Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Ersatz von Leistungen nach § 34 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Der 1966 geborene Kläger und Berufungskläger hatte vom Beklagten und Berufungsbeklagten Leistungen nach dem SGB II bezogen,
zuletzt für die Monate Februar/März 2007. Im April 2007 war er wegen Arbeitseinkommens nicht hilfebedürftig gewesen.
Am 26.04.2007 schloss der Kläger mit der Beschichtungszentrum O. GmbH (im Folgenden: Arbeitgeberin) einen Arbeitsvertrag über
ein von 01.05.2007 bis 31.10.2007 befristetes (Vollzeit-) Arbeitsverhältnis als Mitarbeiter in der Produktion mit einem Grundlohn
von monatlich 1500 EUR. Die Kündigungsfristen entsprachen laut Vertrag den gesetzlichen Bestimmungen, während der Probezeit
von 12 Wochen betrug die Kündigungsfrist zwei Wochen (§ 1 Sätze 5 bis 7, § 12 Abs. 2 des Vertrags).
Der Vertrag enthält folgenden § 11 mit der Überschrift "Alkoholverbot":
"In Betriebsbereichen der Arbeitgeberin gilt generelles Alkoholverbot.
Der Arbeitnehmer erklärt sich während der Arbeitszeit bereit, sich im Verdachtsfall einer Alkoholkontrolle mittels Alko-Testgerät
zu unterziehen. Wird bei diesem Test Alkohol im Blut angezeigt, hat die Arbeitgeberin das Recht, den Arbeitnehmer abzumahnen;
im Wiederholungsfall kann die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis fristgerecht kündigen."
Das Arbeitsverhältnis endete laut Arbeitsbescheinigung der Arbeitgeberin zum 14.09.2007 durch fristlose Kündigung der Arbeitgeberin
wegen Verstoßes des Klägers gegen das Alkoholverbot und unentschuldigten Fernbleibens vom Arbeitsplatz. Der Kläger war nicht
wegen desselben Verhaltens bereits abgemahnt worden (siehe Nrn. 1 und 3 der Arbeitsbescheinigung der Arbeitgeberin gemäß §
57 SGB II vom 01.10.2007). Die fristlose Kündigung erfolgte mit Kündigungsschreiben der Arbeitgeberin vom 12.09.2007"aufgrund
des Vorfalls vom 07.09.2007".
Nach den Einlassungen des Klägers anlässlich einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten am 05.11.2007 habe er an dem
besagten Tag in der Nachtschicht von Freitag auf Samstag gearbeitet. Da die Maschine kaputt gewesen sei, habe er eine längere
Pause gemacht. In der Pause habe er gegen das Alkoholverbot verstoßen. Er sei allerdings davon ausgegangen, dass das Alkoholverbot
in der Pause nicht gültig sei. Anschließend seien alle Mitarbeiter nach Hause geschickt worden, da aufgrund der kaputten Maschine
eine weitere Beschäftigung nicht möglich gewesen sei (Niederschrift vom 05.11.2007).
Auf den Antrag des Klägers vom 17.09.2007 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 01.09.2007 bis zum 29.02.2008 Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in folgender Höhe (Bescheid vom 07.11.2007):
- 99,22 EUR für September 2007 (Kosten der Unterkunft: 19,22 EUR, befristeter Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld: 80
EUR);
- 481,78 EUR jeweils für Oktober und November 2007 (Regelleistung samt Zuschlag: 427 EUR, Kosten der Unterkunft: 54,78 EUR)
- 297,78 EUR jeweils für Dezember 2007 bis Februar 2008: (Regelleistung samt Zuschlag: 427 EUR, Kosten der Unterkunft: 54,78
EUR, Minderung der Leistungen wegen Absenkung/Sanktion: 184 EUR).
Nachdem der Kläger dem Beklagten am 04.12.2007 mitgeteilt hatte, dass er ab sofort bei der Firma h. in Vollzeit und unbefristet
beschäftigt sei, wurden die Leistungen zum 31.12.2007 eingestellt und der Bewilligungsbescheid vom 07.11.2007 ab 01.01.2008
aufgehoben (Bescheid vom 30.01.2008).
Der Beklagte verpflichtete den Kläger mit Bescheid vom 01.02.2008 zum Ersatz der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
von insgesamt 2.040,42 EUR. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass ihm vom 01.09.2007 bis zum 31.12.2007 Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts sowie Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung incl. einmaliger Heilkostenbeihilfe in Höhe
von insgesamt 2.042,42 EUR gewährt worden seien. Sein Verhalten sei Grund für die fristlose Kündigung zum 14.09.2007 gewesen,
da er gegen Pflichten als Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber verstoßen habe. Durch dieses Verhalten habe er die Voraussetzungen
der Hilfebedürftigkeit bzw. die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zumindest grob fahrlässig und ursächlich
herbeigeführt. Ein objektiv wichtiger Grund für sein Verhalten läge nicht vor. Die öffentlichen Interessen an einem sparsamen
Umgang mit den Mitteln aus dem Steueraufkommen und der Verwirklichung des Grundsatzes der Nachrangigkeit der Leistungsgewährung
nach dem SGB II überwögen das persönliche Interesse, im Rahmen der Entscheidungsfreiheit zu handeln. Gründe, bei deren Vorliegen
von der Geltendmachung des Ersatzanspruchs gemäß § 34 Abs. 1 SGB II abgesehen werden müsse, seien nicht ersichtlich. Die in
§ 34 Abs. 3 Satz 1 SGB II genannte Erlöschensfrist beginne erst mit Ablauf des Jahres, in dem die Leistung erbracht worden
sei.
Gegen den Bescheid vom 01.02.2008 legte der Kläger Widerspruch ein und brachte vor, dass er damals in der Pause gegen das
Alkoholverbot verstoßen habe. Er habe gedacht, dass es in der Pause erlaubt sei. Im Arbeitsvertrag habe jedoch ausdrücklich
gestanden, dass das Alkoholverbot in allen Betriebsbereichen der Arbeitgeberin gelte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2008 wurde der Bescheid vom 01.02.2008 dahingehend abgeändert, dass der Kläger zum Ersatz
der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 839,06 EUR verpflichtet sei. Im Übrigen wurde der Widerspruch
zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Der Bescheid vom 01.02.2008 sei insoweit rechtswidrig,
als er die für den Zeitraum 01.11.2007 bis 31.12.2007 erhaltenen Leistungen zurückgefordert habe. Im Übrigen sei er rechtmäßig.
Die Entscheidung beruhe auf § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Danach sei, wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich
oder grob fahrlässig die Voraussetzungen der eigenen Hilfebedürftigkeit ohne wichtigen Grund herbeigeführt habe, zum Ersatz
der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet. Das Bundesverwaltungsgericht habe für das schuldhafte Verhalten des Verursachers
den Begriff der Sozialwidrigkeit geprägt. Ob und inwieweit ein Verhalten als sozialwidrig anzusehen ist, richte sich nach
den Umständen des Einzelfalls. Schuldhaft verhalte sich der Verursacher jedoch nur, wenn er sich der Sozialwidrigkeit seines
Verhaltens bewusst oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bewusst gewesen sei. Das Alkoholverbot sei arbeitsvertraglich
vereinbart worden. Der Kläger habe angegeben, dass er vermutet habe, dass sich das Alkoholverbot nicht auf die Pausen erstreckt
habe. Die arbeitsvertragliche Regelung habe zu solch einer Vermutung keinen Anlass gegeben. Sie spreche ausdrücklich von den
"Betriebsbereichen der Arbeitgeberin" und einem "generellen Alkoholverbot". Der Kläger sei sich also jedenfalls infolge grober
Fahrlässigkeit über die Sozialwidrigkeit seines Verhaltens nicht bewusst gewesen. Zwischen dem schuldhaften Verhalten und
dem Eintritt der Hilfebedürftigkeit bestehe ein ursächlicher Zusammenhang. Hätte der Kläger keinen Anlass für eine (fristlose)
Entlassung gegeben, wäre er jedenfalls noch bis zum 31.10.2007 bei seinem Arbeitgeber beschäftigt gewesen und hätte mit dem
dadurch erzielten Einkommen seinen Lebensunterhalt sichern können. Ein wichtiger Grund für das Verhalten des Klägers sei weder
vorgetragen noch ersichtlich. Die Höhe des Ersatzanspruchs sei jedoch auf die Leistungen, die im Zeitraum vom 01.09.2007 bis
zum 31.10.2007 ausbezahlt worden seien, zu mindern, da das Arbeitsverhältnis bis zum 31.10.2007 befristet gewesen sei. Der
Ersatzanspruch belaufe sich auf insgesamt 839,06 EUR (einschließlich der Beiträge zur Krankenversicherung, Pflegeversicherung
und Rentenversicherung für September und Oktober 2008 in Höhe von 258,06 EUR).
Der zwischenzeitlich anwaltlich vertretene Kläger hat am 28.11.2008 Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben und die Aufhebung
des Bescheids vom 01.02.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.10.2008 beantragt. Ein grob fahrlässiges Verhalten
des Klägers sei nicht erkennbar. Er räume durchaus ein, dass er in den Pausen ein Bier getrunken habe. Er sei aber davon ausgegangen,
dass dies vom Arbeitgeber entgegen der Schriftform des Arbeitsvertrags geduldet werde. In den Pausenräumen auf dem Betriebsgelände
würden Bierautomaten aushängen. Viele andere Arbeitnehmer hätten zur Brotzeit jeweils ein Bier getrunken. Sein Verhalten sei
monatelang unbeanstandet geblieben. Der Vorarbeiter habe lediglich gesagt, es dürfe nicht mehr als "eine Halbe" getrunken
werden. Er habe keinerlei schriftliche Abmahnung bekommen. Im Arbeitsvertrag sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der
Arbeitgeber das Recht habe, den Arbeitnehmer bei Alkohol im Blut abzumahnen und im Wiederholungsfall das Arbeitsverhältnis
fristgerecht zu lösen. Weder habe hier eine Abmahnung stattgefunden noch sei die Frist eingehalten worden. Nachdem der Arbeitgeber
monatelang das Verhalten geduldet habe, rechtfertige dies eine fristlose Kündigung in keinem Fall. Die Probezeit sei im Zeitpunkt
der Kündigung längst abgelaufen gewesen. Es sei Alkohol konsumiert worden, ohne dass dem Kläger eine Beeinträchtigung der
Arbeitsleistung vorgeworfen worden wäre, so dass auf jeden Fall eine Abmahnung erforderlich gewesen wäre, die unstreitig ausweislich
der Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers nicht erfolgt sei. Soweit unentschuldigtes Fernbleiben vom Arbeitsplatz vorgeworfen
worden sei, habe es sich um das Überziehen der Pause um einige Minuten gehandelt. Grund dafür sei gewesen, dass die Maschine,
an der unter anderem der Kläger gearbeitet habe, kurz vor der Pause bzw. in der Pause wegen einer Störung nicht gelaufen sei
und es nicht möglich gewesen sei weiterzuarbeiten. Aus diesem Grund sei der Kläger erst einige Minuten später zu seinem Arbeitsplatz
zurückgekehrt, an dem er ohnehin nicht habe weiterarbeiten können wegen der kaputten Maschine. Diese habe auch während der
bestehenden Nachtschicht nicht mehr repariert werden können, so dass alle, die an dieser Maschine hätten arbeiten sollen,
für den Rest der Nachtschicht heimgeschickt worden seien. Die "Arbeitsbummelei" habe somit keinerlei Betriebsablaufstörung
zur Folge gehabt, was dem Kläger auch bekannt gewesen sei. Nach der Rechtsprechung rechtfertige allenfalls ein unentschuldigtes
Fehlen für die Dauer eines ganzen Arbeitstags im Wiederholungsfall nach einer Abmahnung eine fristlose Kündigung. Eine Abmahnung
sei nicht erfolgt. Der Kläger habe nicht damit rechnen müssen, dass es aufgrund seines Verhaltens zu einer fristlosen oder
überhaupt zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses kommen werde. Wenn er mit einem derartigen Verhalten des Arbeitgebers
nicht habe rechnen müssen, habe er auch nicht fahrlässig seine Hilfebedürftigkeit herbeigeführt.
Der Beklagte hat den Einwand des Klägers, dass eine fristlose Entlassung nicht gerechtfertigt gewesen sei, weil er keine schriftliche
Abmahnung erhalten habe und der Alkoholkonsum lange unbeanstandet geblieben sei, zurückgewiesen. Allein maßgeblich sei, ob
er mindestens grob fahrlässig die Voraussetzungen für seine Hilfebedürftigkeit ohne wichtigen Grund herbeigeführt habe. Durch
arbeitsvertragswidriges Verhalten habe er grob fahrlässig Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses in der Probezeit
gegeben. Da der Konsum von Alkohol in den Betriebsräumen arbeitsvertraglich generell und zweifelsfrei untersagt gewesen sei,
könne sich der Kläger weder auf das Verhalten seiner Kollegen noch das Vorhandensein von Bierautomaten berufen. § 34 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 SGB II setze nicht die Erfüllung arbeitsrechtlicher Bestimmungen voraus.
Das Sozialgericht Landshut hat die Klage mit Urteil vom 21.06.2010 abgewiesen. Der Kläger habe, so das Sozialgericht, seine
Hilfebedürftigkeit grob fahrlässig und ohne wichtigen Grund herbeigeführt. Der Alkoholgenuss während der Arbeitszeit sei zwar
nicht als sozialwidriges Verhalten einzustufen. Nach dem Arbeitsvertrag habe ein generelles Alkoholverbot in den Betriebsbereichen
der Arbeitgeberin bestanden, das aber insoweit eingeschränkt gewesen sei, als nach einem positiven Blutalkoholtest die Arbeitgeberin
zunächst nur das Recht gehabt hätte, den Arbeitnehmer abzumahnen. Im Wiederholungsfall hätte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis
fristgemäß kündigen können. Danach hätte der Kläger selbst bei einer Alkoholeinnahme während der Dienstzeit außerhalb der
Pausen lediglich eine Abmahnung zu erwarten gehabt, da er bislang nicht abgemahnt worden sei. Und selbst nach einer Abmahnung
sei lediglich eine fristgemäße Kündigung zu erwarten gewesen. Das Gericht sehe jedoch ein sozialwidriges Verhalten darin,
dass der Kläger die Kündigung ohne Inanspruchnahme des Rechtswegs hingenommen habe. Der Kläger habe aufgrund des Arbeitsvertrags
gewusst, dass die Arbeitgeberin wegen des Alkoholkonsums keinerlei rechtliche Möglichkeit gehabt hätte, das Arbeitsverhältnis
fristlos zu kündigen. Wie der Vortrag im Klageverfahren zeige, sei ihm dies bewusst gewesen. Wenn aber ein Betroffener eine
Kündigung ohne Inanspruchnahme des Rechtswegs in Kauf nehme und anschließend Leistungen nach dem SGB II beantrage und verbrauche,
habe er die Hilfebedürftigkeit grob fahrlässig ohne erkennbaren wichtigen Grund herbeigeführt.
Der Kläger hat gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut, das seiner Prozessbevollmächtigten am 12.07.2010 zugestellt worden
ist, am 11.08.2010 Berufung eingelegt. Dem Kläger sei zum Zeitpunkt der Kündigung nicht bewusst gewesen, dass die Arbeitgeberin
wegen des Alkoholkonsums keine rechtliche Möglichkeit gehabt hätte, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen. Bewusst gewesen
sei ihm damals, dass er Alkohol getrunken hatte und dass dieser Vorwurf gerechtfertigt war. Wegen des generellen Alkoholverbots
im Arbeitsvertrag sei er der Auffassung gewesen, dass er keine Möglichkeit gehabt hätte, sich gegen die Kündigung zur Wehr
zu setzen. Zudem sei das Kündigungsschutzgesetz noch nicht anwendbar gewesen, da der Kläger noch keine sechs Monate bei diesem Arbeitgeber gewesen sei. Hinzu komme, dass
der Kläger in seinem Leben noch nie einen Rechtsstreit angefangen habe bzw. vor Gericht gewesen sei, so dass die Hemmschwelle
entsprechend hoch gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 21.06.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 01.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 29.10.2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte auf das Urteil des Sozialgerichts Landshut. Außerdem hat er vorgebracht, dass es widersprüchlich
sei, wenn der Kläger auf der einen Seite eine hohe Hemmschwelle für das Einleiten eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens vortrage
und auf der anderen Seite im eigens eingeleiteten sozialgerichtlichen Verfahren sogar in Berufung gehe.
Der Senat hat die Akten des Beklagten und des Sozialgerichts Landshut beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf
den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet. Auf die Anfechtungsklage hin sind das Urteil des Sozialgerichts Landshut und die streitgegenständlichen
Bescheide aufzuheben, weil die Bescheide rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen.
Der vom Beklagten zuletzt in Höhe von Höhe von 839,06 EUR verfolgte Ersatzanspruch bezieht sich auf die Leistungen nach dem
SGB II, die dem Kläger für die Monate September und Oktober 2007 gewährt worden waren. Nachdem der Beklagte mit Bescheid vom
01.02.2008 zunächst 2042,42 EUR vom Kläger verlangt hatte, wurde die Forderung mit dem Widerspruchsbescheid vom 28.10.2008
auf 839,06 EUR reduziert, weil das befristete Arbeitsverhältnis des Klägers ohnehin ab 01.11.2007 beendet gewesen wäre.
Die Voraussetzungen für den geltend gemachten Ersatzanspruch gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II in der hier anwendbaren,
bis 31.03.2011 geltenden Fassung (a.F.) liegen nicht vor. Danach ist, wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich
oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für seine Hilfebedürftigkeit oder die Hilfebedürftigkeit von Personen, die mit ihm
in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet.
Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die der Kläger für die Monate September und Oktober 2007 vom Beklagten
erhalten hat, sind zwar unstreitig zu Recht gewährt worden, so dass der nur rechtmäßige Leistungen betreffende § 34 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 SGB II (h.M., vgl. Fügemann in Hauck/Noftz, Loseblattkommentar zum SGB II, Stand Januar 2012, § 34 Rn. 10; Grote-Seifert
in jurisPK - SGB II, 3. Auflage 2012, Stand 15.08.2011, § 34 Rn. 7; Conradis in LPK-SGB II, 3. Auflage 2009, § 34 Rn. 3; Link
in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Auflage 2008, § 34 Rn. 10) als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt. Der Kläger
hat aber nicht sozialwidrig die Voraussetzungen für seine Hilfebedürftigkeit herbeigeführt.
Die Sozialwidrigkeit des Verhaltens desjenigen, der ersatzpflichtig sein soll, ist ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal
für den Ersatzanspruch. Das im Sozialhilferecht entwickelte Erfordernis der Sozialwidrigkeit gilt auch für den Ersatzanspruch
gemäß § 34 SGB II (h.M., vgl. Conradis aaO. § 34 Rn. 6 f.; Hänlein in Gagel, Loseblattkommentar zum SGB II/SGB III, Stand
Juli 2009, § 34 SGB II Rn. 12 ff.; Link aaO. § 34 Rn. 14; Bieback in Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, 3. Auflage 2010,
§ 103 Rn. 10; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.07.2007, L 5 B 410/07 AS); die modifizierende Meinung, dass die Prüfung der Sozialwidrigkeit mit der Prüfung des wichtigen Grundes zusammenfalle
(vgl. Fügemann aaO. § 34 Rn. 37 ff.; Grote-Seifert aaO. § 34 Rn. 23) kann aus systematischen Gründen nicht überzeugen. Ausweislich
der Gesetzesmaterialien (BT-Drs 15/1516, S. 62, zu § 34) lehnt sich der durch Art. 1 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen
am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I S. 2954) geschaffene und am 01.01.2005 in Kraft getretene § 34 SGB II an das Sozialhilferecht an. Der dem Gesetzgeber als Vorbild dienende § 92a Bundessozialhilfegesetz (BSHG), jetzt § 103 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII), ist von der Rechtsprechung über seinen Wortlaut hinaus unter Berücksichtigung des
Schutzzwecks der Norm so interpretiert worden, dass das Verhalten, durch das die Voraussetzungen für die Leistungen der Sozialhilfe
herbeigeführt worden ist, sozialwidrig - nicht unbedingt rechtswidrig im Sinn einer unerlaubten Handlung - sein muss (vgl.
BVerwG, Urteil vom 24.06.1976, V C 41.74; Urteil vom 14.01.1982, 5 C 70/80; Urteil vom 23.09.1999, 5 C 22/99; Urteil 10.04.2003, 5 C 4/02; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.11.2008, L 20 B 135/08 SO; Bieback in Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, 3. Auflage 2010, § 103 Rn. 9). Dass neuerdings der mit Wirkung ab
01.04.2011 geänderte § 34 SGB II die amtliche Überschrift "Ersatzansprüche bei sozialwidrigem Verhalten" trägt, kann als gesetzgeberische
Bestätigung der Gesetzesauslegung angesehen werden, wonach es beim Ersatzanspruch gemäß § 34 SGB II auf die Sozialwidrigkeit
des Verhaltens ankommt.
Wie im Sozialhilferecht setzt der Ersatzanspruch gemäß § 34 SGB II nach richtiger Auffassung voraus, dass das fragliche Verhalten
des Ersatzpflichtigen objektiv sozialwidrig sein muss. Allein die Ursächlichkeit eines (schuldhaften) Verhaltens reicht nicht
aus, um einen Ersatzanspruch zu begründen.
Sozialwidrig ist ein Verhalten, wenn das Tun oder Unterlassen desjenigen, der zum Ersatz verpflichtet werden soll, objektiv
zu missbilligen ist, wobei stets die jeweiligen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden müssen. Erst wenn geklärt ist,
dass das fragliche Verhalten als sozialwidrig zu bewerten ist, sind die Verschuldensfrage und sodann die Frage des wichtigen
Grundes zu prüfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.1976, V C 41.74, juris Rn. 14; Urteil vom 14.01.1982, 5 C 70/80, juris Rn. 9, 11; vgl. außerdem LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.07.2007, L 5 B 410/07 AS).
Der Kläger hat seine Hilfebedürftigkeit nicht sozialwidrig, d.h. nicht in objektiv zu missbilligender Weise herbeigeführt
hat. Der Senat hält bei Berücksichtigung aller Umstände weder den zur Kündigung führenden Verstoß des Klägers gegen das Alkoholverbot
(dazu 1.) noch das ebenfalls als Kündigungsgrund benannte unentschuldigte Fernbleiben des Klägers vom Arbeitsplatz (dazu 2.)
noch die Hinnahme der Kündigung ohne Klageerhebung (dazu 3.) für sozialwidrig.
1. Unstreitig ist, dass sich der Kläger arbeitsvertragswidrig verhielt, indem er das Alkoholverbot missachtete, das laut §
11 Satz 1 des Arbeitsvertrags in den Betriebsbereichen der Arbeitgeberin generell gilt, und dass dies Anlass für die fristlose
Kündigung vom 12.09.2007 war. Um dem Kläger sozialwidriges Verhalten vorwerfen zu können, müsste er allerdings in einer Weise
gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen haben, dass seine Arbeitgeberin berechtigterweise das Arbeitsverhältnis
hätte kündigen können. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe
in der Variante "arbeitsvertragswidriges Verhalten als Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses" gemäß §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 Alt. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) bzw. der Vorgängervorschrift § 119 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ist der Senat der Auffassung, dass einer Person ihre Arbeitslosigkeit und die dadurch eintretende Hilfebedürftigkeit im
Sinn des SGB II nicht angelastet werden kann, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beendet, obwohl das vertragswidrige
Verhalten des Arbeitnehmers die Beendigung überhaupt nicht rechtfertigt (BSG, Urteil vom 25.04.1990, 7 RAr 106/89, Juris Rn. 17; vgl. auch Valgolio in Hauck/Noftz, Loseblatt-Kommentar zum
SGB III, Stand Dezember 2009, §
144 Rn. 72; Karmanski in Niesel/Brand, Kommentar zum
SGB III, 5. Auflage 2010, §
144 Rn. 46, 51).
Nicht jede Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis ist geeignet, eine Kündigung des Arbeitgebers zu rechtfertigen. Der Verstoß
des Klägers gegen das Alkoholverbot ist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls nicht ausreichend gewesen,
um die deswegen ausgesprochene fristlose Kündigung, d.h. die Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist
gemäß §
626 Bürgerliches Gesetzbuch, zu rechtfertigen. Da der Kläger unstreitig nicht abgemahnt worden war, bevor das Arbeitsverhältnis gekündigt wurde, wäre
selbst eine die Kündigungsfrist wahrende ordentliche Kündigung nicht rechtens gewesen. Erst Recht nicht gerechtfertigt war
die fristlose Kündigung, die die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 12.09.2007 wegen des "Vorfalls am 07.09.2007" erklärte. Das
Erfordernis einer vorherigen Abmahnung folgt aus § 11 des Arbeitsvertrags, den der Kläger und die Arbeitgeberin im April 2007
abgeschlossen hatten. Danach hätte im Verdachtsfall eine Alkoholkontrolle mittels Alko-Testgerät erfolgen können, bei Anzeige
von Alkohol im Blut hätte die Arbeitgeberin dann das Recht gehabt, den Arbeitnehmer abzumahnen. Erst im Wiederholungsfall
hätte die Arbeitgeberin nach der vertraglichen Regelung das Arbeitsverhältnis kündigen können. Auf den Gesichtspunkt, ob sich
der Kläger am 07.09.2007 noch in der Probezeit befand, kommt es für die Frage, ob die fristlose Kündigung vom 12.09.2007 berechtigt
war, nicht an; bei einem Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses am 01.05.2007 war die zwölfwöchige Probezeit im September
2007 übrigens längst abgelaufen.
2. Soweit die Arbeitgeberin die fristlose Kündigung nicht nur auf den Verstoß gegen das Alkoholverbot, sondern auch auf das
unentschuldigte Fernbleiben des Klägers vom Arbeitsplatz stützte (vgl. Arbeitsbescheinigung vom 01.10.2007), scheitert der
Vorwurf der Sozialwidrigkeit des Verhaltens des Klägers ebenfalls schon daran, dass eine diesbezügliche Abmahnung vor der
Kündigung nicht erfolgt war, so dass es nicht mehr darauf ankommt, ob der Vorwurf des unentschuldigten Fernbleibens des Klägers
vom Arbeitsplatz überhaupt zutrifft. Eine fristlose Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen setzt regelmäßig eine vorherige
Abmahnung voraus, wenn die Vertragsverletzung den Verhaltens- und Leistungsbereich betrifft (vgl. Küttner, Personalbuch 2009,
"Abmahnung" Rn. 9, 12, "Kündigung, außerordentliche" Rn. 43). Auch beim Sperrzeittatbestand der Arbeitsaufgabe gemäß §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 Alt. 2
SGB III wird danach gefragt, ob vor einer verhaltensbedingten Kündigung die erforderliche Abmahnung erfolgt ist (vgl. Winkler in
Gagel, Loseblatt-Kommentar zum SGB II/SGB III, Stand Dezember 2011, § 144 Rn. 64, 66, 69, 86; vgl. auch BSG, Urteil vom 22.03.2010,
B 4 AS 68/09 R, juris Rn. 18).
3. Der Kläger nahm die fristlose Kündigung vom 12.09.2007 hin, ohne Klage zum Arbeitsgericht zu erheben. Entgegen der Würdigung
des Sozialgerichts kann auch dieses Verhalten nicht als sozialwidrige Herbeiführung der Voraussetzungen für die Hilfebedürftigkeit
gewertet werden. Es besteht grundsätzlich weder eine Pflicht noch eine Obliegenheit des Arbeitnehmers, gerichtlich gegen eine
rechtswidrige Kündigung des Arbeitgebers vorgehen zu müssen. Auf diesem Grundgedanken beruht auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts,
wonach eine Sperrzeit nicht dadurch ausgelöst wird, dass der Arbeitnehmer eine rechtswidrige Kündigung hingenommen hat, und
zwar auch dann nicht, wenn es sich um eine offensichtlich rechtswidrige Kündigung handelt (vgl. BSG, Urteil vom 25.04.2002,
B 11 AL 89/01 R).
4. Dass der Kläger mit einem sonstigen Verhalten sozialwidrig die Voraussetzungen für seine Hilfebedürftigkeit herbeigeführt
haben könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Der Ersatzanspruch ist auch nicht gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II a.F. begründet. Dies entspricht offenbar auch der
Rechtsauffassung des Beklagten, der im Widerspruchsbescheid nur auf die Nr. 1 dieser Vorschrift abgestellt hat. Nach § 34
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II a.F. ist, wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Zahlung
von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an sich oder an Personen, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben,
ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet. Zweifelhaft ist, ob diese
Regelung, die zwischenzeitlich mit Wirkung ab 01.04.2011 gestrichen und durch den neuen § 34a SGB II ("Ersatzansprüche für
rechtswidrig erhaltene Leistungen") ersetzt worden ist, überhaupt einen eigenständigen Anwendungsbereich hatte. Wer nämlich
nach Nr. 1 die Voraussetzungen für die Hilfebedürftigkeit herbeigeführt hat, hat damit zugleich die Zahlung von Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Nr. 2 des § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB II bewirkt (vgl. Conradis aaO. § 34 Rn. 9). Es wurde
daher angenommen, dass die Nr. 2 die Fälle erfasst, in denen vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Angaben zu den Einkommens-
oder Vermögensverhältnissen gemacht oder wesentliche leistungserhebliche Tatsachen verschwiegen wurden (vgl. Link, aaO. §
34 Rn. 13a). Davon kann hier keine Rede sein.
Da die streitgegenständlichen Bescheide komplett aufzuheben sind, kommt es nicht mehr darauf an, dass der mit dem Widerspruchsbescheid
vom 28.10.2008 auf 839,06 EUR reduzierte Ersatzanspruch falsch berechnet worden ist. Anders als nach der seit 01.04.2011 geltenden
Fassung (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB II n.F.) umfasste der Ersatzanspruch gemäß § 34 Abs. 1 SGB II in der hier anzuwendenden
alten Fassung nach h.M. nicht die geleisteten Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung. Ausweislich der Gesetzesmaterialien
hat der Gesetzgeber die Ersatzpflicht jetzt auf "das gesamte Leistungsspektrum des SGB II" erweitert (BT-Drs. 17/3404, S.
113 zu § 34).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG liegen nicht vor.