Anspruch eines Lokrangierführers auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1958 geborene Kläger hat den Beruf des Betriebsschlossers gelernt und erfolgreich abgeschlossen. Nach Beendigung der Ausbildung
arbeitete er u.a. als Versandarbeiter und Verkaufsfahrer. Er wechselte zum 01.04.1987 zur D. und war dort als Rangierarbeiter,
Rangierleiter sowie zuletzt vom 01.03.2000 bis zum 30.09.2005 als Lokrangierführer tätig. Hierzu wurde er angelernt und weiter
gebildet. Er war zuletzt in Lohngruppe E 7 des Konzernentgelttarifvertrages eingestuft. Das Beschäftigungsverhältnis endete
betriebsbedingt. Der Kläger stimmte einer Versetzung nach C-Stadt nicht zu. Seit diesem Zeitpunkt ist er arbeitslos bzw. arbeitsunfähig
krank. Im Moment bezieht er Leistungen nach dem SGB II und arbeitete auf "1-Euro-Basis" bis 30.09.2010 30 Stunden pro Woche
in Wechselschicht als Fahrer.
Am 21.06.2007 beantragte der Kläger in erster Linie unter Angabe orthopädischer Beschwerden sowie Depressionen und Schlafstörungen
Rente wegen Erwerbsminderung. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.08.2007 ab. Ausschlaggebend war das Ergebnis
einer psychosomatisch geprägten stationären medizinischen Rehabilitation in der K. Klinik vom 15.03.2007 bis zum 11.04.2007.
Von dort wurde der Kläger als arbeitsunfähig bei einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich als Lokrangierführer
und für mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes entlassen. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte ein
nervenärztliches Gutachten von Prof. Dr. N. ein. Dieser diagnostizierte eine Anpassungsstörung im Sinne einer dysthymen Fehlentwicklung
mit Somatisierungstendenz und bestätigte ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden für mittelschwere Arbeiten ohne
besondere Stressbelastung und ohne besondere Verantwortung. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2008 wies die Beklagte den
Widerspruch als unbegründet zurück. Zwar sei der Kläger nicht mehr in der Lage, als Lokrangierführer mindestens sechs Stunden
am Tag zu arbeiten, er sei jedoch zumutbar auf die Tätigkeit als Registrator, Schrankenwärter, Weichenwärter und Hausmeister
verweisbar.
Dagegen hat der Kläger am 28.01.2008 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und u.a. geltend gemacht, dass nicht alle Erkrankungen berücksichtigt worden seien und zumindest teilweise Erwerbsminderung
bei Berufsunfähigkeit vorliege.
Die Beklagte hat geltend gemacht, dass alleine aufgrund der zuletzt erfolgten Eingruppierung nicht auf einen Facharbeiterstatus
geschlossen werden dürfe. Die Entgeltgruppe E 7 sei eine Mischtarifgruppe, in der sich auch angelernte Arbeitnehmer befänden
aufgrund langjähriger Betriebszugehörigkeit bzw. eines Bewährungsaufstiegs. Es sei die tarifliche Eingruppierung ab dem Jahr
1987 zu ermitteln. Die Einstiegsgruppe für Lokrangierführer E 4 sei maßgeblich. Zudem sei die Tätigkeit eines Registrators
und Mitarbeiters einer Poststelle auch für Facharbeiter zumutbar.
Das SG hat im vorbereitenden Verfahren Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. W. (Hausarzt), Dr. E. (Orthopäde) und Dr. H. (Nervenärztin)
sowie Arbeitgeberauskünfte eingeholt sowie die Personalakte und Schwerbehindertenakte beigezogen. Mit der Erstellung eines
orthopädischen Fachgutachtens hat das SG Dr. B. beauftragt. Dieser hat aus orthopädischer Sicht folgende Diagnosen festgestellt: Schmerzsymptomatik der Hals-, Brust-
und Lendenwirbelsäule bei erheblichen degenerativ umformenden Veränderungen auf der Höhe L 5/S1, leichte degenerative Veränderungen
der Hals- und Brustwirbelsäule ohne wesentliche funktionelle Einbußen, Schmerzsymptomatik beider Kniegelenke bei leichten
degenerativen Veränderungen, Schmerzsymptomatik beider Schultergelenke ohne wesentliche funktionelle Einbußen. Der Kläger
sei noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich leichte bis kurzzeitig mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen
oder im Wechselrhythmus auszuüben. Nicht mehr möglich seien das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, häufiges Bücken, überwiegende
Überkopfarbeiten, Arbeiten in Zwangshaltungen und unter ungünstigen äußeren Bedingungen sowie Tätigkeiten mit besonderer nervlicher
Belastbarkeit (Akkord- Fließband, Nachtschichtarbeit und an laufenden Maschinen). Die Wegefähigkeit sei gegeben, weitere fachärztliche
Untersuchungen seien nicht erforderlich.
Auf Antrag des Klägers hat das SG den Orthopäden Dr. A. mit der Erstellung eines Gutachtens gemäß §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beauftragt. Dieser hat ausgeführt, dass bei der ambulanten Untersuchung keine auffälligen, deutlich von der Norm abweichenden
Funktionseinschränkungen festgestellt werden konnten. Die degenerativen Veränderungen am Achsorgan, am rechten Hüftgelenk
und an den Kniegelenken seien altersadäquat und bedürften keiner invasiven Therapie. Verantwortlich für die Schmerzsymptomatik
sei allein der Mangel an muskulärer Kompensationsfähigkeit. Es seien noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus
mindestens sechs Stunden täglich möglich. Die Tätigkeit als Lokrangierführer sei aufgrund der damit verbundenen hohen körperlichen
Belastbarkeit nicht mehr zu empfehlen.
Die Beklagte hat nach Prüfung der Personalakte vorgetragen, dass die Entlohnung aus einem Bewährungsaufstieg resultiere, welcher
dann 1994 in den neuen Tarifvertrag übernommen worden sei. Die zu hohe tarifliche Einstufung sei aus Gründen des Besitzschutzes
beibehalten worden.
Das SG hat unter Bezugnahme auf die Gutachten von Dr. B. und Dr. A. die Klage mit Urteil vom 04.06.2009 abgewiesen. Die Frage, ob
der Kläger Berufsschutz als Facharbeiter genieße, könne letztendlich offen bleiben, da er zumutbar auf die Tätigkeit eines
Registrators verwiesen werden könne.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 10.07.2009 Berufung erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass lediglich orthopädische
Begutachtungen vorgenommen worden seien. Zudem habe sich der festgestellte Grad der Behinderung auf 50 vom Hundert erhöht.
Der Kläger hat aktuelle orthopädische Befunde übersandt und der Senat aktuelle Befundbericht von Dr. F. (HNO), Dr. E. (Orthopäde)
Dr. H. (Nervenärztin), Dr. D. (HNO) eingeholt.
Die Beklagte hat ein Tätigkeitsprofil zum Lokrangierführer übersandt und als Verweisungstätigkeiten den Mitarbeiter in der
Betriebsleitzentrale, den Lokführer im Freizeitpark, den Fahrdienstleiter Gleisstellwerk und den Triebwagenfüher im Personenverkehr
genannt.
Der Senat hat die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. I. mit der Erstellung eines Fachgutachtens
beauftragt. Sie ist zu folgendem Ergebnis gekommen: Der Kläger leide an einer rezidivierenden depressiven Störung im Sinne
einer Dysthymie, einer Somatisierungsstörung, einer sensiblen Polyneuropathie, einer degenerativen Wirbelsäulenveränderung
mit Betonung LWK 5/SWK 1 ohne motorische Defizite oder Zeichen der Myelonkompression. Er sei noch in der Lage, leichte und
mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus mindestens sechs Stunden täglich auszuüben, ebenso die Tätigkeit als Rangierlokführer
und die genannten Verweisungstätigkeiten.
Der Senat hat die Personalakte des Klägers beigezogen.
Der Kläger hat in seiner Stellungnahme zum Gutachten mitgeteilt, dass eine Summierung vorliege und aufgrund der bestehenden
Leistungseinschränkungen die genannten Verweisungstätigkeiten nicht mehr möglich seien.
Der Senat hat die Tätigkeitsbeschreibung der Regionaldirektion Bayern vom 20.04.2005 zum Tätigkeitsbild eines Registrators
zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Der Kläger, der in der mündlichen Verhandlung weder erschienen noch vertreten war, beantragt schriftsätzlich,
1. Das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 04.06.2009, S 12 R 4041/08, wird abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung
bei Berufsunfähigkeit ab 01.07.2007 zu gewähren.
3. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Auslagen des Klägers.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat liegen zur Entscheidung die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Klageakten beider Rechtszüge vor. Auf deren
Inhalt, insbesondere auf die vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachten wird zur Ergänzung des Sachverhalts Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§
143,
144,
151 SGG), sie erweist sich jedoch als nicht begründet.
Der Senat konnte gemäß §§
153 Abs.
1,
110 Abs.
1,
126 SGG in Abwesenheit des Klägers und seines Bevollmächtigten verhandeln und entscheiden, weil diese in der Terminsmitteilung bzw.
der Ladung vom 13.09.2010, die ordnungsgemäß zugestellt wurden, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind. Der Bevollmächtigte
des Klägers hat zudem ausdrücklich mit Telefax vom 06.10.2010 beantragt, das persönliche Erscheinen des Klägers aufzuheben.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 28.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2008, mit dem
die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger auf dessen Antrag vom 21.06.2007 Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Das SG hat zu Recht mit Urteil vom 04.06.2009 die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente
wegen Erwerbsminderung.
Er erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach §
240 SGB VI. Hiernach sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit
von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten
auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§
240 Abs.
2 Satz 1
SGB VI), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt und vor Eintritt
Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten
zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung
der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie des bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit
zugemutet werden können (§
240 Abs.
2 Satz 2
SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann, wobei die jeweilige
Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (§
240 Abs.
2 Satz 4
SGB VI).
Zwar erfüllt der Kläger die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (vgl. §
50 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGB VI) und verfügt auch über die notwendige Beitragsdichte, so dass die 3/5 Belegung erfüllt ist. Aufgrund des Ergebnisses der
durchgeführten medizinischen Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger nicht berufsunfähig iSv
§
240 SGB VI ist.
Ausgangspunkt für die Beurteilung einer möglichen Berufsunfähigkeit ist grundsätzlich die letzte versicherungspflichtig ausgeübte
Tätigkeit. Der Kläger war zuletzt als Rangierlokführer tätig. Diese Tätigkeiten kann der Kläger aufgrund seiner orthopädischen
Erkrankungen nicht mehr mindestens sechs Stunden ausüben. Letztendlich kann offen bleiben, ob der Kläger als angelernter Arbeiter
oder als Facharbeiter zu qualifizieren ist, da er, wie das SG ausgeführt hat, zumutbar auf die Tätigkeit eines Registrators verwiesen werden kann.
Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Bedeutung des bisherigen Berufs. Zur
Beurteilung der sozialen Zumutbarkeit hat das Bundessozialgericht (BSG) die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt.
Ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, werden die Gruppen durch
den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters
(anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf
mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren), und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG in SozR 2200
§ 1246
RVO Nr.138, 140). Ausschlaggebend für die Einordnung des Berufs in dieses Mehrstufenschema ist nicht allein die Ausbildung, sondern
die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb.
Dem Versicherten ist die Verweisung auf die im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf nächstniedrigere Gruppe zumutbar (ständige
Rechtsprechung des BSG z.B. in SozR 3-2200 § 1246
RVO Nr. 5). Neben Art und Dauer der Ausbildung ist für die Bewertung einer Tätigkeit auch auf den ihr von den Tarifvertragsparteien
beigemessenen qualitativen Wert abzustellen, wenn sich eine Einstufung als Facharbeiter - wie hier - nicht bereits aus der
durchlaufenen Ausbildung ergibt und auch nicht festgestellt werden kann, dass die Tätigkeit theoretische Kenntnisse und praktische
Fertigkeiten in einem Umfang voraussetzt, die von einem Facharbeiter in regulärer Ausbildung und längerer Berufstätigkeit
erworben werden. Aufgrund ihrer Einordnung in Tarifnormen kann eine Tätigkeit, die nicht diese Ausbildungsdauer erfordert,
dennoch einer gelernten oder angelernten gleichstehen.
Soweit die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Berufsart im Tarifvertrag aufführen und einer Tarifgruppe zuordnen, kann in
der Regel davon ausgegangen werden, dass die tarifvertragliche Einstufung der einzelnen in der Tarifgruppe genannten Tätigkeiten
auf deren Qualität beruht; denn die Tarifparteien als unmittelbar am Arbeitsleben Beteiligte nehmen relativ zuverlässig eine
Bewertung von Berufstätigkeiten vor, die den Anforderungen auch des Mehrstufenschemas entspricht.
Demgemäß lässt die abstrakte (tarifvertragliche) Einordnung einer bestimmten Berufstätigkeit in eine Tarifgruppe, in der auch
Facharbeiter eingeordnet sind, in der Regel den Schluss zu, dass diese Berufstätigkeit im Geltungsbereich des Tarifvertrags
als Facharbeitertätigkeit zu qualifizieren ist (vgl. BSG, Urteil vom 20.07.2005, B 13 RJ 29/04 R). Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten lediglich dann, wenn die Einstufung durch qualitätsfremde Merkmale bestimmt ist.
Die Tätigkeit des Klägers bestimmt sich mithin nach dem mit Überleitung der Deutschen Bundesbahn in die Deutsche Bahn AG geschaffenen
Entgelttarifvertrag. Für die Qualifizierung als Facharbeiter spricht, dass bereits ab Entgeltgruppe sechs es sich um Facharbeiter-Entgeltgruppen
handelt. Der Kläger war als Lokrangierführer dem Tarifvertrag entsprechend in Entgeltgruppe E 7 eingestuft. Damit handelt
es sich bei dem der Tarifgruppe E 7 abstrakt (tarifvertraglich) zugeordneten Lokrangierführer um einen Facharbeiter, auch
wenn im Einzelnen die für eine Einstufung als Facharbeiter geforderte regelmäßige Ausbildung von über zwei Jahren nicht absolviert
worden ist (vgl. BSG aaO.).
Daneben ist jedoch auch die tarifliche (konkrete) Zuordnung des einzelnen Versicherten durch den Arbeitgeber zu prüfen. Sie
ist - wie oben bereits angesprochen - Anhaltspunkt dafür, dass die vom Versicherten ausgeübte Tätigkeit in ihrer Wertigkeit
der Berufs- und Tarifgruppe entspricht, nach der er bezahlt wird. Dies ist in der Rechtsprechung des BSG mitunter als "Indiz"
oder "Anhalt" bezeichnet worden. Die Richtigkeit dieser Eingruppierung kann aber durchaus "widerlegt" werden (BSG SozR 3-2200
§ 1246 Nr. 14 mwN), d.h. die Eingruppierung kann als unrichtig erkannt werden. Die Richtigkeit der Einstufung wird dadurch
"widerlegt", dass die Einordnung des Versicherten in die Tarifgruppe anhand der hierin geregelten Merkmale einerseits und
der Tatsachen andererseits geprüft wird, deren Feststellung diese Merkmale fordern. Rechtfertigen die tatsächlichen Feststellungen
die Einordnung in die Tarifgruppe nicht, so steht fest, dass der Arbeitgeber die Einordnung in die Tarifgruppe zu Unrecht
vorgenommen hat oder dass er Gründe gehabt hat, die jedenfalls nicht qualitativer Art sind.
Für eine qualitätsfremde Einordnung spricht zwar, dass der Kläger in die Entgeltgruppe E 7 eingruppiert wurde, weil er vor
1994 nach einer bestimmten Lohngruppe des zuvor gezahlten LTV-DB entlohnt worden war. Eine derartige Umstellung sah § 2 ErsteingruppierungsTV
vor. Jedoch hat er im Laufe seiner Tätigkeit ab 1994 verschieden Lehrgänge und die Verwendungsprüfung zum Lokrangierführer
abgelegt, so dass der Senat, entsprechend der vorgenommenen Einstufung durch den Arbeitgeber und die zuletzt tatsächlich ausgeübte
Tätigkeit von einer Facharbeitertätigkeit ausgeht.
Letztendlich kann die Qualität der beruflichen Tätigkeit aber offen bleiben, da der Kläger auch als Facharbeiter zumutbar
auf die Tätigkeit als Registrator verwiesen werden kann.
Die genannte Tätigkeit überfordert den Kläger in gesundheitlicher Hinsicht nicht. Nach dem Ergebnis der gesamten Beweisaufnahme
steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechselrhythmus,
ohne Zeitdruck, ohne Akkord- oder Nachtarbeiten, ohne Zwangshaltungen, ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ohne häufiges
Bücken, ohne überwiegende Überkopfarbeiten ohne Publikumsverkehr und mit besonderen Anforderungen an das Hörvermögen verrichten
kann. Die genannten Leistungseinschränkungen stehen mit den von den Gutachtern und Sachverständigen festgestellten Gesundheitsstörungen
auch in Übereinstimmung.
Die Tätigkeit eines Registrators ist als körperlich leichte Tätigkeit zu qualifizieren, welche bereits aus arbeitsorganisatorischen
Gründen im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen verrichtet wird. Schweres Heben und Tragen wird nicht gefordert. In den
Registraturen sind die erforderlichen Hilfsmittel (Registraturwagen, Ablagemöglichkeiten etc.) in der Regel vorhanden. Dem
steht nicht entgegen, dass in Einzelfällen Heben und Tragen von Lasten bis zu 5 kg (Stehordner, gebündelte Akten), Zwangshaltungen
wie Überkopfarbeiten und je nach Registratur auch Arbeiten auf Stehleitern erforderlich sein könnten. Die körperlichen Belastungen
hängen aber weitgehend von der jeweiligen Arbeitsplatzgestaltung und der Arbeitsorganisation ab; folglich sind das Handhaben
schwererer Aktenvorgänge, Zwangshaltungen und das Arbeiten auf Leitern nicht generell mit der Tätigkeit einer Registraturkraft
verbunden. Bei Arbeitsplätzen in Registraturen handelt es sich nicht um typische Schonarbeitsplätze, für die der Arbeitsmarkt
als verschlossen anzusehen wäre; solche Arbeitsplätze sind in nennenswerten Umfang vorhanden und auch zu besetzen (vgl. Regionaldirektion
Bayern, C-Stadt, Gutachten vom 20.04.2005).
Die Dauer der Einarbeitungszeit für eine Registraturkraft beträgt üblicherweise nicht länger als drei Monate, wobei Vorkenntnisse
weitgehend ohne Bedeutung sind. An die geistigen Anforderungen einer Tätigkeit als Registraturkraft werden keine über das
normal übliche Maß hinausgehende Ansprüche gestellt. Soweit der Arbeitsplatz mit einem vernetzten PC ausgestattet ist - wie
z.B. in allen Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit -, können die für alle Beschäftigten und somit auch für die Registraturkräfte
erforderlichen grundlegenden Kenntnisse (Starten/Schließen der Anwendungen, Einträge in Tabellen, Ausdrucke etc.) innerhalb
der Einarbeitungszeit auch von Beschäftigten ohne Vorkenntnisse bzw. von bisher nicht in der Bedienung einer Tastatur geübten
Beschäftigten angeeignet werden. Der Arbeitsplatz einer angelernten Registraturkraft stellt somit eine Tätigkeit dar, die
der Kläger mit seinem Leistungsvermögen objektiv noch vollschichtig zu verrichten in der Lage ist (vgl. zum Ganzen auch: Urteil
des Senats vom 22.10.2008, L 13 R 554/07).
Der Kläger, der keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat, hat auch keinen
Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung gemäß §
43 SGB VI, denn gemäß §
43 Abs. Abs.
1 Satz 2 und Abs.
2 Satz 2
SGB VI sind solche Versicherte nicht erwerbsgemindert, die wie der Kläger irgendeine Berufstätigkeit noch mindestens sechs Stunden
täglich ausüben können, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 4.06.2009 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gemäß §
193 SGG beruht auf der Erwägung, dass der Kläger mit seiner Klage auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.