Gründe:
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragstellerin und Klägerin (im Verfahren L 4 KR 269/08) einen Anspruch auf digitale Enddarmausräumung als Dauerleistung hat.
Diese verordnet der Hausarzt Dr. D. wie schon zuvor am 13.03.2008 quartalsweise zweimal wöchentlich, denn er sieht die Notwendigkeit
dafür bei der 77-jährigen vollständig immobilen, stark hinfälligen Klägerin in deren Unvermögen zur natürlichen Stuhlentlehrung
bei parenteralen Ernährung und umfangreicher Medikamentengabe. Die Antragsgegnerin und Beklagte weigert sich die Darmausräumung
als Dauerleistung zu gewähren, denn nach den einschlägigen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sei jeweils eine
Einzelverordnung durch den ärztlichen Behandler notwendig. Die dazu erforderliche Beurteilung, ob ein solch weitreichender
Eingriff geboten sei, könne nicht den ärztlichen Pflegedienstkräften überlassen bleiben. Gerade bei dem hier tätigen Pflegedienst
sei zu befürchten, dass aus wirtschaftlichen Interessen mehr Maßnahmen erbracht würden als erforderlich. Bei der Klägerin
seien weniger einschneidende Maßnahmen, etwa Umstellung der Ernährung oder Gebrauch eines Klistiers angebracht. Mit diesen
Überlegungen widersetzt sich die Beklagte der klägerischen Beschwerde gegen die Verweigerung vorläufigen Rechtsschutzes im
Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.07.2008 auf den entsprechenden Antrag der Klägerin auf Erlass einer vorläufigen
Regelung. Das Sozialgericht sieht keinen hinreichenden Anordnungsgrund, also die fehlende Glaubhaftmachung, warum die Klägerin
die Kosten für die Ausräumung nicht vorstrecken könne. Auch könne die Klägerin jeweils bei Bedarf ihren Hausarzt konsultieren.
Die Beschwerde dagegen unterstreicht die Notwendigkeit, die Maßnahme regelmäßig zu erbringen. Die Beklagte könne sich wegen
der neuerlichen Öffnungsklausel des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 16.03.2007 nicht länger mehr auf die Einschränkungen
der Richtlinien zur häuslichen Krankenpflege berufen. Dr. D. hat dem Senat gegenüber dargelegt, warum aus seiner Sicht der
Zustand der Klägerin die regelmäßige Darmausräumung erfordere und die von der Beklagten vorgeschlagenen Maßnahmen unzureichend
seien.
Rechtsgrundlage für die begehrte Anordnung, die Klägerin entsprechend den Verordnungen des Dr. D. mit der digitalen Enddarmausräumung
zu versorgen ist neben §
37 SGB V §
86b Abs.2 Satz 2
SGG. Hiernach ist eine vorläufige Regelung zulässig, wenn dadurch wesentliche Nachteile für die Klägerin vermieden werden können.
Das ist anzunehmen, wenn ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile für die Klägerin
entstehen könnten, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
In einer solchen Situation befindet sich die Klägerin. Ihr ist es nicht zuzumuten, länger auf die Leistung zu warten, die
ihr aller Wahrscheinlichkeit nach von der Beklagten zu Unrecht vorenthalten wird. Ihr steht ein sog. Anordnungsanspruch zur
Seite, den die Beklagte vorläufig zu erfüllen hat.
Die im vorliegenden Fall allein strittige Frage, ob die begehrte Maßnahme jeweils einer ärztlichen Einzelverordnung bedarf
oder ärztlicherseits diese regelmäßige Leistung für mehrere Monate zweimal wöchentlich wirksam zu Lasten der Beklagten verordnet
werden kann, ist im Sinne der Klägerin und ihres Arztes zu beantworten.
Unter den Beteiligten ist unstreitig, dass bei der Klägerin auf die natürliche Verdauung künstlich einzuwirken ist, weil die
Klägerin dies ohne Hilfe nicht mehr mit ihren reduzierten Kräften bewerkstelligt. Die dazu erforderlichen Maßnahmen zählen
zur Behandlungspflege im Sinne von §
37 SGB V, was auch unter den Beteiligten unstreitig ist. In der Anlage Nr.14 zu den Richtlinien des Gemeinsamen Ausschusses über die
Verordnung von häuslicher Krankenpflege - HKP-Richtlinien -, die den §
37 SGB V ergänzen, ist neben anderen, bei der Klägerin bereits angewandten Methoden (Klistierverabreichung) auch die digitale Enddarmausräumung
als mögliche Behandlung aufgeführt. Sie soll aber jeweils vom behandelnden Arzt nur als einmalige Leistung verordnet werden.
Der im Verwaltungs- und Sozialgerichtsverfahren bereits gehörte Arzt Dr. D. hat dem Senat auf genaue Nachfrage mitgeteilt,
warum er es bei der besonderen Situation der multimorbiden Klägerin für erforderlich hält, diese Art der Darmentleerung regelmäßig
durchzuführen. Seine den Beteiligten bekannten Überlegungen leuchten ein. Insbesondere kann nicht erwartet werden, dass die
Fähigkeiten der Klägerin, ohne fremde Hilfe ihren Darm zu entleeren, wieder zunehmen werden. Die Einwände der Beklagten gegen
die Verordnung von Dr. D. verfangen nicht, etwa der Hinweis auf eine vorrangige Ernährungsumstellung, wird doch die Klägerin
bereits parenteral ernährt. Die Problematik des Eingriffs in die Intimsphäre der Patientin und Versicherten entfällt hier,
weil die Klägerin bzw. ihre Betreuerin ja gerade von sich aus den regelmäßigen Eingriff wünschen. Die Beklagte weist auf die
bekannte Gefahr der missbräuchlichen Leistungserbringung durch einen Pflegedienst wegen der kaum durchführbaren Kontrollen
hin. Für diesen durchaus ernstzunehmenden Hinweis fehlt es aber an konkreten Anhaltspunkten und er erscheint bei dieser Leistungsart
gering. Auch unterstellt die Beklagte damit dem behandelnden Arzt eine leichtfertige Rezeptierung, wofür ebenfalls Anhaltspunkte
fehlen. Die von der Beklagten weiterhin behauptete Einmaligkeit des Falles macht schwer verständlich, warum sie sich dann
so gegen die Leistung sträubt, und übersieht, dass die digitale Enddarmausräumung gerade als Maßnahme in die Anlage der HKP-Richtlinien
ausdrücklich aufgenommen ist.
An der Leistungserbringung in der verordneten Form ist die Beklagte schließlich nicht durch die Vorgaben der Richtlinien gehindert.
Zwar sind diese, wie auch vom Senat immer wieder unterstrichen, für Behandler wie auch Versicherte verbindlich, doch gilt
schließlich hier der Hinweis des Klägervertreters, dass dem Vertragsarzt die Möglichkeit eingeräumt ist, im Einzelfall von
dem Gebot der Einmalverordnung abzuweichen. Um also einer besonderen Situation, wie bei der Klägerin, gerecht zu werden, kann
er auch vorausschauend die Maßnahme verordnen. Im Beschluss vom 16.03.2007 (Bundesanzeiger Nr.115 S.6395 vom 26.06.2007) hat
der Gemeinsame Bundesausschuss für die häusliche Krankenpflege eine Öffnungsklausel dahin beschlossen, dass Pflegeleistung
außerhalb des Leistungsverzeichnisses verordnet werden können, wenn sie medizinisch erforderlich, wirtschaftlich und Bestandteil
des ärztlichen Behandlungsplanes sind. Dies ist im vorliegenden Fall nach den ausführlichen Darlegungen von Dr. D. gegeben.
Da die Beschwerde nicht vollständig erfolgreich ist, sind der Klägerin auch nicht ihre sämtlichen notwendigen außergerichtlichen
Kosten zu erstatten (§
193 SGG).
Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nicht gegeben (§
177 SGG).