Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung für den Zeitraum 1. Juni 2007 bis 31. August 2008
sowie für die Zeit über den 31. Mai 2012 hinaus auf Dauer.
Die 1959 geborene Klägerin hat von September 1975 bis August 1976 den Beruf der städtischen Hauswirtschafterin erlernt. Von
Oktober 1976 bis März 1980 hat sie eine Fachschulausbildung zur ländlichen Hauswirtschafterin, von März 2003 bis April 2004
eine Ausbildung zur Agrarbürofachfrau erfolgreich absolviert. In den erlernten Berufen war die Klägerin jedoch nie tätig.
Seit 1976 hat sie ihre schwerkranke Mutter bis zu deren Tod im Mai 2002 sowie bis Juli 2004 den Vater gepflegt. Zuletzt war
die Klägerin von Juni 2002 bis November 2004 als Gartenbauhelferin versicherungspflichtig auf 400 EUR - Basis beschäftigt.
Die Klägerin begehrte mit Antrag vom 16. September 2004 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie mit Antrag vom 12.
November 2004 Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Die Beklagte holte ein psychiatrisches Gutachten von Fr. Dr.
W. vom 17. Januar 2005 ein. Diese stellte bei der Klägerin eine mittelgradige depressive Episode, eine Agoraphobie, einen
medikamentös behandelten hohen Blutdruck sowie leichte neurologische Auffälligkeiten mit möglichem Hinweis auf eine frühkindliche
Hirnschädigung fest. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes
sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme sei indiziert.
Die Beklagte bewilligte daraufhin der Klägerin eine stationäre Maßnahme der medizinischen Rehabilitation, die vom 15. März
2005 bis 19. April 2005 in der Klinik M., Bad S., durchgeführt wurde. Hier wurden eine mittelgradige depressive Episode, arterielle
Hypertonie, ein chronisch rezidivierendes LWS- Syndrom, ein Verdacht auf ein Zervicobrachialsyndrom beidseits sowie eine Hyperlipidämie
gemischt festgestellt. Die Klägerin sei als Gartenbauhelferin sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch unter drei Stunden
täglich leistungsfähig. Aufgrund der weiter bestehenden depressiven Symptomatik und der bestehenden Persönlichkeitsstörung
habe die Klägerin die belastenden äußeren Lebensereignisse (aktuelle Konflikte mit der Herkunftsfamilie nach dem Tod des Vaters)
innerhalb der letzten zwei Jahre nicht ausreichend verarbeiten können. Das Denken der Klägerin sei weitgehend auf die Klärung
der familiären Konflikte eingeengt. Dadurch besitze die Klägerin nicht die ausreichende Fähigkeit, sich auf eine Tätigkeit
zu konzentrieren. Die Beklagte gewährte daraufhin der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. Mai 2005
bis 31. Mai 2007.
Auf den Weitergewährungsantrag der Klägerin vom 24. November 2006 hin holte die Beklagte erneut ein psychiatrisches Gutachten
von Fr. Dr. W. vom 26. März 2007 ein. Die Sachverständige diagnostizierte bei der Klägerin eine mittelgradige depressive Episode,
eine Minderbelastbarkeit der Lendenwirbelsäule mit wiederkehrendem Schmerzsyndrom bei vorgeschriebenem Lendenwirbelsäulenbandscheibenverschleiß,
zum Untersuchungszeitpunkt mit leichtgradiger Bewegungseinschränkung und ohne neurologische Funktionsbeeinträchtigungen, einen
medikamentös behandelten hohen Blutdruck, wiederkehrende Nackenschmerzen, zum Untersuchungszeitpunkt ohne wesentliche Beweglichkeitseinschränkung
und ohne neurologische Funktionsbeeinträchtigungen sowie Übergewicht. Der Allgemeinzustand der Klägerin sei gut. Die Beweglichkeit
der Wirbelsäule sei nur leichtgradig eingeschränkt. Hinweise für Nervenwurzelausfälle lägen nicht vor. Im neurologischen Befund
lägen Zeichen einer erhöhten vegetativen Erregbarkeit vor, jedoch ohne funktionell relevante Auffälligkeiten. Die Stimmungslage
sei wechselhaft gewesen, die emotionale Schwingungsbreite nur etwas eingeengt, die kognitiven Funktionen leicht beeinträchtigt.
Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien der Klägerin damit noch leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr mit bestimmten qualitativen
Einschränkungen möglich.
Die Beklagte lehnte daraufhin mit angefochtenem Bescheid vom 12. April 2007 den Weitergewährungsanspruch ab. Zur Begründung
des hiergegen erhobenen Widerspruchs legte die Klägerin ein Attest der behandelnden Neurologin und Psychiaterin Dr. D. vor.
Hierin wird auf eine mittelgradige depressive Störung sowie eine posttraumatische Belastungsreaktion verwiesen. Die Klägerin
befinde sich in ständiger nervenärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung. Eine berufliche Tätigkeit sei in Anbetracht
des psychischen Befindens der Klägerin ausgeschlossen.
Die Beklagte holte einen weiteren Befundbericht von Dr. D. vom 29. Mai 2007 ein, in dem auf eine fehlende Belastbarkeit, eine
extreme Affektlabilität, Antriebslosigkeit sowie Ohnmachtsgefühle verwiesen wird. In einem darüberhinaus beigezogenen Befundbericht
des Internisten Dr. C. wird von einer posttraumatischen Belastungsreaktion gesprochen. Durch eine depressive Symptomatik im
Rahmen der posttraumatischen Belastung (sexueller Missbrauch als Kind) sei die Klägerin im täglichen und sozialen Leben erheblich
eingeschränkt. Nach Einholung einer Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der Beklagten wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 7. September 2007 den Widerspruch zurück.
Mit der hiergegen zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung wurde auf wiederkehrende Müdigkeit, Schlafstörungen,
körperliche Beschwerden und wechselnde Stimmungslagen bei Affektlabilität verwiesen. Auf die Befundberichte von Dr. D. wird
Bezug genommen. Die innerfamiliären Probleme, wie etwa ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über 110.000 EUR, bestünden
weiterhin. Hierdurch würde die Klägerin sehr stark belastet.
Das SG hat Befundberichte des Internisten Dr. C., der Neurologin und Psychiaterin Dr. D., des Klinikums M. beigezogen sowie gemäß
§
106 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - ein nervenärztliches Gutachten von Dr. R. vom 16. Juni 2008 eingeholt. Dieser stellte bei der Klägerin folgende Diagnosen:
1. HWS-/LWS-Beschwerden ohne Funktionsbeeinträchtigungen und neurologische Symptomatik
2. langanhaltende depressive Verstimmung seit Mitte Februar 2008
3. Zustand nach Operation eines gutartigen Leber-Tumors Februar 2008
4. Essenzielle arterielle Hypertonie.
Die Klägerin sei in der Lage gewesen, von Juni 2007 bis 13. Februar 2008 leichte bis etwa 20 % mittelschwere Tätigkeiten des
allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Für die Zeit ab 14. Februar 2008 bis 31. März 2009
sei die Leistungsfähigkeit für jede Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes aber unter drei Stunden täglich gesunken. Eine
Ursache der depressiven Entwicklung der Klägerin sei der sexuelle Missbrauch durch den Vater im Alter von sechs Jahren. Auch
sei die Klägerin von der langen Pflege der an Schizophrenie erkrankten Mutter geprägt. Die Depression werde auch durch die
problematische Erbauseinandersetzung in der Familie und den Verlust an familiärem Rückhalt unterhalten. Zunächst sei jedoch
die Depression gut psychotherapeutisch und medikamentös behandelt worden, so dass allenfalls mittelgradige depressive Episoden
aufgetreten seien. Die Klägerin sei dann jedoch am 14. Februar 2008 an einem gutartigen Lebertumor operiert worden. Im Gefolge
der Operation sei eine weitere psychiatrische Medikation nicht mehr möglich gewesen. Infolgedessen habe sich das depressive
Zustandsbild verschlechtert. Die Klägerin leide nun unter einer schweren depressiven Symptomatik, die erst besser werde, wenn
wieder mit der psychiatrischen Medikation begonnen werden könne.
Die Beklagte erkannte mit Schriftsatz vom 1. Juli 2007 daraufhin an, dass bei der Klägerin im Zeitraum Februar 2008 bis März
2009 verminderte Erwerbsfähigkeit vorliege. Rente wegen voller Erwerbsminderung werde daher dem Grunde nach von September
2008 bis einschließlich März 2009 gewährt.
Dieses Angebot der Beklagten wurde von der Klägerin nicht angenommen. Die Einholung eines orthopädischen, eines schmerztherapeutischen
sowie eines psychosomatischen Gutachtens wurde beantragt. Dr. R. habe einen weiteren Schwerpunkt der Erkrankungen der Klägerin
im orthopädischen Bereich gesehen. Auch der Reha-Entlassungsbericht gehe von erheblichen Belastungen und Erkrankungen im orthopädischen
Fachbereich aus. Auch weise das Gutachten von Dr. R. Mängel auf. Der körperliche Missbrauch der Klägerin durch den Vater werde
nicht angesprochen. Die Selbstmordgedanken der Klägerin aufgrund des sexuellen Missbrauchs würden nicht erwähnt. Eine von
der Bundesagentur für Arbeit angebotene Maßnahme zur Eignungsfeststellung vom 25. September 2007 bis 26. Oktober 2007 sei
von der Klägerin eine Woche lang durchgehalten worden. Dann sei die Klägerin arbeitsunfähig geworden. Außerdem liege bei der
Klägerin eine Hyperplasie ersten Grades vor. Ein entsprechender Eingriff habe im Klinikum I. vorgenommen werden müssen. Hierbei
sei auch eine Angststörung festgestellt worden. Befundberichte des Klinikums I. sowie einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
für den Zeitraum 4. Oktober bis 26. Oktober 2007 wurden vorgelegt. Die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme von Dr. R.
wurde beantragt, vorsorglich Professor Dr. W. als Gutachter gemäß §
109 SGG benannt.
Das SG hat daraufhin eine ergänzende Stellungnahme von Dr. R. vom 12. März 2009 eingeholt, der jedoch an seiner gutachterlichen
Einschätzung vom 16. Juni 2008 festhielt.
Mit Urteil vom 29 Mai 2009 hat das SG daraufhin nach mündlicher Verhandlung die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12. April 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 7. September 2007 entsprechend ihrem Anerkenntnis vom 1. Juli 2008 verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung
befristet ab 1. September 2008 bis 31. März 2009 zu gewähren. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung wurde
auf das Gutachten von Dr. R. verwiesen.
Mit der hiergegen zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Der Klägerin sei vom 1. Juni 2007 bis 31. August 2008 und ab 1. April 2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise
teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren. Die Klägerin sei ausweislich einer Bescheinigung von Dr. D. vom 13. August 2007 vom
1. Juni bis 5. Oktober 2007 ununterbrochen krankgeschrieben gewesen. Auch habe Dr. C. in seinem Bericht vom 19. Dezember 2007
erklärt, dass für die Zeit von Juni 2007 bis einschließlich Januar 2008 Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe. Er habe bestätigt,
dass die psychische Labilität seit etwa Mitte des Jahres zugenommen habe. Auch sei dem Antrag nach §
109 SGG nicht stattgegeben worden. Dr. R. habe keine nachvollziehbaren Aussagen gemacht, warum die Krankschreibung und die Ausführungen
der behandelnden Psychologin und des Allgemeinarztes nicht das Erwerbsunfähigkeitsbild der Klägerin widerspiegeln sollen.
Mit Bescheid vom 21. September 2009 gewährte die Beklagte der Klägerin auf der Grundlage eines zwischenzeitlich von ihr eingeholten
neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. W. vom 31.08.2009, in welchem ebenfalls ein unter dreistündiges Leistungsvermögen
der Klägerin angenommen, allerdings noch eine Besserungsaussicht gesehen wird, Rente wegen voller Erwerbsminderung bis einschließlich
31. März 2011.
Der Senat hat Befundberichte des Frauenarztes Dr. E., der Neurologin und Psychiaterin Dr. D. und des Orthopäden Dr. W. beigezogen
sowie eine Arbeitgeberauskunft der Firma H. eingeholt. Er hat gemäß §
106 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens von Dr. I. vom 11. Februar 2010. Diese stellte bei der Klägerin
folgende Diagnosen fest:
1. anhaltende schwere depressive Episode und schwere gemischte Angststörung bei selbstunsicher-abhängiger Persönlichkeitsstörung
und intellektueller Grenzbegabung
2. HWS-LWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen untere Lendenwirbelsäule und lumbosacrale Übergangsstörung
3. Bluthochdruck.
Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Klägerin seit Februar 2008 auf Dauer nicht mehr in der Lage sei, geregelte Tätigkeiten
des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. Ob die Klägerin auch von Juni 2007 bis Januar 2008 nicht mehr 6 Stunden täglich
Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten konnte, lasse sich nicht mit überwiegender oder gar an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit feststellen.
Die Beklagte hat sich daraufhin, nach Einholung einer ärztlichen Stellungnahme, mit Schriftsatz vom 20. Mai 2010 bereit erklärt,
die Rente bis 31. Mai 2012 weiter zu gewähren. Da die therapeutischen Maßnahmen noch nicht ausgeschöpft seien, komme die Gewährung
einer Dauerrente jedoch nicht in Betracht. Von Seiten der Klägerin wurde vorgetragen, es verbleibe bei dem bisherigen Berufungsbegehren.
Dem Gutachten könne nicht entnommen werden, dass sich die Gutachterin tatsächlich mit dem streitgegenständlichen Zeitraum
in der Vergangenheit auseinandergesetzt habe. Dies gelte insbesondere, da Arztberichte über diesen Zeitraum vorliegen, die
augenscheinlich nicht beachtet worden seien.
Die Klägerseite hat eine vergleichsweise Regelung vorgeschlagen, wonach diese auf Rentenansprüche in der Zeit vom Juni 2007
bis Ende August 2008 verzichte, wenn ihr dafür eine unbefristete Rente ab 1. April 2009 gewährt werde.
Die Beklagte hat dann angeführt, dass die Rente wegen Erwerbsminderung grundsätzlich auf Zeit zu bewilligen sei, da nach Auffassung
ihres Sozialmedizinischen Dienstes eine Besserung des Leistungsvermögens bei entsprechende Therapie nicht ausgeschlossen sei.
Die Klägerbevollmächtigte weist auf das Gutachten der Gerichtssachverständigen Fr. Dr. I. hin, wonach diese in ihrem Gutachten
von einem Dauerzustands ausgehe und zusammenfassend ausführe, dass die Klägerin auf Dauer für die Tätigkeiten des allgemeinen
Arbeitsmarktes nicht mehr belastbar sei, ohne die verbliebene Restgesundheit erheblich zu gefährden. Die bereits mehrfach
durchgeführte konsequente Therapie bei mehreren Therapeuten habe über Jahre hinweg nicht zu einer anhaltenden Besserung führen
können. Des Weiteren seien körperliche Einschränkungen, wie Bluthochdruck und orthopädische Beschwerden, vorhanden, die ebenfalls
zu beachten seien. Die Klägerin sei nicht in der Lage, einen regelmäßigen Arbeitsablauf und eine Tagesstruktur durchzuhalten.
Eine Befristung sei deshalb nicht möglich.
Die Beklagte erweiterte mit Schreiben vom 16. September 2010, eingegangen am 20. September 2010, ihr bisheriges Angebot. Sie
ist nun bereit, eine Zeitrente bis zum 30. September 2013 zu gewähren.
Die Bevollmächtigte der Klägerin nahm in der mündlichen Verhandlung am 7. Oktober 2010 das Teilanerkenntnis der Beklagten
vom 20. Mai 2010 an und lehnte das Vergleichsangebot der Beklagten vom 16. September 2010 ab. Die Berufung wurde im Übrigen
aufrecht erhalten.
Die Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 29. Mai 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 12. April 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 7. September 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. September 2009 dahingehend abzuändern,
dass die Beklagte verurteilt wird, der Klägerin vom 1. Juni 2007 bis 31. August 2008 sowie über das Teilanerkenntnis bis 31.
Mai 2012 hinaus unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Der Klägerin steht, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem SG und dem LSG, eine Rente wegen Erwerbsminderung auf Dauer ab März 2008 zu. Für den Zeitraum 1. Juni 2007 bis 28. Februar 2008
besteht hingegen kein Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung oder Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
bei Berufsunfähigkeit. Die Berufung war insoweit zurückzuweisen.
Streitgegenstand sind der Bescheid der Beklagten vom 12. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. September
2007 sowie gem. §
96 SGG der Bescheid der Beklagten vom 21. September 2009.
Gem. §
43 Abs.
1,
2 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung,
wenn sie
1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung
oder Tätigkeit haben
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer
Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig
zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. §
43 Abs.
3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein
kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen Dr. R. und Dr. I. war die Klägerin nach Ablauf der Zeitrente zum
31. Mai 2007 bis 13. Februar 2008 wieder in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich leichte und in geringem Umfang auch
mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Im Vordergrund stehen bei der Klägerin die Gesundheitsstörungen
auf nervenärztlichem Fachgebiet und hierbei insbesondere die depressive Erkrankung der Klägerin. Dr. R. hat für den Senat
nachvollziehbar ausgeführt, dass die Auswirkungen der depressiven Störung ab 1. Juli 2007 bis zur Leberoperation am 14. Februar
2008 nicht so gravierend waren, als dass der Klägerin nicht mehr sechs Stunden täglich leichte bis gelegentlich mittelschwere
Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar gewesen wären. Die Depression wurde damals sowohl psychotherapeutisch als
auch medikamentös mit Citalopram und Mirtazapin gut behandelt.
Die Klägerin berichtete gegenüber Dr. R., dass es mit dieser Medikation "einigermaßen geklappt" habe. Erscheinungen wie Magenkrämpfe,
Blähungen und Durchfall, die bei der Klägerin bei Aufregung auftreten, sind nach deren Angaben gegenüber Dr. R. unter dieser
Medikation ebenfalls besser gewesen. Auch gegenüber der ärztlichen Sachverständigen der Beklagten, Dr. W., hat die Klägerin
bei ihrer Untersuchung im März 2007 von den positiven Auswirkungen ihrer antidepressiven Medikation berichtet. Sie sei ruhiger
und könne besser schlafen. Auch erklärte sie, von der Psychotherapie gut profitiert zu haben. Die Lebensfreude sei seit dem
Bekanntwerden ihres sexuellen Missbrauchs besser. Sie habe neue Lebensziele. Dementsprechend konnte Dr. W. auch in psychischer
Hinsicht keinen derart gravierenden Befund feststellen, der eine weitere Berentung gerechtfertigt hätte. Die emotionale Schwingungsbreite
der Klägerin war nur etwas eingeengt. Antrieb und Psychomotorik waren nicht reduziert, sondern eher gesteigert. Auch die kognitiven
Funktionen waren nur leicht beeinträchtigt. Selbst die behandelnde Nervenärztin Dr. D. hat für diesen Zeitraum nur von mittelgradigen
und nicht von schweren depressiven Episoden der Klägerin berichtet.
Mit den sonstigen Gesundheitsstörungen der Klägerin auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet lässt sich eine Weitergewährung
der Erwerbsminderungsrente auf Zeit ebenfalls nicht begründen. Auf orthopädischem Fachgebiet imponierten bei der Klägerin
alleine die chronisch-rezidivierenden HWS/LWS-Syndrome, die jedoch weder zu neurologischen Auffälligkeiten geführt noch die
Beweglichkeit des Achsorgans in rentenrelevantem Umfang eingeschränkt haben. Auf internistischem Fachgebiet sind der Bluthochdruck
und die Auswirkungen des benignen Lebertumors zu erwähnen, die jedoch nur qualitative Leistungseinschränkungen nach sich ziehen,
die quantitative Leistungsfähigkeit der Klägerin für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt jedoch unberührt lassen.
Eine andere sozialmedizinische Leistungsbeurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten von Dr. I ... Diese hält es zwar
für fraglich, ob die Klägerin in diesem Zeitraum erwerbsfähig war. Sie sah sich aber auch nicht in der Lage, mit der für die
Erbringung des vollen Beweises einer Erwerbsminderung nötigen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zu sagen, dass
das quantitative Leistungsvermögen der Klägerin in diesem Zeitraum unter sechs Stunden abgesunken war. Dies ist nach dem Gutachten
von Dr. I. in diesem Zeitraum zwar nicht ausgeschlossen, aber jedenfalls auch nicht erwiesen. Die Nichtaufklärbarkeit des
Sachverhalts geht nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin.
Damit kommt für den Zeitraum bis 13. Februar 2008 weder die Gewährung einer Rente wegen voller noch einer teilweisen Erwerbsminderung
in Betracht. Ein solcher ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin unter den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht
kommenden allgemeinen Arbeitsmarktes keine Tätigkeit finden würde. Denn bei ihr liegen in diesem Zeitraum weder eine Summierung
ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die ausnahmsweise die Benennung
einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich machen würde. Auch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit
(§
240 Abs.
1,
2 i.V.m. §
43 Abs.
1 SGB VI) scheidet insoweit aus, da die Klägerin in ihrer letzten versicherungspflichtigen Tätigkeit als Gartenbauhelferin ausweislich
der Auskunft des Arbeitgebers ungelernte Arbeiten (Anlernzeit unter 3 Monate) verrichtet hat, mit der Folge, dass sie nach
dem sogenannten Stufenschema des Bundessozialgerichts uneingeschränkt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden kann,
ohne dass eine Verweisungstätigkeit benannt werden müsste.
Wie Dr. R. nachvollziehbar dargelegt hat, hat sich durch das Auftreten eines benignen Lebertumors eine entscheidende Verschlechterung
im psychischen Gesundheitszustand der Klägerin ergeben. Dies zum einen allein durch die Diagnose einer derartigen Erkrankung,
die nach Angaben der Klägerin zunächst wohl auch als maligne Tumorerkrankung eingeschätzt worden war. Zum anderen war die
Klägerin jedoch gezwungen, nach der am 14. Februar 2008 stattgehabten Leberoperation ihre antidepressive Medikation abzusetzen.
Dies hat zu einer deutlichen Verschlechterung hin zu einer schweren depressiven Symptomatik bei der Klägerin geführt, die
durch eine permanente Depressivität, soziale Isolierung, Rückzug und Unfähigkeit zur Durchführung von Haushaltstätigkeiten
gekennzeichnet ist. Der Klägerin können damit ab dem Zeitpunkt der Operation keine Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr
abverlangt werden. Diese sozialmedizinische Leistungsbeurteilung des Dr. R. wurde sowohl von der Beklagten als auch von Dr.
I. bestätigt.
Die Rente wegen voller Erwerbsminderung der Klägerin wurde durch Dr. R. und ihm folgend durch das SG und die Beklagte allerdings zu Unrecht bis zum 31. März 2009 befristet. Zwar werden nach §
102 Abs.
2 S. 2
SGB VI Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich
ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann.
Der Senat ist davon überzeugt, dass eine Besserung bei der Klägerin seit Februar 2008 unwahrscheinlich ist. Er folgt insoweit
der Sachverständigen Dr. I., die davon ausgeht, dass die Klägerin durch die (falsche) Diagnose eines bösartigen Lebertumors
einen wesentlichen Einbruch erlitten hat, von dem sie sich nicht mehr erholt hat. Seit dieser Zeit ist die Klägerin durchgehend
schwer depressiv. Die Sachverständige nimmt daher auch ein auf Dauer gemindertes Leistungsvermögen der Klägerin ab Februar
2008 an. Die Kombination aus intellektueller Grenzbegabung, Persönlichkeitsauffälligkeiten, massiv belasteter Biografie und
nach wie vor belastender Lebenssituation lässt eine willentliche Überwindung der Beschwerden durch die Klägerin nicht zu.
Die medikamentösen Möglichkeiten der Klägerin sind durch die Leberoperation eingeschränkt. Es wäre zwar denkbar, dass eine
zweite konsequent psychotherapeutische Rehamaßnahme durchgeführt wird, wegen der Gesamtkonstellation erscheint diese aber
nicht erfolgversprechend.
Die von Dr. R. angenommene Besserungsmöglichkeit der Klägerin, der von einer Wiedererlangung eines Leistungsvermögens von
sechs Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen ist, teilt der Senat nicht. Zwar stand zum Untersuchungszeitpunkt
fest, dass der Lebertumor nicht bösartig war. Jedoch befand sich die Klägerin in einem permanent depressiven und sozial isolierten
Zustand, der eine Besserung bis hin zu einer Erwerbsfähigkeit als unwahrscheinlich erscheinen lässt. Dr. R. stützt seine Besserungswahrscheinlichkeit
auch nur auf die Wiederaufnahme der früheren Medikation. Er lässt dabei aber unberücksichtigt, dass die Medikamenteneinnahme
durch die Leberoperation verändert werden musste. Es ist auch nicht erwiesen, dass die bisherige Medikation tatsächlich zu
einer Erwerbsfähigkeit der Klägerin geführt hat. Eindeutig belegt ist nur, dass es der Klägerin unter Einnahme der Medikamente
besser ging. In wie weit sie dadurch aber wieder in der Lage gewesen ist, mehr als sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
tätig zu sein, ließ sich nicht mehr eindeutig belegen. Dr. R. spricht in seinem Gutachten davon, dass "wohl" zum Zeitpunkt
Ende Mai 2007 eine allenfalls mittelgradige depressive Episode auftrat. Trotz dieser zweifelsohne vorhandenen Unwägbarkeiten
unterstellt Dr. R. eine nicht unwahrscheinliche Besserung. Dies ist, in der Gesamtbetrachtung mit dem Gutachten von Fr. Dr.
I., nicht überzeugend.
Bei einem Eintritt des Leistungsfalls der vollen Erwerbsminderung am 14. Februar 2008 ergibt sich damit ein Rentenanspruch
der Klägerin ab 1. März 2008 (§
99 Abs.
1 SGB VI). Dementsprechend war der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab dem 1. März 2008 zuzusprechen; im Übrigen
war die Berufung jedoch zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung (§
193 SGG) berücksichtigt, dass die Klägerin zum überwiegenden Teil erfolgreich war.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. §
160 Abs.
2 SGG), sind nicht ersichtlich.