Anspruch auf Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren; Zeitpunkt der Prüfung der Erfolgsaussicht
Gründe:
I. Die Beschwerdeführerin (Bf.) wendet sich gegen die Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe in dem Verfahren
vor dem Sozialgericht.
Die Klägerin und Bf. begehrt mit der am 20. Juni 2008 beim Sozialgericht Augsburg eingegangenen Klage die Gewährung einer
Rente wegen Erwerbsminderung, die die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Bg.) mit Bescheid vom 20. März 2007 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2008 abgelehnt hatte.
Mit Schriftsatz vom 3. Juli 2008, eingegangen am 4. Juli 2008, hat sie einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt und zugleich
mitgeteilt, dass sich aufgrund einer Eheschließung vom 2. Juli 2008 ihr Name geändert hat. Dem Antrag war eine am 22. Juni
2008 unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt, in der die Bf. u.a. angegeben
hat, in einer Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Lebenspartner zu stehen, der sie finanziell unterstütze. Sie hat Angaben zum Einkommen
des Lebenspartners aus nichtselbstständiger Arbeit (2.230.- EUR brutto monatlich), zu Abzügen des Lebenspartners sowie zu
dessen Vermögen gemacht. Dieser trage auch die Wohnkosten.
Mit Schreiben vom 23. Juli 2008 hat das Sozialgericht angefragt, ob der Antrag auf Prozesskostenhilfe im Hinblick auf die
Eheschließung und das Einkommen des Ehegatten aufrecht erhalten werde. Falls dies der Fall sei, sollten die Angaben auf der
Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aktualisiert werden. Dem ist die Bf. erst mit Schreiben
vom 18. Juni 2009 unter Einreichung einer weiteren Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 24.
März 2009 nachgekommen. In der Zwischenzeit hatte das Sozialgericht Befundberichte, ein nervenärztliches Gutachten des Prof.
Dr. S. vom 5. März 2009 sowie ein orthopädisches Gutachten des Dr. B. vom 3. Juni 2009 eingeholt. Beide Gutachter sind zu
dem Ergebnis gelangt, dass die Bf. noch zumindest leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens
sechs Stunden täglich verrichten könne.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 8. Dezember 2009 abgelehnt. Zum Zeitpunkt
der Bewilligungsreife habe keine hinreichende Aussicht der Klage auf Erfolg bestanden. Dabei sei auf den Zeitpunkt des Eingangs
der Erklärung vom 24. März 2009 mit Schreiben vom 18. Juni 2009 abzustellen. Insoweit seien jedoch die beiden Gutachten des
Prof. Dr. S. und Dr. B. zu berücksichtigen, die zu keiner quantitativen Leistungseinschränkung gelangt seien.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat der Bf. nicht begründet.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Nach §
73 a Abs.
1 S. 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. §
114 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) kann einem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Voraussetzungen ist dabei neben einem Antrag, der Glaubhaftmachung
der Bedürftigkeit und dem Ausschluss der Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten
Rechtsverfolgung, §
73 a Abs.
1 S. 1
SGG, §
114 Abs.
1 S. 1
ZPO. Das Sozialgericht lehnte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab, da keine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage auf
Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gegeben sei.
Der Erfolg braucht zwar nicht gewiss zu sein, muss aber nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für
sich haben. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidung des
Gerichts (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
73 a Rdnr. 7 d). Ein früherer Zeitpunkt kommt nur dann in Betracht, wenn sich die Entscheidung über den Antrag verzögert hat und
eine Änderung zum Nachteil der Antragstellerin eingetreten ist (Meyer-Ladewig, aaO., mit Nachweisen aus der Rechtsprechung):
Die Bf. hat bereits mit Schriftsatz vom 3. Juli 2008, eingegangen am 4. Juli 2008, einen wirksamen Antrag auf Gewährung von
Prozesskostenhilfe gestellt. In der ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 22.
Juni 2008 hat sie auch die finanzielle Unterstützung durch ihren damaligen Lebenspartner im Sinne einer Bedarfsgemeinschaft,
dessen Bruttoeinkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, die Abzüge sowie sein Vermögen angegeben. Ferner hat sie die Eheschließung
vom 2. Juli 2008 mitgeteilt. Das Sozialgericht hätte deshalb ohne weitere Rückfrage über den Antrag entscheiden können bzw.
bei Zweifeln über die Identität des Lebens- und Ehepartners dies durch einfache Nachfrage klären können. Hierzu wäre es auch
verpflichtet gewesen, da eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht erkennbar war und sich auch tatsächlich
nicht ergab - dies wurde durch die verspätet eingereichte zweite Erklärung lediglich bestätigt. Dabei ist bei der Ermittlung
des Einkommens auf das Einkommen des Antragstellers und nicht auf das Familieneinkommen abzustellen (BSG SozR 3-1750 § 115
Nr. 1). Das Einkommen des Ehegatten ist jedoch insoweit von Bedeutung, dass die Bf. gegen diesen gemäß §
1360 a des Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB) einen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss haben kann. Eine Änderung des Einkommens des Lebens- und Ehepartners war allerdings
nur hinsichtlich der Höhe der Lohnsteuer des Ehepartners zu erwarten. Da jedoch das Bruttoeinkommen des Ehegatten nur 2.230.-
EUR bzw. 2.291.- EUR betrug und dieser auch die Wohnkosten in Höhe von 547,84 EUR bzw. 623,40 EUR übernahm, konnte sich keine
relevante Auswirkung auf den Prozesskostenhilfeanspruch ergeben.
Die Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 8. Dezember 2009, also fast 1 1/2 Jahre nach dem
Antrag, ist damit als Verzögerung zu werten, die auch vom Sozialgericht zu vertreten ist. Der für die Entscheidung, ob die
Klage eine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, maßgebliche Zeitpunkt liegt damit vor den beiden vom Sozialgericht eingeholten
Gutachten. Deren Ergebnis kann deshalb nicht mit in die Beurteilung einfließen. Da jedoch diese Ermittlungen des Sozialgerichts
von Amts wegen erforderlich waren, ist von einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage zum damaligen Zeitpunkt auszugehen.
Auch die sonstigen Voraussetzungen einer Prozesskostenhilfegewährung sind aufgrund der finanziellen Situation der Bf. und
der Schwierigkeit des Prozessstoffes erfüllt, so dass zum einen keine Ratenzahlung anzuordnen war und zum anderen auch die
Notwendigkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts als gegeben angesehen wird. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe war aus
den dargelegten Gründen ab Antragstellung auszusprechen.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.