Gründe:
Die Beschwerdeführer begehren im Wege des einstweiligen Rechtschutzes über die gewährten Regelleistungen nach dem Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) weitere, darüber hinausgehende Leistungen.
Die 1962 geborene Beschwerdeführerin (Bf.) zu 1 bezieht zusammen mit ihrem 1992 geborenen behinderten Sohn, dem Bf. zu 2 seit
dem 11.06.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Als Ergebnis des im Verfahren vor dem Sozialgericht München mit dem Az. S 52 AS 2450/08 ER geschlossenen Vergleichs zog die Bf. in ihre heutige Wohnung, die Beschwerdegegnerin (Bg.) verpflichtete sich die Kosten
des Umzugs sowie die Kosten der Unterkunft für die an sich unangemessen große Wohnung für ein Jahr zu übernehmen.
Mit Änderungsbescheid vom 27.11.2008 bewilligte die Bg. für die Bf. zu 1 aufgrund des vollzogenen Umzugs ab 01.11.2008 bis
31.05.2009 Leistungen in Höhe von 785,03 EUR (Regelsatz 351 EUR, Mehrbedarf für Alleinerziehung 42 EUR, Unterkunftsanteil
392,03 EUR) und für den Bf. zu 2 Leistungen in Höhe von 169,03 EUR (Regelsatz 281 EUR, Unterkunftsanteil 392,03 EUR, abzüglich
Unterhalt 350 EUR und Kindergeld 154 EUR) monatlich. Für den Monat November 2008 rechnete die Bg. 200 EUR abzüglich der Pauschale
in Höhe von 30 EUR aus der am 29.10.2008 erhaltenen Zuwendung in Höhe von 650 EUR für Schulkosten und Bekleidungsbeihilfe
von "Antenne Bayern hilft" als Einkommen an, reduzierte die Leistungen um diesen Betrag und teilte mit, dass sie die Überzahlung
in vier Raten zu je 42,50 EUR mit den monatlichen Leistungen aufrechne. Zudem habe die Bf. im Monat September aufgrund der
am 02.09.2008 erfolgten Zwangsräumung zu Unrecht Kosten der Unterkunft in Höhe von 499,39 EUR erhalten. Die mit Bescheid vom
09.10.2008 festgesetzte Rückzahlungsrate von monatlich 100 EUR werde ab 01.12.2008 auf monatlich 25 EUR reduziert und ebenfalls
mit der monatlichen Leistung aufgerechnet. Zusätzlich werde von dem am 06.11.2008 gemäß § 23 Abs. 1 SGB II erhaltenen Darlehen
zur Beschaffung von Küchenmöbeln monatlich 25 EUR zur Schuldentilgung an die Kreiskasse M. überwiesen.
Nach Durchführung des Umzugs machte die Bf. in einem Antrag auf einstweiligen Rechtschutz geltend, dass monatlich Gelder einbehalten
und die tatsächlichen Kosten nicht übernommen würden. Der Lebensunterhalt sei nicht gesichert, der Regelbedarf nicht bedarfsdeckend,
gerade nicht im Hinblick auf die Leistungen für ihren Sohn. Unerledigte Arbeiten bezüglich des Umzugs seien noch durchzuführen,
im Oktober beantragte Schulkosten seien nicht übernommen worden.
Mit Beschluss vom 29.12.2008 verpflichtete das Sozialgericht München die Bg. durch einstweiligen Anordnung ab Januar 2009
die im Wege der Aufrechnung einbehaltenen Beträge in Höhe von insgesamt 92,50 EUR an die Bf. auszuzahlen und außergerichtliche
Kosten zu einem Viertel zu übernehmen. Bei summarischer und vorläufiger Überprüfung sei ungewiss, ob die Voraussetzungen für
eine Aufrechnung nach § 43 SGB II vorlägen. Angesichts der Tatsache, dass die Bf. zu 1 mit ihrem behinderten Sohn zusammenlebe
und es sich um existenzsichernde Leistungen handle, spreche die Güterabwägung für die Bf ... Soweit die Bf. jedoch Leistungen
für die Vergangenheit beantrage (September bis Dezember 2008) könnten diese insbesondere im einstweiligen Rechtsschutz nicht
zugesprochen werden. Auch für die geltend gemachten unerledigten Handwerkerarbeiten fehle es an der erforderlichen Eilbedürftigkeit.
Soweit Kosten für medizinische Versorgung nicht aufgebracht werden könnten, liege kein Anordnungsanspruch vor. Die Bf. seien
gesetzlich krankenversichert und erhielten Leistungen nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V), darüber hinausgehende Leistungen sehe das SGB II nicht vor. Auch verstoße der achtzigprozentige Regelsatz für den Bf. zu
2 nicht gegen die Verfassung. Zwar habe das Hessische Landessozialgericht mit Beschluss vom 29.10.2008 (Az. L 6 AS 336/07) die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelsätze für Kinder dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung vorgelegt, dieses
Verfahren sei jedoch noch nicht abgeschlossen. Das Gericht könne diesem nicht vorgreifen.
Gegen diesen Beschluss des Sozialgerichts München, zugestellt am 31.12.2008 haben die Bf. am 29.01.2009 beim Sozialgericht
München Beschwerde erhoben.
Sie machen sinngemäß geltend:
Der erforderliche Lebensunterhalt und die gesundheitliche Versorgung sei für den Bf. zu 2 nicht gesichert, insbesondere seien
krankheitsbedingte Aufwendungen (nicht verschreibungspflichtige Medikamente, Arztfahrten) und Kosten für die Schulbildung
(Schulgeld, Bücher, Schulmaterial) zu leisten.
Es seien Nachzahlungen für die Zeit vom 11.06.2008 bis 31.06.2008 sowie für die Monate September bis einschließlich November
2008 zu leisten und gemäß §
44 SGB I zu verzinsen.
Die Aufrechnung der Stiftungsgelder sei rückgängig zu machen.
Die tatsächlichen Mietkosten inklusive der Warmwasserbereitung und die tatsächlichen Stromkosten seien zu übernehmen.
Die Kosten des Umzugs seien zu übernehmen.
Die Mietkaution sei als Bürgschaft zu gewähren und damit den Vertrag zur Sicherung der Mietkaution vom 24.10.2008 rückgängig
zu machen und eine vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 29.12.2008 sei zu erstellen.
Die Bg. teilte mit, dass sie am 19.01.2009 die für Januar 2009 einbehaltenen Beträge in Höhe von 92,50 EUR zuzüglich 25 EUR
Einbehalt vom Dezember 2008, also insgesamt 117,50 EUR an die Bf. überwiesen habe. Seit Januar 2009 würden Leistungen in unverminderter
Höhe gewährt. Zudem werde auf den parallel ergangen Beschluss des Sozialgerichts München vom 13.02.2009, Az. S 32 AS 232/09 ER verwiesen. In diesem Beschluss hat das Sozialgericht München u.a. über höhere Regelleistungen für die Bf. zu 1, weitere
Leistungen für Juni 2008, Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Mietkosten zuzüglich der Warmwasserbereitung
und für Strom, die noch offene Rechnung des Umzugsunternehmers, die Änderung der Kautionsregelung, Zinsen, Auslagen für Widerspruchsverfahren
und Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden. Den Antrag auf Übersendung einer vollstreckbaren Ausfertigung
des Beschlusses vom 29.12.2008 wurde abgetrennt und an zuständige Kammer des Sozialgerichts München abgegeben.
In einem dem Beschluss vom 13.02.2008 vorausgegangen Termin zur Erörterung des Sachverhalts, ebenfalls am 13.02.2008, erklärte
sich die Bg. bereit, das für das Schuljahr 2008/2009 anfallende Büchergeld in Höhe von 195,15 EUR für den Bf. zu 2 als Darlehen
zu gewähren und die Rückzahlung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens auszusetzen.
Der Senat hat die Bf. mit Schriftsatz vom 16.03.2009 hingewiesen, dass Streitgegenstand des anhängigen Beschwerdeverfahren
lediglich der Mehrbedarf für den Bf. zu 2 bzw. die Höhe des Regelsatzes sowie die Höhe der Leistungen für die Monate September
2008 bis Dezember 2008 sind.
Wegen weitere Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakten der Bg. Bezug
genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig gemäß §§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG), sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §
86b Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) liegen nicht vor.
Streitgegenstand dieses Verfahrens ist lediglich der für den Bf. zu 2 geltend gemachte Mehrbedarf bzw. die Höhe des Regelsatzes
sowie die Höhe der Leistungen für die Monate September 2008 bis Dezember 2008, nicht hingegen die Leistungen für den Monat
Juni 2008, die Übernahme der tatsächlichen Mietkosten inklusive der Warmwasserbereitung und die tatsächlichen Stromkosten,
die Kosten des Umzugs und die Gewährung der Mietkaution als Bürgschaft. Diesbezüglich ist in einem weiteren Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes, S 32 AS 232/09 ER, ein Beschluss des Sozialgerichts München vom 29.01.2009 ergangen. Auch der Antrag auf Erstellung einer vollstreckbare
Ausfertigung des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 29.12.2008 ist nicht Streitgegenstand.
Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung)
ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§
86 Abs.
2 Satz 2
SGG). Das ist dann der Fall, wenn den Bf. ohne eine solche Anordnung schwere, unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile
entstehen, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht
in BVerfG 79, 69 ff.).
Eine solche Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Bf. einen Anordnungsgrund, der sich aus der Eilbedürftigkeit ergibt,
und einen Anordnungsanspruch glaubhaft macht, §
86 Abs.
2 Satz 2 und
4 SGG i.V.m. den §§
90 Abs.
2,
294 Abs.
1 Zivilprozessordnung (
ZPO). Bei der erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ist im Bereich der Leistungen nach des SGB II die Erfolgsaussicht
der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. Bundesverfassungsgericht, vom 12.05.2005, Az. 1 BvR 569/05). Ist dem Gericht allerdings im Eilverfahren trotz Amtsermittlungsgrundsatz eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage
nicht möglich, so muss anhand der Folgenabwägung entschieden werden. Hierbei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers
einzubeziehen.
Bei der erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage zeigt sich, dass der Antrag der Bf. insgesamt keinen Erfolg hat.
Es fehlt bezüglich der geltend gemachten höheren Leistungen für die Monate September 2008 bis Dezember 2008 an einem Anordnungsgrund.
Ein Anordnungsgrund liegt nur vor, wenn der Erlass einer Eilentscheidung zur Abwehr wesentlicher Nachteile zwingend geboten
und die Sache deshalb eilbedürftig ist. Daran fehlt es auch in Verfahren nach dem SGB II, wenn Leistungen für die Vergangenheit,
also für eine Zeit vor Eingang des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz begehrt werden (vgl. u. a. LSG Bayern Beschluss
vom 14.06.2005, Az. L 11 B 206/05 SO ER, Meyer-Ladewig,
SGG, 9. Auflage, 2008, §
86b Rdnr. 29a). Denn charakteristisch für den Anordnungsgrund ist die Dringlichkeit der Angelegenheit, die in aller Regel nur
in die Zukunft wirkt. Es ist rechtlich zwar nicht auszuschließen, dass auch für vergangene Zeiträume diese Dringlichkeit angenommen
werden kann; diese überholt sich jedoch regelmäßig durch Zeitablauf. Ein Anordnungsgrund für Zeiträume vor einer gerichtlichen
Entscheidung ist daher nur ausnahmsweise anzunehmen, wenn ein noch gegenwärtig schwerer, irreparabler und unzumutbarer Nachteil
glaubhaft gemacht wird, und sich ein besonderer Nachholbedarf durch die Verweigerung der Leistungen in der Vergangenheit auch
für die Zukunft noch fortwirkt.
Leistungen für die Vergangenheit in diesem Sinne sind insbesondere die von den Bf. am 16.12.2008 beantragte vollständige Auszahlung
der Leistungen ab September 2008 bis Dezember 2008. Es liegen auch keine Umstände vor, die ein Abweichen von diesem Grundsatz
rechtfertigen würden.
Auch bzgl. der geltend gemachten Aufwendungen für Schul- und Büchergeld fehlt es an einem Anordnungsgrund. Die Bg. hat sich
im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht München vom 13.02.2009 bereit erklärt, das für das Schuljahr 2008/2009 anfallende
Büchergeld als Darlehen zu übernehmen; die Spende von "Antenne Bayern hilft" in Höhe von 650 EUR für Schulkosten und Kleidungsbeihilfe
deckt bzgl. des nicht angerechneten Betrags in Höhe von 450 EUR das aktuell anfallende Schulgeld, so dass keine Eilbedürftigkeit
mehr erkennbar ist.
Soweit die Bf. geltend machen, dass die medizinische Versorgung für den Bf. zu 2 nicht gesichert sei, fehlt es an einem Anordnungsanspruch.
Der Bf. zu 2 ist gemäß §
5 SGB V gesetzlich krankenversichert und erhält wie jeder gesetzlich Versicherte Leistungen nach dem
SGB V. Darüber hinausgehende Leistungen, wie nicht verschreibungspflichtige Medikamente oder Fahrtkosten zum Arzt sind ebenso wie
Zuzahlungen in der Regelleistung des § 20 SGB II mit enthalten (vgl. Eicher/Spellbrink SGB II, 2. Auflage, 2007, § 20 RdNr.
24).
Ob der Regelsatz für Kinder zutreffend vom Gesetzgeber festgesetzt worden ist (vgl. Beschluss des Bundessozialgerichts vom
29.01.2009, Az. B 14/11b 9/07 R) kann im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz nicht entschieden werden. Ein Anordnungsgrund
ist nicht ersichtlich. Die Höhe des dem Bf. zu 2 gewährten Sozialgeldes gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 1 SGB II ist geeignet, zumindest
bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens, das physiologische und soziokulturelle Existenzminimum zu sichern, zumal die Bf.
zu 1 noch einen Mehrbedarf als Alleinerziehende erhält.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG in analoger Anwendung.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.