Widerspruchsfrist eingegangen sein sollte, als Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu verstehen, über den die Beklagte zu entscheiden habe.
Das SG hat mit Beschluss vom 18.07.2008 die Bewilligung von PKH abgelehnt. Nach Lage der Beklagtenakten sei ein Widerspruch der
Klägerin vom 31.05.2007 gegen den Aufhebungsbescheid vom 11.05.2007 nicht ersichtlich, so dass der am 08.04.2008 eingegangene
Widerspruch - nach summarischer Prüfung - zu Recht als unzulässig angesehen worden sei.
Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin am 08.08.2008 Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Eine Erfolgsaussicht
habe das SG nicht verneinen dürfen, denn der Beklagten war zumindest aufzugeben im Rahmen des Widerspruches über die Frage der Wiedereinsetzung
zu entscheiden oder den Antrag im Rahmen des § 44 SGB X zu überprüfen. Es sei daher zumindest für den Antrag auf "Feststellung, dass der Bescheid vom 11.05.2007 rechtswidrig war
und die Beklagte über einen Antrag nach § 44 SGB X neu entscheiden muss bzw. Wiedereinsetzung zu gewähren hat" PKH zu gewähren. Im Übrigen werde erneut bestritten, dass der
Widerspruch vom 31.05.2007 bei der Beklagten nicht eingegangen sei.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagte, des Beigeladenen sowie die gerichtlichen
Akten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Klägerin ist zulässig, §§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Ein Abhilfeverfahren war nicht mehr erforderlich, nachdem § 174
SGG mit Wirkung ab 01.04.2008 ohne Übergangsvorschrift ersatzlos entfallen ist (Art 1 Nr.30, Art 5 des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 - BGBl.
I S 444). In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als nicht begründet.
Nach §
73a Absatz
1 SGG (
Sozialgerichtsgesetz) i.V.m. §
114 Satz 1
ZPO (
Zivilprozessordnung) erhält PKH eine Partei (im sozialgerichtlichen Verfahren: Beteiligter), die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht zwar nicht überspannt werden. Es reicht
für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (BSG vom 17.02.98 -
B 13 RJ 83/97 R). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit (vgl. Keller/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Auflage 2008, §
73a Rn.7) ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung
und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit
des Obsiegens des PKH- Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen. Allerdings müssen dabei letzte Zweifel
an der rechtlichen Beurteilung nicht ausgeschlossen werden. (Düring in Jansen Kommentar zum
SGG, 1. Auflage 2003, §
73a Rn.7)
Unabhängig davon, ob die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH vorliegen, ist die
Beschwerde zurückzuweisen, weil eine hinreichende Erfolgsaussicht fehlt.
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass im Verfahren vor dem SG allein die Frage zu klären sein wird, ob der Bescheid vom 11.05.2007 fristgemäß mit Widerspruch angefochten worden ist. Insofern
ist auch die Frage der Wiedereinsetzung zu klären, d.h. ob der Widerspruch vom 31.05.2007 (gegen den Bescheid vom 11.05.2007)
ohne Verschulden der Klägerin erst am 08.04.2008 (mit dem Schreiben des Bevollmächtigten vom 07.04.2008) bei der Beklagten
eingegangen ist.
Nach den vorliegenden Unterlagen der Beklagten ist das Schreiben der Klägerin vom 31.05.2007 nicht zeitnah zum Datum seiner
Erstellung bei der Beklagten eingegangen, sondern ist erst mit dem Schreiben des Bevollmächtigten am 08.04.2008 an die Beklagte
übersandt worden.
In diesem Zusammenhang kann sich die Beklagte zwar nicht auf die Zugangsfiktion des § 37 Abs 2 SGB X berufen, weil sich auf dem Bescheidentwurf in der Akte kein Postabgangsvermerk befindet. Jedoch muss die Klägerin den tatsächlichen
Zugang des Bescheides vom 11.05.2007 im Zeitraum vor oder am 31.05.2007 gegen sich gelten lassen, weil sie selbst - mit dem
Vorbringen, sie habe am 31.05.2007 Widerspruch gegen diese Entscheidung erhoben - inzident einräumt, den Bescheid vor diesem
Zeitpunkt erhalten zu haben. Insofern bestehen keine Zweifel in Bezug auf den Zeitpunkt, zu dem der Bescheid der Beklagten
der Klägerin spätestens zugegangen ist, so dass ausgehend von diesem Zeitpunkt, dem 31.05.2007, die Widerspruchsfrist spätestens
am 30.06.2007 abgelaufen war.
Im Weiteren genügt es jedoch nicht, dass die Klägerin bestreitet, der Widerspruch vom 31.05.2007 sei bei der Beklagten nicht
eingegangen. Sie verkennt hierbei, dass sie den Nachweis zu führen hat, der Widerspruch sei vor Ablauf des 30.06.2007 der
Beklagten zugegangen. Hierfür hat die Klägerin jedoch keinen Beweis angeboten, so dass derzeit keine Anhaltspunkte ersichtlich
sind, der Widerspruch könnte fristgerecht erhoben sein.
Das SG wird insoweit zwar auch zu prüfen haben, ob Gründe für eine Wiedereinsetzung vorliegen. Dies dürfte bei summarischer Prüfung
jedoch daran scheitern, dass der Klägerin bereits am 03.03.2008 telefonisch mitgeteilt worden war, dass das bisherige Rehabilitationsverfahren
abgeschlossen und ein neuer Antrag erforderlich sei. In der Folgezeit wurde auch der Bevollmächtigte der Klägerin über diesen
Sachverhalt mit Schreiben vom 14.03.2008 informiert. Gleichwohl wurde erst am 08.04.2008 (Schriftsatz vom 07.04.2008) gegenüber
der Beklagten geltend gemacht, dass ein Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.05.2007 erhoben worden sei. Allein aus diesem
Vorbringen kann ein Antrag auf Wiedereinsetzung hergeleitet werden, denn vorhergehend war nicht ersichtlich, dass die Klägerin
die Fortführung des bisherigen Rehabilitationsverfahrens wünschen würde. Der Antrag vom 08.04.2008 wahrt jedoch die Monatsfrist
des §
67 Abs
2 Satz 1
SGG nicht, denn die Klägerin hatte spätestens am 03.03.2008 Kenntnis davon, dass ihr Widerspruch bei der Beklagten nicht eingegangen
ist.
Zuletzt kann die Klägerin auch PKH nicht beanspruchen, weil die Beklagte zu verpflichten wäre, die Angelegenheit nach § 44 SGB X zu überprüfen.
Dieses Anliegen ist nicht Gegenstand des Klageverfahrens vor dem SG, denn die Beklagte hat mit ihrem Widerspruchsbescheid vom 21.04.2008 allein in Bezug auf die Unzulässigkeit des Widerspruches
gegen den Bescheid vom 11.05.2007 eine Entscheidung getroffen. Die Frage der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 11.05.2007
wurde weder im Tenor noch in den Gründen dieses Bescheides thematisiert. Dies erscheint auch konsequent, denn hinsichtlich
einer Überprüfung nach § 44 SGB X hatte die Beklagte noch keine Ausgangsentscheidung getroffen. Sollte die Klägerin insoweit die Auffassung vertreten, dass
neben dem neuen Antragsverfahren auch im Rahmen des ursprünglichen Rehabilitationsverfahrens eine Entscheidung zu treffen
sei, steht es ihr frei, ein Verfahren nach §
88 SGG in Gang zu bringen, solange keine Entscheidung in Bezug auf den Überprüfungsantrag ergangen ist. Soweit die Klägerin in diesem
Zusammenhang anlässlich der Beschwerde erstmals geltend macht, es sei festzustellen, dass der Bescheid vom 11.05.2007 rechtswidrig
war und die Beklagte über einen Antrag nach § 44 SGB X neu entscheiden müsse, ist darauf hinzuweisen, dass diese Anträge erstinstanzlich bisher nicht gestellt sind und die Beklagte
sich auf eine derartige Klageänderung (§
99 SGG) auch nicht eingelassen hat, so dass schon die Zulässigkeit einer Klageänderung nicht ersichtlich ist, und auch insoweit
PKH - mangels hinreichender Erfolgsaussichten - nicht zu beanspruchen ist.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar, §
177 SGG, und ergeht kostenfrei.