Gründe
I.
Die Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer) begehren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Streitig ist, ob die Beschwerdeführer als spanische Staatsangehörige von den Leistungen
nach dem SGB II ausgeschlossen sind, weil sich das Aufenthaltsrecht der Beschwerdeführerin zu 1) allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt
(§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II).
Ausweislich der Bescheinigung zur Freizügigkeitsberechtigung (§ 5 Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU) vom 29.06.2012 ist die 1984
in Spanien geborene Beschwerdeführerin zu 1) am 05.12.2009 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Die Beschwerdeführerin
zu 1) wie auch die Beschwerdeführer zu 2) bis 4), ihre 2002, 2009 und am 2012 geborenen Kinder, haben die spanische Staatsangehörigkeit.
Bei ihrer Einreise im Jahr 2009 verfügte die Beschwerdeführerin zu 1) nach ihrer Einlassung über ca. 15.000 EUR Vermögen,
von dem sie den Lebensunterhalt in der Vergangenheit bestritten habe. Außerdem habe sie Kindergeld bezogen; in der Erklärung
über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 10.07.2012 sind diesbezüglich Einnahmen von 368 EUR angegeben.
Die Beschwerdeführerin zu 2) ging in Deutschland bisher nicht zur Schule. Sie wurde am 18.07.2012 für das Schuljahr 2012/
2013 angemeldet.
Die Beschwerdeführer lebten bis Ende April 2012 gemeinsam mit dem Ehemann und Vater, der rumänischer Nationalität ist, in
S ... Nach den Angaben der Beschwerdeführerin zu 1) verließ der Ehemann und Vater die Familie Ende April und ist vermutlich
nach Rumänien ausgereist. Seither bestehe kein Kontakt mehr mit ihm, er leiste auch keine Zahlungen mehr. Die Beschwerdeführerin
zu 1) bezeichnet ihren Familienstand als "getrennt lebend".
Am 23.07.2012 erfolgte die Ummeldung der Beschwerdeführer zu 1), zu 3) und zu 4) nach A-Stadt, am 15.07.2012 die Ummeldung
der Beschwerdeführerin zu 2) nach A-Stadt. Seither wohnen die Beschwerdeführer in einer Notwohnung des Sozialdienstes katholischer
Frauen e.V. (Wohnhilfeprojekt für Frauen und Kinder) in A-Stadt. Laut Bescheid der Stadt A-Stadt vom 20.07.2012 hat die Beschwerdeführerin
zu 1) für die für vier Personen vorerst befristet bis zum 31.10.2012 zur Verfügung gestellte Wohngelegenheit (10 qm) ein monatliches
Benutzungsentgelt von 177,83 EUR zu zahlen (Benutzungsgebühr 107,83 EUR, Betriebskostenpauschale 62 EUR, Stromkostenpauschale
15 EUR). Für die Zeit vom 12.07.2012 bis zum 31.07.2012 wird ein Betrag von 114,73 EUR verlangt. Vor dem 12.07.2012 hielten
sich die Beschwerdeführer nach den Angaben der Beschwerdeführerin zu 1) für einige Zeit in einer Wohnung von Freunden auf,
wo sie aber nur vorübergehend geduldet worden seien.
Ein am 27.07.2012 vorgelegter Auszug des Kontos der Eheleute vom 26.07.2012 weist ein Soll von 21,10 EUR aus. Im Antragsformular
vom 09.08.2012 hat die Beschwerdeführerin zu 1) einen Kontostand von 15 EUR angegeben: zur Frage nach dem verfügbaren Bargeld
hat sie keine Angaben gemacht. Kindergeld wird seit Juli nicht ausgezahlt, ist aber für alle Kinder beantragt.
Am 28.06.2012 sprach die Beschwerdeführerin zu 1) beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (im Folgenden: Beschwerdegegner)
vor und beantragte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Laut Vermerk des Sachbearbeiters des Beschwerdegegners vom 28.06.2012 wurde der Antrag mündlich abgelehnt und einbehalten,
weil die Beschwerdeführerin zu 1) keinen Arbeitnehmerstatus habe bzw. sich auf kein anderes Freizügigkeitsrecht berufen könne.
Es bestünde lediglich der Arbeitsuchendstatus und somit gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II kein Anspruch.
Gegen den Bescheid vom 28.06.2012 legten die Beschwerdeführer durch ihren Bevollmächtigten mit Fax vom 28.06.2012 Widerspruch
ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2012 zurückgewiesen wurde. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer am 26.07.2012
Klage zum Sozialgericht Augsburg (S 16 AS 710/12).
Mit Fax vom 28.06.2012 haben die Beschwerdeführer beim Sozialgericht Augsburg beantragt,
den Beschwerdegegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Arbeitslosengeld II nach den gesetzlichen Vorschriften
zu leisten. Das Sozialgericht Augsburg hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 26.07.2012
abgelehnt.
Dagegen haben die Beschwerdeführer am 30.07.2012 durch ihren Prozessbevollmächtigten Beschwerde eingelegt und beantragt,
im Wege der einstweiligen Anordnung Arbeitslosengeld II nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Gleichzeitig wurde unter Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten beantragt. Der Anordnungsgrund der Eilbedürftigkeit liege zweifelsfrei
vor. Es sei auch ein Anordnungsanspruch gegeben, weil die Beschwerdeführer die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllen würden und nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen seien. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II laufe schon tatbestandlich leer, weil Unionsbürgern ein von der Arbeitnehmerfreizügigkeit unabhängiges, allein aus der Unionsbürgerschaft
folgendes Freizügigkeitsrecht nach Art. 21 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zustehe. Der zeitlich unbeschränkte völlige Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß§ 7 Abs. 1
Satz 2 Nr. 2 SGB II, der durch den gleich formulierten Ausschluss von Sozialhilfe gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII flankiert werde, verstoße gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums gemäß Art.
1 Abs.
1 GG i.V.m dem Sozialstaatsprinzip des Art.
20 Abs.
1 GG. Der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sei nicht anwendbar, weil sich die Beschwerdeführer auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens vom 11.12.1953 berufen könnten. Die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten des Europäischen
Fürsorgeabkommens könnten grundsätzlich die Gewährung von Arbeitslosengeld II beanspruchen, auch wenn sich ihr Aufenthaltsrecht
allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in der Entscheidung vom 19.10.2010 (B 14 AS 223/10 R) die Regelleistung nach § 20 SGB II zutreffend als "Fürsorgeleistung" im Sinn dieses völkerrechtlichen Abkommens gewertet. Der Vorbehalt vom 19.12.2011 sei nicht
rechtmäßig. Außerdem könne der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht greifen, da bei europarechtskonformer Auslegung dieser nicht auf EU-Bürger anzuwenden sei. Der Leistungsausschluss
widerspreche dem europarechtlich eng ausgestalteten Gleichbehandlungsgebot aus Art. 4 i.V.m. Art. 70 VO (EG) 883/2004, die
am 01.05.2010 in Kraft getreten sei.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung wird auf die Gründe im angefochtenen Beschluss Bezug genommen. Ferner bringt der Beschwerdegegner vor, dass
Hilfebedürftigkeit gemäß § 9 SGB II nicht nachvollziehbar begründet worden sei. Es fehle jeder Bezug zum Arbeitsmarkt der Beschwerdeführerin zu 1) und ihres
Ehemanns, der sich angeblich mit einer anderen Frau nach Rumänien begeben habe. Es sei daher davon auszugehen, dass genügend
Vermögen und Einkommen vorhanden sei, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Weder im Verwaltungsverfahren noch im Antrag auf
einstweiligen Rechtsschutz seien die Einkommens- und Vermögensverhältnisse glaubhaft nachgewiesen worden. Auch ein Schulbesuch
der Beschwerdeführerin zu 2) sei nicht nachgewiesen.
Auf gerichtliche Anforderung wurden seitens der Beschwerdeführer ergänzende Angaben zum Sachverhalt gemacht und dem Senat
die am 09.08.2012 ausgefüllten und unterschriebenen Antragsformulare und der Bescheid der Stadt A-Stadt vom 20.07.2012 bezüglich
der Obdachlosenunterbringung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die Verwaltungsakte des Beschwerdegegners
Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden und nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr.
1 i.V.m. §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ausgeschlossen.
Die Beschwerde ist auch begründet, weil der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig und begründet ist. Der
ablehnende Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 26.07.2012 ist aufzuheben. Der Beschwerdegegner hat den Beschwerdeführern
vorläufige Leistungen im tenorierten Umfang zu gewähren.
Nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung).
Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft
zu machen (§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2, §
294 Zivilprozessordnung -
ZPO). Glaubhaftigkeit bedeutet, dass für das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds ein geringerer Grad
von Wahrscheinlichkeit ausreicht als die volle richterliche Überzeugung. Welcher Grad von Wahrscheinlichkeit insoweit genügt,
ist bei unklaren Erfolgsaussichten in der Hauptsache nach einer umfassenden Abwägung der Interessen aller Beteiligten und
der öffentlichen Interessen zu bestimmen: Gegeneinander abzuwägen sind die Folgen, die entstehen würden, wenn das Gericht
die einstweilige Anordnung nicht erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellen würde, dass der Anspruch besteht,
gegen die Folgen, die entstehen würden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren
herausstellen würde, dass der Anspruch nicht besteht (Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, Kommentar zum
SGG, 10. Auflage 2012, §
86b Rdnr. 29a). Geht es um Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums, ist die Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes
aufgrund fehlender Erfolgsaussichten der Hauptsache nur dann zulässig, wenn das Gericht die Sach- und Rechtslage nicht nur
summarisch, sondern abschließend geprüft hat. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren
nicht möglich, ist die Eilentscheidung anhand einer Folgenabwägung zu treffen, wobei die Gerichte eine Verletzung der Grundrechte
des Einzelnen, insbesondere der Menschenwürde zu verhindern haben (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, [...] Rn. 25; vgl. auch Beschluss vom 06.02.2007, 1 BvR 3101/06, [...] Rn. 18).
Der Senat erlässt die einstweilige Anordnung, weil er es für möglich hält, dass die Beschwerdeführer einen Anspruch auf Leistungen
der Grundsicherung nach dem SGB II haben.
Die Beschwerdeführerin zu 1) erfüllt die Leistungsvoraussetzungen gemäß § 7 Abs. 1 SGB II. Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, sie ist erwerbsfähig, hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und ist hilfebedürftig
im Sinn des § 9 Abs. 1 SGB II. Da sie als Spanierin Staatsangehörige eines EU-Mitgliedstaats ist und damit einen genehmigungsfreien Zugang zum deutschen
Arbeitsmarkt hat, greift die Fiktion der Erwerbsunfähigkeit gemäß § 8 Abs. 2 SGB II nicht. Für die Beschwerdeführer zu 2) bis 4), die minderjährigen, zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Kinder der Beschwerdeführerin
zu 1), ergibt sich der Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung aus § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II.
Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann nicht abschließend beurteilt werden, ob die Beschwerdeführerin zu 1) als
spanische Staatsangehörige zum Kreis der ausgeschlossenen Ausländer nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II gehört. Ernstlich in Betracht zu ziehen ist der Ausschlussgrund gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, wonach Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehören
vom Kreis der Leistungsberechtigten ausgenommen sind. Die Ausschlussgründe gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 3 SGB II scheiden von vornherein aus, weil die Beschwerdeführer seit Dezember 2009, also länger als drei Monate, in der Bundesrepublik
leben und nicht leistungsberechtigt nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz sind.
Aus Sicht des Senats spricht viel dafür, dass der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auf die Beschwerdeführer deswegen nicht anwendbar ist, weil sie sich auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 des Europäischen
Fürsorgeabkommens (EFA) vom 11.12.1953 berufen können. Nach Art. 1 EFA, das u.a. die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich
Spanien unterzeichnet haben, ist jeder der Vertragschließenden verpflichtet, den Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten,
die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung findet, erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende
Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen die Leistungen
der sozialen und Gesundheitsfürsorge zu gewähren, die in der in diesem Teil seines Gebietes geltenden Gesetzgebung vorgesehen
sind. Beim Europäischen Fürsorgeabkommen handelt es sich um unmittelbar geltendes Bundesrecht, das für Staatsangehörige der
Vertragsstaaten weiterhin anzuwenden ist, ohne dass das koordinierende Sekundärrecht der Europäischen Union entgegenstehen
würde (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 23/10 R). Bei der Regelleistung nach § 20 SGB II handelt es sich um "Fürsorge" im Sinn des Art. 1 EFA (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 23/10 R, [...] 32 ff.). Ausweislich der am 29.06.2012 für die Beschwerdeführerin zu 1) ausgestellten Bescheinigung zur Freizügigkeitsberechtigung
nach § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU hält diese sich "erlaubt" im Sinn des Art. 1 EFA in der Bundesrepublik auf. Wie das BSG in der Entscheidung vom 19.10.2010 auch darlegte, hatte die Bundesrepublik Deutschland bis dato keinen Vorbehalt hinsichtlich
der Anwendung des SGB II auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten gemäß Art. 16 Buchst. b Satz 2 EFA abgegeben.
Den in Reaktion auf die Entscheidung des BSG vom 19.10.2010 (B 14 AS 23/10 R) von der Bundesregierung mit Wirkung zum 19.12.2011 erklärten Vorbehalt hinsichtlich der Leistungen nach dem SGB II hält der Senat bei vorläufiger Prüfung für nicht wirksam, so dass dieser Vorbehalt die Beschwerdeführer nicht vom Bezug von
Leistungen nach dem SGB II ausschließen kann (str., wie hier LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.05.2012, L 19 AS 794/12 B ER; Beschluss vom 23.05.2012, L 25 AS 837/12 B ER; SG Berlin, Beschluss vom 25.04.2012, S 55 AS 9238/12, [...] Rn. 53 ff.; a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07.06.2012, L 29 AS 920/12 B ER; Beschluss vom 21.06.2012, L 20 AS 1322/12 B ER; SG Berlin, Beschluss vom 11.06.2012, S 205 AS 11266/12 ER). Die Bundesrepublik Deutschland hat am 19.12.2011 gegenüber dem Generalsekretär des Europarats in Bezug auf das SGB II folgende Erklärung und Vorbehalt zu Art. 16 Buchst. b Satz 2 des Europäischen Fürsorgeabkommens vom 11.12.1953 abgegeben (Bekanntmachung vom 31.01.2012, BGBl II S. 144, berichtigt durch Bekanntmachung vom 03.04.2012, BGBl II S. 470): "Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland übernimmt keine Verpflichtung, die im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - in der jeweils geltenden Fassung vorgesehenen Leistungen an Staatsangehörige der übrigen
Vertragsstaaten in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zuzuwenden."
Grundlage für die Erklärung eines solchen Vorbehalts ist Art. 16 Buchst. b EFA. Nach Satz 1 hat jeder Vertragschließende dem
Generalsekretär des Europarats alle neuen Rechtsvorschriften mitzuteilen, die im Anhang I noch nicht aufgeführt sind. Gleichzeitig
mit dieser Mitteilung kann der Vertragschließende Vorbehalte hinsichtlich der Anwendung dieser neuen Rechtsvorschriften auf
die Staatsangehörigen der anderen Vertragschließenden machen (Satz 2). Der Senat hat schon Zweifel, ob der Vorbehalt vom Dezember
2011 gleichzeitig mit der Mitteilung neuer Rechtsvorschriften im Sinn dieser Regelung angemeldet worden ist (dazu LSG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 09.05.2012, L 19 AS 794/12 B ER, [...] Rn. 8). Vor allem aber hat der Senat erhebliche Bedenken, ob die Regierung der Bundesrepublik einen Vorbehalt
gemäß Art. 16 Buchst. b Satz 2 EFA ohne Beteiligung der Legislative, also ohne Einbindung bzw. Ermächtigung des Bundestags,
wirksam erklären konnte. Es dürfte sich bei diesem Vorbehalt um eine vertragliche Regelung im Sinn des Art.
59 Abs.
2 Satz 1
GG handeln, die "der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der
Form eines Bundesgesetzes" bedarf (in diesem Sinn auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.05.2012, L 25 AS 837/12 B ER; SG Berlin, Beschluss vom 25.04.2012, S 55 AS 9238/12).
Da der Senat im Rahmen der hier angezeigten summarischen Prüfung den Leistungsausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II durch Art. 1 EFA ausgeschlossen sieht, besteht keine Notwendigkeit, sich im Eilverfahren mit der von den Beschwerdeführern angesprochenen
und ebenfalls sehr umstrittenen Frage auseinanderzusetzen, ob der Leistungsausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aus weiteren Gründen mit über- und zwischenstaatlichem Recht unvereinbar ist (dazu ausführlich Beschluss des Senats vom 22.12.2010,
L 16 AS 767/10 B ER; vgl. jüngst auch Bayer. LSG, Beschluss vom 03.08.2012, L 7 AS 144/12 B ER).
Ein Anordnungsgrund ist zwischenzeitlich glaubhaft gemacht. Es besteht Eilbedürftigkeit, da den Beschwerdeführern ein Abwarten
der Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar ist. Die Beschwerdeführer sind auf existenzsichernde Leistungen nach dem
SGB II dringend angewiesen. Sie haben kein Einkommen, aktuell nicht einmal das Kindergeld, und kein ausreichendes Vermögen. Dies
ist durch die Antragsunterlagen vom 09.08.2012 glaubhaft gemacht worden. Zwar hat die Beschwerdeführerin zu 1) zur Frage nach
vorhandenem Bargeld keine Angaben gemacht. Wenn allerdings die Not der Beschwerdeführerin zu 1) so groß ist, dass sie zusammen
mit ihren drei Kindern ein 10 qm großes Zimmer als Obdachlosenunterkunft bezieht, ist es unwahrscheinlich, dass sie über ein
nennenswertes Barvermögen verfügt.
Im Rahmen der Folgenabwägung ist auch die Bedeutung der beantragten Leistungen für die Beschwerdeführer gegen das fiskalische
Interesse des Beschwerdegegners abzuwägen, die vorläufig erbrachten Leistungen im Fall eines Obsiegens in der Hauptsache möglicherweise
nicht zurück zu erhalten. Bei ungeklärten Erfolgsaussichten in der Hauptsache muss hier die Folgenabwägung zugunsten der Beschwerdeführer
ausgehen, da für diese existenzsichernde Leistungen auf dem Spiel stehen und dabei das auch ausländischen Staatsangehörigen
zustehende Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gemäß Art.
1 Abs.
1 i.V.m. Art.
20 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) betroffen ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.07.2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, zum
Asylbewerberleistungsgesetz).
Dauer und Höhe der zusprechenden Leistungen liegen gemäß §
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
938 Abs.
1 Zivilprozessordnung (
ZPO) im Ermessen des Gerichts. Der Senat übt dieses Ermessen dahingehend aus, dass in Anlehnung an § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II vorläufige Leistungen vom 01.07.2012 bis 31.12.2012 zu erbringen sind. Da nicht damit zu rechnen ist, dass die maßgeblichen
Rechtsfragen noch in diesem Jahr höchstrichterlich geklärt sein werden, erscheint ein kürzerer Leistungszeitraum nicht sinnvoll.
Bezüglich der Höhe der Leistungen geht der Senat von folgenden Eckpunkten aus: Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts
beträgt für die Beschwerdeführerin zu 1) 374 EUR zuzüglich des Mehrbedarfszuschlags für Alleinerziehende in Höhe von 134,64
EUR (gesamt 508,64 EUR, gerundet 509 EUR). Bei den Regelbedarfen für die Beschwerdeführer zu 2) bis 4) wird das Kindergeld
in Höhe von monatlich 184 EUR für das erste und das zweite Kind und von monatlich 190 EUR für das dritte Kind in Abzug gebracht.
Zwar ist das Kindergeld im Juli 2012 nicht geleistet worden. Wie auch der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführer (Fax
vom 13.08.2012) geht der Senat aber davon aus, dass das Kindergeld für drei Kinder in Kürze (wieder) gewährt werden wird.
Es ergibt sich also für die Beschwerdeführerin zu 2) ein Leistungsbetrag von 67 EUR (251 EUR minus 184 EUR), für die Beschwerdeführerin
zu 3) ein Betrag von 35 EUR (219 EUR minus 184 EUR) und für die Beschwerdeführerin zu 4) ein Betrag von 29 EUR (219 EUR minus
190 EUR). Für alle Beschwerdeführer errechnet sich ein Betrag in Höhe von monatlich 639,64 EUR (gerundet 640 EUR).
Hinzu kommen als Kosten der Unterkunft die für die Obdachlosenunterbringung anfallenden Benutzungsentgelte. Berücksichtigt
werden die Benutzungsgebühr (monatlich 107,83 EUR) und die Betriebskostenpauschale (monatlich 62 EUR), so dass sich für die
Monate August bis Dezember 2012 ein Betrag von 162,83 EUR errechnet (gerundet 163 EUR). Für den Monat Juli wird der im Bescheid
der Stadt A-Stadt vom 20.07.2012 genannte anteilige Betrag von 114,73 EUR (gerundet 115 EUR) angesetzt.
Der Senat hält es für möglich, dass noch in diesem Jahr die Kosten der Unterkunft anzupassen bzw. zu erhöhen sein werden,
wenn es nämlich der Beschwerdeführerin zu 1) gelingen sollte, eine größere Unterkunft zu finden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
IV.
Die Entscheidung bezüglich der Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten de Beschwerdeführer beruht
auf §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
114 Satz 1
ZPO.
V.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).