Ermittlung des Beschwerdewerts im sozialgerichtlichen Verfahren bei unpräzisen Anträgen; Auslegung nach dem Meistbegünstigungsprinzip
bei geltend gemachten Kosten für Unterkunft und Heizung
Gründe:
I. Im Beschwerdeverfahren ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Leistungen nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch (SGB
II) in der Zeit vom 01.05.2009 bis zum 30.06.2009 streitig.
Die Beschwerdeführerin (Bf) erhielt mit Bescheid vom 05.11.2008 von der Beschwerdegegnerin (Bg) für den Zeitraum vom 01.11.2008
bis zum 30.04.2008 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 14,32 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 04.12.2008 wurde
für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis zum 30.04.2009 monatlich 18,52 EUR gewährt. Bei der Leistungsgewährung wurde die von der
Bf bezogene Betriebsrente in Höhe von monatlich 648,82 EUR berücksichtigt. Die Bf zahlt ab dem 01.03.2009 eine monatliche
Miete von insgesamt 357,41 EUR (220,97 EUR Grundmiete, Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 44,14 EUR sowie Betriebskostenvorauszahlung
in Höhe von 92,30 EUR). Mit Bescheid vom 02.07.2009 erhielt die Bf für die Zeit vom 01.07.2009 bis zum 31.10.2009 Leistungen
in Höhe von monatlich 13,64 EUR bewilligt.
Die Bf beantragte am 24.03.2009 die Weitergewährung der Leistungen nach dem SGB II. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 02.04.2009
abgelehnt. Die Bg berechnete einen Bedarf in Höhe von 701,78 EUR (Regelleistung in Höhe von 351 EUR, volle Kosten für Unterkunft
und Heizung in Höhe von 357,41 EUR abzüglich der Kosten der Warmwasserzubereitung in Höhe von 6,63 EUR) und stellte diesem
ein monatlich anrechenbares Einkommen von 702,98 EUR gegenüber. Die Bg berücksichtigte die Versorgungsbezüge der Stadt A-Stadt
in Höhe von 648,82 EUR sowie ein sonstiges monatliches Einkommen in Höhe von 84,16 EUR, das sich aus einer jährlichen Sonderzahlung
der Landeshauptstadt A-Stadt in Höhe von 1.010 EUR im Dezember 2008 ergab, und zog hiervon den Pauschalbetrag nach § 3 Abs.
1 Nr. 1 Alg II-Verordnung in Höhe von 30 EUR ab. Gegen diesen Bescheid legte die Bf Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden
ist.
Im Widerspruchsverfahren erließ die Bg am 13.05.2009 einen Abhilfebescheid und übernahm die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung
für die Bf in Höhe von 146,34 EUR für die Zeit vom 01.05.2009 bis zum 31.10.2009 nach § 46 Abs. 2 SGB II.
Am 14.05.2009 stellte die Bf durch ihren Bevollmächtigten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Zur Begründung
trug der Bevollmächtigte vor, dass die Bg den Bedarf falsch ermittelt habe. Die Kosten der Unterkunft seien höher als von
der Bg angenommen. Dies gelte auch für die Betriebskosten und die Heizkosten. Es sei zwar grundsätzlich zuzugestehen, dass
die Kosten der Warmwasserzubereitung zwischenzeitlich von den Kosten der Unterkunft abzuziehen seien, trotzdem seien höhere
Leistungen für Unterkunft und Heizung zu gewähren. Konkrete Angaben machte der Bevollmächtigte der Bf nicht. Außerdem rechne
die Bg neben den Versorgungsbezügen noch ein sonstiges monatliches Einkommen in Höhe von 84,16 EUR an. Es sei unstatthaft
diesen Betrag auf 12 Monate zu verteilen. Die Bf habe jeden Versicherungsschutz verloren, da der Beitrag für die freiwillige
Krankenversicherung nicht bezahlt werde.
Zur Erwiderung erklärte die Bg, dass als sonstiges monatliches Einkommen eine Sonderzuwendung der Stadt A-Stadt berücksichtigt
worden sei, die nach § 2 Abs. 3 Alg II-Verordnung auf einen angemessenen Zeitraum aufgeteilt worden sei. Auch die Kosten für
Unterkunft und Heizung abzüglich der Warmwasserkosten seien fehlerfrei berechnet worden.
Der Bevollmächtigte der Bf führte mit Schriftsatz vom 21.05.2009 aus, dass die Bf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
nach dem SGB II erhalten wolle und keinen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 46 Abs. 2 SGB II.
Mit Beschluss vom 22.06.2009 lehnte das Sozialgericht München den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ab, da
ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die Bf könne ihren Bedarf aus eigenem Einkommen decken, sie werde
allein durch den Beitrag zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung hilfebedürftig. Diese Beiträge habe die Bg nach
§ 46 Abs. 2 und 3 SGB II übernommen. Daher habe der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz keinen Erfolg. In der Rechtsmittelbelehrung
des Beschlusses wurde die Beschwerde als zulässig bezeichnet.
Die Bf hat durch ihren Bevollmächtigten Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt und beantragt, den angefochtenen Beschluss
aufzuheben und entsprechend dem Antrag aus dem Antragsschriftsatz vom 29.04.2009 zu erkennen. Dieser Antrag lautete, die Antragsgegnerin
zu verpflichten, der Antragstellerin ab dem 01.05.2009 Leistungen zu Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II (wie
bisher entsprechend dem bisherigen Bewilligungsbescheid vom 17.05.2008) zu erbringen.
Zur Begründung hat der Bevollmächtigte der Bf im Wesentlichen das Gleiche wie vor dem Sozialgericht München vorgetragen.
Der Senat hat auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Verteilzeitraum von Einkommen hingewiesen und den Bevollmächtigten
der Bf aufgefordert, genaue Angaben zum Bedarf der Bf zu machen und diesen zu beziffern. Daraufhin teilte der Bevollmächtigte
der Bf mit, dass die Verteilung einer einmaligen Leistung auf 12 Monate nicht statthaft sei. Es fände vorliegend keine Aufteilung
statt. Mit Schreiben vom 17.09.2009 wurde der Bevollmächtigte der Bf darauf hingewiesen, dass ausgehend von seinem Antrag
aus dem Antragsschriftsatz vom 29.04.2009 ein Bewilligungsbescheid dieses Datums nicht in der Akte der Bg enthalten sei. Mit
Bescheid vom 05.11.2008 seien Leistungen in Höhe von monatlich 14,32 EUR gewährt worden und mit Bescheid vom 04.12.2008 Leistungen
in Höhe von monatlich 18,52 EUR. Außerdem gehe der Senat davon aus, dass Leistungen für den Zeitraum vom 01.05. bis 30.06.2009
begehrt werden, da die Bf seit dem 01.07.2009 wieder Leistungen erhält. Daher sei die Beschwerde nicht zulässig, da der Beschwerdewert
in Höhe von 750 EUR entgegen der Rechtsmittelbelehrung des Sozialgerichts nicht erreicht werde. Es sei beabsichtigt, die Beschwerde
als unzulässig zu verwerfen. Eine Stellungnahme des Bevollmächtigten der Bf ist auf dieses Schreiben hin nicht erfolgt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Bg sowie der Gerichtsakten beider
Rechtszüge Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß §§
172 Abs.
3 Nr.1, 144 Abs.1 S.1.Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) als unzulässig zu verwerfen.
Nach §
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht
zulässig wäre. Nach §
144 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 SGG ist die Berufung zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung
oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR übersteigt. Das gilt gemäß §
144 Abs.
1 S. 2
SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Diese Voraussetzungen sind
hier nicht gegeben.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Leistungsgewährung an die Bf für die Monate Mai und Juni 2009. Etwas anderes lässt
sich aus dem Vortrag des Bevollmächtigten der Bf nicht entnehmen. Dieser hat trotz Nachfrage durch den Senat seine Anträge
nicht präzisiert, so dass der Senat diese nach dem sogenannten Meistbegünstigungsprinzip (vgl. Leitherer in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Auflage 2008, §
92 Rn. 12 m.w.N.) auslegt. Die Bg hat die geltend gemachten Kosten für Unterkunft und Heizung vollständig übernommen. Sie hat
lediglich die Kosten für die Zubereitung des Warmwassers in Höhe von monatlich 6,63 EUR von den zu erstattenden Kosten für
Unterkunft und Heizung abgezogen, so dass die Bf lediglich in Höhe von diesem Betrag beschwert sein kann. Für die Monate Mai
und Juni 2009 ergibt sich, bei außer Acht lassen der von der Bg auf 12 Monate aufgeteilten Sonderzahlung, höchstens ein Anspruch
auf Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 82,96 EUR (Bedarf von 701,78 EUR abzüglich eines Einkommens in Höhe von
648,82 EUR sowie der Versicherungspauschale nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO). Zusammengefasst ergibt sich ein Beschwerdewert
von 179,18 EUR (2 x 82,98 EUR + 2 x 6,63 EUR). Damit ist der Beschwerdewert in Höhe von 750 EUR nicht erreicht.
Bei der Berechnung des Beschwerdewertes sind die wirtschaftlichen Folgewirkungen außer Acht zu lassen (vgl. Leitherer aaO.
§ 144 Rn. 15). Daher ist es nicht zu berücksichtigen, ob die Bf für die Monate Mai und Juni 2009 sich in der gesetzlichen
Rentenversicherung freiwillig weiterversichern muss und keinen Anspruch auf Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung
hat und dadurch evtl. einen finanziellen Nachteil erleidet. Dies sind Folgewirkungen, die bei der Bemessung nicht zu berücksichtigen
sind.
Damit ist vorliegend der Beschwerdewert von mehr als 750 EUR nicht erreicht und die Beschwerde unzulässig. Die Beschwerde
ist auch nicht aufgrund des Umstandes zulässig, dass das Sozialgericht in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses
die Beschwerde als zulässig bezeichnet hat, da eine unrichtige Belehrung einen nach dem Gesetz nicht gegebenen Rechtsbehelf
nicht eröffnen kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO., § 66 Rn. 12 a).
Die Beschwerde ist somit als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.