Anspruch auf Altersrente, Nichterfüllung der Wartezeit nach einer Beitragserstattung; Erlöschen der Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger nach erfolgter Beitragserstattung eine Versichertenrente zu gewähren ist bzw. die von den jeweiligen
Arbeitgebern in der Zeit vom 22.04.1969 bis 30.09.1978 getragenen Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zu
erstatten sind bzw. Schadensersatz zu leisten ist.
Der 1939 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in seinem Heimatland. Er war vom 22.04.1969 bis 30.09.1978
in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt und kehrte danach in die Türkei zurück.
Auf seinen Antrag vom 25.11.1980 sind ihm die von ihm in der Zeit vom 25.04.1969 bis 30.09.1978 getragenen Beiträge zur deutschen
gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 18.927,00 DM mit Bescheid vom 08.12.1980 erstattet worden.
Mit Schreiben vom 16.08.2004, beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit am 13.09.2004 eingegangen, beantragte der Kläger
die Gewährung von Altersrente. Mit Bescheid vom 12.10.2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die vom Kläger zur deutschen
gesetzlichen Rentenversicherung geleisteten Beiträge seien ihm mit Bescheid vom 08.12.1980 erstattet worden; damit sei das
bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst worden. Somit bestehe u.a. kein Anspruch auf Zahlung einer Rente mehr. Eine Erstattung
des vom Arbeitgeber getragenen Beitragsanteils sei nach wie vor nicht möglich. Mit Widerspruch vom 09.12.2004 hiergegen machte
der Kläger geltend, dass der vom Arbeitgeber und vom Arbeiter einbehaltene Betrag sich auf 37.854,00 DM belaufe. Die ihm überwiesene
Beitragserstattung betrage 7.000,00 DM. Er beantrage die Bewilligung einer niedrigen Altersrente oder die Zahlung des Restbetrags.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit seiner hiergegen am 01.04.2005 beim Sozialgericht Bayreuth (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Mit Urteil vom 13.08.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von Altersrente aus den von den jeweiligen Arbeitgebern
in der Zeit vom 22.04.1969 bis 30.09.1978 getragenen Beiträgen zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung bzw. einen Anspruch
auf Erstattung derselben. Gemäß § 1303 Abs 1 Satz 1
Reichsversicherungsordnung (
RVO) seien dem Kläger auf seinen Antrag hin die Hälfte der für die Zeit nach dem 20.06.1948 im Bundesgebiet, für die Zeit nach
dem 24.06.1948 im Land Berlin und für die Zeit nach dem 19.11.1947 im Saarland entrichteten Beiträge zu erstatten. Dies sei
hier unstreitig erfolgt. Gründe, die gegen die Durchführung der Erstattung oder für deren Unwirksamkeit sprächen, seien nicht
ersichtlich und vom Kläger auch nicht vorgetragen worden. Gemäß § 1303 Abs 7
RVO schließe diese Beitragserstattung weitere Ansprüche aus den zurückliegenden Versicherungszeiten aus. Da der Kläger nach dem
30.09.1978 keine weiteren rentenrechtlichen Zeiten in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt habe, habe er keinen Anspruch
aus dem damals bestehenden, durch die Beitragserstattung aber aufgelösten Versicherungsverhältnis mehr. Die durchgeführte
Beitragserstattung führe nämlich nicht nur zur Auflösung des beim Rentenversicherungsträger aufgelaufenen Guthabens der erstattungsfähigen
Beiträge, sondern zur rückwirkenden Löschung des Versicherungsverhältnisses in seiner Gesamtheit bzw. in leistungsrechtlicher
Hinsicht zum Verfall der bis dahin zurückgelegten Versicherungszeiten. Zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehe damit
kein Versicherungsverhältnis mehr, aus dem Ansprüche hergeleitet werden könnten. Aufgrund dieser eindeutigen Gesetzeslage
scheitere damit sowohl der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Regelaltersrente aus den von den jeweiligen Arbeitgebern
in der Zeit vom 22.04.1969 bis 30.09.1978 getragenen Beiträgen zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung als auch der
Anspruch auf Erstattung derselben.
Hiergegen richtet sich die beim SG am 16.09.2008 und beim Bayer. Landessozialgericht am 08.10.2008 eingegangene Berufung des Klägers. In allen Ländern der Welt
stünden die für einen Arbeitnehmer eingezahlten Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge dem Arbeitnehmer zu. Es spiele dabei
keine Rolle, ob das Geld vom Arbeitnehmer oder Arbeitgeber gezahlt worden sei. Die Erstattung sei dann entweder in gesamter
Höhe zulässig oder überhaupt unzulässig. Es sollten die gesamten Beiträge ausgezahlt werden. Es sei eine Schadensersatzklage.
Im Vertrag sei auch keine Rede davon gewesen, dass die von Arbeitern abgezogenen und vom Arbeitgeber zur Rentenversicherung
gezahlten Beiträge an die Schatzkammer verfielen. Er beantrage mindestens 50.000,00 EUR Abfindung und seine wiederverwertbaren
Kosten. Er führe Beschwerde u.a. wegen Diskriminierung zwischen Inländern und Ausländern.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 13.08.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 01.03.2005 aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen,
ihm aus den von den jeweiligen Arbeitgebern in der Zeit vom 22.04.1969 bis 30.09.1978 getragenen Beiträgen zur deutschen gesetzlichen
Rentenversicherung eine Altersrente zu gewähren, hilfsweise, die genannten Beiträge zu erstatten, hilfsweise, Schadensersatz
bzw. eine Abfindung in Höhe von mindestens 50.000,00 EUR zu leisten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 13.08.2008 zurückzuweisen.
Aufgrund der eindeutigen Gesetzeslage bestehe kein Anspruch auf Versichertenrente bzw. Beitragserstattung allein aus den vom
Arbeitgeber getragenen Beiträgen. Die Berufungsbegründung vom 08.09.2008 weise keine neuen Gesichtspunkte auf, die zu einer
Änderung gegenüber der bisherigen Beurteilung führen könnten.
Der Senat hat die Akte der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung erweist sich jedoch nicht als begründet.
Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 13.08.2008 die Klage abgewiesen, denn der Kläger hat weder einen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung
von Altersrente, noch, dass ihm die von den jeweiligen Arbeitgebern in der Zeit vom 22.04.1969 bis 30.09.1978 getragenen Beiträge
zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung erstattet werden, noch auf Leistung von Schadensersatz bzw. auf eine Abfindung
von mindestens 50.000,00 EUR.
Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente gemäß §
35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) liegen nicht vor. Der Kläger hat aufgrund der durchgeführten Beitragserstattung die für die Gewährung einer Altersrente
erforderliche Wartezeit gemäß §§
34 Abs
1,
50 Abs
1 Nr
1 SGB VI nicht erfüllt.
Versicherte haben gemäß §
35 SGB VI (idF vom 19.02.2002) Anspruch auf Altersrente, wenn sie
1. das 65. Lebensjahr vollendet und
2. die allgemeine Wartezeit erfüllt
haben.
Für die Gewährung einer Altersrente ist gemäß §§
34 Abs
1,
50 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGB VI die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren Voraussetzung.
Der Kläger erfüllt nicht die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren, weil seine Rentenanwartschaft - worauf das Erstgericht
zutreffend hinweist - seit der mit Bescheid vom 08.12.1980 durchgeführten Beitragserstattung erloschen ist, § 1303 Abs 7
RVO. Auf Beitragserstattungen vor dem 01.01.1992 ist § 1303
RVO anwendbar, denn §
210 SGB VI ist erst auf Beitragserstattungen ab dem 01.01.1992 anwendbar (Art 85 Abs 1 RRG 1992 vom 18.12.1998, BGBl I S 2261 iVm Art 42 RÜG vom 25.07.1991, BGBl I S 1606; Kasseler Kommentar, Sozialversicherung, Band 2, §
210 SGB VI Rdnr 28). Nach § 1303 Abs 7
RVO schließt die Erstattung weitere Ansprüche aus den bis dahin zurückgelegten Versicherungszeiten aus. Ansprüche aus dem bisher
zurückgelegten Versicherungsverhältnis erlöschen. Zu Recht weist das SG darauf hin, dass die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und der Beklagten mit der Beitragserstattung vom 08.12.1980 endgültig
beseitigt sind und damit kein Versicherungsverhältnis mehr besteht, aus dem Ansprüche hergeleitet werden könnten. Die bisher
zurückgelegten Versicherungszeiten können daher auch nicht mehr im Rahmen der Prüfung der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit
als Voraussetzung einer Altersrente berücksichtigt werden.
Eine Rentenanwartschaft hätte nur durch nachfolgende Beitragszeiten neu begründet werden können. Der Kläger hat jedoch nach
der Beitragserstattung keine weiteren Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung mehr entrichtet. Somit sind keine
Zeiten vorhanden, die auf die allgemeine Wartezeit angerechnet werden könnten.
Die für eine Altersrente erforderliche Wartezeit gemäß §§
34 Abs
1,
50 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGB VI ist somit nicht erfüllt.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Beitragserstattung gemäß § 1303 Abs 1 Satz 1
RVO ausdrücklich auf die Hälfte der entrichteten Beiträge, d.h. die vom Kläger (Versicherten) selbst getragenen Beiträge, begrenzt.
Die Erstattung der von den Arbeitgebern im Zeitraum vom 22.04.1969 bis 30.09.1978 getragenen Beiträge zur deutschen gesetzlichen
Rentenversicherung ist vom Gesetz ausgeschlossen.
Wesentlich neue Gesichtspunkte hat der Kläger in der Berufungsbegründung nicht vorgetragen, sondern lediglich darauf hingewiesen,
dass in allen Ländern der Welt die für einen Arbeitnehmer eingezahlten Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge dem Arbeitnehmer
zustünden; es spiele dabei keine Rolle, ob das Geld vom Arbeitnehmer oder Arbeitgeber gezahlt sei. Die Erstattung sei dann
entweder in der gesamten Höhe zulässig oder aber überhaupt unzulässig. Im Vertrag sei auch keine Rede davon gewesen, dass
die von den Arbeitern abgezogenen und vom Arbeitgeber zur Rentenversicherung gezahlten Beiträge an die Schatzkammer verfielen.
Wie bereits dargelegt, ergibt sich die Beschränkung der Beitragserstattung auf die Hälfte der entrichteten Beiträge aus dem
Gesetz, nämlich aus § 1303 Abs 1 Satz 1
RVO. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten beruht nicht auf einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen
Vertrag. Aus den dargelegten Gründen ist der Einwand des Klägers, Ausländer würden gegenüber Inländern diskriminiert, unbeachtlich.
Ein Verstoß der Beklagten gegen Artikel
3 Grundgesetz (
GG) ist nicht ersichtlich.
Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung Schadensersatz in Höhe der vom Arbeitgeber entrichteten Beitragsanteile bzw.
Abfindung in Höhe von mindestens 50.000,00 EUR geltend macht, ist ihm entgegenzuhalten, dass für einen auf Geld gerichteten
Schadensersatzanspruch bzw. Abfindungsanspruch der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gemäß §
51 SGG nicht gegeben ist. Vielmehr ist für einen auf Geldleistung gerichteten Schadensersatzanspruch, der kein Herstellungsanspruch
ist, gemäß §
40 Abs
2 Satz 1
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben (siehe auch BSG SozR 4100 §
151 Nr 3).
Auch die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in entsprechender Anwendung der §§
13,
14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I), der im Übrigen nicht auf Geldzahlung, sondern auf Naturalrestitution gerichtet ist, liegen schon mangels Pflichtverletzung
der Beklagten nicht vor. Darüber hinaus kann der sozialrechtliche Herstellungsanspruch nur auf eine rechtmäßige Amtshandlung
gerichtet sein und nicht - wie es vorliegend der Fall wäre - auf eine gesetzeswidrige Beitragserstattung bzw. Zahlung in Höhe
der von den Arbeitgebern entrichteten Beiträge (BSG SozR 2200 § 1407 Nr 2; BSGE 53, 144; SozR 2200 § 182 Nr 80 = NZA 86, 691, 693).
Nach alledem ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 13.08.2008 zurückzuweisen.
Die Kostenfolge beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht, §
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG.