Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bei einem Migräneleiden
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Klägerin eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab Antragstellung zusteht.
Die 1955 geborene Klägerin, türkische Staatsangehörige, zog im August 1973 aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland
zu. Sie hat nach ihren eigenen Angaben keinen Beruf erlernt. Von 1973 bis 1994 war sie als Fabrikarbeiterin versicherungspflichtig
beschäftigt. Anschließend war die Klägerin mit Ausnahme einer Teilzeittätigkeit vom 06.02.1998 bis 28.02.1998 arbeitsunfähig,
bezog bis Juni 1996 Leistungen der Arbeitsagentur oder war - mit Unterbrechungen - arbeitslos gemeldet ohne Leistungsbezug.
Ein Rentenantrag aus dem Jahre 1996 war rechtskräftig abgelehnt worden (Urteil des Sozialgerichts Würzburg [SG] vom 18.01.2000
- S 4 RJ 9/97, Urteil des Bayer. Landessozialgerichts [BayLSG] vom 17.07.2002 - L 20 RJ 132/00, Beschluss des Bundessozialgerichts vom 08.11.2002 - B 5 RJ 206/02 B).
Am 20.01.2003 beantragte die Klägerin erneut Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte holte ein orthopädisches
Gutachten durch Dr.B. und ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Frau Dr.S. ein, die beide zu dem Ergebnis kamen,
dass die Klägerin ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Fabrikarbeiterin nur noch unter drei Stunden ausüben könne, jedoch
für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen noch für sechs Stunden und
mehr bei Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen zur Verfügung stehen könne. Die Beklagte lehnte darauf mit Bescheid
vom 31.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2003 den Antrag ab.
Das SG hat nach Beiziehung der Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin ein Gutachten von Dr.Dr.F., Leiter des Deutschen
Zentrums für Fibromyalgie, eingeholt, der in seinem Gutachten vom 13.02.2006 folgende Gesundheitsstörungen festgestellt hat:
- Ganzkörperschmerzsyndrom, Stadium 2 nach Gerbershagen, dem ätiologisch eine Somatisierungsstörung mit einer anhaltend somatoformen
Schmerzstörung zugrunde liegt mit Ausprägung mittelgradig (klinisch nicht relevanter) depressiver Symptomatik
- chronisch degeneratives LWS-Syndrom mit degenerativen Veränderungen bei Zustand nach Bandscheibenvorfall L 4/5 und L 5/S
1 ohne neurologische Begleiterscheinungen
- ein chronisch degeneratives Halswirbelsäulensyndrom mit degenerativen Veränderungen und Zustand nach Bandscheibenvorfall
C 4/5 und C 5/6 ohne neurologische Defizite
- eine mäßiggradige Coxarthrose beidseits
- eine gering- bis mäßiggradige Gonarthrose beidseits
- eine Großzehengrundgelenksarthrose beidseits
- Übergewichtigkeit, BMI 30 kg/m²
- eine Hyperlipidämie (Hypercholesterinämie und Hypertriglyceridämie).
Die Klägerin sei trotz der festgestellten Einschränkungen noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig
zu sein. Aufgrund der nervenärztlichen Leiden solle die Klägerin nicht Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung wie
Akkord-, Fließbandarbeit, Wechsel-, Nachtschicht, Arbeit an laufenden Maschinen, Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen,
wie Arbeit auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr durchführen. Ferner solle sie nicht Tätigkeiten unter ungünstigen äußeren
Bedingungen, wie Tätigkeiten im Freien, Einflüsse von Kälte, Hitze, Zugluft, starken Temperaturschwankungen, Nässe und Lärm
durchführen. Aufgrund der orthopädischen Leiden sollten der Klägerin Tätigkeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und
Stützsystems, wie überwiegendes Stehen oder Gehen, häufiges Heben und Tragen von Lasten über 10 kg ohne technische Hilfsmittel,
häufiges Bücken oder Überkopfarbeiten, Arbeiten in Zwangshaltungen und häufiges Steigen nicht zugemutet werden. Die Feinmotorik
beider Hände sei erhalten, außergewöhnliche Pausen oder eine außergewöhnliche Arbeitszeitgestaltung seien nicht erforderlich.
Die Wegefähigkeit der Klägerin sei nicht eingeschränkt. Die festgestellte geminderte Erwerbsfähigkeit der Klägerin bestehe
seit dem Datum der Begutachtung im Klinikum Bad B. vom 30.12.2005. Aufgrund der Aktenlage und unter Berücksichtigung der Krankengeschichte
der Klägerin bestehe die geminderte Erwerbsfähigkeit bereits länger, mit Wahrscheinlichkeit seit ca. 2004 (Auftreten eines
Ganzkörperschmerzsyndroms wechselnder Intensität und Lokalisation). Zur Erhaltung und Besserung der Erwerbsfähigkeit könnten
stationäre Heilbehandlungen beitragen. Weitere Gutachten seien nicht erforderlich.
Auf Antrag der Klägerin hat das SG sodann ein neurologisches Gutachten nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) von Frau Prof. Dr.S. eingeholt, die im Gutachten vom 11.01.2007 zu dem Ergebnis gekommen ist, dass ein chronisches generalisiertes
Schmerzsyndrom vorliege bei degenerativen Lendenwirbelsäulenbeschwerden und einer zervikalen Spinalkanalstenose ohne neurologische
Ausfallserscheinungen. Zudem liege eine depressive Störung mit somatisierter Schmerzstörung vor. An weiteren Erkrankungen
bestehe die vorbekannte Hypercholesterinämie. Trotz dieser Gesundheitsstörungen sei die Klägerin noch in der Lage, eine Tätigkeit
mit geringer körperlicher Belastung und überwiegendem Einsatz der Hände unter der Voraussetzung des Körperpositionswechsels
für mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Es könnten leichte Arbeiten, überwiegend im Sitzen oder in wechselnder Stellung,
in geschlossenen Räumen durchgeführt werden. Arbeiten im Freien seien möglich, sofern größere Temperaturschwankungen (extreme
Kälte oder Hitze) vermieden würden. Es sollten Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung, wie Akkord, Fließbandarbeit,
Wechsel- und Nachtschichtarbeit an laufenden Maschinen und lärmbelasteten Arbeiten gemieden werden, ebenso Tätigkeiten an
unfallgefährdeten Arbeitsplätzen, wie Arbeit auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr, Arbeiten an laufenden Maschinen.
Aufgrund der Ganzkörperschmerzen sollten Tätigkeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und Stützapparates, wie überwiegendes
Stehen oder häufiges Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken oder Überkopfarbeiten, Arbeiten in Zwangshaltungen und häufiges
Steigen vermieden werden. Auch Tätigkeiten unter ungünstigen äußeren Bedingungen, wie Tätigkeiten im Freien, Einflüsse von
Kälte, Hitze, Zugluft, starke Temperaturschwankungen, Nässe oder Lärm. Außergewöhnliche Pausen seien nicht erforderlich. Die
Wegefähigkeit der Klägerin sei gegeben. Gegenüber den Untersuchungsergebnissen im Rentenverfahren sei weder eine Verschlechterung
noch eine Besserung eingetreten. Abweichend von Frau Dr.S. liege jedoch eine deutliche depressive Störung vor. Zur Erhaltung,
Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit wäre die Gewährleistung von regelmäßig durchgeführten ambulanten Rehabilitationsmaßnahmen
hilfreich. Wesentlich sei, dass eine kontinuierliche und regelmäßige ambulante Rehabilitationsbehandlung mit physiotherapeutischer
Beübung erfolge. Hinsichtlich der depressiven Störungen sollte eine stationäre Behandlung in einer psychiatrischen Klinik
mit Optimierung der antidepressiven Therapie und Erlernen von Schmerzbewältigungsstrategien angestrebt werden. In diesem Zusammenhang
sei auch die erneute Eingliederung in das Berufsleben erstrebenswert, da die damit verbundene Resozialisation bei derzeit
zurückgezogener Lebensweise auch einen positiven Effekt auf die beschriebenen Schmerzen haben könne. Allerdings sei infolge
des chronischen Verlaufs nicht davon auszugehen, dass durch diese Maßnahmen eine komplette Remission erzielt werden könne.
Das SG hat daraufhin mit Urteil vom 13.03.2007 die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei noch in der Lage, unter Beachtung qualitativer
Leistungseinschränkungen leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Dies
ergebe sich aufgrund der Gutachten von Dr. Dr. F. und auch aus dem Gutachten von Prof. Dr.S ...
Zur Begründung der zum BayLSG eingelegten Berufung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass die Gutachter übereinstimmend erhebliche
und dauerhafte Erkrankungen der Klägerin festgestellt hätten und daraus viele und starke Leistungseinschränkungen resultierten.
Es sei deshalb nicht nachvollziehbar, wie die Klägerin noch in der Lage sein solle, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs
Stunden und mehr täglich zu arbeiten. Durch diese Vielzahl von erheblichen Einschränkungen und Leistungsminderungen müsse
aber davon ausgegangen werden, dass schlicht und ergreifend kein Arbeitsplatz für die Klägerin mehr existiere und sie deshalb
als erwerbsunfähig anzusehen sei. Nachdem seitens des Senats mit Schreiben vom 16.07.2007 mitgeteilt worden war, aufgrund
der bisherigen Ermittlungen würde die Einholung weiterer ärztlicher Sachverständigengutachten von Amts wegen nicht in Erwägung
gezogen, hat die Klägerin die Einholung eines neurologischen Gutachtens nach §
109 SGG von Prof. Dr.L. beantragt. Dieser stellt in seinem Gutachten vom 19.05.2008 fest, dass bei der Klägerin definitiv keine neurologisch
fassbare Erkrankung bestehe und auch vermutlich in der Vergangenheit nicht bestanden habe. Die von ihr geltend gemachten Beschwerden
würden vielmehr in erster Linie auf psychische Besonderheiten (Somatisierungsstörung, Depression) zurückzuführen sein, die
von psychiatrischer Seite aus bewertet werden müssten und möglicherweise auch mit dem passiven Bewegungsapparat in Verbindung
gebracht werden könnten, der aber wiederum von orthopädischer Seite beurteilt werden müsse. Als einziger diskussionswürdiger
Punkt bleibe noch die in einer der Unterlagen erwähnte Migräne, wofür aber zunächst die Aussagen der Klägerin viel zu undifferenziert
und unspezifisch gewesen seien, um eine solche Behauptung wagen zu können. Da eine Migräne praktisch ausschließlich anamnestisch,
d.h. durch Befragungen und differenzierte Auskunftserhebung gestellt werden könne, sei eine Dolmetscherin eingeschaltet worden.
Die Bewertung erfolge separat einmal ohne, dann mit Berücksichtigung der entsprechenden eigenanamnestischen Angaben der Klägerin.
Ohne Berücksichtigung der Migräne kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass wesentliche Gesundheitsstörungen auf neurologischem
Gebiet nicht vorlägen und auch nicht rückblickend, insbesondere nicht für den Zeitraum zwischen dem 20.01.2003 und 31.08.2004
anzunehmen seien. Es bestehe eine erhebliche Diskrepanz zwischen den objektiv feststellbaren Leistungseinschränkungen und
dem, was sich die Klägerin noch selbst zutraue. Bei der neurologischen Untersuchung wirkten Bewegungsbild und Beschwerdeangaben
durchaus teilweise demonstrativ, sodass zumindest eine Aggravation nicht auszuschließen sei. Auf diesem Fachgebiet sei von
einem uneingeschränkten Leistungsvermögen auszugehen. Dies betreffe ausdrücklich nicht das orthopädische oder psychiatrische
Fachgebiet. Unter Berücksichtigung der unter Mithilfe einer Dolmetscherin von der Klägerin gemachten Angaben geht der Gutachter
davon aus, dass es sich wohl um eine echte Migräne handele, die im sozialen Entschädigungsrecht mit einer MdE von 20 bis 40
vH bewertet würde, wobei es im vorliegenden Fall gerechtfertigt erscheine, die Bewertung am oberen Ende dieser Marge anzusetzen,
also bei 40 %. Einschränkend müsse allerdings hinzugefügt werden, dass eine leitliniengerechte Therapie nach heutigen Standards,
insbesondere eine prophylaktische Behandlung bislang nicht durchgeführt worden sei. Der häufige, wechselnde oder kombinierte
Einsatz von Analgetika bürge vielmehr die Gefahr eines medikamentös unterhaltenen Kopfschmerzes. Migränemittel aus der Klasse
der Triptane seien bisher offensichtlich noch nicht gegeben worden und eine konsequente vorbeugende Behandlung beispielsweise
mit Betablockern sei nicht durchgeführt worden. Auch führe die Klägerin keinen Kopfschmerzkalender. Gleichwohl sei aufgrund
dieser Kopfschmerzen davon auszugehen, dass die Klägerin dann lediglich über eine Leistungsfähigkeit von weniger als sechs
Stunden, jedoch noch mindestens von drei Stunden täglich verfüge. Durch eine Optimierung der bisherigen Behandlung bestehe
begründete Aussicht auf Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin in absehbarer Zeit. Es könne sogar sein, dass dadurch
die Minderung der Erwerbsfähigkeit vollständig behoben werden könne.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 13.03.2007 und den Bescheid vom 31.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 29.09.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab Antragstellung zu
zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten, die Akten des Versorgungsamtes Würzburg
(Az: 1110428/4) sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§
143,
151 SGG) ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Gemäß §
43 Abs.1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65.Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit
oder Beschäftigung haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß §
43 Abs.1 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach §
43 Abs.2 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Aufgrund der von der Klägerin zurückgelegten Versicherungszeiten sind laut aktuellem Versicherungsverlauf vom 21.09.2009 die
Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente im Sinne des §
43 SGB VI an die Klägerin längstens bis zum möglichen Eintritt eines Leistungsfalles bis 31.08.2004 gegeben. Später hinzugetretene
gesundheitliche Beeinträchtigungen der Klägerin, die ggf. eine Änderung ihrer Leistungsfähigkeit nach sich ziehen würden und
objektiv betrachtet evtl. zu einer rentenrechtlich relevanten Einschränkung ihres Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht
führen könnten, vermögen einen Anspruch der Klägerin nicht zu begründen. Aufgrund der vorliegenden ärztlichen Befundberichte
und eingeholten Gutachten ist der Senat der Überzeugung, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin im Sinne des
§
43 SGB VI nicht vorliegt, denn sie war zumindest bis 31.08.2004 noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes
im Umfang von 6 Stunden täglich und mehr unter Berücksichtigung von qualitativen Leistungseinschränkungen zu verrichten.
Im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens, das durch Urteil vom 13.03.2007 abgeschlossen wurde, wurde die Klägerin ausführlich
begutachtet. Sowohl der erfahrene gerichtliche Sachverständige Dr.Dr.F. als auch die auf Antrag der Klägerin beauftragte Gutachterin
Frau Prof. Dr. S. kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin trotz der vorliegenden gesundheitlichen Einschränkungen
im Zeitpunkt der ärztlichen Begutachtung noch ein quantitatives Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr täglich für leichte
Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vorlag. Beide konstatieren, dass es sich bei den Erkrankungen der Klägerin um chronische
Erkrankungen handelt, deren leistungseinschränkendes Ausmaß deshalb wohl bereits im Jahr 2004 vorgelegen haben dürfte. Gleichwohl
bedingen die gesundheitlichen Einschränkungen, die die beiden Sachverständigen festgestellt hatten, lediglich qualitative
Leistungsminderungen, d. h. eine Beschränkung der Einsatzfähigkeiten der Klägerin für bestimmte Tätigkeiten, nicht jedoch
in zeitlicher und damit rentenrechtlich relevanter quantitativer Hinsicht. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind diese
Leistungseinschränkungen auch nicht derart schwerwiegend, dass von einer Summierung ungewöhnlich starker Leistungseinschränkungen
ausgegangen werden könnte, die das Bundessozialgericht zur Begründung der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes verlangt.
Soweit in dem auf Antrag der Klägerin eingeholten Gutachten von Prof. Dr. L. vom 19.05.2008 ein Leistungsvermögen der Klägerin
von mehr als drei, aber unter sechs Stunden täglich gesehen wird, kann sich der Senat dieser Einschätzung nicht anschließen.
Der Sachverständige Dr. L. stellt ausdrücklich fest, dass bei der Klägerin keine relevante bzw. fassbare Erkrankung auf neurologischem
Fachgebiet vorliegt und nimmt zur Frage der Leistungseinschränkungen auf orthopädischem oder psychiatrischem Fachgebiet nicht
Stellung. Er hält fest, dass er bei der Klägerin ein demonstratives Verhalten, eine deutliche Tendenz zur Aggravation sowie
ein Auseinanderfallen der objektiven gesundheitlichen Gegebenheiten zu dem von der Klägerin subjektiv für möglich erachteten
Leistungsbild festgestellt hat. Trotz dieser Feststellung kommt er aufgrund einer "in einem Untersuchungsbericht erwähnten
Migräne" zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerin mit Hilfe einer Dolmetscherin vorgetragenen Beschwerden als mittel- bis
schwerwiegende Migräne einzustufen seien, die eine quantitative Minderung der Erwerbsfähigkeit bedinge. Er räumt in seinem
Gutachten hierbei ein, keine objektivierbaren Erkenntnisse aus den vorliegenden Befundberichten der behandelnden Ärzte, der
sonstigen Gutachter und auch nicht aus seiner eigenen Untersuchung zu haben. Die eigenen Angaben der Klägerin seien ungenau
und eigentlich nicht verwertbar gewesen, nur mit Hilfe der Dolmetscherin habe sich das Ausmaß erfassen lassen. Hierfür legt
er dann den für die Beurteilung des rentenrechtlich relevanten Leistungsvermögens ungeeigneten - weil aus dem Bereich der
gesetzlichen Unfallversicherung stammenden - Begriff der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zugrunde, beziffert diese mit
40 % und kommt so zu einer noch bestehenden Restleistungsfähigkeit der Klägerin von 3 bis unter 6 Stunden, wobei er noch selbst
darauf hinweist, dass bislang noch keinerlei adäquate medikamentöse oder prophylaktische Behandlung der Migräne stattgefunden
habe. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Ausmaß der nicht objektivierbaren Migräne im Hinblick auf Arbeitsunfähigkeit
im krankenversicherungsrechtlichen Sinne und der dauerhaften quantitativen Leistungseinschränkung im rentenrechtlich notwendigen
Maße findet nicht statt, auch keine Festlegung, ab wann gegebenenfalls diese erhebliche Leistungseinschränkung angenommen
werden sollte. Dies ist auch nicht in der ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. L. vom 01.07.2008 geschehen.
Ein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei Berufsunfähigkeit nach §
240 SGB VI kommt ebenfalls nicht in Betracht. Zwar ist die Klägerin 1955 geboren und fällt deshalb noch unter die Bestandsschutzregelung
des §
240 SGB VI. Nachdem die Klägerin jedoch keine Berufsausbildung hat und zuletzt eine ungelernte Tätigkeit als Fabrikarbeiterin ausgeübt
hatte, solange sie versicherungspflichtig beschäftigt war, ist sie auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verweisen. Die Klägerin
ist noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen
6 Stunden und mehr täglich zu verrichten.
Nach alledem ist die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.2 Nrn 1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.