Aufschiebende Wirkung eines Widerspruches gegen einen Beitragsnachforderungsbescheid aufgrund einer Betriebsprüfung
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die aufschiebende Wirkung eines Widerspruches gegen einen Beitragsnachforderungsbescheid aufgrund
Betriebsprüfung herzustellen.
1.
Die Antragstellerin ist eine in A-Stadt ansässige GmbH, die 2007 aus der vormaligen, im Handelsregister des Amtsgerichts A-Stadt
unter HRA 76038 eingetragenen "G. OHG" durch Rechtsformenumwandlung nach dem Umwandlungsgesetz hervorgegangen ist. Handelsregisterlich eingetragene Unternehmensgegenstände der Antragstellerin sind "Postdienst und postnahe
Leistungen, Outsourcing-Dienstleistungen, Direktmarketing, Dienstleistungen und Fulfillmentdienstleistungen". Auf ihrer Homepage
bietet die Antragstellerin u. a. an, beim Kunden dessen Postsendungen abzuholen und diese bei der Post aufzuliefern. Dazu
sind auf u. a. firmeneigene Transporter des Fabrikats Mercedes Sprinter mit der Werbeaufschrift www ...de abgebildet.
Die Antragsgegnerin führte am 30.01.2008 eine Betriebsprüfung der Antragstellerin für den Zeitraum 01.01. bis 31.12.2007 durch
und forderte als Ergebnis mit Bescheid vom 18.02.2008 Umlagen in Höhe von 34,23 EUR nach. Der Bescheid ist bestandskräftig
geworden.
2.
Im Frühjahr 2009 führte das Hauptzollamt A-Stadt - Finanzkontrolle Schwarzarbeit zur Geschäftstätigkeit der Antragstellerin
Ermittlungen durch. Es kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin den 1959 geborenen D. (B. D.), den 1930 geborenen
G. K. (G. K.), den 1939 geborenen C. H. (C. H.), den 1974 geborenen C. G. (C. G.) und den 1975 geborenen T. G. (T. G.) als
selbstständige Kurierfahrer geführt und die 1983 geborene A. K. (A.K.) von 2005 bis 2009 auf Selbstständigkeitsbasis mit Arbeiten
als Büroangestellte beauftragt hatte, obgleich diese in den Betriebsablauf der Antragstellerin eingebunden abhängig beschäftigt
gewesen waren. Die Ermittlungen führten zur Anklageschrift der Staatsanwaltschaft A-Stadt I vom 24.11.2011, wonach A. als
einer der Geschäftsführer der Antragstellerin des vorsätzlichen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen beschuldigt
ist.
Die Antragsgegnerin wertete die Ermittlungsakten des Hauptzollamtes aus und hörte die Antragstellerin mit Schreiben vom 11.01.2011
und 26.09.2011 zur beabsichtigten Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für die Zeit 1.1.2002 bis 31.07.2009
an. Die als Selbstständige geführten Kurierfahrer seien tatsächlich abhängig beschäftigt gewesen, weil sie ohne eigene Betriebsmittel
in den Betrieb des Antragstellers eingebunden nach dessen festen Vorgaben tätig gewesen seien. Die A. K. habe nur dem Scheine
nach als selbstständig Tätige Büroarbeiten in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis erbracht. Die Antragsgegnerin wandte
ein, sie habe die Kurierfahrer nach deren Wünschen als Selbständige geführt, A. K. habe eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt.
Die Handhabung der Kurierfahrer und der A. K. habe die Antragstellerin gemäß Beitragsprüfungsbescheid vom 18.02.2008 unbeanstandet
gelassen hatte. Die Antragstellerin bezog sich hinsichtlich des B. D. darauf, dass dieser ein eigenes Fahrzeug gefahren habe
wie eine in Kopie vorgelegte Zahlungserinnerung der R.-Bank gegenüber dem B. D. beweise, wonach dieser für ein eigenes Fahrzeug
mit 434,74 EUR Monatsraten in Rückstand geraten sei ...
Mit Bescheid vom 19.03.2012 forderte die Antragsgegnerin von der Antragstellerin für den Prüfzeitraum 01.01.2002 bis 30.06.2009
Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 573.209,30 EUR einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von 211.752,00 EUR nach,
weil die Kurierfahrer sowie A. K. tatsächlich abhängig Beschäftigte der Antragstellerin gewesen seien. Die Fahrer hätten vorgegebene
Touren mit Fahrzeugen der Antragstellerin für deren Kunden ausgeführt, anderweitige selbstständige Tätigkeiten seien von der
streitigen Kurierfahrertätigkeit zu trennen. A. K. habe Büroarbeiten in abhängiger Beschäftigung erbracht. Dagegen erhob die
Antragstellerin am 30.03.2012 Widerspruch, den sie mit Telefax vom 24.04.2012 begründete.
3.
Am 05.04.2012 hat die Antragsstellerin beim Sozialgericht München beantragt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs
gegen den Beitragsnachforderungsbescheid vom 19.03.2012 anzuordnen. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht, die selbständigen
Kurierfahrer seien nicht arbeitnehmertypisch tätig gewesen, weil sie jeweils ein eigenes Gewerbe angemeldet hatten, sich die
zu fahrenden Touren selbst aussuchen und ablehnen konnten, für Strafzettel und Unfälle dadurch haften mussten, dass die entsprechenden
Beträge ihnen vom Stundenlohn abgezogen worden seien, sie auch für andere Auftraggeber ohne Konkurrenzschutzklausel hatten
tätig sein konnten, einem arbeitsrechtlichen Direktionsrecht nicht unterlegen hatten, teilweise eigene Fahrzeuge genutzt hatten,
wobei insbesondere B. D. für den Einsatz seines R. eine Tagespauschale von 40,00 EUR erhalten habe. C. H. sei für seine Ehefrau
tätig geworden und habe als Rentner nur einen Hinzuverdienst erhalten. G. K. habe mit dem Hinzuverdienst vermieden, der Sozialhilfe
zur Last zu fallen. A. K. sei die ehemalige Lebensgefährtin des Geschäftsführers gewesen, die als Messehostess selbständig
gewesen sei, die dabei auch kaufmännische Tätigkeiten durchgeführt habe. Die kaufmännischen Büroarbeiten der A.K seien daher
selbstständig ausgeführt worden. Mittlerweile seien die Strafverfahren hinsichtlich A. K., C. H. und T. G. zurückgenommen.
Die Berechnung der Beitragsnachforderungen seien der Höhe nach unzutreffend berechnet. Vorsatz oder schuldhaftes Verhalten
der Antragstellerin liege nicht vor, sodass Säumniszuschläge nicht hätten geltend gemacht werden dürfen und nur die kurze
Verjährungsfrist von vier Jahren anwendbar sei.
Die Antragsgegnerin hat erwidert, dass die aufschiebende Wirkung nicht anzuordnen sei, weil ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit
der Beitragsnachforderungen nicht bestünden. Die Kurierfahrer hätten zwar zum Teil selbstständige Gewerbe angemeldet, jedoch
seien Tätigkeiten nicht mit der vorliegenden Fahrerarbeit zu verwechseln. C. H. sei nicht als Beschäftigter seiner Ehefrau
angemeldet gewesen und müsse wegen der direkten Eingebundenheit in den Betrieb der Antragstellerin und der Unterworfenheit
der Vorgaben deren Geschäftsführer als Beschäftigter der Antragstellerin gesehen werden. Dass G. K. ohne die Einkünfte aus
der Kurierfahrertätigkeit bedürftig geworden sei, mache diesen nicht zum selbstständigen Unternehmer. A. K. sei in den Betrieb
eingeordnet gewesen. Auch im Übrigen sei die Nachforderung zutreffend.
Mit Beschluss vom 06.07.2012 hat das Sozialgericht den Antrag der Antragstellerin abgewiesen im Wesentlichen mit der Begründung,
die Kurierfahrer seien als Fahrer ohne eigenes Fahrzeug als wesentliches Betriebsmittel nur dem Scheine nach selbstständig,
tatsächlich aber abhängig beschäftigt gewesen. Eine freie Gestaltung der Touren sei nicht möglich gewesen. A. K. habe als
in den Betrieb der Antragstellerin eingebundene Bürokraft gearbeitet. Eine unbillige Härte sei nicht zu erkennen, insbesondere
weil Stundungsmöglichkeiten bei der Einzugsstelle bestünden.
4.
Dagegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Hinsichtlich
des B. D. sei auch zu beachten, dass die Antragstellerin nur aus Kulanz dessen Abrechnungen, die den Formanforderungen nicht
entsprochen hatten, auf ihrem eigenen Computer geschrieben habe. Zudem sei B. D. in den sieben Jahren seiner Tätigkeit niemals
an die Antragstellerin herangetreten um einen Anstellungsvertrag zu erhalten, wie ihn die übrigen Fahrer erhalten, obwohl
sich wegen Personalfluktuation häufig die Gelegenheit dazu geboten hätte. Hilfsweise müsse die Antragsgegnerin anerkennen,
dass allenfalls ein entschuldbarer Rechtsirrtum zur Arbeitnehmereigenschaft auf Seiten der Antragstellerin vorliegen könne,
weil die Antragsgegnerin es bei den bisherigen Betriebsprüfungen versäumt habe, die Antragstellerin auf die unzutreffende
Einordnung der Tätigkeiten hinzuweisen. Auch bestehe eine unbillige Härte, weil die Hausbank der Antragstellerin ein Kreditlimit
verweigert habe und weil die Auswertung der Summen- und Saldenlisten der Sachkonten 2011 ebenso wie eine vorläufige betriebswirtschaftliche
Auswertung die prekären wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin belegten.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 06.07.2012 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 30.03.2012
gegen den Bescheid vom 19.03.2012 herzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss des Sozialgerichts München für zutreffend. Zudem verweist sie auf die Möglichkeit, bei der zuständigen
Einzugsstelle einen Stundungsantrag zu stellen.
Beigezogen waren die Betriebsprüfungsakten der Antragsgegnerin. Darauf, sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird
zur Ergänzung Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§
172,
173 SGG) und überwiegend begründet. Der streitige Beitragsnachforderungsbescheid vom 19.03.2012 widerspricht der Regelung des bestandskräftigen
Bescheides vom 18.02.2008 sowie den vorangegangenen Betriebsprüfungen insoweit, als Nachforderungen auch für die bereits geprüften
Zeiträume bis einschließlich 31.12.2007 geltend gemacht sind. Insoweit wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruches angeordnet
begrenzt auf das Widerspruchsverfahren. Die Beschwerde ist unbegründet, soweit Beitragsnachforderungen für den Zeitraum 01.01.2008
bis 30.06.2009 betroffen sind. Insoweit ist im vorliegenden Eilverfahren nicht zu erkennen, dass die Beklagte zu Unrecht von
nur dem Scheine nach selbstständigen Tätigkeiten der Kurierfahrer sowie der A. K. ausgegangen ist.
1.
Nach §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen - in denen wie hier gemäß §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG - Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die Entscheidung,
inwieweit die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen Beitragsbescheide ausnahmsweise durch das Gericht angeordnet werden
kann, richtet sich zunächst nach einer Abwägung des Aufschubinteresses der Antragstellerin einerseits und des öffentlichen
Interesses an dem Sofortvollzug des Beitragsnachforderungsbescheides andererseits. Dabei ist - in Anlehnung in §
86a Abs.
3 Satz 2
SGG - zunächst zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen
(BT-Drs. 14/5943 unter Bezug auf BVerwG NJW 1974, 1294; ständige Rechtsprechung, vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.07.2011 - L 8 R 287/11 B ER; Bayer. LSG, Beschluss vom 20.04.2012 - L 5 B 246/12 B ER).
Nach § 28p Abs. 1 Satz 5 erlassen die Träger der Rentenversicherung - wie hier die Antragsgegnerin - im Rahmen der Prüfung
bei den Arbeitgebern Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Inhalt und Umfang der Prüfung nach § 28p
SGB IV ergeben sich aus den in §
28a ff.
SGB IV normierten Aufgaben des Arbeitgebers, insbesondere zu dessen Meldepflichten nach §
28e, zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nach §
28d, zu dessen Aufzeichnungs- und Beitragsnachweispflichten gemäß §
28f SGB IV. Inhalt der Betriebsprüfung ist dabei insbesondere die von den Arbeitgebern vorgenommene Beurteilung von Beschäftigungsverhältnissen.
Dazu zählt, ob und in welchem Umfang die bei oder für den zu prüfenden Betrieb Tätigen der Sozialversicherungspflicht unterliegen,
ob diese versicherungspflichtig, versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind (vgl. Bayer. LSG Beschluss
vom 09.05.2012 - L 5 R 23/12).
Beschäftigung ist dabei gem. §
7 Abs.
1 SGB IV die Nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Dies liegt vor, wenn der Tätige in einem fremden Betrieb
eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt.
Eine selbständige Tätigkeit ist dagegen anzunehmen, wenn sie durch eigenes Unternehmerrisiko, eine eigene Unternehmenschance,
das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen
frei gestaltete Tätigkeit der Arbeitszeit geprägt ist. Dabei ist eine Gesamtabwägung der Umstände vorzunehmen, unter denen
die jeweilige Tätigkeit ausgeübt worden ist (st. Rechtsprechung, vgl. Bayer. LSG Urteil vom 28.06.2011 - L 5 R 880/10; BSG Urteil vom 12.02.2004 - B 12 KR 26/02 R).
2.
In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung festzustellen, dass sowohl die Antragsgegnerin
als auch das Sozialgericht zutreffend die Kurierfahrer (B. D., T. G., C. H., C. G., G. K.) sowie die als Bürokraft tätige
A. K. als Beschäftigte der Antragstellerin behandelt haben.
a)
Aus den Ermittlungsakten des Hauptzollamtes, den Betriebsprüfungsakten der Antragsgegnerin sowie aus dem eigenen Vorbringen
der Antragstellerin ergeben sich die nachfolgenden eine Beschäftigung der Fahrer belegende Umstände.
- Die Antragstellerin hat den Kurierfahrern das wesentliche Arbeitsmittel gestellt, nämlich die auf das Unternehmen der Antragstellerin
zugelassenen, mit ihrer Werbeaufschrift "www ...de" versehenen Transportern des Fabrikats Mercedes Sprinter;
- die Antragstellerin hat die für den Betrieb des wesentlichen Arbeitsmittels - die Transporter des Fabrikats Mercedes Sprinter
- die notwendigen Betriebsstoffe wie Kraftstoff oder Schmiermittel allein gezahlt und die Kosten von Unterhalt, Versicherung
und Wartung dieser Fahrzeuge allein übernommen;
- die Kurierfahrer sind jeweils vormittags und nachmittags feste von der Antragstellerin für ihre eigenen Kunden zugeschnittene
und deshalb den Fahren vorgegebene Toren abgefahren;
- die Tätigkeit der Kurierfahrer, also die Ausführung der Fahrten selbst, hat sich von der Tätigkeit der auf Arbeitsvertragsbasis
angestellten Fahrer der Antragstellerin nicht wesentlich unterschieden und
- die Kurierfahrer sind gegenüber den Kunden der Antragstellerin nicht als Selbständige aufgetreten.
Zwar hat die Antragstellerin eingewandt, B. D. sei auch mit einem eigenen finanzierten (geleasten) Fahrzeug der Marke Renault
gefahren. Aus dem im Anhörungsverfahren vorgelegten Kreditdokument der R.-Bank ergibt sich allerdings, dass dieses erst aus
dem Jahr 2011 datiert, so dass nicht zu unterstellen ist, dass im hier relevanten Zeitraum bis einschließlich 30.06.2009 Fahrten
mit dem Fahrzeug der Marke Renault unternommen worden sind.
Demgegenüber sind zwar auch Elemente zu erkennen, die für eine Selbständigkeit der Fahrertätigkeit sprechen, wie die Antragstellerin
zu Recht geltend macht. Dies sind insbesondere
- das Recht, Touren abzulehnen,
- die Vergütung nach eigener Rechnung,
- die Haftung für unrechtmäßiges Verhalten,
- das Fehlen der Entgeltfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfalle und
- die Anmeldung eigener Gewerbe.
Diese Gesichtspunkte treten jedoch im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung deutlich zurück. Denn die Kurierfahrer hatten
ihre jeweiligen selbständigen Gewerbe neben der hier streitigen Tätigkeit auf einem jeweils vollkommen zu trennenden Geschäftsgebiet,
so dass die hier streitige Tätigkeit und die anderen selbständigen gewerblichen Tätigkeiten werden klar voneinander trennbar
und auch zu trennen sind. Die Haftung für unrechtmäßiges Verhalten (Unfall, Bußgelder) war auf den Abzug von der geschuldeten
Vergütung begrenzt, was wiederum für die Ersthaftung der Antragstellerin in diesem Rahmen spricht. Die Nichtgewährung sozialer
Rechte allein kann nicht zum Vorliegen von selbständiger Tätigkeit führen.
Der Antragstellerin ist auch entgegenzuhalten, dass es nicht dem Parteiwillen überlassen ist, zu bestimmen, ob ein Beschäftigungsverhältnis
vorliegt oder nicht. Dies ergibt sich allein aus den rechtlichen Vorgaben des Sozialgesetzbuches. In Bezug auf die Tätigkeit
des C. H. gilt, dass dieser nicht als Beschäftigter seiner Ehefrau zu behandeln ist. Denn seine Frau war zunächst für die
Antragstellerin als Fahrerin tätig gewesen bis C. H. an ihre Stelle getreten ist und deren bisherige Kurierfahrerarbeiten
ausgeübt hat. C. H. hatte seine Touren und die Fahrzeuge dazu direkt von der Antragstellerin vorgegeben und zugewiesen erhalten.
Dass C. H. nicht bei seiner Ehefrau als Beschäftigter gemeldet war, ist als weiteres starkes Indiz für eine direkte Rechtsverbindung
zur Antragstellerin zu werten. Hinter diese Gesichtspunkte tritt die rein formelle Rechnungsstellung durch die Ehefrau des
C. H. gegenüber der Antragstellerin zurück.
b)
Entsprechendes gilt für die Tätigkeit der A. K. Diese hat
- in dem Büro der Antragstellerin
- unter Verwendung von deren Arbeitsmitteln
- die gleiche Arbeit wie die fest angestellte Bürokraft
ausgeübt. Das von A. K. angemeldete Gewerbe einer Messehostess ist klar vom Tätigwerden als Büroangestellte trennbar und auch
zu trennen. Dahinter treten gegen eine arbeitnehmertypische Beschäftigung sprechende Umstände wie die Abrechnung der Vergütung
zurück.
Schließlich spricht auch die formelle Ausgestaltung der jeweiligen Tätigkeitsrechnungen durch die Antragstellerin selbst unter
Benutzung von deren Computer und Drucker für die starke Einbindung der betroffenen Kurierfahrer und der A. K. im fremden Betrieb
der Antragstellerin.
2.
Allerdings bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderung, soweit sie bereits abgeschlossene
Prüfzeiträume umfasst.
Wie der Senat bereits mit Urteil vom 18.01.2011 - L 5 R 752/08 sowie mit den Beschlüssen vom 22.03.2012 - L 5 R 138/12 B ER und 20.04.2012 - L 5 R 246/12 B ER entschieden hat, ist die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für einen Zeitraum, der bereits zuvor
Gegenstand einer Betriebsprüfung nach § 28p gewesen ist, nur nach Aufhebung des entsprechenden vorangegangenen Bescheides
in Anwendung des § 45 SGB X möglich. Diese Grundsätze, die in den jeweils rechtskräftigen Entscheidungen dargelegt sind, finden auch im vorliegenden
Falle Anwendung. Mit Bescheid vom 18.02.2008 hatte die Antragsgegnerin als zuständige Prüfbehörde gemäß § 28p für den Betriebsprüfungszeitraum
01.01.2004 bis 31.12.2007 als Ergebnis einer durchgeführten Betriebsprüfung bescheidmäßig lediglich 34,23 EUR an Umlagen nachgefordert.
Diese Entscheidung enthielt nur den Hinweis, dass die stichprobenweise durchgeführte Prüfung Feststellungen ergeben habe.
Einen Widerrufsvorbehalt und eine ähnliche vergleichbare Regelung, wonach ein späterer Bescheid für den gleichen Zeitraum
noch zu erlassen sei, enthielt diese Entscheidung nicht. Der Bescheid vom 18.02.2008 ist bestandskräftig geworden. Für den
davor liegenden vierjährigen Betriebsprüfungsturnus vom 01.01.2000 bis 31.12.2003 ist im Rahmen des vorliegenden Verfahrens
nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin abweichend von den Vorgaben des § 28p keine Prüfung mit einem Abschlussergebnis
durchgeführt hätte. Die für den Zeitraum 01.01.2004 bis 31.12.2007 gültigen Ausführungen gelten somit auch für diesen Zeitraum.
Wollte die Antragsgegnerin nach § 28p für diese bestandskräftig geprüften verbeschiedenen Prüfzeiträume bis 31.12.2007 einen
Bescheid nach § 28p
SGB IV anderen Inhalts erlassen, widerspräche dieser dem Regelungsgehalt der vorangegangenen Entscheidung. Deshalb müsste die Antragsgegnerin
nach der Gesamtkonzeption des Verfahrensrechts im SGB X die frühere Entscheidung zunächst nachträglich beseitigen und dabei § 45 SGB X anwenden. Andernfalls führten frühere Bescheide zur Rechtswidrigkeit des späteren Bescheides. Diese Rücknahme nach § 45 SGB X ist nicht hier nicht erfolgt. Dass die Antragsgegnerin den Bescheid vom 18.12.2008 mit dem Satz versehen hatte, die "stichprobenweise
Prüfung" habe die Nachforderung ergeben, ergibt nichts Anderes. Denn Stichprobenprüfungen können die Bescheidsrücknahme nach
§ 45 SGB X erleichtern, aber nicht ersetzen (Senat Beschluss vom 20.04.2012 - L 5 R 246/12 B ER Rdnr. 28 zitiert nach [...]). Von der Rechtsprechung des Senates abzuweichen besteht im Vorliegenden kein Anlass. Insbesondere
ist darauf hinzuweisen, dass das Urteil des BSG vom 14.07.2004 - B 12 KR 1/04 R - keine Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 45 SGB X enthält. Dort finden sich vielmehr Darlegungen hinsichtlich eines Verwirkungstatbestandes (a.A. LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss
vom 10.05.2012 - L 8 R 164/12 B ER; Hessisches LSG Beschluss vom 23.04.2012 - L 1 KR 95/12 B ER).
Der strittige Bescheid vom 19.03.2012 ist daher offensichtlich rechtswidrig, soweit er für den deckungsgleichen Nachforderungszeitraum
bis 31.12.2007 eine andere Regelung enthält als bereits entschieden. Ein überwiegendes öffentliches Vollzugsinteresse ist
daher für den Nachforderungszeitraum bis 31.12.2007 nicht zu erkennen. Insoweit wird der Beschwerde der Antragstellerin stattgegeben
und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet.
3.
Soweit die Beschwerde abgewiesen wird ist auszuführen, dass im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens Einwendungen zur Höhe
der Beitragsnachforderung nicht erkennbar sind. Insoweit hat die Antragsgegnerin zutreffend von den dokumentierten Honorarzahlungen
ausgehend die Beitragshöhe in Anwendung der gesetzlichen Normen fehlerfrei errechnet. Die Antragsgegnerin war auch berechtigt,
Säumniszuschläge in zutreffend errechneter Höhe festzusetzen. Insoweit kann sich die Antragstellerin nicht gemäß §
24 Abs.
2 SGB IV exkulpieren. Denn nach ihrem eigenen Vorbringen hatte sie für die identische Kurierfahrertätigkeit sowie für die identische
Bürotätigkeit der A.K. auch andere Personen versicherungspflichtig beschäftigt im Rahmen von Arbeitsverhältnissen. Weil aber
ein und dieselbe Tätigkeit als Fahrer sowie als Bürokraft nicht gleichzeitig selbständig und abhängig beschäftigt ausgeübt
werden kann, belegt das Vorgehen der Antragstellerin, dass sie damit gerechnet hat, dass die Handhabung der selbständigen
Tätigkeiten unzutreffend ist. Damit ist jedenfalls im Rahmen der summarischen Prüfung das Vorliegen bedingten Vorsatzes anzunehmen.
Dieser schließt die Glaubhaftmachung unverschuldeter Nichtkenntnis von der Beitragspflicht gem. §
24 Abs.
2 SGB IV aus.
Das Vorliegen einer unbilligen, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotenen Härte gemäß §
86b Abs.
1 Satz 2 Nr.
2 SGG ist im vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Allein das Bestehen einer ungünstigen wirtschaftlichen Lage, wie es die Antragstellerin
glaubhaft gemacht hat, kann eine unbillige Härte nicht begründen. Anhaltspunkte dafür, dass die streitige Nachforderung für
die Zeit ab 01.01.2008 bis 30.06.2009 zur Arbeitgeberinsolvenz führen oder den Bestand des Unternehmens gefährden würde und
dass insoweit nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotenen Härten bestehen könnten, sind weder vorgetragen noch
sonst ersichtlich. Es ist daher nicht näher zu erläutern, dass die Antragstellerin im Verfahren nach §
86b SGG nicht auf die Möglichkeit einer Stundung nach §
76 Abs.
2 SGB IV zu verweisen ist (vgl. Bayer. LSG Beschluss vom 30.07.2012 - L 5 R 267/12 B ER).
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird deshalb die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruches teilweise angeordnet. Diese
Anordnung bleibt im vorliegenden Fall auf das Widerspruchsverfahren, also bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides durch
die Antragsgegnerin beschränkt. Denn es ist hier nicht völlig auszuschließen, dass die Antragsgegnerin noch im Widerspruchsverfahren
eine Entscheidung nach § 45 SGB X in Bezug auf die Zeit bis 31.12.2007 trifft, so dass die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 19.03.2012 insoweit möglicherweise
geheilt wird. Im vorliegenden Falle wird daher die Entscheidungsfolge der Erfassung auch eines möglichen Klageverfahrens (vgl.
Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer,
SGG, 10. Aufl, §
86b, Rn. 19 mwN.) ausgeschlossen.
Die Streitwerthöhe ergibt sich aus der streitigen Beitragsnachforderung einschließlich der Säumniszuschläge sowie aus dem
Streitgegenstand der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs. Der Bedeutung der Sache entsprechend ist daher der Streitwert
mit einem Viertel der streitigen Nachforderung zutreffend anzusetzen, § 52 Abs. 3, Abs 1 GKG).
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar gem. §
177 SGG und beendet das Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes.