Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei psychischen Erkrankungen
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger gegen die Beklagte aufgrund seines Antrags vom 27.11.2012 einen Anspruch
auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.
Der 1956 geborene Kläger hat den Beruf eines Bauschlossers erlernt und war in diesem Beruf auch versicherungspflichtig beschäftigt.
Zuletzt war er als Qualitätskontrolleur bei der Firma F. GmbH & Co. KG tätig. Das Arbeitsverhältnis besteht wohl noch fort.
Seit Januar 2008 ist dem Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 zuerkannt, der mit Änderungsbescheid vom 20.02.2013
des Zentrum Bayern Familie und Soziales - Versorgungsamt Würzburg - auf 70 erhöht wurde (Einzel-GdB für psychische Leiden
von 50).
In der Zeit vom 31.07.2012 bis 04.09.2012 befand sich der Kläger in einer stationären medizinischen Reha-Maßnahme im Klinikum
Bad B. , Abteilung Psychosomatik, aus der er als arbeitsfähig sowie mit einem Leistungsbild von mehr als sechs Stunden täglich
sowohl für die letzte Tätigkeit als Qualitätskontrolleur als auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung
qualitativer Leistungseinschränkungen entlassen wurde. Empfohlen wurde die Fortführung der ambulanten Psychotherapie, bei
Bedarf Physiotherapie sowie das selbständige Fortführen des Entspannungstrainings und der erlernten krankengymnastischen Übungen,
dosierte sportliche Betätigung und Bewegung, weitere Gewichtsreduktion.
Am 27.11.2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente wegen Depressionen, Asthma,
Prostataerkrankung, Rücken-, Hüft- und Knieschmerzen. Er habe sehr viel Stress und stehe immer unter Druck (Angst, Versagen,
Selbstmordgedanken - könne seine Schulden und laufende Zahlungen nicht mehr schaffen). Er sei immer müde und niedergeschlagen.
Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen holte die Beklagte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. M. ein, der am
08.01.2013 zu dem Ergebnis gelangte, dass der Kläger sowohl seine letzte Tätigkeit als auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes
noch mindestens sechs Stunden täglich unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen verrichten könne. Die Beklagte
lehnte daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 01.02.2013 eine Rentengewährung ab.
Der hiergegen am 28.02.2013 eingelegte Widerspruch wurde nach Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen mit Widerspruchsbescheid
vom 03.04.2013 als unbegründet zurückgewiesen.
Zur Begründung der hiergegen am 18.04.2013 zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass die zahlreichen gesundheitlichen Einschränkungen
des Klägers sehr wohl zu einer quantitativen Leistungsminderung führen würden. Ebenso seien die Kriterien der Berufsunfähigkeit
nach §
240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB VI - erfüllt. Aus dem Änderungsbescheid des ZBFS Unterfranken vom 20.02.2013 ergebe sich eindrucksvoll, dass beim Kläger Erkrankungen
auf den unterschiedlichsten Fachgebieten vorlägen. Es erscheine nicht möglich, dass der Kläger seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit
als Qualitätskontrolleur noch dauerhaft über sechs Stunden je Arbeitstag ausüben könne. Diese Tätigkeit setze gute bis sehr
gute kognitive Fähigkeiten sowie ein erhöhtes Konzentrationsvermögen voraus. Gerade diese beiden Dinge seien beim Kläger deutlich
reduziert. Adäquate Verweisungstätigkeiten könnten nicht verrichtet werden.
Das SG hat die Unterlagen des ZBFS, Region Unterfranken, sowie Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers beigezogen, nämlich
vom Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. , von Dipl.-Psych. W., des Orthopäden Dr. H., des Psychologischen Psychotherapeuten
S. und von der Fachärztin für Allgemeinmedizin C ... Sodann hat das SG ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. K. eingeholt, der den Kläger am 06.02.2014 untersucht hat. Dr. K. ist
in seinem Gutachten vom 03.03.2014 zu folgenden Diagnosen gelangt:
1. Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome 2. Abgelaufene posttraumatische
Belastungsstörung Typ 2 mit den typischen Symptomen einer andauernden Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung 3. Nachweis
einer Polyneuropathie der unteren Extremität mit Hinterstrangstörungen
Aufgrund dieser Diagnosen bestehe beim Kläger ein aufgehobenes Leistungsvermögen, d. h. er könne nur noch eine weniger als
dreistündige Tätigkeit verrichten. Der Kläger sei aus ärztlicher Sicht auch nicht mehr in der Lage, den Beruf eines Qualitätskontrolleurs
durchzuführen. In den bislang vorliegenden Sachverständigengutachten bzw. Befunden sei ein wesentlicher Teilaspekt der schweren
seelischen Erkrankung nicht adäquat berücksichtigt worden. Die von Dr. M. und auch der Klinik Bad B. dargelegte sozialmedizinische
Wertung sei nicht nachvollziehbar, da in diesen Befunden wichtige Aspekte der seelischen Erkrankungen des Klägers nicht berücksichtigt
seien. Der gesamte Krankheitsverlauf sei chronifiziert. Trotz leitliniengerechter ambulanter und stationärer psychiatrischer
Behandlung und auch einer umfassenden Psychotherapie sei es zu keiner durchgreifenden Besserung des gesamten Krankheitsbildes
gekommen. Es bestehe eine rezidivierende depressive Störung, derzeit eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome.
Neben dieser schweren Depression habe sich beim Kläger zusätzlich eine Traumafolgestörung entwickelt. Bei massiven Misshandlungen
im Kindesalter durch den alkoholkranken Vater habe sich eine posttraumatische Belastungsstörung Typ 2 entwickelt, infolge
der es zu einer andauernden Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung gekommen sei. Die Symptome dieser Persönlichkeitsänderung
seien ebenfalls bereits seit über zehn Jahren bekannt. Der Kläger zeige eine misstrauische Haltung gegenüber der Umwelt, ein
sozialer Rückzug zeige sich an, es bestehe das Gefühl der Leere und Hoffnungslosigkeit. Er sei ständig angespannt, fühle sich
bedroht. Diese psychologischen Symptome würden natürlich in hohem Maße moduliert durch die schwere depressive Erkrankung.
Es bestünden keine internen oder externen Inkonsistenzen hinsichtlich der psychischen Erkrankung des Klägers. Sowohl in der
Selbst- als auch in der Fremdbeurteilung sei eine schwere depressive Symptomatik deutlich geworden. Die leichten Auffälligkeiten
im Rahmen der Beschwerdevalidierungstests seien Ausdruck der Überforderung des Klägers. Die Störungen im Rahmen der Leistungstests
seien durch die schwere Depression bedingt im Sinne einer pseudodementiellen Symptomatik. Das aufgehobene Leistungsvermögen
des Klägers sei seit der Rentenantragstellung am 28.11.2012 anzunehmen.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27.03.2014 eine prüfärztliche Stellungnahme von Dr. B. vom 26.03.2014 übersandt, in der
ausgeführt wurde, dass die sozialmedizinische Beurteilung von Dr. K. nicht gänzlich nachvollzogen werden könne. Entgegen seinen
Ausführungen sei bereits im Reha-Entlassungsbericht vom 29.10.2012 eine vergleichbare Diagnose gestellt und sozialmedizinisch
gleichwohl ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen festgestellt worden. Auch das psychiatrische Vorgutachten von Dr.
M. vom 08.01.2013 würde hier sowohl die depressive Verstimmung als auch die Persönlichkeitsstruktur des Klägers würdigen.
Der Kläger habe im Juli 2012 arbeitsfähig die medizinische Reha-Maßnahme angetreten, wobei der Kläger durchgängig seit 1985
bis zum Reha-Antritt 07/2012, also 27 Jahre lang, als Kontrolleur und Verpacker von Flugzeuglagern gearbeitet habe. Unstrittig
sei die Kindheit des Klägers belastend gewesen. Es sei aus prüfärztlicher Sicht jedoch nicht nachvollziehbar, weshalb nach
der belastenden Kindheit des Klägers eine andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung nach vergleichsweise
guter sozialer Integration nun seit Rentenantragstellung im November 2012 eine sozialmedizinische Relevanz innehaben solle.
Aus prüfärztlicher Sicht sei auf das psychosoziale Funktionsniveau des Klägers hinzuweisen. Vor einem Jahr habe der Kläger
eine neue Partnerschaft eingehen und aufrechterhalten können. Des Weiteren pflege er regelmäßige Kontakte zu seinem Sohn,
er pflege seine Tiere (Hund, zwei Schweine, Katzen), schaue sich gelegentlich Fußballspiele sonntags im Dorf an und pflege
engen Kontakt zu seiner Kirchengemeinde. Testpsychologisch werde gemäß dem Freiburger Persönlichkeitsinventar (FPI) eine geringe
Offenheit sowie eine negative Antwortverzerrung attestiert.
Das SG hat sodann durch Urteil vom 09.04.2014 die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 01.02.2013
in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2013 mit Leistungsfall Antragstellung Rente wegen voller Erwerbsminderung
auf Dauer zu gewähren und die entsprechenden gesetzlichen Leistungen zu gewähren. Aufgrund des Gutachtens von Dr. K. sei davon
auszugehen, dass der Kläger nur noch über ein unter dreistündiges Leistungsvermögen verfüge und eine Restleistungsfähigkeit
auch für die Zukunft nicht mehr ersichtlich sei. Die Prognose sei ungünstig. Es handele sich um ein chronifiziertes Beschwerdebild.
Die schwere seelische Erkrankung des Klägers habe die Fähigkeit zur Willensanpassung aufgehoben. Der persönliche Eindruck
des Klägers in der mündlichen Verhandlung habe das Bild, welches sich aus dem Sachverständigengutachten von Dr. K. ergebe,
ohne Zweifel widergespiegelt.
Zur Begründung der hiergegen am 05.05.2014 zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung weist die Beklagte mit Schriftsatz
vom 24.07.2014 darauf hin, dass die von Dr. K. gestellten Diagnosen sowohl auf neurologischem Fachgebiet (Polyneuropathie)
als auch die psychiatrischen Diagnosen (rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome)
nicht nachvollzogen werden könnten. Hinsichtlich der Polyneuropathie sei eine elektrophysiologische Untersuchung der unteren
Extremität nicht durchgeführt worden. Sowohl die SEP-Diagnostik der oberen Extremitäten wie auch die magnetevozierten Potentiale
hätten unauffällige Befunde ergeben. Im EEG hätte sich keine Gehirnfunktionsstörung ergeben. Hinsichtlich der rezidivierenden depressiven Störung sei darauf hinzuweisen,
dass diese Diagnose bereits im Reha-Entlassungsbericht vom 29.10.2012 gestellt und trotzdem ein vollschichtiges Leistungsvermögen
beim Kläger angenommen worden sei. Ebenfalls nicht nachvollziehbar sei die Diagnose einer abgelaufenen posttraumatischen Belastungsstörung
Typ 2 mit den typischen Symptomen einer andauernden Persönlichkeitsstörung nach Extrembelastung. Der Kläger habe 27 Jahre
lang seine Arbeit als Kontrolleur und Verpacker von Flugzeuglagern verrichten können. Das psychosoziale Funktionsniveau des
Klägers stehe offensichtlich im Gegensatz zu dem persönlichen Eindruck, den das erkennende Gericht in der mündlichen Verhandlung
vom Kläger habe gewinnen können.
Auf Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 07.08.2014 die Vollstreckung aus dem Urteil des SG Würzburg vom 09.04.2014
im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz vorläufig ausgesetzt (Az.
L 19 R 657/14 ER).
Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte und Psychologen des Klägers beigezogen (Hausärztin C., Dr. D., Facharzt
für Dr. P., Dipl.-Psychologe F.) und sodann ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. G. eingeholt, der den Kläger
am 02.09.2015 untersucht hat. Dr. G. ist in seinem Gutachten vom 23.10.2015 zu folgenden Diagnosen gelangt:
1. Kombinierte Persönlichkeitsstörung 2. Rezidivierende depressive Störung 3. Verdacht auf Polyneuropathie, leichtgradig 4.
degeneratives Wirbelsäulensyndrom ohne radikuläre Symptomatik 5. Schlafapnoe-Syndrom.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass die Persönlichkeitsstörungen des Klägers im Kern konstitutionell angelegt
seien und überdauernd bestehen blieben, somit auch das Risiko zu assoziierten psychischen Gesundheitsstörungen bestehen bleiben
werde. Dennoch könne derzeit keineswegs davon ausgegangen werden, dass wesentliche Erscheinungsbilder und Symptome der psychischen
Gesundheitsstörungen und des Verhaltens des Klägers nicht durch zumutbare Willensanspannung aus eigener Kraft oder mit fremder
Hilfe überwunden werden könnten. Die Ergebnisse der Untersuchung hätten erhebliche Zweifel an der Validität der Angaben des
Klägers erbracht und belegten keinesfalls den vermeintlich schweren Ausprägungsgrad der Störung. Insbesondere hätten sich
erhebliche Zweifel hinsichtlich einer konsequenten und regelmäßigen Umsetzung von Therapiemaßnahmen ergeben. Trotz der genannten
Gesundheitsstörungen könne der Kläger die Tätigkeit eines Qualitätskontrolleurs und auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes
noch vollschichtig verrichten. Es könnten noch leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen oder in wechselnder Stellung ohne
schweres Heben und Tragen in geschlossenen Räumen ausgeübt werden. Aufgrund der im Kern vorhandenen Persönlichkeitsstörung
mit daraus resultierender Einschränkung der psychophysischen Belastbarkeit sollten nervlich belastende Tätigkeiten vermieden
werden. Tätigkeiten unter erheblichem Zeitdruck, in der Nachtschicht, im Akkord, am Fließband, mit besonderer Verantwortung
sowie in Gefahrenbereichen sollten nicht ausgeübt werden. Ebenso wenig sollten Tätigkeiten aufgrund der Einschränkungen des
Bewegungs- und Stützsystems in regelmäßigen Zwangshaltungen oder mit dem regelmäßigen und häufigen Heben von mittelschweren
und schweren Lasten ohne Hilfsmittel ausgeübt werden. Tätigkeiten in Gefahrenbereichen, beispielsweise mit Absturzgefahr oder
im ständigen Gehen oder Stehen oder an laufenden Maschinen seien ebenfalls nicht geeignet.
Aufgrund der Befunde sei davon auszugehen, dass eine bewusstseinsnahe Einschränkung der Leistungsmotivation durchaus vorhanden
sei. Aufgrund der im Kern sicherlich vorhandenen psychischen Gesundheitsstörungen sei die Ausdauer, die Anpassungsfähigkeit
an den technischen Wandel und die praktische Anstelligkeit und Findigkeit eingeschränkt. Die Ergebnisse könnten darüber hinaus
jedoch nicht belegen, dass relevante Einschränkungen der Merk- und Konzentrationsfähigkeit, des Verantwortungsbewusstseins
und der Gewissenhaftigkeit, der Selbständigkeit des Denkens und Handelns, des Unterscheidungs- und Beurteilungsvermögens sowie
des Reaktionsvermögens vorhanden seien. Die Umstellungsfähigkeit sei sicherlich ebenfalls eingeschränkt. Die Wegefähigkeit
des Klägers sei zweifellos gegeben. Es sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger selbst angegeben habe, nach wie vor ein Auto
zu steuern. Würde man die Ergebnisse der psychologischen Tests als valide zugrunde legen, wäre die Fahrtauglichkeit zweifellos
nicht mehr gegeben. Auch hier ergäben sich deutliche Zweifel an der Validität der Testergebnisse. Da diese Zweifel in relevantem
Ausmaß vorhanden seien, könnten sie eine fehlende Fahrtauglichkeit nicht bestätigen. Der Gesundheitszustand des Klägers habe
sich im Grunde seit November 2012 nicht verändert. Die Ergebnisse und Befunde, die im Rahmen der stationären Behandlung in
der Abteilung Psychosomatik des Klinikums Bad B. gewonnen und von Dr. M. bestätigt worden seien, hätten nach wie vor Bestand.
Trotz der Befunde von Dr. K. sei von keiner wesentlichen Änderung im Verlauf auszugehen. Eine vermeintliche Verschlechterung
lasse sich weder aufgrund der Befunde noch der tatsächlich durchgeführten Therapie und insbesondere einer externen Überprüfung
der therapeutischen Maßnahmen bestätigen. Sollten sich vor Ort tatsächlich Hinweise für eine Verschlechterung des psychischen
Zustandes ergeben, wären zunächst ambulante Maßnahmen mit konsequenter Überprüfung der Therapie erforderlich. Ggf. könnte
in einem weiteren Schritt eine Behandlung in einer akutpsychiatrischen Einrichtung durchgeführt werden, beispielsweise einer
Tagesklinik oder einer psychiatrischen Akutklinik. Aufgrund der aktuellen Befunde lasse sich dies jedoch derzeit noch nicht
empfehlen. Es sei unwahrscheinlich, dass die qualitativen Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit behoben werden könnten, da
zumindest der Anteil der Persönlichkeitsstörung zeitüberdauernd sei und als Risikofaktor für die Entwicklung psychischer Gesundheitsstörungen
bei inadäquaten Anforderungen angesehen werden müsse.
Zum Gutachten Dr. G. hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 19.11.2015 Stellung genommen und darauf
hingewiesen, dass der Kläger einen Freund habe, der letztendlich sein Anwesen in Schuss halte und den Kläger des Öfteren besuche.
Bis vor kurzem habe der Kläger auch noch eine Lebensgefährtin gehabt, so dass der Umstand, dass der Kläger vollständig alleine
zurechtkomme, so nicht gehalten werden könne, insbesondere was die latent vorhandenen Depressionen betreffe.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 04.12.2015 eine prüfärztliche Stellungnahme von Frau Dr. B. vom 01.12.2015 übersandt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 09.04.2014 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 01.02.2013 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2013 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 09.04.2014 zurückzuweisen.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster
und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Sie ist auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab Rentenantragstellung verurteilt. Ein Nachweis
einer dauerhaften, einer Behandlung nicht mehr zugänglichen quantitativen Leistungsminderung, die einen Rentenanspruch nach
§
43 SGB VI begründen könnte, ist noch nicht gegeben. Ebenso wenig besteht Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
bei Berufsunfähigkeit nach §
240 SGB VI.
Gemäß §
43 Abs.
1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbei-
träge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit
erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß §
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Zur Überzeugung des Senats ist gegenwärtig davon auszugehen, dass der Nachweis eines Absinkens des quantitativen Leistungsvermögens
des Klägers auf unter sechs Stunden täglich noch nicht gelungen ist, sondern der Kläger sowohl seine letzte Tätigkeit als
Qualitätskontrolleur als auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bei Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen
noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann und insbesondere ausreichende Behandlungsoptionen der psychischen Erkrankung
des Klägers gegeben sind.
Der Schwerpunkt der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers liegt unzweifelhaft auf psychiatrischem Fachgebiet. Der Kläger
hat zur Begründung seines Rentenantrages vom 27.11.2012 auf bestehende Depressionen wegen des zunehmenden beruflichen Stresses
sowie wegen finanzieller Probleme hingewiesen. Aus dem Reha-Entlassungsbericht der Klinik Bad B. ist das Vorliegen einer rezidivierenden
depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode sowie eine Dysthymia zu entnehmen, obwohl der Kläger arbeitsfähig zur Rehamaßnahme
aus eigener Initiative angetreten ist und von dort auch als arbeitsfähig sowie mit einem Leistungsbild von mehr als 6 Stunden
täglich sowohl für die letzte Tätigkeit als auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen wurde. Ausdrücklich festgehalten
ist in dem Reha-Entlassungsbericht, dass die Einschätzung der Reha-Klinik auch der Einschätzung des Klägers entspricht. Es
bestünden vielfältige Einschränkungen, so seien Nachtschicht und Spätschichten sowie häufig wechselnde Arbeitszeiten zu vermeiden,
des Weiteren bestehe eine eingeschränkte Stressbelastbarkeit, auf reguläre, kontinuierliche Arbeitsabläufe sei zu achten bei
eingeschränktem Umstellungsvermögen. Des Weiteren seien andauernde wirbelsäulenbelastende Zwangshaltungen ebenso wie schweres
Heben, Tragen und Bewegen von Lasten zu vermeiden. Dieses Leistungsbild sei mit der bisherigen Tätigkeit des Klägers stimmig,
er werde arbeitsfähig entlassen. Dringend erforderlich sei die Fortführung der ambulanten Psychotherapie, bei Bedarf Physiotherapie
sowie das selbständige Fortführen des Entspannungstrainings und der erlernten krankengymnastischen Übungen, dosierte sportliche
Betätigung und Bewegung, weitere Gewichtsreduktion.
Dr. M. , der im Verwaltungsverfahren der Beklagten als Sachverständiger tätig geworden ist und den Kläger am 08.01.2013 untersucht
hat, ist ebenfalls zu einem über sechsstündigen Leistungsvermögen sowohl für die letzte Tätigkeit als Qualitätskontrolleur
als auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen gekommen. Dr.
M. hat in seinem Gutachten den Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit rezidivierenden Anpassungsstörungen
sowie eine chronifizierte depressive Verstimmung beschrieben. Ihm gegenüber hat der Kläger angegeben, schon seit seiner Kindheit
psychisch belastet gewesen zu sein, speziell durch seine Familie, er habe seither auch ein vermindertes Selbstwertgefühl bei
Abwertung. Manifest depressiv sei er seit ca. 1990, bei vermehrter Arbeitsbelastung und wiederkehrend bei vermehrtem Stress.
Demgegenüber ist Dr. K. in seinem im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten vom 03.03.2014 zu
einem aufgehobenen Leistungsvermögen des Klägers gekommen, wobei er eine rezidivierende depressive Störung und eine Persönlichkeitsakzentuierung
sieht, aber auch eine dauerhafte Persönlichkeitsveränderung aufgrund eines in der Kindheit erlittenen posttraumatischen Belastungssyndroms,
das durch eine ärztliche Intervention wieder aufgelebt sein soll. Er geht von einer Retraumatisierung aus, die beim Kläger
zu schwersten psychischen Beeinträchtigungen geführt habe.
Der vom Senat beauftragte Sachverständige Neurologe und Psychiater Dr. G. beschäftigt sich in seinem Gutachten vom 23.10.2015
sehr intensiv mit der Fragestellung, ob beim Kläger eine massive psychische Beeinträchtigung vorliegt, die Dr. K. festgestellt
hat und die dieser für nicht mehr überwindbar erachtet. Dr. G. kommt aber nach Durchführung ausführlicher Testverfahren und
nach Kontrolle des Medikamentenspiegels im Blut zu dem Ergebnis, dass das Leistungsvermögen des Klägers keineswegs so gravierend
eingeschränkt ist, wie dies Dr. K. angenommen hat. Festzuhalten ist dabei, dass sowohl Dr. M. als auch Dr. K. in ihren Gutachten
jeweils Anhaltspunkte für eine mögliche Aggravation bzw. für eine bewusstseinsnahe Umschreibung des Gesundheitszustandes des
Klägers gesehen haben. Dr. K. erklärt dies aber damit, dass der Kläger durch ein akutes depressives Geschehen in seiner Leistungsfähigkeit
bei der Testung massiv beeinträchtigt gewesen sei und die erzielten Testergebnisse der Überforderung des Klägers geschuldet
seien.
Dr. G. hält in seinem Gutachten ausdrücklich fest, dass aufgrund der Erlebnisse in der Kindheit beim Kläger die Annahme einer
defizitären und dysfunktionalen Persönlichkeitsentwicklung und daraus resultierender Persönlichkeitsstörung nachvollziehbar
und insgesamt auch plausibel ist. Narzistische und histrionische Persönlichkeitszüge, die bereits seit 1999 dokumentiert seien,
ließen sich aufgrund der aktuellen Untersuchung durchaus bestätigen. Gleichwohl lasse sich eine psychische Gesundheitsstörung
von Relevanz bis in das fortgeschrittene Erwachsenenalter im Grunde nicht nachvollziehen. Es lägen auch keine Anhaltspunkte
für eine Retraumatisierung im engeren Sinne vor. Die Vermutung einer Retraumatisierung, die durch eine ärztliche Exploration
hervorgerufen worden sein solle, sei mehr als zweifelhaft. Auch die Diagnose einer andauernden Persönlichkeitsveränderung
sei nicht haltbar, weil diese eine abgeschlossene und in der Regel funktionale Persönlichkeitsentwicklung voraussetze. Der
Kläger habe aber bereits in seiner Kindheitsentwicklung traumatisierende Erlebnisse gehabt, so dass diese bereits zu einer
defizitären und ausgesprochen devianten Persönlichkeit geführt hätten. Es sei deshalb die Diagnose einer rezidivierenden depressiven
Störung zu stellen.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger durchaus bei der Untersuchung durch die im Verfahren tätig gewordenen
Sachverständigen zu einer bewusstseinsnahen Darstellung seiner gesundheitlichen Beschwerden geneigt hat, die bei Dr. G. in
einem Ausmaß gezeigt wurden, dass dieser von einer massiven Intelligenzminderung auszugehen gehabt hätte, die bislang aber
noch von keinem behandelnden Arzt und auch von keinem der Sachverständigen gesehen wurde. Die Fahrtauglichkeit wäre nicht
mehr gegeben, gleichwohl fährt der Kläger noch selbst Auto und ist weiterhin im Besitz seines Führerscheins. Bei Hinterfragen
der Testergebnisse hat Dr. G. zahlreiche Inkonsistenzen festgestellt und hat auch die fehlende Compliance des Klägers hinsichtlich
der Behandlung seiner Erkrankung konstatiert. Obwohl der Kläger angegeben hat, mit Psychopharmaka in doch nennenswertem Umfang
behandelt zu werden, waren diese Medikamente zwar im Blut nachzuweisen, jedoch weit außerhalb des therapierelevanten Spektrums.
Eine regelmäßige Überprüfung des Medikamentenspiegels wird weder durch die behandelnden Ärzte des Klägers berichtet noch hat
eine solche Kontrolle bei Dr. K. stattgefunden. In der Reha-Klinik Bad B. hat der Kläger angegeben, in den vorausgegangenen
12 Monaten maximal 1 Woche krank gewesen zu sein, was ebenfalls ein Indiz dafür wäre, dass die Funktionseinschränkungen des
Klägers infolge der psychischen Erkrankung in seinem Erwerbsleben noch nicht gravierend ausgeprägt waren. Die in den Akten
vorhandenen Berichte über stationäre und ambulante Behandlungsmaßnahmen lassen erkennen, dass besondere Belastungssituationen
vorlagen und der Kläger durchaus relativ gut auf entsprechend intensive Behandlungsmaßnahmen in der Vergangenheit reagieren
und sein Funktionsniveau privat wie beruflich aufrechterhalten konnte.
Entscheidend ist für den Senat auch, dass der vom Kläger bei den jeweiligen Begutachtungen geschilderte Tagesablauf zuerst
vielseitige Aktivitäten des Klägers aufzeigt, die jedoch während des laufenden Rechtsstreits deutlich abzunehmen scheinen.
Im Reha-Entlassungsbericht Bad B. vom 29.10.2012 ist festgehalten, dass der Kläger in den letzten zwölf Monaten ca. eine Woche
arbeitsunfähig gewesen sei. Zum psychischen Befund ist festgehalten, dass der Kläger wach, bewusstseinsklar und allseits orientiert
sei, Auffassung, Aufmerksamkeit, Konzentration, mnestische Fähigkeiten seien weitestgehend intakt, wobei es ihm schwer falle,
die Aufmerksamkeit über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten, Antrieb und Psychomotorik leichtgradig reduziert. Stimmung
situativ sehr bedrückt, affektive Schwingungsfähigkeit deutlich reduziert. Intelligenz grob orientierend im Durchschnittsbereich.
Durch die Reha-Maßnahme hat der Kläger offenbar eine deutliche psychische Entlastung und Entspannung erreichen können.
Im Gutachten von Dr. M. vom 08.01.2013 ist festgehalten, dass der Kläger im eigenen Haus mit Mietern im Obergeschoss lebe.
Er stehe in der Freizeit zwischen 7.00 Uhr und 8.00 Uhr auf, kümmere sich um Haus und Garten, gehe spazieren, fahre Rad, gehe
ein- bis zweimal pro Woche schwimmen, fahre Pkw, mache Gymnastik, sehe fern, lese Zeitschriften zwei bis drei Stunden täglich,
surfe im Internet, habe eine Nebenerwerbslandwirtschaft mit 10 ha, die von einem Nachbarn bewirtschaftet werde. Er arbeite
dort kaum noch. Er treffe Freunde, er sei auch in der Kirchengemeinde aktiv. Die Stimmung sei schwankend, der Antrieb reduziert,
Konzentration und Gedächtnis seien nachlassend, Schlaf sei unter Medikation gut, er trage eine Atemmaske, der Appetit sei
wechselhaft.
Aus dem Befundbericht der Fachärztin für Allgemeinmedizin C. geht hervor, dass der Kläger sich bei ihr in Behandlung befindet
und sich sein Zustand ab dem 01.03.2013 verschlechtert habe. Eine Arbeitsunfähigkeit sei von ihr nicht ausgestellt worden.
In dem Behandlungsprotokoll vom 01.03.2013 ist festgehalten, dass der Kläger bei einem Arzt vom Versorgungsamt gewesen sei,
der ihn auf die Kindheit angesprochen hätte. Dabei sei klar geworden, dass der Kläger in seiner gesamten Kindheit schon als
Kleinkind von seinem Vater misshandelt worden sei, seine Mutter sei regelmäßig verprügelt und einmal sogar mit einer Mistgabel
aufgespießt worden. Die beiden Schwestern seien ebenfalls misshandelt worden. Der Kläger habe lauthals geweint, sei hilflos,
völlig fertig gewesen, schäme sich, habe auch Angst gehabt, in die Praxis zu kommen. Er habe das nun zum ersten Mal mit einem
anderen Menschen besprochen außer mit seinen Geschwistern, der Kläger sei drei Stunden in der Praxis verblieben. Er habe versichert,
keine Suizidgedanken oder -pläne zu haben, er nehme seine Medikamente regelmäßig ein. Er bitte darum, seinem Psychiater und
seinem Psychologen davon zu berichten, die bisher ahnungslos seien. Er habe Schuldgefühle unter anderem seiner Mutter gegenüber,
die er nicht habe beschützen können. Festzuhalten ist hierbei aber, dass der Kläger bereits im Januar 2013 von Dr. M. untersucht
wurde und dort bereits von seinen Kindheitserlebnissen berichtet hatte. Die Begutachtung im Rahmen des Schwerbehindertenrechtsstreits
erfolgte demgegenüber erst im Februar 2013, so dass nicht nachvollziehbar ist, weshalb die Exploration bei Dr. M. kein Ereignis
gewesen sein soll, was zu einer Retraumatisierung führen konnte, sondern erst die ärztliche Exploration im Februar 2013 im
Rahmen des Schwerbehindertenverfahrens - wie von Dr. K. angenommen.
Bei Dr. K. hat der Kläger an Aktivitäten angegeben, dass er meistens gegen 6.00 Uhr aufstehe, dann Kaffee trinke, Zeitung
lese und er sich dann meist noch einmal auf die Couch lege, weil er müde und erschöpft sei. Jeden Dienstag gehe er zu seiner
Psychotherapeutin. Er habe häufig auch andere Arzttermine, er fahre an guten Tagen mit dem Auto zum Einkaufen oder zum Arzt.
Er gehe mit dem Hund täglich für eine halbe bis eine Stunde spazieren, danach müsse er sich ausruhen. Er kümmere sich auch
noch um seine zwei Schweine und die Katzen. Er versuche den Haushalt regelmäßig zu erledigen, aber er schaffe dies oft nicht,
er müsse sich dazwischen immer wieder hinlegen. An schlechten Tagen gelinge es ihm nicht, sich aufzuraffen und die anfallenden
Arbeiten im Haushalt anzugehen. Er versuche trotz seiner Ängste aktiv zu bleiben und mal rauszugehen, gelegentlich schaue
er sich am Sonntag im Dorf ein Fußballspiel an. Engeren Kontakt habe er aber noch zu seiner Kirchengemeinde, das gebe ihm
Halt.
Dem gegenüber hat der Kläger bei Dr. G. einen deutlich eingeschränkteren Tagesablauf angegeben: Er lasse bei der Versorgung
des Haushaltes vieles liegen, sei häufig erschöpft, räume dann einfach nicht auf. Er gehe auch zum Einkaufen, meist koche
er aber nur Dosenfutter und manchmal gehe er zu seiner Schwester zum Essen. Seit einem Jahr habe er keine Tiere mehr. Er habe
noch einen Hund, dieser werde jedoch von einem Kameraden versorgt. Dieser komme jeden Tag vorbei, kümmere sich um den Hund,
gebe ihm essen und gehe mit ihm spazieren. Dies sei ein Arbeitskollege. Gelegentlich schaue er in die Zeitung, das gehe jedoch
auch nicht immer. Früher sei er sehr am Fußball interessiert gewesen, habe auch Fußballspiele als Zuschauer besucht, beispielsweise
in E-Stadt. In diesem Jahr sei er jedoch nicht dort gewesen, er schaffe das nicht mehr. Die neue Beziehung sei beendet.
Mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 19.11.2015 wurde ausdrücklich nochmals darauf hingewiesen, dass
der Kläger nicht mehr in der Lage sei, seinen Tagesablauf zu strukturieren. Ein Freund des Klägers halte das Anwesen in Schuss
und bis vor kurzem hätte er auch noch seine Lebensgefährtin gehabt. Nach den Aktenunterlagen handelt es sich bei dem Anwesen
des Klägers um ein Mehrfamilienhaus mit vermietetem Obergeschoss, einer Nebenerwerbslandwirtschaft und die Lebensgefährtin
hat wohl nicht bei ihm gewohnt, sondern lebte weiter entfernt, so dass er sie nach seinen eigenen Angaben nur am Wochenende
besuchte.
Aus der Zusammenschau der vom Kläger geschilderten Tagesabläufe und den in allen Gutachten enthaltenen Hinweisen auf ein gewisses
Aggravations- oder Tendenzverhalten, die nachgewiesenen niedrigen Serenspiegel der verordneten Medikamente und des weiteren
Umstandes, dass eine intensive ambulante, teilstationäre oder gar stationäre psychiatrische Behandlung seit 2012 nicht stattgefunden
hat, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der notwendige Nachweis eines bereits eingetretenen dauerhaften Absinkens
des quantitativen Leistungsvermögens des Klägers auf unter 6 Stunden täglich noch nicht geführt wurde. Es bestehen offenbar
erhebliche Behandlungspotentiale für die psychische Erkrankung des Klägers, die bislang nicht ausgeschöpft wurden. Allein
der Umstand, dass der Kläger seit 2009 stützende Gespräche mit Psychologen und Psychotherapeuten führt und durch seine Hausärztin
Frau C. psychiatrisch betreut wird, vermag eine nicht nur vorübergehende Erwerbsminderung infolge der psychischen Erkrankung
noch nicht zu rechtfertigen. Zum einen müsste die Compliance des Klägers hinsichtlich der verordneten Medikation intensiv
überwacht und der weitere Verlauf der Erkrankung beobachtet werden. Dr. G. hat darüber hinaus darauf hingewiesen, dass ambulante,
teilstationäre oder gar stationäre psychiatrische Behandlungen noch nicht in Anspruch genommen wurden. Nach ständiger Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (BSG) und des Senats können psychische Erkrankungen erst dann rentenrechtlich relevant werden, wenn trotz adäquater Behandlung
(medikamentös, therapeutisch, ambulant oder stationär) davon auszugehen ist, dass der Versicherte die psychischen Einschränkungen
weder aus eigener Kraft noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe dauerhaft überwinden kann (BSG Urteil vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89; BSG Urteil vom 29.03.2006 - B 13 RJ 31/05 R - jeweils zitiert nach [...]; BayLSG Urteil vom 12.10.2011 - L 19 R 738/08; BayLSG Urteil vom 30.11.2011 - L 20 R 229/08; BayLSG Urteil vom 18.01.2012 - L 20 R 979/09; BayLSG Urteil vom 15.02.2012 - L 19 R 774/06; BayLSG Urteil vom 21.03.2012 - L 19 R 35/08; BayLSG Urteil vom 26.03.2015 - L 19 R 1043/11 -; BayLSG Urteil vom 18.03.2015 - L 19 R 956/11 - ). Aus den Akten und den beigezogenen Befundberichten geht zwar hervor, dass der Kläger in der Vergangenheit immer wieder
massive psychische Probleme hatte, die auch akutstationär behandelt wurden. Eine rezidivierende depressive Störung zeichnet
sich dadurch aus, dass es sich um keinen Dauerzustand handelt und ihr Ausmaß entsprechenden Schwankungen unterliegt. Die massiven
psychischen Dekompensationen des Klägers lassen jeweils äußere Umstände erkennen, die Auslöser hierfür gewesen sein könnten.
Bei einem derartigen Zustand ist aber von einer akuten Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung, nicht jedoch von einer eingeschränkten
quantitativen Leistungsminderung im rentenrechtlichen Sinn auszugehen. Die übrigen gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers
im Bereich der Wirbelsäule bzw. möglicherweise Polyneuropathie, sofern diese überhaupt bereits nachgewiesen wäre, führen lediglich
zu qualitativen Leistungseinschränkungen und vermögen einen Rentenanspruch nach §
43 SGB VI nicht zu begründen. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit
nach §
240 SGB VI. Zwar fällt der Kläger unter den Anwendungsbereich dieser Vorschrift, weil er vor dem 01.01.1961 geboren ist und als Facharbeiter
(Ausbildung zum Bauschlosser, aufgegeben wohl aus gesundheitlichen Gründen, weitere Tätigkeit als Qualitätskontrolleur ebenfalls
als Facharbeiter, vgl. Arbeitgeberauskunft) auch Berufsschutz nach §
240 SGB VI genießt. Der Kläger kann aber nach den für den Senat überzeugenden Ausführungen von Dr. G., Dr. M. und dem Reha-Entlassungsbericht
der Klinik Bad B. seinen zuletzt ausgeübten Beruf noch mindestens 6 Stunden täglich ausüben. Es kommt dabei nicht darauf an,
ob die beim Kläger zu berücksichtigenden qualitativen Einschränkungen auch in seinem konkreten - wohl ruhenden - Arbeitsverhältnis
umsetzbar wären. Es ist vielmehr auf vergleichbare Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt abzustellen. Zum anderen ist
die Frage eines zumutbaren Verweisungsberufs bislang nicht geprüft worden. Grundsätzlich wäre hier aber sicherlich an die
Tätigkeit eines qualifizierten Registrators zu denken. Ein weiteres Gutachten von Amts wegen war nach Überzeugung des Senats
nicht einzuholen. Es bestehen zwar divergierende Einschätzungen der im Verfahren tätig gewordenen Sachverständigen, die allerdings
der Wertung durch den Senat zugänglich sind. Die beim Kläger vorliegenden Erkrankungen, die rentenrechtlich relevant werden
könnten, wurden aufgeklärt. Ein weiteres Gutachten nach §
109 SGG war nicht einzuholen, nachdem dem Kläger hierzu die Gelegenheit - trotz erheblicher zeitlicher Differenz zum erstellten Gutachten
von Dr. G. gegeben worden war. Der innerhalb der vom Senat gesetzten Frist benannte Sachverständige war jedoch bereits vor
2 Jahren verstorben. Die im Schriftsatz vom 05.07.2016 erfolgte Benennung eines anderen Sachverständigen erfolgte erst nach
der erneuten Ladung zur mündlichen Verhandlung und würde zu einer vermeidbaren Verfahrensverzögerung führen (vgl. Keller,
in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, §
109 SGG, Rdnr. 11 m.w.N.).
Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten hin das Urteil des SG Würzburg vom 09.04.2014 aufzuheben und die Klage gegen
den Bescheid vom 01.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2013 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.