Gründe:
I. Die Antragstellerin (ASt) begehrt die Bewilligung von der Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld
II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab dem 01.01.2010.
Die ASt bezog mit Unterbrechungen seit Januar 2005 Alg II. Die Antragsgegnerin (Ag) bewilligte der ASt zuletzt mit bestandskräftigen
Bescheid vom 02.12.2009 die monatliche Regelleistung in Höhe von 359.- EUR für den Zeitraum 01.11.2009 bis 30.04.2010. Mit
ihrem Fortzahlungsantrag vom 30.10.2009 hatte die ASt angegeben, nach der Zwangsräumung ihrer Wohnung seit Mai 2009 keine
feste Anschrift mehr zu haben. Postalisch sei sie über ihre Tochter zu erreichen. Die Ag wies im Bescheid darauf hin, dass
die Bewilligung vorläufig erfolge. Nach den Angaben im Leistungsantrag halte sich die ASt im R.Weg in A-Stadt auf. Hierdurch
ändere sich die Zuständigkeit innerhalb der ARGE.
Nachdem Postscheckübersendungen an die ASt für die Leistungen im November und Dezember 2009 unter der Anschrift im R.Weg an
die Ag zurückgingen, weil die ASt nicht anzutreffen gewesen sei, hob die Ag mit Bescheid vom 07.01.2010 die Bewilligung des
Alg II für die Zeit ab dem 01.01.2010 auf. Nach § 7 Abs 4a SGB II iVm der Erreichbarkeitsanordnung habe der Leistungsempfänger
sicherzustellen, innerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches durch Briefpost erreichbar zu sein.
Mit Widerspruch vom 01.02.2010 brachte die ASt vor, sie halte sich vorübergehend bei einem Bekannten im R.Weg auf. Postalisch
sei sie über ihre am A.Platz wohnhafte Tochter zu erreichen. Über den Widerspruch ist bislang nicht entschieden.
Am 01.06.2010 hat die ASt beim Sozialgericht Nürnberg (SG) beantragt, die Ag im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die mit Bescheid vom 02.12.2009 bewilligten Leistungen
auszuzahlen und die monatliche Regelleistung in Höhe von 359.- EUR über den 30.04.2010 hinaus zu bewilligen. Sie sei nicht
polizeilich gemeldet, weil sie sich nur vorübergehend im R.Weg aufhalte, bis sie eine neue Wohnung angemietet habe. Bei ihrer
Tochter könne sie nicht wohnen, denn diese lebe in beengten Verhältnissen, jedoch sei sie dort jederzeit postalisch erreichbar.
Dem hat die Ag entgegengehalten, die ASt lebe seit mehr als einem Jahr im R.Weg ohne erkennbare Absicht, sich eine neue Wohnung
zu suchen, so dass nahe liege, es bestehe eine Bedarfsgemeinschaft zwischen der ASt und dem Mieter der Wohnung. Insoweit sei
die Bedürftigkeit der ASt ungeklärt.
Das SG hat mit Beschluss vom 06.07.2010 den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. In Bezug auf den Widerspruch
vom 01.02.2010 könne einstweiliger Rechtsschutz nur in der Form beansprucht werden, die aufschiebende Widerspruches gegen
den Bescheid vom 07.01.2010 anzuordnen. Hierbei sei im Rahmen der zu treffenden Interessenabwägung neben den Erfolgsaussichten
auch die Dringlichkeit der Angelegenheit zu berücksichtigen. Diese sei nicht glaubhaft gemacht, denn es handle sich in Bezug
auf die mit Bescheid vom 02.12.2009 bewilligten Ansprüche um Leistungen für bereits abgelaufene Bewilligungszeiträume. Eine
Fortwirkung aus der Leistungsverweigerung in der Vergangenheit sei jedoch nicht zu erkennen, denn ursächlich für eine aktuell
bestehende Notlage sei nicht die unterbliebenen Auszahlungen für die Monate bis April 2010, sondern der Umstand, dass die
ASt - nach Ermittlungen des SG - keinen Fortzahlungsantrag gestellt habe. In der Folge sei auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen,
Leistungen ab dem 01.05.2010 zu gewähren. Einem derartigen Eilantrag fehle das Rechtsschutzbedürfnis, denn Voraussetzung für
eine Regelungsanordnung iSd §
86b Abs
2 SGG sei ein streitiges Rechtsverhältnis. Mangels Fortzahlungsantrages für die Zeit ab dem 01.05.2010 gebe es jedoch kein reglungsbedürftiges
Rechtsverhältnis.
Gegen diesen Beschluss hat die ASt Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und beantragt, die laufenden
Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 359.- EUR/Monat auszubezahlen. In der Zeit nach dem 05.01.2010
habe sie sich durch private Darlehen über Wasser gehalten, die zurückzuzahlen seien, sodass die Nichtzahlung der Leistungen
existenzbedrohend fortwirke. Für die Zeit ab dem 01.05.2010 einen Fortzahlungsantrag zu fordern, sei angesichts der Nichtzahlung
bereits bewilligter Leistungen rechtsmissbräuchlich und angesichts unveränderter Umstände sinnlos. Zudem habe sie mit Widerspruch
vom 01.02.2010 die Fortzahlung der Leistungen beantragt.
Die Ag hat hierzu ausgeführt, dass der Bescheid vom 07.01.2010 zwar nicht mit der Begründung aufgehoben werden könne, die
ASt sei nicht erreichbar. Gleichwohl sei der Bescheid im Ergebnis rechtmäßig, denn die ASt lebe in Bedarfsgemeinschaft mit
dem Mieter der Wohnung im R.Weg. Ermittlungen zur Feststellung des Bedarfes seien erfolglos geblieben, weil Angaben zu Einkommen
und Vermögen verweigert worden seien.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter
Instanz Bezug genommen.
Das Rechtsmittel erweist sich auch insoweit als begründet, als die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 01.02.2010
gegen den Bescheid vom 07.01.2010 anzuordnen ist. Das Interesse der ASt überwiegt das öffentliche Interesse am Sofortvollzug
der Entscheidung, denn es bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Bescheides.
Der Widerspruch gegen den vom Änderungsbescheid vom 07.01.2010 hat keine aufschiebende Wirkung, denn mit diesem Bescheid hat
die Ag die Leistungsbewilligung in Bezug auf das Alg II für die Zeit ab dem 01.01.2010 aufgehoben und damit über Leistungen
der Grundsicherung für Arbeitssuchende entschieden, §
86a Abs
2 Nr.
4 SGG i.V.m. §
39 Nr.1 SGB II.
Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung
haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, §
86b Abs
1 Nr.
2 SGG. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage ist nur möglich, wenn das besondere Interesse
des ASt an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das vom Gesetz vorausgesetzte Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit
des Verwaltungsaktes überwiegt, wobei bei Prüfung der Interessen zuerst auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen
ist. Ebenso wenig wie ein offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakt ein öffentliches Interesse an der Vollziehbarkeit begründen
kann, so dass in diesen Fällen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu erfolgen hat, kann ein Widerspruch oder eine Klage,
die offensichtlich keinen Erfolg haben kann, ein überwiegendes privates Interesse begründen, das die Anordnung der aufschiebenden
Wirkung eines Rechtsmittels rechtfertigen würde (vgl. Meyer-Ladewig in Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
86b Rn.12a).
Unter Beachtung dieser Überlegungen war die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 01.02.2010 anzuordnen, denn es ist
nicht zu erkennen, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt die Entscheidung vom 07.01.2010 Bestand haben kann.
Die Ag hat mit Bescheid vom 02.12.2009 der ASt zwar Leistungen nur in vorläufiger Form gewährt. Hierbei ist jedoch unklar
geblieben, welche Leistungsvoraussetzungen noch abzuklären waren, denn genannt war allein der Umstand, dass sich die regionale
Zuständigkeit innerhalb der ARGE geändert habe. Insoweit ist auch nicht ansatzweise nachvollziehbar, welche Anspruchsvoraussetzung,
die es noch zu prüfen galt, zum 01.01.2010 weggefallen sein könnte.
Gestützt hat die Ag ihren Bescheid vom 07.01.2010 dementsprechend bisher auch nur auf Änderung der tatsächlichen Verhältnisse,
die sie darin sieht, dass die ASt ab dem 01.01.2010 postalisch nicht mehr erreichbar sei, nachdem die Aushändigung der Postschecksendungen
an die ASt in der R.Straße gescheitert sei. Von Leistungen nach dem SGB II ist ausgeschlossen, wer sich ohne Zustimmung des
persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) vom 23. Oktober 1997 (ANBA 1997, 1685), geändert durch die Anordnung vom 16. November 2001 (ANBA 2001, 1476), definierten
zeit- und ortsnahen Bereiches aufhält; die übrigen Bestimmungen dieser Anordnung gelten entsprechend (§ 7 Abs 4a SGB II).
Diese Voraussetzungen für den Leistungsausschluss, die eine Aufhebung der Leistungsbewilligung vom 02.12.2009 allenfalls rechtfertigen
könnte, sind nach Lage der Akten nicht erfüllt, denn es gibt keine Anhaltspunkte, dass sich die ASt außerhalb des Nahbereiches
aufgehalten hätte. Zudem hat dies die Ag auch nicht behauptet, sondern ihre Entscheidung allein darauf gestützt, die ASt sei
unter der Anschrift, unter der sie sich aufhalte, in der R.Straße, nicht postalisch erreichbar. Damit bringt die Ag zum Ausdruck,
Verfügbarkeit iSd §
119 Abs
5 Sozialgesetzbuch (
SGB III) sei Anspruchvoraussetzung für den Leistungsbezug nach dem SGB II. Mit der Einführung des § 7 Abs 4a SGB II hat der Gesetzgeber
jedoch nur eine Regelung über die Ortsabwesenheit der Leistungsbezieher treffen und keine neue (positive) Anspruchsvoraussetzung
etablieren wollen (vgl. Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 7 Rn. 78), so dass der Leistungsbezug der ASt
nicht an deren fehlender Verfügbarkeit (iSd §
119 Abs
5 SGB III) scheitern kann, denn die EAO setzt den Begriff der "Verfügbarkeit" als gesetzliche Anspruchsvoraussetzung voraus und definiert diesen lediglich. Darüber
hinaus kann offen bleiben, ob die entsprechende Anwendung der EAO rechtfertigt, zumindest eine vom Wohnsitz unabhängige postalische Erreichbarkeit zu postulieren, denn die Ag hat bislang
nicht belegt, dass die ASt unter der von ihr benannten Anschrift am A.Platz postalisch nicht zu erreichen war. Soweit die
Ag im Beschwerdeverfahren nunmehr vorträgt, der Aufhebungsbescheid vom 07.01.2010 sei zu bestätigen, weil die ursprüngliche
Bewilligung vom 02.12.2009 rechtswidrig gewesen sei, nachdem die ASt in Bedarfsgemeinschaft mit dem Mieter in der R.Straße
lebe, gibt es nach Lage der Akten allenfalls Hinweise auf das Bestehen einer Einstandgemeinschaft. Nachvollziehbare Nachweise
fehlen vollständig und allein auf anonyme Anzeigen wird eine Rücknahmeentscheidung kaum zu stützen sein, sofern sich diese
Angaben nicht bestätigen lassen. Derzeit gibt es jedoch keiner Anhaltspunkte, dass die Entscheidung der Ag vom 07.01.2010
Bestand haben könnte, so dass die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfes anzuordnen war und die Ag die noch offenen Ansprüche
aus dem Bescheid vom 02.12.2009 auszuzahlen hat.
Weitergehend war der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem SG jedoch unzulässig, soweit die ASt Leistungen nach dem SGB II auch für die Zeit ab dem 01.05.2010 begehrt hat. Dieses Begehren
enthält auch den Antrag auf Leistungen für Unterkunftskosten, vorliegend also auch auf Leistungen für die Einlagerung der
Möbel. Nachdem die Ag für die Zeit ab dem 01.05.2010 laufende Leistungen nach dem SGB II begehrt hat, wäre §
86b Abs
2 Satz 2
SGG die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, denn in der Hauptsache ist ein solcher Anspruch
im Wege einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage geltend machen. Das SG hat in diesem Zusammenhang jedoch bereits zutreffend ausgeführt, dass die ASt einen Fortzahlungsantrag für die Zeit ab dem
01.05.2010 nicht gestellt hat, so dass es an einem regelungsbedürftigen Rechtsverhältnis fehlt, das einer einstweiligen Regelung
zugänglich wäre. Insoweit hat das SG zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgelehnt. Von
einer weiteren Begründung ist daher abzusehen und auf die Gründe des Beschlusses vom 06.07.2010 zu verweisen (§
142 Abs
2 Satz 3
SGG). Ergänzend ist zum Beschwerdevortrag darauf hinzuweisen, dass die ASt mit ihrem Widerspruch vom 01.02.2010 allein die Auszahlung
der Leistungen aus dem Bescheid vom 02.12.2009 geltend gemacht hat, der bis 30.04.2009 befristet war. Hierin war jedoch kein
Antrag auf Bewilligung weitergehende Leistungen enthalten, die, wie die ASt aus dem vorhergehenden Leistungsbezug seit 2005
wusste, lediglich auf einen Fortzahlungsantrag hin bewilligt werden, den die ASt trotz Kenntnis der Problematik zumindest
nach Lage der Akten bis heute nicht gestellt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG und ergibt sich aus dem Teilerfolg der ASt.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar, §
177 SGG.