Gewährung einer Altersrente
Gehörsverletzung durch nicht ordnungsgemäße Terminsladung
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Altersrente für den Kläger streitig.
Der 1951 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz in Österreich. Er war in der Zeit vom 07.01.1980
bis 08.11.1980 in Deutschland beschäftigt und bezog vom 08.12.1980 bis 25.03.1981 Arbeitslosengeld. Aufgrund der Beschäftigung
wurden Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet. Er bezieht seit 01.07.2007 eine österreichische Invaliditätspension.
Der Kläger beantragte am 12.05.2016 bei einem Sprechtag der Pensionsversicherungsanstalt eine Alterspension und gab dabei
an, dass er von ca. 1980 bis 1982 in Deutschland bei der Firma S. in S-Stadt beschäftigt gewesen war. Der Antrag wurde von
der Beklagten mit Bescheid vom 29.07.2016 abgelehnt, weil die zur Deutschen Rentenversicherung entrichteten Beiträge bereits
durch die deutsche Rentenversicherung Nordbayern mit Bescheid vom 06.09.1983 erstattet worden seien.
Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Bescheid vom 05.12.2016 zurückgewiesen. Die Wartezeit für die beantragte Rente
sei nicht erfüllt, da keine Kalendermonate zurückgelegt worden seien, die auf die Wartezeit anzurechnen seien. Die zur deutschen
Rentenversicherung gezahlten Beiträge seien von der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern mit Bescheid vom 06.09.1996 erstattet
worden. Durch die Erstattung sei das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst worden.
Mit seiner Klage zum Sozialgericht Landshut verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Er berief sich darauf, von der deutschen
Rentenversicherung keine Beitragserstattung erhalten zu haben. Er sei im Jahre 1982 aus Deutschland nach Österreich umgezogen.
Das Sozialgericht Landshut forderte von der deutschen Rentenversicherung Nordbayern eine Kopie des Erstattungsbescheids vom
06.09.1996 sowie die Übersendung entsprechender Aktenvorgänge. Die deutsche Rentenversicherung Nordbayern übermittelte die
Kopie des Erstattungsbescheids vom 06.09.1983. Dieser Bescheid sei damals an den Kläger mit einer Adresse in der Türkei, K.
Tr K., gesandt worden. Darin ist ausgeführt, dass die Beiträge vom 07.01.1980 bis 08.11.1980 in Höhe von 2119,50 DM erstatteten
werden. Die Beiträge für Zeiten des Bezugs von Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz seien nicht erstattungsfähig. Der zustehende Betrag werde an "O. I." überwiesen.
Die Ladung zu einem Verhandlungstermin am 11.07.2017 wurde vom Sozialgericht Landshut am 03.07.2017 aufgehoben, nachdem der
Zustellungsnachweis nicht vorlag. Für die weitere Ladung am 12.09.2017 ging ebenfalls kein Zustellungsnachweis ein. Die mündliche
Verhandlung wurde dennoch durchgeführt und mit Urteil vom 12.09.2017 die Klage unter vollinhaltlicher Bezugnahme auf die Begründung
im Widerspruchsbescheid der Beklagten abgewiesen. Hinweise darauf, dass der Kläger nach der Beitragserstattung weitere Versicherungszeiten
in Deutschland zurückgelegt habe, aus welchen sich eventuell doch noch ein Rentenanspruch ergeben könnte, lägen nicht vor.
Die nicht zugestellte Ladung zum Termin vom 12.09.2017 lief am 23.09.2017 an das Sozialgericht Landshut zurück. Am 05.10.2017
wandte sich der Kläger telefonisch an das Sozialgericht Landshut und teilte mit, dass er sich im Ausland aufgehalten habe,
jetzt aber wieder unter seiner bisherigen Anschrift in Österreich erreichbar sei. Am 13.11.2017 rief der Kläger erneut beim
Sozialgericht Landshut an und bat um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Urteil wurde am 29.11.2017 versandt.
Gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut legte der Kläger Berufung ein und berief sich darauf, dass Verfahrensvorschriften
missachtet worden seien. Er habe keine Gelegenheit erhalten, sich zu seinem Vorbringen persönlich zu äußern. Das Ladungsschreiben
habe er nicht erhalten. Das Sozialgericht Landshut habe auch keine Nachforschungen angestellt, ob er die Beiträge tatsächlich
erhalten habe. Eine Überweisungsbestätigung oder Zahlungsbestätigung sei von der Rentenversicherung nicht verlangt worden.
Er habe im Mai 1981 sein Bankkonto in Deutschland aufgegeben, weshalb ihm im Jahr 1983 keine Beiträge mehr hätten überwiesen
werden können.
In der mündlichen Verhandlung führte die Tochter des Klägers aus, dass "O. I." der Bruder des Klägers ist. Den Bescheid vom
06.09.1983 haben sie erstmals durch das Sozialgericht erhalten. Vorher habe der Kläger diesen Bescheid nie gesehen und auch
keinen Erstattungsantrag gestellt. Der Bruder habe auch in Deutschland gearbeitet. Möglicherweise liege eine Verwechslung
vor.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12.09.2017 aufzuheben und die Sache zur Verhandlung an das Sozialgericht Landshut
zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akten des Sozialgerichts
und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des angegriffenen Urteils vom 12.09.2017 und einer Zurückverweisung
der Sache an das Sozialgericht Landshut begründet.
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 29.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2016, mit denen
ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Altersrente abgelehnt wurde.
Das Verfahren vor dem Sozialgericht Landshut leidet an einem wesentlichen Mangel. Denn das Sozialgericht hat das Recht des
Klägers auf rechtliches Gehör missachtet. Der Kläger war nicht ordnungsgemäß geladen, da er die Ladung zum Termin nicht rechtzeitig
erhalten hat. Demnach hätte im Termin eine Entscheidung nicht ergehen dürfen.
Rechtsgrundlage für die Entscheidung, das Urteil des Sozialgerichts Landshut aufzuheben und zurückzuverweisen, ist §
159 Abs.
1 Nr.
2 SGG. Hiernach kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen,
wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfassende und aufwändige Beweisaufnahme
notwendig ist.
Hier liegt der Verfahrensmangel darin, dass der Kläger nicht ordnungsgemäß zur Sitzung am 12.09.2017 geladen worden war und
damit sein Recht auf Gehör verletzt worden ist.
Beim gegenwärtigen Sachstand ist auch davon auszugehen, dass der vorliegende Verfahrensmangel eine umfassende und aufwändige
Beweisaufnahme erforderlich macht. Denn dem Einwand des Klägers, den Erstattungsbetrag nie erhalten zu haben, hat das Sozialgericht
nachzugehen. Bereits aus dem Erstattungsbescheid ist zudem ersichtlich, dass der Betrag nicht an den Kläger, sondern an einen
Dritten gezahlt wurde. Das Sozialgericht hat bisher nicht aufgeklärt, ob der Kläger überhaupt selbst einen Antrag auf Beitragserstattung
gestellt hatte und warum der Bescheid an eine Adresse in der Türkei versandt wurde, obwohl der Kläger angibt, sich seit dem
Jahr 1982 in Österreich aufgehalten zu haben. Möglicherweise ist vor einer endgültigen Entscheidung auch der im Bescheid genannte
"O. I." als Zeuge zu hören.
Die Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten an einer möglichst schnellen Sachentscheidung und dem Grundsatz der Prozessökonomie
einerseits sowie dem Verlust einer Instanz andererseits führt hier im Rahmen des Ermessens nach §
159 Abs.
1 Nr.
2 SGG dazu, dass die Sache an das Sozialgericht zurückverwiesen wird. Der Kläger hat ausdrücklich die Zurückverweisung beantragt,
ohne einen Antrag in der Sache zu stellen. Damit bringt er zum Ausdruck, dass er sich beide Tatsacheninstanzen erhalten möchte.
Dabei berücksichtigt der Senat, dass die Berufung des Klägers erst seit 15.12.2017 und somit seit relativ kurzer Zeit in der
Berufungsinstanz anhängig ist und auch in der ersten Instanz das Verfahren nur etwas über sechs Monate anhängig war. Dem Kläger
entsteht durch die Zurückverweisung somit kein wesentlicher zeitlicher Nachteil. Auch ist der Rechtsstreit aus den genannten
Gründen nicht entscheidungsreif. Vielmehr ist zunächst der genaue Ablauf des Erstattungsverfahrens von Amts wegen umfassend
aufzuklären, um abschließend prüfen zu können, ob tatsächlich eine Beitragserstattung erfolgt ist, die einem Anspruch des
Klägers auf Altersrente entgegenstünde. Möglicherweise liegt tatsächlich, wie von der Tochter des Klägers vermutet, eine Personenverwechslung
vor.
Der Senat weist aber bereits jetzt darauf hin, dass bei weniger als 12 Monaten Beitragszeiten keine Rente aus der deutschen
Rentenversicherung zu zahlen ist, sondern die Zeiten vom österreichischen Träger mit übernommen werden. Nachdem der Kläger
eine Ausgleichszulage erhält, sollte er beim österreichischen Träger prüfen lassen, ob er bei einer Zahlung aus deutschen
Versicherungszeiten überhaupt eine höhere Leistung erhalten würde. Diese Frage könnte allerdings auch das Sozialgericht Landshut
über den österreichischen Versicherungsträger klären.
Das Sozialgericht Landshut wird im Rahmen der erneuten Entscheidung insgesamt über die Kosten zu befinden haben (vgl. Leitherer
in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl., §
193 Rn. 2a).
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. §
160 Abs.
2 SGG), bestehen nicht.