Rechtmäßigkeit der Erhebung eines Säumniszuschlags wegen verspätet geleisteter Nachversicherungsbeiträge gegen die Nachversicherungsbehörde
Anforderungen an die Glaubhaftmachung einer unverschuldet fehlenden Kenntnis von der Zahlungsverpflichtung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der klagende Freistaat einen Säumniszuschlag wegen verspätet geleisteter Nachversicherungsbeiträge
zu zahlen hat.
Der 1946 geborene Versicherte G. P. war seit dem 01.07.1968 beim Kläger in einem versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis
als Hauptsekretär im Justizvollzugsdienst beschäftigt. Aufgrund eigenen Antrags wurde er zum 07.06.1999 aus dem Beamtenverhältnis
entlassen.
Die Nachversicherung erfolgte erst aufgrund eines Hinweises des Justizministeriums vom 24.06.2004, dem eine Beanstandung des
Versicherten zugrunde lag. Mit Schreiben vom 02.07.2004 wurde darauf hin der Beklagten die Nachversicherungsdaten mitgeteilt.
Die Wertstellung der Nachversicherungsschuld erfolgte am 09.07.2004.
Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hatte bereits mit Schreiben vom 02.06.1999 und 09.06.1999 über die Entlassung
des Bediensteten die Bezirksfinanzdirektion, Bezügestelle Besoldung, "mit der Bitte um Einstellung der Dienstbezüge und weitere
Veranlassung hinsichtlich der Nachversicherung" informiert. Diese Schreiben gingen bei dem für die Festsetzung und Abrechnung
der Bezüge zuständigen Referat 51/2 der Abteilung V/2 ein, welches die Einstellung der Dienstbezüge und die Geltendmachung
der erfolgten Überzahlung veranlasste. Die Sachbearbeiter dieses Referates unterrichteten jedoch das für die Durchführung
der Nachversicherung zuständige Referat 55 vom Eintritt des Nachversicherungsfalls nicht.
Mit Bescheid vom 27.08.2004 setzte die Beklagte gegen den Kläger Säumniszuschläge auf Nachversicherungsbeiträge in Höhe von
100.860,50 EUR fest und forderte den Kläger zur Zahlung dieses Betrages auf. Auf der Basis eines Fälligkeitstages vom 08.06.1999
und unter Berücksichtigung eines Drei-Monats-Zeitraums zum Zweck der Klärung von Fragen eines etwaigen Aufschubs wurden der
Berechnung 59 Monate Säumnis zugrunde gelegt.
Mit Schriftsatz vom 09.09.2004, eingegangen am 10.09.2004, hat der Kläger gegen diesen Bescheid Klage eingereicht und mit
Schriftsatz vom 29.10.2004 die Einrede der Verjährung erhoben. Der Kläger führte aus, dass die vierjährige Verjährungsfrist
des §
25 Abs.
1 Satz 1
SGB IV abgelaufen sei, zumal ein auch nur bedingt vorsätzliches Vorenthalten der Beiträge nicht gegeben sei. Denn das für die Nachversicherung
zuständige Referat 55 habe von dem Nachversicherungsfall keine Kenntnis gehabt. Die Durchführung der Nachversicherung sei
von der hierfür zuständigen Bezügestelle Besoldung der Bezirksfinanzdirektion München übersehen worden. Sie sei somit versehentlich
und nicht vorsätzlich unterblieben. Die Sachbearbeiter des Referates 51/2 hätten es über die sich hinziehende Rückforderung
überbezahlter Bezüge schlichtweg übersehen, die Schreiben des Justizministeriums weiterzuleiten.
Das Sozialgericht München hat der Klage mit Urteil vom 28.06.2007 (Az. S 17 R 5469/04) stattgegeben und den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Gleichzeitig hat das Sozialgericht die Sprungrevision zugelassen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Durchsetzung des Anspruches auf Säumniszuschläge die vom Kläger
erhobene Einrede der Verjährung entgegen stehe, da sich die Verjährung nach §
25 Abs.
1 Satz 1
SGB IV richte. Der Kläger habe die der Säumnisschuld zugrundeliegenden Beiträge nicht vorsätzlich vorenthalten. Vorsatz im Sinne
von §
25 Abs.
1 Satz 2
SGB IV sei nicht bereits dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber nach Ablauf von drei Monaten noch keine Entscheidung über den Aufschub
oder über die Zahlung der Beiträge getroffen habe. Vielmehr sei auf den konkreten Einzelfall und seine Umstände abzustellen.
Entscheidend sei, dass es keine Anhaltspunkte gebe, dass die Nichtabführung der Beiträge in diesem Einzelfall billigend in
Kauf genommen worden sei oder gar wissentlich und willentlich betrieben worden sei. Die Sachbearbeiter des Nachversicherungsreferates
55 hätten von dem Nachversicherungsfall keine Kenntnis gehabt. Das Versäumnis, die Schreiben des Justizministeriums vom 02.06.1999
und 09.06.1999 an das für die Nachversicherung zuständige Referat 55 weiterzuleiten, sei als schlichtes Versehen und damit
als fahrlässiges Verhalten einzuordnen. Das vorstellbare Unterlassen organisatorischer Maßnahmen zur Optimierung der Arbeitsabläufe
sei nicht von der Intention getragen gewesen, Nachversicherungsbeiträge vorzuenthalten.
Die Beklagte hat die gegen das Urteil zugelassene Sprungrevision eingelegt.
Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 17.04.2008 (B 13 R 123/07 R, [...]) das Urteil des Sozialgerichts München aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
an das Sozialgericht München zurückverwiesen.
Zur Begründung hat das Bundessozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass es zum einen zweifelhaft sei, ob sich der Kläger
auf unverschuldete Unkenntnis im Sinne des §
24 Abs.
2 SGB IV berufen könne. Zwar hätten die für die Nachversicherung zuständigen Bediensteten des Klägers von dem Nachversicherungsfall
keine Kenntnis gehabt. Daneben sei jedoch der Grundsatz zu beachten, dass jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation
sicherzustellen habe, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern
zur Kenntnis genommen werden könnten. Dies erfordere die Notwendigkeit eines internen Organisationsaustausches. Jedenfalls
dann, wenn es an entsprechenden organisatorischen Maßnahmen fehle, müsse sich die Organisation das Wissen einzelner Mitarbeiter
zurechnen lassen.
Zur Frage der Verjährung hat das Bundessozialgericht ausgeführt, dass bei natürlichen Personen im Regelfall die Feststellung
der Kenntnis von der Beitragspflicht und der Umstand, dass die Beiträge nicht rechtzeitig gezahlt worden seien, genüge, um
feststellen zu können, dass die Beiträge zumindest bedingt vorsätzlich vorenthalten worden seien. Dies müsse auch für juristische
Personen oder Körperschaften des öffentlichen Rechts gelten. Wenn daher dem Kläger die Kenntnis von der Beitrags-(nachentrichtungs-)pflicht
zuzurechnen sei, folge hieraus für den Regelfall, dass die verlängerte Verjährungsfrist des §
25 Abs.
1 Satz 2
SGB IV eingreife. Das Bundessozialgericht hat dem Sozialgericht daher aufgegeben zu klären, ob und welche organisatorischen Vorkehrungen
für den Fall bestanden, dass der Bezirksfinanzdirektion in nur einem Schreiben Aufgaben übermittelt wurden, die in verschiedenen
Referaten zu bearbeiten gewesen seien.
Der Kläger hat sodann zu den organisatorischen Vorkehrungen für den Fall, dass der Bezirksfinanzdirektion in nur einem Schreiben
Aufgaben übermittelt wurden, die in verschiedenen Referaten zu bearbeiten waren, im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Zunächst seien bis 1988 ausschließlich die personalverwaltenden Stellen für die Entscheidung über und die Durchführung der
Nachversicherung zuständig gewesen. Später sei die Zuständigkeit für den Vollzug der Nachversicherung auf die Bezirksfinanzdirektionen
des Freistaates Bayern übergegangen, während die Zuständigkeit für die grundsätzliche Entscheidung, ob eine Nachversicherung
durchzuführen sei, bei den personalverwaltenden Stellen verblieben sei.
Mit der "Verordnung über die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Aufschub der Beitragszahlung" vom 02.03.1993, in
Kraft getreten am 1.1.1992, sei unter anderem für das Bayerische Staatsministerium der Justiz die Zuständigkeit für die Entscheidung
über den Aufschub neu geregelt worden. Nunmehr sei die für die Abrechnung der Bezüge örtlich zuständige Bezirksfinanzdirektion
sowohl für die Entscheidung über den Aufschub der Nachversicherung als auch für deren Durchführung zuständig gewesen. Für
den Bediensteten G. P. habe sich hieraus die Zuständigkeit der Bezirksfinanzdirektion München ergeben. Innerhalb der Bezirksfinanzdirektion
München sei das Referat 55 der Abteilung V/2 für die Entscheidung über die Durchführung der Nachversicherung und die Durchführung
der Nachversicherung selbst zuständig gewesen. Demgegenüber habe dem Referat 51/2 der gleichen Abteilung die Einstellung der
Bezüge oblegen.
Seitens der personalverwaltenden Stellen Bayerisches Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaften und Kunst sowie
Bayerisches Staatsministerium der Justiz (für die Justizvollzugsanstalten) seien bei Ausscheiden eines Bediensteten alternativ
zwei Verfahrensweisen praktiziert worden. Entweder sei dem für die Durchführung der Nachversicherung zuständigen Referat 55
unmittelbar ein Abdruck des an das zuständige Besoldungsreferat 51/2 der Bezirksfinanzdirektion München adressierten Schreibens,
in dem dieses über das Ausscheiden in Kenntnis gesetzt worden sei, übersandt worden. Oder die personalverwaltende Stelle habe,
so wie im vorliegenden Fall, das Besoldungsreferat 51/2 mit einem Schreiben über das Ausscheiden informiert und in diesem
Schreiben gleichzeitig gebeten, hinsichtlich der Durchführung der Nachversicherung das Erforderliche zu veranlassen. Für diese
Fallkonstellation habe der Besoldungssachbearbeiter das für die Nachversicherung zuständige Referat durch Weiterleitung des
Originals des besagten Schreibens oder durch Übermittlung einer Kopie hiervon über das Ausscheiden in Kenntnis gesetzt. Gemessen
an dem Gesamtaufkommen der zu bearbeitenden Nachversicherungen sei nur in vergleichsweise wenigen Versicherungsfällen lediglich
das Besoldungsreferat über das Ausscheiden eines Bediensteten informiert worden.
Für die Bearbeitung dieser Fallkonstellation habe Ziffer 8.6 der seinerzeit geltenden "Ergänzenden Bestimmungen für die Bezirksfinanzdirektion
München" zur Geschäftsordnung für die Bezirksfinanzdirektionen des Freistaates Bayern (im Folgenden: "Ergänzende Bestimmungen")
folgende Regelung enthalten: "Ist für die Bearbeitung eines Schreibens nicht der Empfänger, sondern ein anderer Bediensteter
der Behörde zuständig, so ist das Schreiben sofort der zuständigen Stelle zuzuleiten."
Diese Regelung stelle eine klare und präzise Anweisung in schriftlicher Form dar. Im Hinblick auf diese eindeutige und jedem
Mitarbeiter auch bekannt gemachte, im Prinzip eine Selbstverständlichkeit darstellende Regelung, habe für die Behördenleitung
beziehungsweise den Leiter der Abteilung V/2 kein Anlass bestanden, den Besoldungssachbearbeitern nochmals eine entsprechende
schriftliche Weisung über die Weiterleitung von Schreiben, mit denen das Ausscheiden von Bediensteten mitgeteilt wurde, an
das Nachversicherungsreferat 55 zu erteilen. Dies gelte umso mehr, als sich keine konkreten Anhaltspunkte für Versäumnisse
im Informationsaustausch ergeben hätten. In dieser Situation dürfe sich ein Vorgesetzter darauf verlassen, dass eine Dienstanordnung,
deren Nichtbefolgung ein Dienstvergehen darstelle, ausgeführt werde, insbesondere, wenn es sich um eine Selbstverständlichkeit
handele und die Ausführung einfach sei. Die Regelung in Ziffer 8.6 erfasse auch eindeutig den vorliegenden Fall, dass ein
Sachbearbeiter nur zum Teil für die Bearbeitung eines Schreibens zuständig gewesen sei. Sie greife auch, wenn der Sachbearbeiter
nicht wisse, ob das anderweitig zuständige Referat bereits Kenntnis von dem Vorgang habe. Eine weitergehende Regelung des
Vorgehens in der gegebenen Konstellation zu fordern, stelle eine übertriebene Kasuistik dar. Vor dem Hintergrund des enormen
Posteingangs und der vielfältigen Aufgaben der Bezirksfinanzdirektion sei der Fall, dass für die Bearbeitung eines Schreibens
unterschiedliche Stellen zuständig seien, durch diese Regelung ausreichend erfasst worden. Weitergehende Maßnahmen in der
Poststelle, wie z.B. die Vervielfältigung von eingehenden Schreiben, die in den Zuständigkeitsbereich mehrerer Referate fielen,
seien bei der enormen Zahl an täglichen Eingängen nicht zumutbar gewesen. Soweit der Sachbearbeiter des Besoldungsreferats
51/2 aus den vorliegenden Unterlagen/Informationen keinen anderen Hinweis darauf finden konnte, dass auch das Nachversicherungsreferat
55 Kenntnis von dem Vorgang hatte, der auch in die dortige Zuständigkeit fiel, hätte der Sachbearbeiter den Vorgang wegen
Ziffer 8.6 der Ergänzenden Bestimmungen wegen seiner teilweisen Zuständigkeit an das Nachversicherungsreferat weiterleiten
müssen.
Kontrolleinrichtungen habe es nicht gegeben. Die Einrichtung weiterer Kontrollmechanismen, um sicherzustellen, dass die Nachversicherungsstelle
tatsächlich von dem unzuständigen Bezügesachbearbeiter über das unversorgte Ausscheiden des Nachzuversichernden informiert
werde, sei nicht gefordert gewesen. Eine lückenlose Kontrolle aller Beschäftigten einer Behörde mit mehr als 800 Bediensteten,
ob diese ihren Dienstpflichten bei jedem auch so einfach zu bearbeitenden Vorgang nachkämen, lasse sich nicht mit einem vertretbaren
Personalaufwand bewerkstelligen. Eine Dienstanweisung für das Aufgabengebiet Nachversicherung habe es weder 1999 noch später
gegeben. Es sei jedoch ein sog. Leitfaden für die Nachversicherung erstellt worden, durch den Nachversicherungssachbearbeitern/-innen
ohne Anspruch auf Vollständigkeit eine Hilfe für die tägliche Arbeit gegeben werden sollte. Der Leitfaden habe auch einschlägige
Schreiben des Bayerischen Finanzministeriums zu Problemen und Entwicklungen im Recht der Nachversicherung enthalten.
Die Beklagte äußerte daraufhin die Ansicht, der Kläger habe keine hinreichenden organisatorischen Maßnahmen zum Informationsaustausch
zwischen den Referaten 51/2 und 55 der Abteilung V/2 getroffen. Insbesondere stelle Ziffer 8.6 der "Ergänzenden Bestimmungen
für die Bezirksfinanzdirektion München" keine solche Maßnahme dar. Diese Regelung sei auf die im vorliegenden Fall gegebene
Konstellation nicht unmittelbar anwendbar. Es stelle sich die Frage, inwieweit bei der praktizierten Verfahrensweise gewährleistet
gewesen sei, dass der Sachbearbeiter des Besoldungsreferates habe erkennen können, dass das Nachversicherungsreferat ausnahmsweise
keine Kopie des Schreibens, mit dem das Ausscheiden mitgeteilt worden sei, erhalten habe. Eine Absprache mit den personalverwaltenden
Stellen zum Verfahren habe anscheinend nicht existiert.
Das Sozialgericht München hat die Klage mit Urteil vom 25.01.2011 abgewiesen. Die Klage sei unbegründet. Der Erhebung des
Säumniszuschlags stünde weder §
24 Abs.
2 SGB IV entgegen noch sei der Anspruch verjährt, da die 30-jährige Verjährungsfrist (§
25 Abs.
1 S. 2
SGB IV) gelte. Es wird ausgeführt, dass der Kläger nicht habe glaubhaft machen können, dass er unverschuldet keine Kenntnis von
der Verpflichtung zur Zahlung der Nachversicherungsbeiträge gehabt hatte. Denn der Kläger müsse sich die beim Referat 51/2
hierzu vorliegende Kenntnis wegen eines Organisationsverschuldens zurechnen lassen. Ausreichende organisatorische Maßnahmen
zur Gewährleistung des notwendigen Informationsaustausches zwischen den Referaten 51/2 und 55 der Abteilung V/2 hätten nicht
bestanden und die Bezirksfinanzdirektion hätte nicht sichergestellt, dass ein Schreiben wie das des Justizministeriums vom
02.06.1999, dessen Erledigung mehreren Referaten oblag, bei Eingang sogleich an alle zuständigen Stellen weitergegeben wurde.
Der Kläger habe die Beiträge auch vorsätzlich verspätet gezahlt, so dass die 30-jährige Verjährungsfrist gelte. Der Kläger
hätte Kenntnis von der Beitragspflicht gehabt. Insofern müsse ihm - mangels ausreichender organisatorischer Maßnahmen zur
Sicherstellung des Informationsaustausches - das Wissen der Mitarbeiter des Besoldungsreferates 51/2 über das Ausscheiden
des Versicherten G. P. zugerechnet werden. Dieses Wissen indiziere den Vorsatz, da trotz Kenntnis keine Zahlung erfolgte.
Dagegen hat der Kläger am 19.04.2011 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Mit der Berufung greift der Kläger
nicht die Feststellungen des sozialgerichtlichen Urteils an, dass er ausreichende organisatorische Maßnahmen zur Sicherstellung
der Nachversicherung nicht ergriffen habe und dieser demzufolge keine unverschuldete Unkenntnis von der Verpflichtung zur
Zahlung der Nachversicherungsbeiträge im Sinne des §
24 Abs.
2 SGB IV gehabt habe. Angegriffen wurde aber die Schlussfolgerung, dass dies nicht die Feststellung zulasse, dass die Nachversicherungsbeiträge
zumindest bedingt vorsätzlich nicht gezahlt worden seien. Das Sozialgericht habe verkannt, dass zwischen den Voraussetzungen
der §
24 Abs.
2 SGB IV und §
25 Abs.
1 S. 2
SGB IV ein erheblicher Unterschied bestehe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.01.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27.08.2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts München für zutreffend und beruft sich auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts
vom 17.04.2008 (B 13 R 123/07 R).
Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Streitakten des Sozialgerichts
München (Az. S 17 R 5469/04 und S 56 R 1818/08 ZVW) sowie der Verfahrensakte des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung erweist sich als nicht begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.01.2011 hat mit völlig zutreffender Begründung festgestellt, dass der Bescheid
der Beklagten vom 27.08.2004, mit dem Säumniszuschläge in Höhe von 100.860,50 EUR festgesetzt wurden, rechtmäßig ist und den
Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Insbesondere liegen die Voraussetzungen für die Erhebung von Säumniszuschlägen vor
(siehe 1.). Der Anspruch auf Säumniszuschläge ist überdies nicht verjährt (siehe 2.).
1. Die Voraussetzungen, unter denen §
24 SGB IV die Erhebung von Säumniszuschlägen zwingend vorschreibt, liegen hier vor.
§
24 Abs.
1 SGB IV setzt voraus, dass Beiträge oder Beitragsvorschüsse nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages vom Zahlungspflichtigen, hier
dem Kläger (vgl. §
28e SGB IV) bezahlt wurden. Beiträge im Sinne der Vorschrift sind auch Nachversicherungsbeiträge gem. §§
8, 181ff.
SGB VI, die bis zum Fälligkeitstag (vgl. §
184 SGB VI) nicht gezahlt worden sind. Somit sind auch auf fällige, aber verspätet entrichtete Nachversicherungsbeiträge Säumniszuschläge
zu zahlen (vgl. BSG vom 12.02.2004, B 13 RJ 28/03 R).
Für den Versicherten G. P. waren vom Kläger Nachversicherungsbeiträge zu entrichten. Ein Nachversicherungsfall ist eingetreten.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung der Nachversicherung im streitigen Zeitraum sind erfüllt. Die Versicherungsfreiheit
des §
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI bezieht sich u.a. auf Beamte. Dies trifft auf den Versicherten G. P. zu. Er war Beamter des Freistaats Bayern in einem versicherungsfreien
Beschäftigungsverhältnis. Seine Versicherungsfreiheit entfiel mit dem unversorgten Ausscheiden aus dem versicherungsfreien
Beschäftigungsverhältnis. Der Nachversicherungsfall ist folglich mit Ablauf des 07.06.1999, also ab dem 08.06.1999 gegeben
(§
8 Abs.
2 SGB VI).
Diese Nachversicherungsbeiträge waren auch zur Zahlung fällig. Die Fälligkeit der Beiträge zur Nachversicherung richtet sich
gemäß §
23 Abs.
4 SGB IV nach §
184 Abs.
1 SGB VI. Danach werden die Beiträge gezahlt, wenn die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten und insbesondere keine
Gründe für den Aufschub der Beitragszahlung vorhanden sind. Dies war mit Wirkung vom 08.06.1999 der Fall, weil Herr G. P.
am 07.06.1999 aus dem Dienst ausgeschieden ist und Aufschubtatbestände im Sinne des §
184 Abs.
2 SGB VI nicht ersichtlich geworden sind.
An der Höhe der Nachversicherungsbeiträge sowie der Höhe der Säumniszuschläge bestehen keine Zweifel (§
24 Abs.
1 S. 1
SGB IV). Die Berechnung und die Höhe der geltend gemachten Säumniszuschläge sind zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
Der Kläger war somit seit dem 09.06.1999 mit den zu entrichtenden Nachversicherungsbeiträgen säumig (§
24 Abs.
1 S. 1
SGB IV). Er hatte somit seit Ablauf des 08.09.1999 bis zum Tag der Wertstellung am 09.07.2004 für jeden angefangenen Monat der Säumnis
den gesetzlichen Zuschlag zu entrichten (§§
24 Abs.
1 S. 1
SGB IV, 184 Abs. 1 S. 2
SGB VI). Die Beklagte hat überdies einen dreimonatigen Fälligkeitsaufschub zur Prüfung des Bestehens von Aufschubtatbeständen eingeräumt.
Säumniszuschläge in Nachversicherungsfällen sind auch von Körperschaften des öffentlichen Rechts zu entrichten (vgl. BSG vom 12.02.2004, BSGE 92, 150 und BSG vom 17.04.2008 - B 13 R 123/07 R, [...]).
Der Erhebung der Säumniszuschläge steht auch §
24 Abs.
2 SGB IV nicht entgegen. Hiernach ist für eine Beitragsforderung, die durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt
wird, ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet
keine Kenntnis von der Zahlungsverpflichtung hatte.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 17.04.2008, B 13 R 123/07 R, [...]) kann eine Körperschaft des öffentlichen Rechts genauso wenig selbst "Kenntnis" bestimmter Umstände haben, wie eine
juristische Person des Privatrechts. Stellte man vorliegend auf die Kenntnis des zuständigen Amtswalters ab, so wäre dies
zu verneinen. Die für die Nachversicherung zuständigen Bediensteten des Klägers im Referat 55 der Bezirksfinanzdirektion hatten
vom Nachversicherungsfall keine Kenntnis.
Daneben ist gemäß der o. g. Rechtsprechung jedoch der Grundsatz zu beachten, dass jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation
sicherzustellen hat, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern
zur Kenntnis genommen werden können. Sie muss es deshalb so einrichten, dass ihre Repräsentanten, die dazu berufen sind, im
Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen, die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich
an die entscheidenden Personen weiterleiten. Hieraus folgt die Notwendigkeit eines internen Informationsaustausches. Dazu
kann ein Informationsfluss von unten nach oben, aber auch ein horizontaler Austausch erforderlich sein. Die Notwendigkeit
eines Informationsaustausches bedingt entsprechende organisatorische Maßnahmen. Jedenfalls dann, wenn es an derartigen organisatorischen
Maßnahmen fehlt, muss sich die Organisation das Wissen einzelner Mitarbeiter - auf welcher Ebene auch immer diese angesiedelt
sind - zurechnen lassen.
Die geschilderten Grundsätze bewirken in Ansehung der Schreibens des Justizministeriums vom 02.06.1999 und 09.06.1999 eine
Kenntniszurechnung innerhalb der Bezirksfinanzdirektion (hier der - jedenfalls aktenmäßigen - Kenntnis des Referats 51/2 über
die noch durchzuführende Nachversicherung), weil ausreichende organisatorische Maßnahmen zur Gewährleistung des notwendigen
Informationsaustausches nicht bestanden (vgl. BSG vom 17.04.2008, B 13 R 123/07 R). Somit muss sich die Beklagte die dokumentierte Kenntnis der Mitarbeiter des Referats 51/2 der Bezirksfinanzdirektion
zurechnen lassen (vgl. BSG vom 01.07.2010 - B 13 R 67/09 R; BSG vom 17.04.2008, B 13 R 123/07 R).
Zum einen bestanden keine besonderen organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung des notwendigen Informationsaustausches
und Informationsflusses zwischen den Referaten 51/2 und 55 der Abteilung V/2. Eine Dienstanweisung für das Aufgabengebiet
Nachversicherung existierte nicht. Der "Leitfaden zur Nachversicherung" vom 19.07.1999 enthielt keine Anweisung an die Mitarbeiter
des Besoldungsreferates 51/2 über die Weiterleitung eingehender Mitteilungsschreiben über das Ausscheiden von Bediensteten
an das Nachversicherungsreferat 55. Ausweislich des Vorworts richtete er sich nur an die Sachbearbeiter des Gebietes Nachversicherung,
also die Mitarbeiter des Referats 55. Mitarbeiter anderer Referate, wie zum Beispiel des Besoldungsreferates 51/2, waren nicht
Adressaten dieses Leitfadens. Nach dem Inhaltsverzeichnis waren Gegenstand des Leitfadens auch nur rechtliche Hinweise und
Rechtsprechung zur Nachversicherung, jedoch keine Verfahrensanweisungen.
Auch in der für die gesamte Bezirksfinanzdirektion geltenden Regelung unter Ziffer 8.6. der Ergänzenden Bestimmungen für die
Bezirksfinanzdirektion München zur Geschäftsordnung für die Bezirksfinanzdirektionen des Freistaates Bayern (i. f. Ergänzenden
Bestimmungen) ist keine ausreichende organisatorische Maßnahme zu sehen. Dies ergibt sich daraus, dass die Regelung gerade
nicht den Fall einer nur teilweisen Zuständigkeit im Sinne einer weiteren Zuständigkeit eines anderen Referates erfasst, also
einer Konstellation, in der ein Schreiben, dessen Erledigung mehreren Referaten oblag, nur einem dieser Referate zuging. Vielmehr
wird von der Regelung nur der Fall der Unzuständigkeit, nicht jedoch derjenige der Teilzuständigkeit des Empfänger des Schreibens
umfasst. Vorliegend war das Referat 51/2 jedoch nicht unzuständig. Den Besoldungssacharbeitern oblag die Bearbeitung des Schreibens
durch Einstellung der Bezüge und Geltendmachung eventueller Rückforderungsansprüche. Das Referat 51/2 war lediglich hinsichtlich
der im Schreiben ebenfalls erwähnten Nachversicherung unzuständig.
Überdies schließt sich der Senat dem Erstgericht darin an, dass Ziff. 8.6 der Ergänzenden Bestimmungen, selbst wenn der Fall
der Teilzuständigkeit erfasst wäre, keine ausreichende Vorkehrung darstellte. Denn sie würde den Anforderungen, die an die
zu treffenden Vorkehrungen im vorliegenden Fall zu stellen sind, nicht gerecht werden.
Für die Anforderungen, die an die zu treffenden Vorkehrungen zu stellen sind, und den Grad der erforderlichen Bestimmtheit
ist weiter zu berücksichtigen, dass im Fall des Ausscheidens von Bediensteten, für die die Nachversicherung der Bezirksfinanzdirektion
München oblag, zwei Referate für die Bearbeitung der mit dem Ausscheiden zusammenhängenden Aufgaben (Nachversicherung und
Einstellung der Bezüge) zuständig waren, wodurch offenkundig eine potentielle Fehlerquelle entstand. Es war bekannt, dass
seitens einiger personalverwaltender Stellen, wie dem Justizministerium zwei unterschiedliche Verfahrensweisen gehandhabt
wurden: Entweder das Besoldungsreferat 51/2 und das Nachversicherungsreferat 55 wurden beide durch die personalverwaltende
Stelle über das Ausscheiden informiert, indem das Nachversicherungsreferat einen Abdruck des an das Besoldungsreferat gerichteten
Schreibens, mit dem das Ausscheiden mitgeteilt wurde, erhielt. Oder - wie im vorliegenden Fall - die personalverwaltende Stelle
informierte lediglich das Besoldungsreferat 51/2 mit der Bitte, die Nachversicherung zu veranlassen, also das Schreiben an
das Nachversicherungsreferat 55 weiterzuleiten. Uneinheitliche Handhabungen sind aber stets risikobehaftet. Unregelmäßige
Arbeitsabläufe werden erfahrungsgemäß nicht so konsequent eingehalten wie standardisierte Arbeitsabläufe. Wenn - wie im vorliegenden
Fall geschehen - die Sachbearbeitung in eigener Sache vordringlich behandelt wird, besteht nach allgemeiner Lebenserfahrung
die Gefahr, dass selten vorkommende Randbereiche der Bearbeitung (Benachrichtung des Ref. 55), aus dem Blickfeld geraten,
wenn nicht besondere Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden. Wegen dieser offenkundigen potentiellen Fehlerquelle war die Bezirksfinanzdirektion
München in besonderem Maße gefordert, diese durch konkret auf sie bezogene Maßnahmen auszuschalten und die Weiterleitung der
entsprechenden Schreiben sicherzustellen bzw. Kontrollmechanismen zu schaffen.
Der Kläger kann hier auch nicht erfolgreich einwenden, dass weiterreichende organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen
von ihm nicht hätten verlangt werden können, weil es vermeintlich unmöglich sei, Anweisungen für alle denkbaren Einzelfälle
zu erteilen. Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass die Anforderungen, die an organisatorische Vorkehrungen zu stellen sind,
sich im Rahmen des Realisierbaren halten müssen. Demnach müssen sich Arbeitsanweisungen und Handlungsleitfäden auch nicht
mit rein hypothetischen Fallgestaltungen auseinandersetzen. Bei der hier maßgeblichen Fallgestaltung handelt es sich jedoch
nicht um eine hypothetische Situation. Vielmehr war es Tatsache, dass bei einigen personalverwaltenden Stellen zwei verschiedene
Vorgehensweisen praktiziert wurden, um die Einstellung der Bezüge und die Nachversicherung zu veranlassen. Hierin lag erkennbar
eine potentielle Fehlerquelle.
Dem Argument, Anlass zu weiteren Maßnahmen habe nicht bestanden, da sich ein Vorgesetzter bzw. eine Behördenleitung mangels
anderer Anhaltspunkte darauf verlassen könne, dass gegebene Dienstanweisungen befolgt werden, ist mit dem Sozialgericht keine
andere Beurteilung beizumessen. Abzustellen ist alleine darauf, dass konkret im Verfahrensablauf eine potentielle Fehlerquelle
bestand. Dass sich diese zur Kenntnis der Vorgesetzten realisiert, ist keine Voraussetzung für das Erfordernis weiterer organisatorischer
Maßnahmen. Denn der Kläger hatte von vorneherein den erforderlichen Informationsaustausch sicherzustellen. Es musste gewährleistet
sein, dass dieser bei der gegebenen Sachlage immer funktioniert. Eine Konkretisierung des bestehenden Risikos musste gerade
nicht erst eintreten.
Auch der Umstand, dass es sich bei der Regelung unter Ziffer 8.6 der "Ergänzenden Bestimmungen" um eine Dienstanweisung handelt
und deren Nichtbeachtung ein Dienstvergehen darstellt, macht weitere organisatorische Maßnahmen nicht entbehrlich. Durch die
geforderten organisatorischen Maßnahmen soll im Vorfeld die sachgerechte Bearbeitung sichergestellt werden. Die nachträglichen
Konsequenzen eines Dienstvergehens helfen in dieser Hinsicht nicht weiter.
Als unbehelflich erscheint auch das Argument, weitere organisatorische Maßnahmen seien deshalb nicht erforderlich, da es sich
bei der Weiterleitung einer Kopie bzw. eines Abdrucks des Schreibens, mit dem das Ausscheiden eines Mitarbeiters mitgeteilt
worden sei, der Sache nach um eine Selbstverständlichkeit und um einen einfachen Vorgang handele. Auch in einem solchen Fall
ist jedoch die Bedeutung zu berücksichtigen, die hinter dieser "einfachen Weiterleitung" steht. Durch diese soll die Nachversicherung
eines ausgeschiedenen Mitarbeiters sichergestellt werden, für deren unverzügliche Durchführung den Kläger eine besondere Fürsorgeverpflichtung
traf (vgl. BSG vom 17.04.2008, B 13 R 123/07 R, Rn. 34).
Das Sozialgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass auch organisatorische Vorkehrungen denkbar sind, die sich einfach
umsetzen lassen und nicht mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden sind. Es ist richtig, dass bei der Menge der täglich eingehenden
Post es nicht zumutbar ist, die Mitarbeiter der Poststelle dazu anzuhalten, die Schriftstücke darauf zu kontrollieren, ob
neben der angegebenen Organisationseinheit noch eine weitere für die Erledigung des Schreibens zuständig ist und bejahendenfalls
eine Kopie des Schriftstückes anzufertigen und weiterzuleiten. Die Bezirksfinanzdirektion München hätte jedoch eine generelle
Absprache mit den personalverwaltenden Stellen treffen können, dass auf jeden Fall sowohl das Nachversicherungsreferat als
auch das Besoldungsreferat von dem Ausscheiden eines Bediensteten zu informieren sind. Weiter hätte innerhalb der Bezirksfinanzdirektion
die Möglichkeit bestanden, im Besoldungsreferat 51/2 eine Abschlussverfügung vorzugeben, die die Benachrichtigung des Nachversicherungsreferates
umfasst. Diese hätte auch ohne weiteres im Vier-Augen-Prinzip unterzeichnet werden können. Ebenso hätte standardmäßig im Referat
51/2 eine Wiedervorlage vorgesehen werden können, nach der durch das Besoldungsreferat zu prüfen war, ob die Nachversicherung
durch Information des Nachversicherungsreferates 55 veranlasst hätte werden müssen und veranlasst worden war. Im Rahmen einer
nachträglichen Kontrolle hätte das Nachversicherungsreferat monatlich mit dem Besoldungsreferat oder mit den personalverwaltenden
Stellen abgleichen können, welche Bediensteten als ausgeschieden gemeldet worden waren, um festzustellen, ob für diese die
Nachversicherung veranlasst worden war.
Unter Berücksichtigung aller Umstände hatte der Kläger somit keine unverschuldete Unkenntnis von der Verpflichtung zur Zahlung
der Nachversicherungsbeiträge im Sinne des §
24 Abs.
2 SGB IV. Eine Exkulpation nach dieser Vorschrift ist somit nicht möglich.
2. Der Anspruch ist auch durchsetzbar. Der Kläger kann nicht erfolgreich die Einrede der Verjährung erheben.
Gemäß §
25 Abs.
1 Satz 1
SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Dies gilt
auch für die auf die Nachversicherungsbeiträge entfallenden Nebenforderungen und somit auch die Säumniszuschläge. Nach §
25 Abs.
1 Satz 2
SGB IV verjähren jedoch Ansprüche auf vorsätzlich enthaltene Beiträge sowie Nebenleistungen in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres,
in dem sie fällig geworden sind. Der Begriff "vorsätzlich" schließt den bedingten Vorsatz ein (BSG vom 30.03.2000, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7 S. 35 m. w. N.).
Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 17.04.2008 (a. a. O.) zu der Frage, ob der Kläger die Nachversicherungsbeiträge
in diesem Sinne vorsätzlich vorenthalten hat, den Grundsatz aufgestellt, dass dies im Ergebnis nicht anders zu beurteilen
ist, wie die Frage, ob er i.S.d. §
24 Abs.
2 SGB IV von seiner Zahlungspflicht Kenntnis hatte.
Ist - wie im Idealfall, von dem §
25 SGB IV ausgeht - eine natürliche Person Beitragsschuldner, genügt im Regelfall die Kenntnis von der Beitragspflicht und der Nichtzahlung
(trotz Fälligkeit), um zumindest bedingten Vorsatz des Beitragsschuldners anzunehmen. Jedenfalls dann, wenn feststeht, dass
der Schuldner zu irgendeinem Zeitpunkt - innerhalb der kurzen Verjährungsfrist - Kenntnis von der Beitragspflicht hatte und
die Zahlung nicht sichergestellt hat, obwohl er hierzu in der Lage war, indiziert dies den i.S.d. §
25 Abs.
1 Satz 2
SGB IV erforderlichen Vorsatz. Aus einem aktiven Handeln im Bewusstsein, so vorzugehen, folgt aber in aller Regel auch das entsprechende
Wollen. Bösgläubigkeit ist in diesem Fall dem vorsätzlichen Vorenthalten der Beiträge gleichzusetzen. Dann bleibt dem Schuldner
nur, besondere, im Einzelnen zu prüfende Umstände vorzutragen, die diesen Vorwurf aus seiner Sicht entkräften und ein ähnliches
Gewicht haben wie eine Zahlungsunfähigkeit oder ein nicht zuzurechnendes Verschulden Dritter. Andernfalls liefe die Verlängerung
der Verjährung in §
25 Abs.
1 Satz 2
SGB IV auch bei bedingtem Vorsatz weitgehend ins Leere. Denn dann könnte sich ein Schuldner nach Ablauf von vier Jahren seiner Zahlungspflicht
stets mit der Behauptung entziehen, er habe zwar zunächst von seiner Zahlungspflicht gewusst, die geplante Zahlung sei jedoch
unterblieben, weil er die Unterlagen verlegt und dann den Vorgang vergessen habe.
Für den bedingten Vorsatz reicht aus, dass der Beitragsschuldner seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung
der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (BSG SozR 3-2400 § 25 Nr. 7 S. 35). Ferner reicht aus, wenn ein anfänglich gutgläubiger Beitragsschuldner vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist
bösgläubig geworden ist (BSG aaO S. 34).
Auf dieser Grundlage aber muss es für die Annahme eines vorsätzlichen Vorenthaltens iS des §
25 Abs
1 Satz 2
SGB IV auch bei einer juristischen Person oder aber einer Körperschaft öffentlichen Rechts ausreichen, dass dieser die Kenntnis
von der Beitragspflicht zugerechnet wird. Denn ebenso wie bei der Frage, ob §
24 SGB IV auf Körperschaften öffentlichen Rechts als Nachversicherungsschuldner anzuwenden ist, besteht auch im Rahmen des §
25 SGB IV kein Grund zu ihrer Bevorzugung.
Im Gegenteil obliegt dem früheren Dienstherrn des nachzuversichernden Beamten diesem gegenüber eine nachwirkende Fürsorgepflicht
(vgl zB § 48 Satz 1 Beamtenrechtsrahmengesetz) , die Nachversicherung nicht nur überhaupt, sondern auch unverzüglich durchzuführen. Denn der Betroffene bedarf bereits
unmittelbar nach dem Ausscheiden einer tragfähigen Absicherung gegen die Risiken einer Erwerbsminderung oder des Todes (insoweit
für die Hinterbliebenen). Auch der Realisierung dieser Verpflichtung dient ihre möglichst effektive Bewehrung mit Säumniszuschlägen.
Wenn daher dem Kläger die Kenntnis von der Beitrags-(Nachentrichtungs-)pflicht zuzurechnen ist, was bereits im Zusammenhang
mit der Frage der unverschuldeten Unkenntnis i. S. des §
24 Abs.
2 SGB IV erläutert wurde, folgt hieraus auch (für den Regelfall), dass i. S. des §
25 Abs.
1 Satz 2
SGB IV die verlängerte Verjährungsfrist eingreift (zum Ganzen: vgl. BSG vom 17.04.2008, B 13 R 123/07 R, Rn. 28 ff., [...]). Der Senat schließt sich dem an.
Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabs ist das Sozialgericht München zutreffend davon ausgegangen, dass vorliegend die
30-jährige Verjährungsfrist eingreift. Denn der Kläger hatte Kenntnis von der Beitragspflicht. Insofern wird ihm - mangels
ausreichender organisatorischer Maßnahmen zur Sicherstellung des Informationsaustausches - das Wissen der Mitarbeiter des
Besoldungsreferates 51/2 über das Ausscheiden des Versicherten G. P. zugerechnet. Dieses Wissen indiziert den Vorsatz, da
trotz Kenntnis keine Zahlung erfolgte. Diese Indizwirkung ist auch nicht durch vom Regelfall abweichende Umstände entkräftet.
Der Kläger hat keine Umstände vorgetragen, die den Vorwurf der vorsätzlichen Nichtleistung entkräften und ähnliches Gewicht
haben wie Zahlungsunfähigkeit oder nicht zuzurechnendes Verschulden Dritter. Der Kläger hat somit vorliegend die Beiträge
vorsätzlich verspätet gezahlt, so dass die 30jährige Verjährungsfrist zur Anwendung kommt, die nicht verstrichen ist.
Damit erweist sich der Bescheid vom 27.08.2004 als rechtmäßig. Aus diesen Gründen konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg
haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 SGG, da die Beteiligten nicht zu den in §
183 SGG genannten Personen gehören. Sie stützt sich auf den Umstand des klägerischen Unterliegens.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht erkennbar.
Der Streitwert ist auf EUR 100.860,50 festzusetzen.