Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung von (zuletzt)
49.631,27 Euro für zugunsten des bei der Beklagten rentenversicherten A. (Versicherter) erbrachte Leistungen zur Teilhabe
am Arbeitsleben hat.
Der 1983 geborene Versicherte erlitt während der Schulzeit und später während des Studiums depressive Einbrüche. Im Jahr 2009
schloss er die Ausbildung zum Ergotherapeuten ab und arbeitete anschließend versicherungspflichtig in Teilzeit als Pflegeassistent
bis August 2011. Im Juni 2012 wurde erneut eine stationäre psychiatrische Behandlung erforderlich. Auf Antrag des Versicherten
bewilligte die Beklagte dem Versicherten eine ganztägige ambulante Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation, die vom 20.08.2012
bis 12.04.2013 in der Rehabilitationseinrichtung F. e.V. in M-Stadt durchgeführt wurde. Der dortige Entlassungsbericht vom
16.04.2013 kam im Gefolge der Diagnose "Schizophrene Psychose" zum Ergebnis, dass der Versicherte in der zuletzt ausgeübten
Tätigkeit nicht mehr einsatzfähig sei und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt allenfalls drei bis unter sechs Stunden arbeiten
könne. Trotz der Stabilisierung durch die Langzeitmaßnahme bestehe weiterhin eine geminderte psychische Belastungsfähigkeit
beim Versicherten, der schon bei halbschichtiger Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt die Grenze der psychischen Belastbarkeit
erreicht oder überschritten gehabt habe. Erforderlich sei eine reizarme Umgebung mit gleichmäßigem Arbeitsanfall und strukturierten
Arbeitsvorgaben, um Reizüberflutung zu verhindern. Deshalb sei eine berufliche Rehabilitation auf dem zweiten Arbeitsmarkt
vorzusehen und zusätzlich sei eine kontinuierliche nervenärztliche Betreuung und Unterstützung durch betreutes Wohnen erforderlich.
Bereits zuvor, am 21.03.2013, stellte der Versicherte über die Rehabilitationseinrichtung bei der Beklagten einen Antrag auf
Leistungen zur Teilhabe, der dort am 25.03.2013 einging. Vorgesehen sei für den Versicherten eine Werkstatttätigkeit auf dem
zweiten Arbeitsmarkt. Die Beklagte leitete den Antrag am 02.04.2013 an die Klägerin und konkret an die Agentur für Arbeit
M-Stadt weiter. Sie sei nicht der zuständige Leistungsträger, da beim Versicherten die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
nach §
11 des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VI) nicht gegeben seien. Dies wäre nur der Fall, wenn der Versicherte die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt gehabt oder eine Rente
wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei Antragstellung bezogen hätte oder Hinterbliebenenrentenbezieher gewesen wäre und dabei
wegen verminderter Erwerbsfähigkeit Anspruch auf große Witwerrente gehabt habe oder, wenn ohne Leistungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu leisten wäre, oder wenn die Teilhabeleistungen für eine voraussichtlich
erfolgreiche Rehabilitation unmittelbar im Anschluss an von einem Träger der Rentenversicherung erbrachte Leistungen zur medizinischen
Rehabilitation erforderlich seien. All dies liege nicht vor. Die Beklagte setzte den Versicherten von der Weiterleitung in
Kenntnis.
Mit Schreiben vom 10.04.2013 bestätigte die Klägerin die Übernahme des Antrages als zweitangegangener Träger. Sie werde die
Leistungen erbringen, mache aber bereits jetzt einen Erstattungsanspruch geltend, da nach ihren Erkenntnissen die Zuständigkeit
der Beklagten gegeben sei.
Die Beklagte erläuterte am 18.04.2013, dass der Versicherte die Wartezeit von 180 Kalendermonaten nicht erfüllt habe. Auch
die Voraussetzungen gemäß §
11 Abs.
2a Nr.
2 SGB VI kämen beim Versicherten nicht in Betracht, da die Aufnahme in eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) angestrebt werde.
Zwar sei die Rentenversicherung für Leistungen zur Teilhabe im unmittelbaren Anschluss an medizinische Leistungen, die von
ihr erbracht worden seien, zuständig, wenn die Teilhabeleistungen für eine voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation erforderlich
seien. Voraussichtlich erfolgreich bedeute jedoch, dass die Reha-Ziele hinsichtlich der Wiedereingliederung in das Erwerbsleben
ausgerichtet sein müssten; eine Eingliederung in eine WfbM sei nicht ausreichend.
Dr. A. vom ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit M-Stadt bestätigte am 30.04.2013, dass die Eingliederung des Versicherten
in eine WfbM sinnvoll sei.
Die Klägerin kam mit Schreiben an den Versicherten vom 13.05.2013 zum Ergebnis, dass im Rahmen des beruflichen Rehabilitationsverfahrens
die Teilnahme an folgenden Maßnahmen vorgesehen sei:
- Eingangsverfahren vom 03.06.2013 bis 02.09.2013,
- Grundkurs des Berufsbildungsbereiches vom 03.09.2013 bis 02.09.2014,
- Aufbaukurs des Berufsbildungsbereiches vom 03.09.2014 bis 02.09.2015.
Die Bewilligung der Maßnahme erfolge unter dem Vorbehalt, dass nach jedem Abschnitt eine Überprüfung der Förderung erfolge.
Falls das Rehabilitationsziel bereits früher erreicht oder nicht mehr erreichbar sei, ende die Maßnahme jeweils nach diesem
Abschnitt.
Mit Schreiben vom 03.02.2014 hörte die Klägerin den Versicherten zu aufgetretenen Fehlzeiten an. Nach nochmaliger persönlicher
Anhörung wurde mit Schreiben vom 11.11.2014 die Maßnahme mit Ablauf dieses Tages abgebrochen. Aufgrund der aufgetretenen hohen
Fehlzeiten könne das Maßnahmeziel derzeit nicht erreicht werden. Es liege in der gesundheitlichen Situation des Versicherten
ein wichtiger Grund für den Abbruch vor.
Nach Vorlage eines fachärztlichen Attestes vom 19.02.2015, wonach der Versicherte in der Lage sei, wieder in Teilzeit an der
Maßnahme teilzunehmen, wurde mit Schreiben der Klägerin an den Versicherten vom 20.05.2015 die Förderung ab 02.03.2015 bis
23.12.2015 als Maßnahmenfortsetzung bewilligt. Nachdem jedoch erneut Fehlzeiten aufgetreten waren, wurde mit Bescheid der
Klägerin vom 25.06.2015 die Maßnahme zum 30.06.2015 endgültig abgebrochen und ausgeführt, dass für diesen Abbruch keine wichtigen
Gründe anzuerkennen seien.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 11.12.2013 am 16.12.2013 Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben und beantragt, die Beklagte
zu verurteilen, ihr die Kosten für die Teilnahme des Versicherten an einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme in der Zeit
vom 03.06.2013 bis 02.09.2015 in Höhe von 52.645,38 Euro zu erstatten. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass sie gegenüber
der Beklagten einen Erstattungsanspruch geltend gemacht habe, den die Beklagte am 18.04.2013 zurückgewiesen habe.
Aufgrund der arbeitsmedizinischen Feststellung vom 30.04.2013 sei die Notwendigkeit zur Erbringung von Leistungen zur Förderung
der Teilhabe am Arbeitsleben an den Versicherten festgestellt worden. Mit Bescheid vom 13.05.2013 sei dem Versicherten die
Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme im "Industrieservice M-Stadt" - einer WfbM - bewilligt worden. Zur Sicherung des
Lebensunterhaltes seien Teilhabeleistungen in Form von Übergangsgeld nach dem
Dritten Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) für die Zeit vom 03.06.2013 bis 02.09.2015 bewilligt und gezahlt worden, außerdem seien die Kosten der Maßnahme selbst getragen
worden. Der Erstattungsbetrag sei vorläufig beziffert. Je nach Dauer der Teilnahme an der Maßnahme erfolge die endgültige
Bezifferung. Die Klageerhebung erfolge zunächst, um das Verfahren anhängig zu machen, da eine Einigung mit der Beklagten nicht
möglich sei.
Die Klägerin hat argumentiert, dass sich noch während der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme abgezeichnet habe, dass der
Versicherte in einer geschützten Arbeitsumgebung zu beschäftigen sei. Zuständig sei nach §
14 Abs.
4 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX) idF bis 31.12.2017 (a.F.) der Leistungsträger, der bereits als erstangegangener Rehabilitationsträger materiell zur Leistungsgewährung
verpflichtet gewesen wäre. Die Klägerin erbringe Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich
einer WfbM, soweit nicht die Träger der Rentenversicherung zuständig seien. Es hat sich folgende Textpassage angeschlossen:
"Die Voraussetzungen nach §
10 SGB VI liegen vor, jedenfalls wurden sie von der Beklagten nicht verneint, Ausschlusstatbestände gem. §
12 SGB VI sind nicht ersichtlich. Die Klägerin sieht die Voraussetzungen des §
11 Abs.
2a Nr.
2 SGB VI als nicht gegeben an." Weiter ist vorgebracht worden, es sei die Entscheidung des BSG vom 06.03.2013 (B 11 AL 2/12 R, juris) zu berücksichtigen: Dort habe der Rentenversicherungsträger als Rehabilitationsträger einem Versicherten Leistungen
im Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer WfbM bewilligt und erst als nachträglich bekannt geworden sei, dass ein Ausschlusstatbestand
nach §
12 SGB VI vorgelegen habe, habe er nachträglich einen Erstattungsanspruch gegenüber der Klägerin angemeldet. Für die Zuständigkeit
der Beklagten sei allein eine Prognose erforderlich, dass Leistungen zur Teilhabe wahrscheinlich für den Erfolg der Rehabilitation
notwendig seien. Soweit sich die Beklagte auf §
10 SGB VI insoweit berufen habe, als eine Wiedereingliederung in das Erwerbsleben Ziel des Reha-Verfahrens sein müsse, stehe dem §
10 Abs.
1 Nr.
2b SGB VI entgegen, wonach es ausreiche, wenn Teilhabeleistungen eine wesentliche Verschlechterung der geminderten Erwerbsfähigkeit
abwenden würden.
Nachdem die Beklagte bei ihrer Argumentation verblieben war, hat die Klägerin zusätzlich eingewandt, dass eine WfbM eine Doppelfunktion
habe: sie sei nämlich zum einen eine schützende Einrichtung für bestimmte Fälle auf Dauer und sei zum anderen geeignet für
Personen, denen der Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglicht werden müsse. Letzteres sei bezüglich des Versicherten
der Fall gewesen; dieser habe durch die Beschäftigung in der WfbM wieder an den ersten Arbeitsmarkt herangeführt werden sollen.
Das Sozialgericht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass sie zwar zu Recht ausführe, dass die Mindestanforderung einer
Eingliederung in eine WfbM nicht ausreichend sei, sondern das Kriterium "voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation" so zu
interpretieren sei, dass die Reha-Ziele hinsichtlich der Wiedereingliederung in das Erwerbsleben in den ersten Arbeitsmarkt
erfüllt sein müssten. Allerdings sei dies auch auf dem Weg über die WfbM möglich. Inwieweit eine Besserungsaussicht hinsichtlich
der Erlangung bzw. Verbesserung der Erwerbsfähigkeit für den allgemeinen Arbeitsmarkt beim Versicherten nicht bestehe, lasse
sich aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen nicht entnehmen. Immerhin sei das Leistungsvermögen des Versicherten im Reha-Entlassungsbericht
mit drei bis unter sechs Stunden für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bewertet worden.
Die Beklagte hat eingewandt, dass dieses Leistungsbild dort zwar formularmäßig so angegeben gewesen sei, aber im Text davon
die Rede gewesen sei, dass eine halbschichtige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt den Versicherten an die Grenze seiner
psychischen Belastbarkeit gebracht habe. Es habe zum Zeitpunkt des Rehabilitationsendes ein Leistungsvermögen von nur unter
drei Stunden täglich vorgelegen und aus damaliger Sicht sei eine Besserung nicht vor Ablauf von zwei Jahren zu erwarten gewesen.
Das Sozialgericht hat daraufhin beim Rehabilitationsträger F. e.V. in M-Stadt zu diesem Sachverhalt nachgefragt. Dieser hat
durch Dr. H. unter dem 06.11.2015 angegeben, dass zum Zeitpunkt der Entlassung das Leistungsvermögen des Versicherten im Umfang
von unter drei Stunden als gesichert anzusehen gewesen sei. Vorübergehend zum Zeitpunkt der Entlassung sei noch nicht von
einem hinreichend gesicherten und beständigen Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden auszugehen gewesen. Es sei
aber zu erwarten gewesen, dass der Versicherte durch die Maßnahme in der WfbM voraussichtlich in die Lage versetzt werde,
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens drei bis unter sechs Stunden bzw. sechs Stunden verrichten
zu können.
Nachdem die Beklagte auch in Kenntnis dieser Ausführungen ihre Einschätzung nicht geändert hatte, hat das Sozialgericht ein
Gutachten durch den Neurologen und Psychiater Dr. B. erstellen lassen. Dr. B. hat im Gutachten nach Aktenlage vom 16.02.2016
ausgeführt, dass beim Versicherten eine paranoide Schizophrenie mit schizophrenem Residuum mit einer Abhängigkeit von Nikotin
vorliegen würde bzw. vorgelegen habe. Zwar hätten sich die akuten Symptome aufgrund der Psychopharmaka-Therapie weitgehend
zurückgebildet; es seien jedoch ein schizophrenes Residuum und eine erhebliche Reduktion auf emotionalem und intentionalem
Gebiet verblieben. Die entstandene verminderte psychische Belastbarkeit und der soziale Rückzug seien therapeutisch kaum zu
beeinflussen; es müsse vielmehr mit einer zunehmenden Verschlechterung gerechnet werden. Der Versicherte sei in seiner Belastbarkeit
massiv beeinträchtigt, der Verlauf sei chronifiziert mit Tendenz zur Verschlechterung und effektive therapeutische Möglichkeiten
seien nicht verfügbar. Der Versicherte sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr einsatzfähig und es kämen lediglich
Tätigkeiten in einem beschützenden Umfeld in Betracht. Der von Dr. H. am 06.11.2015 abgegebenen Beurteilung stimme der Sachverständige
nicht zu. Im April 2013 sei beim Versicherten vielmehr das Leistungsvermögen für den ersten Arbeitsmarkt dauerhaft aufgehoben
gewesen und es sei nicht zu erwarten gewesen, dass der Versicherte durch die Maßnahmen in der WfbM auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
eingegliedert hätte werden können.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 04.05.2016 hat Dr. B. angegeben, dass nach der Entlassung aus der Maßnahme zur medizinischen
Rehabilitation es wahrscheinlich gewesen sei, dass der Versicherte durch die Leistungen im Eingangsverfahren und im bis zu
zwei Jahre dauernden Berufsbildungsbereich einer anerkannten WfbM in die Lage versetzt werde, eine Wettbewerbsfähigkeit auf
dem besonders geschützten Arbeitsmarkt der Behindertenwerkstätten zu erreichen.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 28.04.2016, per Telefax eingegangen am 02.05.2016, ausgeführt, dass der Versicherte die
Voraussetzungen sowohl für den Eingangs- wie den Berufsbildungsbereich der WfbM erfüllt gehabt habe. Aus den Ausführungen
zum Zeitpunkt der Entlassung aus der medizinischen Rehabilitation sei der Schluss zu ziehen, dass das Leistungsvermögen des
Versicherten so eingeschätzt worden sei, dass eine wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistung für ihn erzielbar gewesen sei.
Auch das Gutachten vertrete die Auffassung, dass Tätigkeiten in einem beschützenden Umfeld in Frage gekommen wären. Eine wirtschaftlich
verwertbare Arbeitsleistung liege aber bereits dann vor, wenn sich das Ergebnis als Ware oder Dienstleistung verkaufen lasse
und es komme nicht darauf an, ob Arbeits-, Sach- oder Personalaufwand sowie Arbeitsergebnisse in einem wirtschaftlichen Verhältnis
zueinander stehen würden, ob der Behinderte die Kosten seines Platzes in der WfbM oder einen bestimmten Teil dieser Kosten
erwirtschafte oder ob Behinderte ein Mindesteinkommen erzielten (zu verweisen sei auf Kater in: Kasseler Kommentar, Stand
Dezember 2015, §
16 SGB VI, Rn. 66 mwN). Aber selbst wenn man nicht zu dem Ergebnis gelange, dass die Voraussetzungen des §
11 Abs.
2a Nr.
2 SGB VI gegeben seien, komme auch in Betracht, dass die Voraussetzungen des §
11 Abs.
2a Nr.
1 SGB VI gegeben seien: Es könnten nämlich die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente erfüllt sein. Der Versicherte
sei nach den der Klägerin bekannten Unterlagen zuvor versicherungspflichtig beschäftigt gewesen und durch die Zeiten der Ausbildung
könnten die Voraussetzungen des §
43 SGB VI erfüllt sein, was den Unterlagen der Beklagten zu entnehmen sei.
Ergänzend sei zu spezifizieren, dass es aufgrund von zahlreichen Fehlzeiten des Versicherten zum Abbruch der Maßnahme gekommen
sei. Insgesamt seien in der Zeit der Maßnahmendauer von 639 Tagen an den Versicherten Übergangsgeld und Fahrtkostenerstattung
gezahlt worden sowie Maßnahmenkosten aufgewendet worden. Dies betreffe Übergangsgeldzahlungen von 11.062,59 Euro, Maßnahmenkosten
von 29.784,84 Euro und Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 9.094,64 Euro sowie Fahrtkosten von 1.357,50 Euro. Die aufgewendeten
Mittel summierten sich auf 51.299,57 Euro.
Die Beklagte hat eingeräumt, dass aus dem Versicherungskonto des Versicherten sich keine Hinweise auf einen Ausschlussgrund
gemäß §
12 Abs.
1 SGB VI ergeben würden.
In der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2016 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, der Klägerin einen Betrag von
51.299,57 Euro zu erstatten. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem zweitangegangenen Rehabilitationsträger gegen den
eigentlich zuständigen Rehabilitationsträger ein privilegierter Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen gemäß §
14 Abs.
4 Satz 1
SGB IX a.F. zustehe. Dieser Anspruch sei im vorliegenden Fall auch begründet, weil die Beklagte eigentlich zuständiger Rehabilitationsträger
gewesen sei. Sie habe das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach §
11 SGB VI zu Unrecht verneint. Dass nach dem Gutachten des gerichtsärztlichen Sachverständigen Dr. B. eine Wiedereingliederung in den
allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zu erwarten gewesen sei, sei nach Auffassung des Sozialgerichts unbeachtlich. Eine voraussichtlich
erfolgreiche Rehabilitation liege nicht nur dann vor, wenn eine erfolgreiche Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt
zu erwarten sei, sondern auch dann, wenn anstelle der Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt lediglich die Erreichung
von Wettbewerbsfähigkeit des Versicherten auf dem besonders geschützten Arbeitsmarkt der WfbM prognostisch erwartet werden
könne. Aus den §§
33 bis
38 SGB IX a.F. ergebe sich, dass Kosten für Leistungen im Arbeitsbereich (Produktionsstufe) nicht übernommen werden könnten. Der Rentenversicherungsträger
sei nicht zuständig, wenn ein Versicherter bereits in den Arbeitsbereich der WfbM eingegliedert sei und die Leistung nicht
den Zweck habe, ihn auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einzugliedern. Anders sei es für Leistungen im Eingangsverfahren und
im Berufsbildungsbereich. Gemäß §
42 Abs.
1 Nr.
3 SGB IX a.F. seien die Träger der Rentenversicherung unter den Voraussetzungen der §§
11 bis
13 SGB VI zuständig. §
42 SGB IX a.F. verweise ausdrücklich nur auf die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des §
11 SGB VI sowie den Ausschluss von Leistungen nach §
12 SGB VI und den Leistungsumfang nach §
13 SGB VI nicht aber auf die persönlichen Voraussetzungen des §
10 SGB VI. Daher sei es nicht zulässig, das Kriterium "voraussichtlich erfolgreich" in Anlehnung an §
10 SGB VI so zu interpretieren, dass die Reha-Ziele hinsichtlich der Wiedereingliederung in das - allgemeine - Erwerbsleben erfüllt
sein müssten, wie die Beklagte dies tue. Als lex specialis gehe die Regelung des §
16 SGB VI iVm §§
40,
42 Abs.
1 Nr.
3 SGB IX a.F. mit ihrer Verweisung auf die Voraussetzungen der §§
11 bis
13 SGB VI der Vorschrift des §
10 SGB VI vor.
Hiergegen hat die Beklagte mit Schreiben vom 29.06.2016 am 04.07.2016 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Sie
vertritt weiterhin die Auffassung, dass das Leistungsvermögen des Versicherten, wie auch das Gutachten des Dr. B. gezeigt
habe, nicht für eine Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt ausgereicht habe und deshalb eine Zuständigkeit der Beklagten
nicht vorgelegen habe. Dementsprechend sei das erstinstanzliche Urteil zu Unrecht ergangen.
Die Beklagte stützt sich mit ihrer Argumentation insbesondere auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.06.2015 (Az.
B 13 R 12/14 R, juris), wonach Leistungen eines Rentenversicherungsträgers zur Rehabilitation von vornherein als nicht zweckgerichtet
ausscheiden würden, wenn diese allein auf die Gesundung des Versicherten gerichtet seien und lediglich dazu dienen sollten,
vor weiterem Abgleiten zu bewahren, ohne dass Aussicht bestehe, die Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.05.2016 aufzuheben und die Klage vom 11.12.2013 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte verurteilt werde, der Klägerin einen Betrag von
49.631,27 Euro zu erstatten.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 16.08.2016 ausgeführt, dass die erstinstanzliche Entscheidung den Sachverhalt und die rechtliche
Würdigung zutreffend dargestellt habe. Allerdings sei es für Zeiten, in denen der Versicherte nicht an der Maßnahme teilgenommen
habe, zu einer Rückforderung von Überzahlungen gekommen, die auch ausgeglichen worden seien. Dadurch habe sich der gegenüber
der Beklagten geltend zu machende Erstattungsanspruch auf 49.631,27 Euro reduziert.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gegeben.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Akten der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) ist zulässig und begründet. Die Klage ist zutreffend als allgemeine Leistungsklage erhoben worden (§§
51,
54 Abs.
5,
57 SGG). Allerdings hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der für den Versicherten A. aufgewendeten
Kosten in Höhe von 49.631,27 Euro.
Gem. §
14 Abs.
4 SGB IX a.F. ist der Rehabilitationsträger zur Erstattung von Aufwendungen verpflichtet, wenn nach Bewilligung der Leistung durch
einen Rehabilitationsträger, an den nach §
14 Abs.
1 S. 2 bis 4
SGB IX a.F. der Reha-Antrag abgegeben wurde (zweitangegangener Rehabilitationsträger), festgestellt wird, dass der andere Rehabilitationsträger
(erstangegangener Rehabilitationsträger) zuständig gewesen wäre. Der Umfang der Erstattung bestimmt sich dabei nach den für
den leistenden Rehabilitationsträger geltenden Rechtsvorschriften.
Die Klägerin ist zweitangegangener Rehabilitationsträger im Sinne des §
14 Abs.
4 SGB IX a.F. Der Versicherte hatte bei der Beklagten mit Eingang am 25.03.2013 einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe
am Arbeitsleben gestellt, den die Beklagte am 02.04.2013 - und damit innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nach §
14 Abs.
1 S. 1, 2
SGB IX a.F. - an die Klägerin fristgerecht weitergeleitet hatte. Die Klägerin ist als Rehabilitationsträger im Sinne der §§
5 Nr.
2, 6 Abs.
1 Nr.
2 SGB IX a.F. nach §
14 Abs.
2 S. 3
SGB IX a.F. an diese Weiterleitung gebunden und muss nach allen denkbaren sozialrechtlichen Leistungsgesetzen den notwendigen Rehabilitationsbedarf
nunmehr unverzüglich erbringen. Die von der Klägerin an den Versicherten erbrachten Leistungen in Form der Gewährung von Übergangsgeld,
Übernahme der Maßnahmekosten, Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Erstattung von Fahrtkosten sind unstreitig Leistungen
der beruflichen Rehabilitation und auch ihre jetzt noch von der Klägerin geltend gemachte Höhe von 49.631,27 Euro ist zwischen
den Beteiligten unstreitig.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte jedoch keinen Erstattungsanspruch nach §
14 Abs.
4 SGB IX a.F., weil die Beklagte nicht zuständiger (erstangegangener) Rehabilitationsträger für die erbrachten Leistungen gewesen
ist.
Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich gem. §
7 S. 2
SGB IX a.F. nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen. Für die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung
enthält §
9 Abs.
1 S. 1
SGB VI den Grundsatz, dass diese Leistungen zur Prävention, zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben, zur
Nachsorge sowie ergänzende Leistungen erbringen, um
1. den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit
der Versicherten vorzubeugen, entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und
2. dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben
zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern.
Gem. §
9 Abs.
2 SGB VI sind die Leistungen nach Absatz
1 dieser Vorschrift an Versicherte zu erbringen, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt
sind. Die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, um Leistungen zur Teilhabe zu erhalten, ergeben sich
aus den §§
10 und
11 SGB VI. Ausschlussgründe für diese Leistungen nach §
12 SGB VI dürfen nicht vorliegen.
Aus dem Verweis des §
7 S. 2
SGB IX a.F. folgt, dass nicht die Regelungen des
SGB IX die Voraussetzungen für die Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben festlegen, sondern die Voraussetzungen
hierfür nach den für die Beklagte geltenden Vorschriften der §§
9 ff.
SGB VI vorliegen müssen. Der Umfang der zu erbringenden Leistungen ergibt sich dann aus den Regelungen des §
16 SGB VI in Verbindung mit den §§
33 ff.
SGB IX a.F. Dabei ist unter Erwerbsfähigkeit im Sinne der §§
9 ff.
SGB VI der rentenrechtliche Begriff der Erwerbsfähigkeit zu verstehen, d. h. die Fähigkeit, sich unter Ausnutzung der Arbeitsgelegenheiten
des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Verwendung der individuellen Kenntnisse und Fertigkeiten einen Erwerb zu verschaffen.
Davon ist der besondere, beschützte Arbeitsmarkt einer WfbM zu unterscheiden (Götze, in: Hauck/ Noftz,
SGB IX, Stand 11/17, §
49 SGB IX, Rdnr. 10, 11 m.w.N.).
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass eine WfbM nach ihrer gesetzlichen Konzeption (§§
39 ff, 136 ff.
SGB IX a.F.) auch einen "Übergangsbereich" darstellt, nämlich dahingehend, dass es je nach Art der Behinderung oder gesundheitlicher
Einschränkung oftmals nicht sicher abgrenzbar ist, ob durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eine Wiedereingliederung
in den allgemeinen (ersten) Arbeitsmarkt oder "nur" eine Tätigkeit im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen
erreicht werden kann. Aus der Zuständigkeitsregelung des §
42 Abs.
2 SGB IX a.F. ist zu entnehmen, dass für Leistungen im Arbeitsbereich einer WfbM eine Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers
jedenfalls nicht besteht. Demgegenüber sieht §
42 Abs.
1 Nr.
3 SGB IX a.F. für die Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich nach §
40 SGB IX a.F. eine Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers nach Maßgabe der §§
11 bis
13 SGB VI vor bei einer bestehenden Auffangzuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit. Dies bedeutet, dass bei der Erbringung dieser
Leistungen generell die Aussicht bestehen muss, dass eine Wiedereingliederung des Versicherten in den ersten Arbeitsmarkt
möglich erscheint, wobei dies mit der in §
10 Abs.
1 Nr.
2 SGB VI gesetzlich aufgezeigten Prognose übereinstimmen würde.
Die Bezugnahme in §
42 Abs.
1 Nr.
3 SGB IX a.F. auf die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach §
11 SGB VI macht deutlich, dass die Beklagte grundsätzlich nur dann zuständiger Rehabilitationsträger im vorliegenden Fall sein kann,
wenn bei Antragstellung, spätestens bei der Entscheidung über die Erbringung der Leistungen eine Prognose dahingehend möglich
ist, dass eine Wiedereingliederung des Versicherten in den allgemeinen Arbeitsmarkt überwiegend wahrscheinlich ist, auch wenn
er zur Erlangung dieser Erwerbsfähigkeit zunächst des geschützten Rahmens des Eingangsbereichs oder des Berufsbildungsbereichs
einer WfbM bedürfte. Ist eine derartige Prognose nicht möglich, wäre die Beklagte nicht zuständiger Rehabilitationsträger
im Sinne des §
42 Abs.
1 Nr.
3 SGB IX a.F., sondern es bliebe - mangels anderem zuständigen Rehabilitationsträger im Sinne des §
42 Abs.
1 Nr.
2 und
4 SGB IX a.F. - bei der Auffangzuständigkeit der Klägerin nach §
42 Abs.
1 Nr.
1 SGB IX a.F ...
Bei dem Versicherten bestand weder diese Prognose einer möglichen Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt noch haben
die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach §
11 SGB VI vorgelegen.
Die Prognose einer Wiedereingliederung des Versicherten in den allgemeinen Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit, d.h. nach Erbringung
von Leistungen im Eingangsbereich der WfbM für 3 Monate (§
40 Abs.
2 SGB IX a.F.) und im Berufsbildungsbereich für maximal 2 Jahre (§
40 Abs.
3 SGB IX a.F.) wurde von der Beklagten nicht gesehen, da von Anfang an eine Werkstatttätigkeit auf dem zweiten Arbeitsmarkt vorgesehen
war und auch unter dem 30.04.2013 von Dr. A. vom medizinischen Dienst der Agentur für Arbeit M-Stadt so bestätigt wurde. Die
Prognoseentscheidung der Beklagten ist gerichtlich nur eingeschränkt dahingehend überprüfbar, ob sie offensichtlich fehlerhaft
gewesen ist. Dies ist nicht der Fall. Dies ergibt sich u. a. aus dem Gutachten von Dr. B. vom 16.02.2016, der ausführte, dass
aufgrund der Erkrankung des Versicherten (paranoide Schizophrenie mit schizophrenem Residuum und einer erheblichen Reduktion
auf emotionalem und intentionalem Gebiet) es nicht zu erwarten gewesen sei, dass der Versicherte in den allgemeinen Arbeitsmarkt
hätte wiedereingegliedert werden können. Es sei allenfalls zu erwarten gewesen, dass der Kläger durch die Maßnahme in die
Lage versetzt worden wäre, eine Wettbewerbsfähigkeit auf dem besonders geschützten Arbeitsmarkt einer WfbM zu erreichen, was
aber ebenfalls nicht geglückt ist (vgl. ergänzende Stellungnahme Dr. B. vom 04.05.2016). Der einzig abweichenden Auffassung
von Dr. H. ist Dr. B. ausdrücklich nicht gefolgt.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach §
11 SGB VI hat der Versicherte nicht erfüllt. Er hat nur 56 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen aufzuweisen und damit die Wartezeit
von 15 Jahren (§
51 Abs.
1 SGB VI) nicht erfüllt (§
11 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI); im Übrigen hat er noch nicht einmal die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren erfüllt (§
50 Abs.
1 SGB VI). Der Versicherte bezieht bzw. bezog seinerzeit auch keine Rente wegen Erwerbsminderung, so dass auch diese Alternative zur
Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen beim Versicherten nicht gegeben war (§
11 Abs.
1 Nr.
2 SGB VI). Die Ausnahmevorschrift des §
11 Abs.
3 SGB VI war nicht einschlägig.
Auch die erweiterten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach §
11 Abs.
2a Nr.
1 SGB VI sind vorliegend nicht erfüllt, da der Versicherte ohne die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben jedenfalls eine Rente
wegen Erwerbsminderung nicht hätte beziehen können. Er hat die Voraussetzungen des §
43 Abs.
2 SGB VI nicht erfüllt. Zwar ist der Versicherte nach den schlüssigen ärztlichen Darlegungen dauerhaft nicht mehr auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt einsatzfähig. Der Versicherte hat weder die allgemeine Wartezeit noch die besonderen versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen erfüllt. Ausnahmsweise käme eine Rentengewährung in einem solchen Fall dann in Betracht, wenn eine vorzeitige
Wartezeiterfüllung (§
53 iVm §
43 Abs.
5 SGB VI) vorliegen würde. Von den Voraussetzungen des §
53 Abs.
1 SGB VI ist beim Versicherten keine erfüllt. Nach §
53 Abs.
2 SGB VI ist die Wartezeit allerdings auch dann vorzeitig erfüllt, wenn der Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung
einer Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden ist und zugleich in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge
vorgelegen haben. Da der Versicherte im Jahr 2009 eine Ausbildung abgeschlossen hat und vor 2015 voll erwerbsgemindert geworden
ist, ist der eine Teil der Bedingung erfüllt. Der andere Teil ist jedoch nicht erfüllt: Ausgehend vom Nachweis des medizinischen
Leistungsfalles mit der Entlassung aus der medizinischen Rehabilitationseinrichtung im April 2013 sind im Zwei-Jahres-Zeitraum
von April 2011 bis April 2013 nur 5 Monate Pflichtbeitragszeiten und nicht 12 Monate (1 Jahr) derartiger Zeiten vorhanden
gewesen, nachdem der Versicherte letztmals im August 2011 Pflichtbeiträge aus einer Beschäftigung entrichtet gehabt hatte.
In Betracht kommt allerdings die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach §
11 Abs.
2a Nr.
2 SGB VI, weil die Beklagte die ambulanten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation von August 2012 bis April 2013 durch die Rehabilitationseinrichtung
"F. e.V." erbracht hatte (mit den erleichterten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach §
11 Abs.
2 S. 1 Nr.
2 SGB VI). Nach dieser Regelung wäre eine Leistungszuständigkeit der Beklagten gegeben, wenn Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
für eine "voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation" unmittelbar im Anschluss an die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation
der Träger der Rentenversicherung erforderlich sind.
Offenbleiben kann die Frage, ob die Verpflichtung zur Leistungserbringung von Teilhabeleistungen durch die Beklagte bereits
daran scheitert, dass eine Erbringung "unmittelbar im Anschluss" an die medizinische Rehabilitation gefordert wird. Zwar haben
die Teilhabeleistungen in der WfbM erst Anfang Juni 2013 und damit mehr als einen Monat nach dem Ende der medizinischen Reha-Maßnahme
tatsächlich begonnen. Sie waren aber noch während der Maßnahme beantragt worden. Die Teilhabeleistungen waren nach dem Inhalt
der Antragstellung und den mit vorgelegten medizinischen Darlegungen auch unmittelbar im Anschluss an diese Maßnahme erforderlich.
Da der Versicherte prognostisch nicht wieder in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren war, hat er die versicherungsrechtliche
Voraussetzung des §
11 Abs.
2a Nr.
2 SGB VI nicht erfüllt. Mit den von der Beklagten erbrachten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation allein war eine Wiedereingliederung
des Versicherten auf den ersten Arbeitsmarkt nicht möglich, was zwischen den Beteiligten unstreitig sein dürfte. Fraglich
ist aber, ob die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, hier also die Unterbringung des Versicherten in den Eingangsbereich
und den Berufsbildungsbereich der WfbM erforderlich waren, um eine voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation zu erreichen.
Nicht gemeint sein kann, dass die Teilhabeleistung überhaupt geeignet sein müsse, eine positive Wirkung beim Leistungsempfänger
zu haben. Denn § 33 Abs. 1SGB IX a.F. enthält generell die Einschränkung auf erforderliche Leistungen. Vielmehr kann "voraussichtlich
erfolgreich" nach den obigen Ausführungen aus Sicht des Rentenversicherungsträgers eine Rehabilitation nur dann sein, wenn
die Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt prognostisch möglich erscheint, was aber gerade vorliegend nicht der Fall
war.
Die Beklagte verweist insoweit auch zu Recht auf die Entscheidung des BSG vom 16.06.2015 (B 13 R 12/14 R, juris). Das BSG hat in den Entscheidungsgründen ausdrücklich dargelegt, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung
von Reha-Leistungen sich nach den §§
9 ff.
SGB VI bestimmen und dabei eine Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt die Zielsetzung ist (BSG, a.a.O., Rdnr 11 ff.; s. auch BSG Urteil vom 23.02.2000, B 5 RJ 8/99 R, juris). Aufgrund des Pflichtversicherungsverhältnisses für die Tätigkeit im Arbeitsbereich einer WfbM in der gesetzlichen
Kranken- und Rentenversicherung und der daraus folgenden Beitragsleistung hatte die dortige Beigeladene einen Anspruch auf
Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gegen ihre gesetzliche Krankenkasse, nicht jedoch gegen den Rentenversicherungsträger.
Die Arbeitsfähigkeit im bisherigen Einsatzbereich, nämlich dem Arbeitsbereich der WfbM, war durch Leistungen der medizinischen
Rehabilitation der Krankenkasse sicherzustellen.
Die Argumentation der Klägerin, wonach die gesetzliche Möglichkeit geschaffen worden sei, dass der Rentenversicherungsträger
Teilhabeleistungen im Eingangs- und im Bildungsbereich einer WfbM erbringe und der Hinweis auf das BSG-Urteil vom 06.03.2013 (B 11 AL 2/12 R) überzeugen nicht. Die Entscheidung des BSG betrifft keinen vergleichbaren Fall, da dort offensichtlich die Voraussetzungen bereits aus §
11 Abs.
1 SGB VI erfüllt waren und es somit auf den Regelungsgehalt und die Auslegung des Abs. 2a nicht ankam. Für diesen Personenkreis, der
nach §
11 Abs.
1 SGB VI die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt hat, ergibt sich die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers für
Teilhabeleistungen in einer WfbM, ohne dass es darauf ankommt, ob eine Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt beabsichtigt
ist oder möglich erscheint.
Die Argumentation des Sozialgerichts, dass der Gesetzgeber §
10 SGB VI in §
42 Abs.
1 Nr.
3 SGB IX a.F. gerade nicht aufgeführt habe und damit persönliche Merkmale, die in §
10 SGB VI erfasst seien, keine Rolle spielen und nicht in den §
11 SGB VI hineingelesen dürften, überzeugt nicht. Richtig ist zwar, dass §
10 SGB VI in §
42 Abs.
1 Nr.
3 SGB IX a.F. nicht genannt ist. Das Sozialgericht verkennt jedoch, dass §
42 SGB IX a.F. nicht isoliert gesehen werden kann, sondern der oben aufgezeigte rechtssystematische Zusammenhang der Regelungen des
SGB VI und des
SGB IX zu beachten ist. §
11 Abs.
2a Nr.
2 SGB VI verwendet ausdrücklich den Begriff "voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation", was sich mit der Prognose in §
10 Abs.
1 Nr.
2 SGB VI deckt. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob §
42 SGB IX a.F. ausdrücklich auf §
10 SGB VI Bezug nimmt oder nicht.
Letztlich ergibt sich für die Regelung des §
11 Abs.
2a Nr.
2 SGB VI, in Erweiterung der allgemeinen Zuständigkeit an weitere Personen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen, dass
diese im Interesse der Versichertengemeinschaft der Rentenversicherung nur gerechtfertigt ist, wenn durch die Reintegration
in den Arbeitsmarkt der Versichertengemeinschaft auch zukünftig Beiträge zufließen. Dabei beinhaltet der Umstand, dass die
Teilhabeleistung zur Integration in eine beschützende Werkstatttätigkeit als für den Versicherten erforderlich angesehen wird,
nur dann die "erfolgreiche Rehabilitation" im Sinne des §
11 Abs.
2a Nr.
2 SGB VI, wenn eine Reintegration in eine versicherungspflichtige Beschäftigung des allgemeinen Arbeitsmarktes angestrebt wird. Allein
die dauerhafte Integration in eine WfbM reicht nicht aus. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass im Rahmen der Werkstatttätigkeit
ebenfalls in geringem Umfang Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet werden.
In Ermangelung einer Sonderzuständigkeit der Beklagten verbleibt es im Fall des Versicherten bei der Zuständigkeit der Klägerin
nach §
42 Abs.
1 Nr.
1 SGB IX a.F. für die Erbringung der Leistungen im Eingangsbereich und im Berufsbildungsbereich der WfbM.
Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten hin das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.05.2016 aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
Der Streitwert des Verfahrens ergibt sich aus § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz. Er war auf 51.229,57 Euro festzusetzen, da dies dem Berufungsbegehren der Beklagten entspricht. Eine zwischenzeitlich erfolgte
Reduzierung infolge einer Rückzahlung einer Überzahlung ändert den maßgeblichen Streitwert nicht.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Entscheidung nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zuzulassen. Die Auslegung des Begriffs "voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation" im Sinne des §
11 Abs.
2a Nr.
2 SGB VI ist noch nicht höchstrichterlich entschieden, soweit es um Leistungen zur Teilhabe in einer WfbM geht.