Gründe:
I. Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Rechtmäßigkeit einer Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung.
Die Antragstellerin betreibt ein Unternehmen, das Pflegedienstleistungen in der häuslichen Krankenpflege anbietet. Nach einer
in der Zeit vom 14. Juli 2008 bis zum 7. April 2009 durchgeführten Betriebsprüfung forderte die Antragsgegnerin von der Antragstellerin
für den Zeitraum 1. Dezember 2003 bis 31. März 2008 Beiträge zu den einzelnen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung
und Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 86.405,92 Euro nach. Betroffen waren zwei Geschäftsführer und zahlreiche Pflegekräfte,
die von der Antragstellerin als selbständig tätige, nicht sozialversicherungspflichtige Personen geführt worden waren. Gegen
den Nachforderungsbescheid vom 27. August 2009 erhob die Antragstellerin Widerspruch mit Schreiben vom 2. September 2009.
Ein bei der Antragsgegnerin gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde mit Schreiben vom 9. September 2009 abgelehnt.
Daraufhin hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 21. September 2009 beim Sozialgericht Bayreuth um einstweiligen Rechtsschutz
ersucht. Mit Beschluss vom 11. Dezember 2009 hat das Sozialgericht festgestellt, dass der Widerspruch vom 2. September 2009
gegen den Bescheid vom 27. August 2009 aufschiebende Wirkung hat. Das Sozialgericht hat dazu im Wesentlichen ausgeführt, dem
Widerspruch komme kraft Gesetzes nach §
7a Abs.
7 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) aufschiebende Wirkung zu. Inzident seien Statusentscheidungen über Mitarbeiter der Antragstellerin betroffen. §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV gelte nicht nur für Statusfeststellungen im Rahmen eines Anfrageverfahrens, sondern auch für Statusfeststellungen im Rahmen
von Betriebsprüfungen. Dagegen hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz an das Sozialgericht Bayreuth vom 29. Dezember 2009
(eingegangen am Bayerischen Landessozialgericht am 11. Januar 2010) Beschwerde erhoben. Die Antragsgegnerin hat zur Begründung
im Wesentlichen vorgetragen, dem Widerspruch der Antragstellerin komme keine aufschiebende Wirkung zu. Es gelte die Bestimmung
des §
86a Abs.
2 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG), wonach Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie
der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten
keine aufschiebende Wirkung hätten. Dagegen sei die Vorschrift des §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV nur für Statusentscheidungen im Anfrageverfahren nach §
7a SGB IV anzuwenden.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 11. Dezember 2009 aufzuheben und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden
Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 27. August 2009 abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, das Sozialgericht habe zu Recht die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs festgestellt.
Zum Sach- und Streitstand und zum Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt aller Akten, insbesondere der
beigezogenen Akten des Sozialgerichts Bayreuth und der Verwaltungsakten der Antragsgegnerin verwiesen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig (§§
172,
173 SGG) und begründet. Der Widerspruch der Antragstellerin hat keine aufschiebende Wirkung.
Nach §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG entfällt bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen
und sonstigen Abgaben einschließlich darauf entfallenden Nebenkosten die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage.
Nachdem die Antragsgegnerin die Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 27. August 2009 abgelehnt hatte (§
86a Abs.
3 Satz 1
SGG), blieb der Antragstellerin nur noch die Möglichkeit, beim Gericht der Hauptsache zu beantragen, die aufschiebende Wirkung
ihres Widerspruchs anzuordnen (§
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG).
Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Anwendbarkeit des §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG verneint. Die Vorschrift des §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV, wonach Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen, dass eine Beschäftigung vorliegt, bereits nach dem Gesetz aufschiebende
Wirkung haben, ist in dem hier zu entscheidenden Verfahren nicht einschlägig. Weder aus dem Wortlaut des §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV noch aus seiner systematischen Stellung innerhalb der Regelungen des mit Wirkung zum 1. Januar 1999 durch das Gesetz zur
Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl I, 2000, S. 2) geschaffenen Anfrageverfahrens folgt eine aufschiebende Wirkung der genannten Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Rahmen
von Betriebsprüfungen bei den Arbeitgebern auf der Grundlage des § 28p
SGB IV.
Etwas anderes gilt auch nicht nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift des §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV. Zwar sollte §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV nach der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit nicht nur für Statusentscheidungen
der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund) gelten, sondern ausdrücklich auch
für Statusentscheidungen der übrigen Sozialversicherungsträger außerhalb des Anfrageverfahrens (vgl. BT-Drs 14/1855, S. 8;
LSG Hamburg, Beschluss vom 25. Oktober 2000, L 3 B 80/00 ER, Rz. 14 - zitiert nach juris; Kassler Kommentar-Seewald, Stand: April 2009, §
7a SGB IV Rn 25; Knospe in: Hauck/Noftz, Stand: Oktober 2009, §
7a SGB IV Rn 51; Baier in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Stand: Mai 2009, §
7a SGB IV Rn 21; aA: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. November 2008, L 16 B 7/08 R ER, Rz. 18 - zitiert nach juris; jurisPK/Pietrek, §
7a SGB IV Rn 131). Begründet wurde das mit den Auswirkungen für die Betroffenen. Von den angefochtenen Entscheidungen sollten zunächst
keine Rechtswirkungen ausgehen (vgl. BTDrucks 14/1855, S. 8). Die von der Antragsgegnerin getroffenen Regelungen gehen jedoch
über eine bloße Statusentscheidung hinaus. Anders als §
7a SGB IV ermächtigt § 28p Abs.
1 Satz 5
SGB IV die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Betriebsprüfung zum Erlass von Verwaltungsakten zur Versicherungspflicht
und zur Beitragshöhe. Dagegen folgen aus §
7a SGB IV keinerlei beitragsrechtliche Zuständigkeiten (vgl. auch BSG, Urteil vom 4. Juni 2009, B 12 KR 31/07 R, Rz. 29 - zitiert nach juris). Die Begründung von Zahlungspflichten ist es jedoch, die nach dem Willen des Gesetzgebers zur
sofortigen Vollziehbarkeit einer Verwaltungsentscheidung nach §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG führen sollte. Die Regelung dient der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Leistungsträger der Sozialversicherung (vgl. Gesetzentwurf
der Bundesregierung zum Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes - 6. SGGÄndG - BTDrucks 14/5943,
S. 25). Auch wenn die zwischen den Beteiligten streitige Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht erst auf das
Tätigwerden der Zollbehörden zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung zurückzuführen ist (vgl. dazu
bereits den Beschluss des Senats vom 7. Januar 2009, L 5 R 881/09 B ER), ist auch in dem hier zu entscheidenden Verfahren durch die Möglichkeit der sofortigen Vollziehung zu gewährleisten,
dass der Zahlungsanspruch der Sozialversicherungsträger realisiert und nicht begünstigt durch den weiteren Zeitablauf nach
Widerspruch und Klage - gegebenenfalls auch mit Hilfe von Vermögensumschichtungen - vereitelt werden kann. Anders als in den
von §
7a SGB IV geregelten Fällen (vgl. BTDrucks 14/1855, S. 6) besteht hier kein Bedürfnis, die Position eines gutgläubigen Arbeitgebers
zu stärken. Eine Bevorzugung der erst durch eine Betriebsprüfung entdeckten säumigen Arbeitgeber, insbesondere auch der bösgläubigen,
ist nicht gewollt (vgl. auch Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. November 2008, L 16 B 7/08 R ER, Rz. 18 - zitiert nach juris).
Auch fehlt eine dem §
7a Abs.
6 Satz 2
SGB IV vergleichbare Regelung, wonach die nach einem Anfrageverfahren nachzufordernden Gesamtsozialversicherungsbeiträge erst zu
dem Zeitpunkt fällig werden, zu dem die Entscheidung, dass eine Beschäftigung vorliegt, unanfechtbar geworden ist. Jedenfalls
seit der Aufhebung des §
7b SGB IV durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007 (BGBl I S. 3024) sehen auch die Sozialversicherungsträger eine entsprechende Anwendung des §
7a Abs.
6 Satz 2
SGB IV im Rahmen von Betriebsprüfungen nicht mehr veranlasst (vgl. die Niederschrift über die Besprechung der Spitzenverbände der
Krankenkassen, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs
am 7./8. Mai 2008 zu TOP 2, im Internet unter www.aok-business.de). Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts sind diese materiell-rechtlichen
Vorschriften auch maßgeblich für das Verständnis des §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV. Würden Beitragsansprüche nämlich erst mit der Bestandskraft der Entscheidung über das Bestehen der Sozialversicherungspflicht
fällig, wäre eine sofortige Vollziehung während der Rechtsbehelfsverfahren sinnlos.
Auf den Antrag der Antragstellerin steht es nach §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG im Ermessen des Gerichts, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs herzustellen. Dabei hat eine Interessenabwägung stattzufinden
zwischen den Belangen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin. Das Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung
ihrer Beitragsnachforderung ist dem Interesse der Antragstellerin an einer Aussetzung der Vollziehung vor endgültiger Klärung
des Rechtsstreits gegenüber zu stellen. Die Interessenabwägung zwischen den Belangen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin
erfordert kein Abweichen von dem gesetzlich vorgesehenen Regelfall eines Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung nach §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der hier im Streit stehenden Entscheidung der Antragsgegnerin.
Dies gilt nach der im einstweiligen Rechtsschutz allein veranlassten summarischen Prüfung sowohl hinsichtlich der Beurteilung
des Tätigwerdens der Betroffenen im Rahmen von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen als auch im Bezug auf die Berechnung
der nachgeforderten Sozialversicherungsbeiträge. Die Antragsgegnerin durfte zur Beurteilung der Tätigkeiten im Rahmen von
abhängigen Beschäftigungsverhältnissen maßgeblich auf den Inhalt der von der Antragstellerin mit den Betroffenen geschlossenen
Verträge und die Antworten auf an die Pflegekräfte verschickte Fragebögen abstellen. Der von der Antragstellerin erhobene
Vorwurf, die Bewertungen der Antragsgegnerin seien "nicht überprüfbar" kann nicht nachvollzogen werden. Dies gilt auch hinsichtlich
der geltend gemachten Beitragshöhen, deren Berechnung sich aus den Anlagen zum Bescheid vom 27. August 2009 für die einzelnen
Betroffenen - untergliedert nach Zeitabschnitten und jeweils nach den einzelnen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung
aufgeschlüsselt - ergeben.
Auch ist nach dem Vortrag der Antragstellerin keine unbillige Härte erkennbar, die die Anordnung der aufschiebenden Wirkung
als eine besondere Ausnahme zum gesetzlich angeordneten Sofortvollzug rechtfertigen könnte. Allein das Vorbringen "mit Fälligkeit
der Forderung dürfte Insolvenz anzunehmen sein" genügt dafür nicht. Die Antragstellerin belegte die geltend gemachte drohende
Zahlungsunfähigkeit lediglich mit selbst erstellten Vermögensaufstellungen und einer von der D. Bank verfassten Abschlussrechnung
vom 1. März 2010 zu einem Firmenkonto der "Zweigniederlassung E." über 8.418,08 Euro. Der Antragstellerin steht es jedoch
frei, eine Stundung der rückständigen Beiträge unter den Voraussetzungen des §
76 Abs.
2 bis
4 SGB IV zu beantragen.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz i.V.m. §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.