Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung
Fettstoffwechselstörung
Medizinische Gründe i.S. von gesundheitlichen Beeinträchtigungen
Tatbestand
Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II -) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Hinblick auf die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung für die Zeit vom 01.02.2012 bis
31.01.2013.
Der 1968 geborene Kläger, der u.a. an gemischter Hyperlipidämie mit erhöhten Triglyceriden, multipler Fettstoffwechselstörung,
Migräne, Refluxkrankheit der Speiseröhre sowie an orthopädischen Leiden (Funktionsbehinderung beider Kniegelenke sowie der
Wirbelsäule) leidet, und bei dem ein GdB von 50 festgestellt wurde, bezieht vom Beklagten Alg II. Bereits in früheren Verfahren
machte er im Hinblick auf seine Erkrankungen Mehrbedarfe geltend. So legte er ein Attest des Dr. R. vom 23.03.2010 vor. Danach
müsse er wegen einer akuten, rezidivierenden Gastritis mit Refluxösophagitis eine besondere Ernährungsform einzuhalten und
verschiedene Medikamente einnehmen. Ein entsprechender finanzieller Mehraufwand sollte dem Kläger erstattet werden. In einem
weiteren Attest vom 20.12.2011 führte Dr. R. aus, der Kläger leide an einer multiplen Fettstoffwechselstörung und er sei auf
fettreduzierte Produkte besonders aus Geflügel bzw. Soja angewiesen. Entsprechende Lebensmittel seien deutlich teurer. In
Attesten vom 21.02.2011 und 10.03.2011 führte der Assistenzarzt Dr. S. u.a. aus, der Kläger sei aufgrund seiner chronischen
Erkrankungen gezwungen, eine diätische Kost zu sich zu nehmen, wofür ihm ein erheblicher finanzieller Aufwand entstehe. Nach
einem weiteren Attest des Assistenzarztes vom 15.12.2011 bedarf der Kläger einer streng triglycerid- und cholesterinsenkenden
Kost. Dr. O. führte in einem Schreiben vom 30.04.2012 aus, es sei beim Kläger ein deutlich erhöhter Histaminspiegel festgestellt
worden. Aus Kostengründen sei auf eine Überprüfung der Diaminooxidase verzichtet worden. Daneben listete der Kläger die ihm
aus seiner Sicht entstehenden Mehraufwendungen auf und fügte diverse Belege (insbesondere Rechnungen, Quittungen und Verschreibungen)
an.
Der Beklagte holte darauf beim Gesundheitsamt W-Stadt ein Gutachten ein. Nach dem Gutachten vom 13.01.2012 entstehe ein Mehrbedarf
für Ernährung bei einem vorliegend krankheitsbedingt angezeigten Verzicht auf tierische Fette unter Bevorzugung pflanzlicher
Fette bzw. einer Reduktion von Nahrungsfett, einer Einschränkung der Cholesterinzufuhr und einer Erhöhung des Ballaststoffanteils
nicht. Eine mäßige körperliche Ausdauerbelastung sei u.a. im Hinblick auf Fettstoffwechselstörung erfolgsversprechend. Es
bestehe keine Evidenz für die Notwendigkeit der Zuführung von Haferkleie und Sojaeiweiß.
Mit Bescheid vom 16.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.02.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides
vom 04.07.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger darauf für die Zeit vom 01.02.2012 bis zum 31.07.2012 Alg II unter Berücksichtigung
eines Regelbedarfs von monatlich 374 EUR und der Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung
wurde unter Verweis auf das Gutachten vom 13.01.2012 nicht berücksichtigt. Zudem fehle es an einem erforderlichen Kost- und
Ernährungsplan. Ebenso wurde dem Kläger mit Bescheid vom 04.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2012
Alg II für die Zeit vom 01.08.2012 bis 31.01.2013 unter Berücksichtigung eines Regelbedarfs von monatlich 374 EUR bzw. - ohne
weitergehenden Bescheid für Januar 2013 - von 382 EUR und der Bedarfe für Unterkunft und Heizung gewährt. Ein Mehrbedarf für
kostenaufwändige Ernährung wurde erneut nicht berücksichtigt.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 29.02.2012 (S 9 AS 250/12) und vom 21.08.2012 () hat der Kläger jeweils Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Die beiden Klagen hat das SG mit Beschluss vom 22.10.2014 verbunden. Der Kläger hat zuletzt noch die weitere Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige
Ernährung iHv monatlich 75 EUR beantragt. Aufgrund seiner Erkrankungen habe er einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung,
wodurch ihm seit Jahren ein besonderer, jährlich steigender finanzieller Aufwand entstehe. Er habe bereits mehrere ärztliche
Atteste und Schreiben beim Beklagten vorgelegt. Die Stellungnahme des Gesundheitsamtes vom 13.01.2012 sei nicht korrekt. Es
seien dort nicht alle Erkrankungen berücksichtigt. Bei einem Verzicht auf tierische Eiweiße seien pflanzliche Eiweiße/Proteine,
insb. teurere Soja- und Geflügelprodukte notwendig. Er benötige zudem hochwertige Öle und Bio-Obst/Gemüse bzw. Obst/Gemüse
ohne chemische Zusätze. Je billiger das Öl sei, desto ungeeigneter sei es. Hierzu hat der Kläger entsprechende Einkaufsbelege
vorgelegt. Auch wenn einzelne seiner Erkrankungen ggf. nicht geeignet seien, einen Mehrbedarf zu begründen, sei dies aber
in ihrer Gesamtschau der Fall. Zudem bestehe in Bezug auf eine Histaminose eine gesicherte Diagnose. Eine spezielle Ernährung
oder Nahrungsergänzungsmittel könne nicht zulasten der Krankenkasse verschrieben werden. Dr. R. und Dr. R. würden in ihren
Attesten von einem erhöhten finanziellen Aufwand ausgehen. Nach einem vom Kläger vorgelegten Attest des Dr. R. vom 06.02.2014
sei eine diätische Ernährung wegen einer multiplen Fettstoffwechselstörung, einer Histaminintoleranz und einer Paraben-Allergie
erforderlich. Notwendig seien fettreduzierte Produkte, besonders Produkte aus Geflügel bzw. Soja, die erheblich teurer seien
als die aus Schweinefleisch hergestellten Lebensmittel.
Das SG hat verschiedene Befundberichte eingeholt und medizinische Unterlagen beigezogen. Nach dem Bericht des Dr. R. vom 03.11.2014
sei eine ausgewogene Vollkost wegen des darin beinhalteten Schweinefleischs (hoher Fettanteil) für den Kläger nicht ausreichend.
Er solle auf besonders magere Geflügelprodukte ausweichen. Fettreduzierte Produkte seien in der Regel teurer. Der Assistenzarzt
S. hat in seinem Attest vom 10.03.2011 ausgeführt, der Kläger sei wegen seiner multiplen Allergien, chronischen Gastritis
mit intermittierenden Refluxösophagitiden und chronischen Erkrankungen auf eine diätische Behandlung angewiesen, die mit einem
erheblichem finanzieller Aufwand verbunden sei. Im Befundbericht des Dr. R. vom 21.11.2014 wird ausgeführt, der Kläger leide
an einer Hypercholesterinämie, Hypertriglyzeridämie, Histaminintoleranz und Paraben-Allergie. Es sei eine histaminarme Ernährung
und eine fettreduzierte Ernährung notwendig. Es sollte nur wenig Alkohol getrunken und auf Parabene verzichtet werden. Der
Kläger müsse testen, was er vertrage und was nicht, und sein Ernährungsverhalten dahingehend ausrichten. Es könne nicht festgestellt
werden, ob ein erheblicher erhöhter finanzieller Mehraufwand bestehe. Prof. D. hat in seinem Befundbericht vom 16.12.2014
ausgeführt, es bestehe nach dem Beschwerdebild des Klägers und eines einmaligen Nachweises im Serum der Verdacht auf eine
Nahrungsmittelunverträglichkeit und eine Histaminintoleranz. Er habe eine diätische Einstellung mit einer entsprechenden Broschüre
empfohlen. Eine ausgewogene Vollkost sei in Bezug auf die angezeigte Reduzierung histaminhaltiger Nahrungsmittel nicht ausreichend,
sondern eine entsprechende besondere Ernährung notwendig. Mehraufwendungen und Einsparungen würden sich die Waage halten und
eine relevante finanzielle Belastung sei nicht zu erwarten.
Der Beklagte hat ein Gutachten des Dr. E. vom 29.01.2015 vorgelegt. Darin wird u.a. ausgeführt, eine Sondenernährung und Vitamine
sowie Spurenelemente bei nachgewiesenem Mangel könnten auf Kosten der Krankenkasse verordnet werden. Bei einer Ablehnung komme
ein Mehrbedarf iHv 10 vH der Regelbedarfsstufe 1 in Betracht. Die Histaminose sei nicht nachgewiesen. Bei Vermeidung histaminreicher
Nahrung könne ein wesentlicher Mehraufwand nicht sicher gesehen werden.
Das SG hat Beweis erhoben und ein Gutachten durch Prof. B. - Universität H-Stadt, Institut für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft
- eingeholt. Dieser hat unter dem 26.07.2015 ausgeführt, der Kläger leide u.a. an einer multiplen Fettstoffwechselstörung,
Refluxkrankheit der Speiseröhre, Magenschleimhautentzündung, Bluthochdruck, Histaminintoleranz und Allergie gegen Benzoylperoxid
und Parabene. Da im Hinblick auf die Histaminintoleranz bislang eine notwenidge Enzymuntersuchung nicht durchgeführt worden
sei, könne nur von einem Verdacht ausgegangen werden. Eine Zusammenstellung von Lebensmitteln nach unterschiedlichem Histamingehalt
sei schwer möglich, weil der Histamingehalt je nach Reifungsgrad pflanzlicher Lebensmittel und Lagerungsbedingungen schwanke
und weil einige Lebensmittel einen direkten Einfluss auf die körpereigene Histaminbildung hätten. Eine Ernährungstherapie
der Histaminintoleranz sei demzufolge symptomatisch, so dass Lebensmittel, die zu den typischen Symptomen der Histaminintoleranz
führten (was individuell sehr verschieden sein könne), gemieden werden müssten, insb. alkoholische Getränke und Käse. Ein
besonderer Ernährungsplan sei nicht erforderlich. Benzoylperoxid komme in Lebensmitteln nicht vor. Im Hinblick auf die Allergie
gegen Parabene, die als Konservierungsstoffe bei unterschiedlichen Stoffen sowie bei manchen Lebensmitteln eingesetzt würden,
könne in der Nährwertkennzeichnung an dem Vermerk PHB-Ester oder den E-Nummern 214, 216, 218 erkannt werden, welche Produkte
diese enthalten und einfach gemieden werden. Auch hier sei kein spezieller Ernährungsplan erforderlich. Schließlich sei für
Fettstoffwechselstörungen ebenfalls kein spezieller Kost- und Ernährungsplan notwendig. Eine medizinisch begründete Empfehlung
zur Ernährungsumstellung sei ohne zusätzliche Kosten zu erreichen. Insofern stelle Vollkost die geeignete Form der Ernährung
dar. Hierbei seien viele der geeigneten Lebensmittel preisgünstig. Dass Alternativen zu Schweinefleisch teurer seien, sei
nicht zutreffend, wenn vergleichbare Produkte hinzugezogen würden. Zudem bestünde auch eine ausgewogene Vollkost nicht überwiegend
aus Schweinefleisch. Eine Notwendigkeit zum Konsum von Bio-Soja-Produkten gebe es nicht. Hier sei zB fettarme Milch gleichfalls
geeignet.
In Bezug auf das Gutachten hat der Kläger ergänzend ausgeführt, der Gutachter gehe zu Unrecht lediglich vom Verdacht einer
Histaminintoleranz aus, die durch den behandelnden Arzt tatsächlich festgestellt worden sei. Ggf. hätte der Gutachter weitere
Untersuchungen anstellen müssen. Nicht überzeugend sei dessen Aussage, dass spezielle Diäten zur Histaminintoleranz nicht
wissenschaftlich überprüft seien. Insofern werde auf Ausführungen des Schweizer Allergiezentrums verwiesen, wonach eine Behandlung
durch eine dreistufige Ernährungsumstellung (Karenzphase, Testphase und Dauerernährung) erfolge. An erster Stelle stehe eine
histaminarme Ernährung und bestimmte Nahrungsmittel seien zu meiden. Beim Verweis hinsichtlich der Fettstoffwechselstörung
auf tierische Lebensmittel, die arm an gesättigten Fettsäuren seien, werde die Aussage, hierdurch würden keine höheren Kosten
entstehen bzw. viele der angegebenen Lebensmittel seien preisgünstiger, nicht belegt. Es handele sich alleine um eine allgemeine
Aussage. Es fehle auch ein Eingehen auf das Zusammenwirken der Krankheiten. Der Gutachter weiße auf Alkoholkarenz und Bewegung
hin, ohne dass entsprechende Feststellungen von ihm beim Kläger getroffen worden seien. Der Verweis auf "Problemtrinker" stamme
nur aus einem Verdacht einer Ärztin aus dem Jahr 2007. Bezüglich einer medikamentösen Behandlung wäre den Akten zu entnehmen
gewesen, dass diese wegen Nebenwirkungen nicht fortgesetzt worden sei. Nach Einschätzung des Dr. E. wäre bei - wie vorliegend
gegeben - fehlender Kostenübernahme durch die Krankenkasse ein Mehrbedarf gegeben. Hiermit habe sich der Gutachter nicht auseinander
gesetzt.
Mit Urteil vom 05.11.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die beim Kläger vorliegenden Erkrankungen würden keine besondere Ernährung erfordern, die gegenüber
der in der Bevölkerung üblichen Ernährung kostenaufwändiger sei. Dies folge aus dem Gutachten von Prof. B. vom 26.07.2015,
dessen Einschätzung gefolgt werde. Bei den jeweiligen Erkrankungen des Klägers bedürfe es keines besonderen Ernährungsplans.
Im Hinblick auf die diagnostizierte Fettstoffwechselstörung sei die Vollkost die geeignete Form der Ernährung. Dies habe der
Gutachter mit ausführlicher, überzeugender und fundierter Begründung ohne innere Widersprüche für den konkreten Fall hergeleitet.
Im Hinblick auf die Histaminintoleranz und auf die Parabenallergie müsse der Kläger bestimmte Nahrungsmittel meiden und durch
andere ersetzen. Dies sei nicht mit einem Mehrkostenaufwand verbunden. Unerheblich sei, dass der Gutachter nur von einem Verdacht
auf Histaminintoleranz ausgehe, denn die Begründungen, mit denen das Gutachtensergebnis insoweit hergeleitet werde, stelle
nicht maßgeblich auf die bloße Verdachtsdiagnose ab, sondern beziehe sich ausdrücklich auf das Erkrankungsbild der Histaminintoleranz.
Bei der Fettstoffwechselstörung sei für die Behandlung kein spezieller Kost- oder Ernährungsplan notwendig. Die medizinisch
begründete Empfehlung zur Ernährungsumstellung sei ohne zusätzliche Kosten zu erreichen. Die geeignete Vollkost könne aus
der Regelleistung bestritten werden.
Dagegen hat der Kläger Berufung zum LSG eingelegt. Auch Dr. E. sei zum Ergebnis gekommen, ein Mehrbedarf sei zu gewähren,
sollte die Krankenkasse keine Kosten übernehmen. Andere Ärzte hätten dies ebenfalls bestätigt. Als Beweis für Mehrkosten habe
er verschiedene Kassenbelege vorgelegt. Im Hinblick auf die Reduzierung tierischer Fette sei er auf andere Produkte, insbesondere
auf Soja-Basis, zur Deckung des Proteinbedarfs angewiesen, die nachweislich teurer seien. Gleiches gelte für den Einkauf von
Putenfleisch im Vergleich zu Schweinefleisch. Auch hochwertigere Mehle, Öle, etc. seien teurer. Dies alles sei vom Gutachter
nicht berücksichtigt worden. Es werde angeregt, ein weiteres Gutachten einzuholen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 05.11.2015 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 16.01.2012
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.02.2012 und des Bescheides vom 04.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 21.08.2012 zu verurteilen, für die Zeit vom 01.02.2012 bis 31.01.2013 weitere Leistungen im Hinblick auf einen Mehrbedarf
für kostenaufwändige Ernährung zu zahlen.
Der Beklagte beantragt:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 05.11.2015 (Az.: S 9 AS 250/12) wird zurückgewiesen.
Zur Begründung hat er auf das Urteil des SG verwiesen.
Einen am 13.05.2016 eingegangenen Befangenheitsantrag gegen die Richter des Senats hat der Senat mit Beschluss vom 24.05.2016
(L 11 SF 157/16 AB) für unzulässig befunden. Den am 30.05.2016 bei Gericht eingegangenen weiteren Befangenheitsantrag gegen die Richter des
Senats hat der Kläger zurückgenommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung Einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und
zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte durch den bestellten Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben
sich hiermit ausdrücklich einverstanden erklärt (§
155 Abs
3 und
4 Sozialgerichtsgesetz -
SGG- i.V.m. §
124 Abs
2 SGG).
Die form- und fristgerechte Berufung des Klägers ist zulässig (§§
143,
144,
151 SGG), in der Sache jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Bescheid des Beklagten vom 16.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 29.02.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 04.07.2012 und der Bescheid vom 04.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 21.08.2012 rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen.
Streitgegenstand ist vorliegend die Gewährung von Alg II in Bezug auf die Gewährung von Leistungen für Regel- und Mehrbedarfe
für die Zeit vom 01.02.2012 bis zum 31.01.2013, worüber der Beklagte mit Bescheid vom 16.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 29.02.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 04.07.2012 (dieser ist nach §
96 SGG Gegenstand des bei dessen Erlass bereits beim SG anhängigen Verfahrens S 9 AS 250/12 geworden) und mit Bescheid vom 04.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2012 entschieden hat. Eine
weitergehende Beschränkung des Streitgegenstandes auf Leistungen für den Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung, die nur
ein Begründungselement für den Leistungsanspruch bezüglich Regel- und Mehrbedarfe darstellen, ist nicht möglich (vgl BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 4 AS 26/14 R). Nur die Leistungen für Unterkunft und Heizung, die einen abtrennbaren Streitgegenstand darstellen (vgl BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R; Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R; Urteil vom 06.08.2014 - B 4 AS 55/13 R), sind - im Hinblick auf die Beschränkung des klägerischen Begehrens - vorliegend nicht mehr zu prüfen.
Ein höherer Anspruch auf Alg II nach §§ 19 Abs 1, 7 SGB II für den Zeitraum vom 01.02.2012 bis zum 31.01.2013, der über die Bewilligung der Regelleistungen in den angefochtenen Bescheiden
hinausgeht, besteht nicht.
Nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sowie hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum 43 bzw. 44 Jahre
alt, erwerbsfähig und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Er war darüber hinaus in der
Zeit vom 01.02.2012 bis zum 31.01.2013 hilfebedürftig. Dementsprechend hat der Beklagte auch zutreffend Alg II unter Berücksichtigung
der jeweils maßgeblichen Regelleistung iHv monatlich 374 EUR bzw. für Januar 2013 iHv 382 EUR - und der hier nicht streitgegenständlichen
Bedarfe für Unterkunft und Heizung - bewilligt bzw. jedenfalls tatsächlich gezahlt.
Weitere Leistungen standen dem Kläger nicht zu. Ein Mehrbedarf war nicht zu berücksichtigen. Nach § 21 Abs 5 SGB II wird bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf
in angemessener Höhe anerkannt. Dabei müssen die notwendigen Aufwendungen über den im Regelbedarf nach § 20 SGB II bereits berücksichtigten Anteil hinausgehen, mit dem die laufenden Kosten eines typischen Leistungsberechtigten im Rahmen
eines soziokulturellen Existenzminimums für eine ausreichende ausgewogene Ernährung im Sinne einer ausreichenden Zufuhr von
Proteinen, Fetten, Kohlehydraten, Mineralstoffen und Vitaminen, im Ergebnis eine Vollkosternährung, bestritten werden können
(vgl dazu BSG, Urteil vom 20.02.2014 - B 14 AS 65/12 R). Voraussetzung sind weiter medizinische Gründe iS von gesundheitlichen Beeinträchtigungen, eine kostenaufwändige Ernährung
und ein Ursachenzusammenhang zwischen den medizinischen Gründen und der kostenaufwändigen Ernährung (vgl BSG, Urteil vom 10.05.2011 - B 4 AS 100/10 R; Urteil vom 20.02.2014 - B 14 AS 65/12 R).
Der Kläger leidet unstreitig an einer Vielzahl von Erkrankungen, wobei nach den vom Kläger vorgelegten Unterlagen, den Befundberichten
und dem Gutachten des Prof. B. insbesondere eine multiple Fettstoffwechselstörung, Refluxkrankheit der Speiseröhre, Magenschleimhautentzündung,
Bluthochdruck, und Allergien gegen Benzoylperoxid und Parabene festgestellt wurden. Bezüglich der Histaminintoleranz besteht
jedenfalls der Verdacht des Vorliegens. Ob beim Kläger eine Histaminintoleranz tatsächlich vorliegt ist insofern unerheblich,
da selbst bei deren Unterstellung keine kostenaufwändigere Ernährung notwendig ist. Insofern ist es auch ohne Belang, dass
der Gutachter des SG wohl lediglich von einem Verdacht einer solchen Erkrankung ausgegangen ist, da er sich mit den Auswirkungen auf die bei einer
solchen Unverträglichkeit notwendige Ernährung auseinandergesetzt hat.
Der Gutachter Prof. B. hat zutreffend, überzeugend und widerspruchsfrei in seinem Gutachten vom 26.07.2015 erhöhte Aufwendungen
für die im Fall des Klägers medizinisch angezeigte Ernährung verneint. Im Wesentlichen sind danach bei der Histaminintoleranz
der Konsum histaminhaltiger Lebensmittel zu meiden bzw. zu reduzieren und ggf. durch andere Lebensmittel zu ersetzen. Darauf
stellen im Grunde alle beteiligten Mediziner ab. Sofern aber Dr. R., Dr. R. und der Assistenzarzt S. davon ausgehen, hierdurch
würden Mehrkosten im Vergleich zur gesunden Vollkost entstehen, kann dem nicht gefolgt werden. Belegt wird deren Ansicht nicht.
Insbesondere erscheint gerade die für den Kläger offensichtlich teure Ernährung mit Soja-Produkten nicht medizinische indiziert.
Im Übrigen kommt auch Prof. D. in seinem Befundbericht vom 16.12.2014 zum Ergebnis, dass sich Mehraufwendungen und Einsparungen
bei der medizinisch notwendigen Ernährungsform die Waage halten und eine relevante finanzielle Belastung nicht zu erwarten
ist. Es kann von der hinreichenden Sachkunde und Einschätzungsmöglichkeit des Gutachters Prof. B. ausgegangen werden, der
sich an der Universität H-Stadt, Institut für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft, mit Ernährungswissenschaft explizit
befasst. Soweit er auf Alkoholkarenz und Bewegung zur Therapie verweist, ist dies unschädlich, da er sich daneben auch eingehend
mit der notwendigen Ernährung im Hinblick auf das Krankheitsbild des Klägers auseinandersetzt. Sofern vom Kläger gerügt wird,
das Gutachten gehe nicht auf das Zusammenspiel der verschiedenen Krankheiten ein, ist dies ebenfalls nicht durchgreifend.
Insofern kann dem Gutachten im Hinblick auf die Ausführungen zu den bei den einzelnen Erkrankungen notwendigen Ernährungsformen
entnommen werden, dass es insofern keine Überschneidungen bzw. Beeinflussungen gibt. Das Weglassen von Nahrungsmitteln mit
hohem Histamingehalt oder mit Parabenen steht nicht im Widerspruch zu einer fettarmen und gesunden Ernährung.
Der Einwand des Klägers, dass das Schweizer Allergiezentrum eine "Diät" bei Histaminintoleranz vorsehe, führt nicht zu einer
anderen Sichtweise. Die dort empfohlene dreistufige Ernährungsumstellung mit einer Karenzphase, Testphase und Dauerernährung,
die im Übrigen auch den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) entspricht (vgl zB Diätik Kompakt - Fachinformationen
der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V., 1. Auflage 2014, Seite 4 f), belegt keinen Kostenmehrbedarf. Vielmehr geht
es dabei um das Austesten, welche Lebensmittel nicht vertragen werden und das anschließende Weglassen. Mehrkosten können damit
alleine nicht begründet werden. Auf dieses Vorgehen weißt auch der Gutachter Prof. B. in seinem Gutachten vom 26.07.2015 hin.
Im Übrigen ist der Histamingehalt nicht nur von der Art der Lebensmittel abhängig, sondern es ergibt sich eine große Schwankungsbreite
des Histamingehalts vor allem durch die Lagerdauer, den Reifegrad sowie bestimmte Verarbeitungsprozesse (vgl DGE aaO Seite
5 mit dem Beispiel von Fisch). Auch hier ist nicht ersichtlich, dass das Berücksichtigen dieser Umstände mit Mehrkosten verbunden
ist.
In Bezug auf die Fettstoffwechselstörung kommt der Gutachter Prof. B. ebenfalls zu dem Ergebnis, dass hier keine Mehrkosten
entstehen würden. Dem schließt sich das Gericht an. Ein spezieller Kost- und Ernährungsplan ist hier nicht notwendig. Die
vom Regelbedarf umfasste ausgewogene Vollkost ist die geeignete Ernährungsform und entspricht auch den Empfehlungen der DGE,
die bereits die Erkenntnisse zur Prävention und Therapie u.a. von Fettstoffwechselstörungen berücksichtigt hat (vgl auch BayLSG,
Urteil vom 21.11.2014 - L 8 SO 128/12). Nicht nachvollziehbar ist, weshalb Geflügelfleisch generell teurer sein soll, als
Schweinefleisch. Allein die Vorlage von Kassenbelegen für den Kauf von Schweinefleisch einerseits und Geflügelfleisch andererseits,
kann dies nicht belegen. Es erscheint zudem nicht zwingend nachvollziehbar, dass die vom Regelbedarf umfasste gesunde Vollkost
alleine Schweinefleisch beinhaltet bzw. dieses gewichtsmäßig eins zu eins durch Geflügelfleisch ersetzt werden müsste. Insofern
erscheint die Darlegung des Gutachters nachvollziehbar.
Auch aus dem Zusammenspiel der verschiedenen Erkrankungen und deren Erfordernissen für die Ernährung vermag das Gericht keinen
Mehrbedarf zu erkennen. Dies folgt aus dem Ergebnis, dass in keinem Fall ein Abweichen von der grundsätzlichen Ernährungsform
der gesunden Vollkost krankheitsbedingt indiziert ist.
Schließlich kann auch aus den Angaben des Dr. E. vom 29.01.2015 kein anderes Ergebnis hergeleitet werden. Dort ist die Rede
von einer Sondenernährung und Vitaminen sowie Spurenelementen bei nachgewiesenem Mangel. Eine Sondenernährung wird hier nicht
geltend gemacht und es gibt keine Anhaltspunkte für eine entsprechende Notwendigkeit. Bei Vitaminen und Spurenelementen ist
unklar, ob dabei auf nicht von § 21 Abs 5 SGB II erfasste Nahrungsergänzungsmittel abgestellt wird. Im Hinblick auf das überzeugende Gutachten des Prof. B. wäre jedenfalls
kein Mehrbedarf zu berücksichtigen.
Da auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers und der oben vorgenommenen Auseinandersetzung mit dem Gutachten
des Prof. B. für das Gericht keine hinreichenden Zweifel an der Richtigkeit und Schlüssigkeit der Ergebnisse des Gutachtens
vom 26.07.2015 verblieben sind, bedurfte es nicht der Einholung eines weiteren Gutachtens, wie es der Kläger angeregt hat.
Die Berufung war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.