Gründe:
I. Die Antragstellerin begehrt im Wege des vorläufigen Rechtschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Sozialgesetzbuch,
Zweites Buch (SGB II).
Die 1981 geborene Beschwerdeführerin (Bf.) hat vom 20.10.2001 bis 20.07.2007 ein Studium der Germanistik und der Politologie
absolviert und mit einem Diplom erfolgreich abgeschlossen. Anschließend bezog sie aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit vom Jobcenter
für Arbeitsmarktintegration M. bis einschließlich 28.02.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Zum 01.03.2008 begann sie ein Berufsausbildungsverhältnis zur Buchhändlerin in A-Stadt. Sie erhält eine Vergütung in Höhe
von 548,07 EUR netto monatlich. Das Ausbildungsverhältnis dauert voraussichtlich bis zum 31.07.2010. Die Kosten für die ebenfalls
ab 01.03.2008 in A-Stadt angemietete Wohnung belaufen sich auf eine Kaltmiete in Höhe von 360 EUR monatlich.
Am 27.02.2008 beantragte die Bf. bei der Beschwerdegegnerin (Bg.) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB
II.
Mit Bescheid vom 01.04.2008, der keine Rechtsmittelbelehrung enthielt, lehnte die Bg. den Antrag ab. Die Anspruchsvoraussetzungen
für Leistungen nach diesem Gesetz seien aufgrund des § 7 Abs. 5 SGB II nicht erfüllt. Bei der begonnenen Ausbildung zur Buchhändlerin
handle es sich um eine dem Grunde nach dem Bundesausbildungsfördergesetz (
BAföG) förderfähige Ausbildung.
Die Beschwerdeführerin hat dagegen am 07.04. 2008 Widerspruch eingelegt und verwies auf den beigefügten Bescheid der Agentur
für Arbeit M. vom 15.01.2008 über die Ablehnung der Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe. Die Ausbildung könne nach §
60 Abs.
2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB III) nicht gefördert werden, weil die Bf. bereits eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen habe.
Ergänzend trug sie vor, dass § 7 Abs. 5 SGB II im Hinblick auf § 7 Abs. 6 Nr. 1 SGB II keine Anwendung finde.
Am 07.11.2008 stellte sie beim Sozialgericht München einen Antrag im einstweiligen Rechtschutz bis zum rechtskräftigen Abschluss
des Widerspruchsverfahrens Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Form eines Darlehens sowie Prozesskostenhilfe
zu gewähren. Diesen Antrag lehnte das Sozialgericht nach Beiziehung des Ausbildungsvertrages mit Beschluss vom 03.12.2008
ab. Es fehle am erforderlichen Anordnungsanspruch. Im Falle der Beschwerdeführerin greife der Ausschlusstatbestand nach §
7 Abs. 5 Satz 1 SGB II. Anhaltspunkte für einen besonderen Härtefall im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II seien nicht ersichtlich.
Die Bg. wies den Widerspruch der Bf. gegen den Bescheid vom 01.04.2008 nach Erhebung einer Klage nach §
88 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2008 als unbegründet zurück.
Gegen den am 10.12.2008 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts München hat die Bf. am 09.01.2009 Beschwerde eingelegt.
Sie macht geltend, dass zumindest unter dem Gesichtspunkt des besonderen Härtefalls Leistungen in Form eines Darlehens zu
bewilligen seien. Die Vermittlung über das Jobcenter M. sei trotz 200 Bewerbungen erfolglos geblieben. Erst eine der 50 Bewerbungen
auf einen Ausbildungsplatz sei hier in A-Stadt schließlich erfolgreich gewesen. Mit ihrem Studium der Germanistik und Politik
habe sie objektiv keine Möglichkeit dauerhaft in das Arbeitsleben integriert zu werden. Die nunmehr angefangene Ausbildung
sei die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt, daher liege ein Härtefall vor (BSG, Urteil vom 30.09.2008, Az. B 4 AS 28/07 R). Als objektive Belege, dass die Ausbildung zur Buchhändlerin die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstelle,
hat die Bf. eine Liste aller Firmen eingereicht, bei denen sie sich erfolglos beworben hatte.
Die Beschwerdeführerin hat beantragt:
1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens ab Anhängigkeit dieses
Antrags Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Form eines Darlehens zu bewilligen.
2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt ...
Die Beschwerdegegnerin hat beantragt,
die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 03.12.2008 - S 50 AS 2681/08 ER - zurückzuweisen sowie gemäß §
193 SGG zu entscheiden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten seien.
Sie macht geltend, dass der Einwand der Bf., dass die nunmehr angefangene Ausbildung die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt
darstelle nicht hinreichend belegt sei. Es habe kein Kontakt zwischen der zuständigen Arbeitsvermittlungsstelle und der Bf.
bestanden, so dass auch keine einzelfallbezogene Aussage bezüglich der Zugangsmöglichkeiten zum Arbeitsmarkt als Germanistin/Politologin
gemacht werden könne.
Unabhängig davon sei jedoch grundsätzlich gemäß § 10 Abs. 1 und 2 SGB II jede Arbeit zumutbar. Persönliche Vermittlungshemmnisse
seien nicht bekannt, ein besonderer Härtefall liege nicht vor.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die Verwaltungsakte der Bg.
Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
Nach §
86 b Abs.
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall von §
86 b Abs.
1 SGG - wie hier- nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn eine solche
Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Die einstweilige Anordnung soll den Zeitraum bis zu einer abschließenden Hauptsacheentscheidung durch eine zwischenzeitliche
Regelung überbrücken und auf diese Weise den Rechtstreit in der Hauptsache entscheidungsfähig halten. Voraussetzung für den
Erlass ist, dass sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sind (§
86 b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2, §
294 Abs.
1 Zivilprozessordnung -
ZPO-). Für die Glaubhaftmachung genügt es, dass bei der Ermittlung des Sachverhalts dieser mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit
aufgeklärt wurde. Dagegen dürfen die Anforderungen an die Erkenntnis der Rechtslage, d.h. die Intensität der rechtlichen Prüfung
grundsätzlich nicht herabgestuft werden. Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab für das Vorliegen des Anordnungsanspruchs ist
grundsätzlich das materielle Recht, das voll zu prüfen ist.
Die Bf. hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Die in § 7 Abs. 1 SGB II normierten Anspruchsvoraussetzungen liegen
zwar vor, insbesondere kann die Beschwerdeführerin ihren Lebensunterhalt nicht allein aus der Ausbildungsvergütung bestreiten.
Ein Leistungsanspruch ist gleichwohl nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung haben Auszubildende,
deren Ausbildung im Rahmen des
BAföG oder nach den §§
60 bis
62 des
SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.
Die Ausschlussregelung ist auf die Erwägung zurückzuführen, dass bereits die Ausbildungsförderung nach dem
BAföG oder gemäß §§
60 bis
62 SGB III die Kosten des Lebensunterhalts umfasst und deshalb im Grundsatz die Grundsicherung nicht dazu dient, durch Sicherstellung
des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach anderweitig förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen.
Die Ausschlussregelung soll die nachrangige Grundsicherung mithin davon befreien, eine - versteckte - Ausbildungsförderung
auf zweiter Ebene zu ermöglichen (vgl. BSG Urteil vom 30.09.2008, Az. B 4 AS 28/07 R).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Ausbildung zur Buchhändlerin ist nach §
60 Abs.
1 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig im Sinne des §
7 Abs.
5 Satz 1 SGB II. §
60 Abs.
1 SGB III regelt, dass eine berufliche Ausbildung förderungsfähig ist, wenn sie in einem nach dem Berufsausbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder dem Seemannsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich durchgeführt wird und der dafür vorgeschriebene
Ausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist.
Unerheblich ist dagegen, dass eine konkrete Förderung der Bf. im Hinblick auf die abgeschlossene Ausbildung zur Germanistin/Politologin
an §
60 Abs.
2 Satz 1
SGB III scheitert (vgl. BSG aaO.). Dies scheint zwischen den Beteiligten auch unstreitig zu sein, da sich der Antrag der Bf. auf
die darlehensweise Gewährung nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II bezieht.
Die Bf. hat jedoch auch keinen Anspruch auf die darlehensweise Gewährung von Leistungen. Es ist kein besonderer Härtefall
im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II glaubhaft gemacht.
Der Begriff der besonderen Härte, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. BSG aaO) fand sich bereits in
der Vorgängerregelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Bei der Auslegung dieses Begriffs hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entscheidend auf den Sinn und Zweck der Ausschlussregelung
des § 26 Abs. 1 Satz 1 BSHG abgestellt. Der grundsätzliche Ausschluss von Ansprüchen zur Sicherung des Lebensunterhalts während einer förderungsfähigen
Ausbildung beruhe danach darauf, dass die Ausbildungsförderung durch Sozialleistungen, die die Kosten des Unterhalts umfassten,
außerhalb des BSHG, sondergesetzlich abschließend geregelt war (vgl. BVerwGE 61, 352, 356). Deshalb solle das Sozialhilferecht grundsätzlich nicht dazu dienen, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts
das Betreiben einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Ein besonderer Härtefall nach dem BSHG liege erst dann vor, wenn die Folgen des gesetzlichen Anspruchsausschlusses über das Maß hinausgehen, das regelmäßig mit
der Versagung von Hilfe zum Lebensunterhalt für eine Ausbildung verbunden ist (wie die typische Konsequenz, das die Ausbildung
nicht begonnen oder gar abgebrochen werden muss) und diese im Hinblick auf den Gesetzeszweck, Sozialhilfe von den finanziellen
Lasten einer Ausbildungsförderung freizuhalten (keine Ausbildung auf "zweiter Ebene"), als übermäßig hart erscheint. Diese
nach dem BSHG entwickelten Grundsätze sind auch im Bereich der Leistungen nach dem SGB II anwendbar.
Allerdings muss auch im Anwendungsbereich der Härtefallregelung des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II dem bereits in § 1 Abs. 1 Satz
2 SGB II verankerten Ziel der Grundsicherung, die erwerbstätigen Hilfebedürftigen bei der Aufnahme und Beibehaltung einer
Erwerbstätigkeit zu unterstützen, hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BSG aaO), so dass arbeitsmarktbezogene Aspekte
bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriff der besonderen Härte zuzulassen sind. Nach der Rechtsprechung des BSG
(aaO. und Urteil vom 06.09.2007, Az. B 14/7b AS 36/06 R) kann ein Härtefall insbesondere dann angenommen werden, wenn wegen einer Ausbildungssituation Hilfebedarf entstanden sei,
der nicht durch
BAföG oder Berufsausbildungsbeihilfe gedeckt werden könne und deswegen begründeter Anlass für die Annahme bestehe, die kurz vor
dem Abschluss stehende Ausbildung nicht beendet werde und damit das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit drohe.
Eine derartige Situation liegt bei der Bf. nicht vor. Sie hat bereits vier Wochen nach Beginn ihrer Ausbildung den Antrag
gestellt und sie steht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht kurz vor dem Abschluss ihrer Ausbildung. Diese endet nach dem Arbeitsvertrag
am 31.07.2010. Eine weitere Ausnahme liegt nach der oben zitierten Rechtsprechung des BSG vor, wenn eine bereits weit fortgeschrittene
Ausbildung aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls wegen Behinderung oder Krankheit gefährdet ist oder wenn die finanzielle
Grundlage der Ausbildung aus der Sicht des Auszubildenden gesichert schien. Auch insoweit fehlt der Bf. das schutzwürdige
Vertrauen. Sie wusste bereits einen Monat nach Ausbildungsbeginn durch den ablehnenden Bescheid der Bg. vom 01.04.2008, dass
ihre Ausbildung nicht finanziell abgesichert war; ein Abbruch der erst vor kurzem begonnenen Ausbildung ist ihr zumutbar.
Schließlich kann ein besonderer Härtefall auch dann vorliegen, wenn nur durch eine nach den Vorschriften des
BAföG oder der §§
60 bis 62 SGB II förderungsfähigen Ausbildung objektiv belegbar die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstellt (BSG aaO).
Nach Auffassung des Senats fehlt es an belegbaren objektiv Anhaltspunkten, dass eine derartige Situation vorliegen könnte.
Die von der Bf. vorgetragenen 200 erfolglosen Bewerbungen als Germanistin/Politologin sind hierfür nicht geeignet. Die Bf.
hat sich nach Abschluss des Studiums am 20.07.2007 lediglich circa vier Monate um einen ihrer Qualifikation entsprechenden
Arbeitsplatz gekümmert. Sie hat bereits am 02.12.2007 den Ausbildungsvertrag unterschrieben. Dies erscheint dem Senat vor
allem auch im Hinblick auf die Regelung des §
127 SGB III zu kurz. Nach §
127 SGB III besteht ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zumindest für sechs Monate, so dass nach dem Willen des Gesetzgebers diese Frist
als vorauszusetzenden Mindestdauer der Betreuung durch die Arbeitsverwaltung anzusetzen ist. Dieses Erfordernis des Ablaufs
eines derartigen Prüfungszeitraums trägt dem Ausnahmecharakter der Härtefallregelung Rechnung. Zusätzlich wäre es der Bf.
im Hinblick auf § 10 Abs. 1 und 2 SGB II auch zumutbar gewesen, sich um einen Arbeitsplatz unterhalb ihrer Qualifikation zu
bemühen um eine Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt zu erhalten, statt eine weitere Ausbildung zu beginnen, die von Anfang
an nicht finanziell abgesichert war.
Gründe, die über den Umstand hinaus gehen, dass die Bf. während des Laufs ihrer Ausbildung keine Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts erhält und damit einen Härtefall begründen würden, sind nicht ersichtlich.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war wegen fehlender Erfolgaussichten nach §
73 a SGG in Verbindung mit §
114 ZPO abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.