Keine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung als sonstiger Versicherungspflichtiger beim Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente
Gründe
I.
Streitig ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Verfahren vor dem Sozialgericht Augsburg (SG), in dem ein Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) ab 01.05.2015 im Hinblick auf die Erfüllung einer Anwartschaftszeit streitgegenständlich
ist.
Der Kläger bezog vom 01.09.1999 bis 31.08.2010 und wieder ab dem 01.05.2015 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit von der Deutschen
Rentenversicherung Schwaben (DRV). In der Zeit vom 01.09.2010 bis zum 30.04.2015 erhielt er von der DRV eine Rente wegen voller
Erwerbsminderung auf Zeit.
Einen Antrag des Klägers auf Bewilligung von Alg ab dem 01.05.2015 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.04.2015 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2015 ab. Die Anwartschaftszeit sei nicht erfüllt, da innerhalb der Rahmenfrist
vom 01.05.2013 bis 30.04.2015 keine Versicherungspflichtigkeit des Klägers vorgelegen habe. Der Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente
in der Zeit vom 01.09.2010 bis 30.04.2015 sei unerheblich, da unmittelbar zuvor keine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung
bestanden habe.
Dagegen hat der Kläger Klage zum SG erhoben und die Bewilligung von PKH beantragt. Auch eine Rente wegen Berufsunfähigkeit stelle eine Rente wegen voller Erwerbsminderung
dar, weshalb maßgeblich sei, ob unmittelbar vor dem Rentenbezug ab 01.09.1999 Versicherungspflicht bestanden habe. Die Rahmenfrist
berechne sich somit vom 01.09.1997 bis 31.08.1999. Ausweislich des Versicherungsverlaufs hätten in dieser Zeit Versicherungspflichtverhältnisse
von mehr als zwölf Monaten bestanden. Mit Beschluss vom 08.10.2015 hat das SG die Bewilligung von PKH mangels einer hinreichenden Aussicht der Klage auf Erfolg abgelehnt. Der Kläger habe die Anwartschaftszeit
nicht erfüllt. Innerhalb der Rahmenfrist vom 01.05.2013 bis 30.04.2015 habe er eine Rente wegen Erwerbsminderung nach §
43 Abs
2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) bezogen und sei nicht versicherungspflichtig gewesen. Eine Versicherungspflichtigkeit folge auch nicht aus §
26 Abs
2 Nr
3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III), da der Kläger nicht unmittelbar vor Beginn der zuerkannten Rente wegen voller Erwerbsminderung eine laufende Entgeltersatzleistung
nach dem
SGB III bezogen oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt, sondern eine Rente wegen Berufsunfähigkeit
nach dem
SGB VI bezogen habe. Letztere könne nicht unter die als abschließend anzusehende Vorschrift des §
26 Abs
2 Nr
3 SGB III subsumiert werden. Der Bezug dort nicht genannter (Entgeltersatz-)Leistungen, wie zum Beispiel einer Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung oder Übergangsgeld wegen beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen begründe die Versicherungspflicht nicht. Der
abschließende Charakter folge auch aus §
435 Abs
1 SGB III in der bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung, wonach die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, deren Beginn vor dem 01.01.2001 gelegen
habe, als Rente wegen voller Erwerbsminderung gegolten habe. Dem sei der Fall gleichgestellt, in dem eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit
wegen eines mehr als geringfügigen Hinzuverdienstes gemäß §
313 Abs
2 Nr
2 SGB VI als Berufsunfähigkeitsrente gezahlt werde (2. Halbsatz). Ein solcher Fall liege jedoch nicht vor.
Dagegen hat der Kläger Beschwerde beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Vorschrift des §
435 Abs
1 SGB III differenziere nicht zwischen der Rente wegen "Erwerbsfähigkeit" (gemeint wohl Erwerbsunfähigkeit) und der Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Im Hinblick auf die daraus folgende Gleichstellung lasse sich deren Nichtberücksichtigung in der Zeit nach dem Inkrafttreten
der Neuregelung nicht begründen. Bisherige Entscheidungen bzw. Literaturauffassungen würden sich nur mit dem Bezug anderer
Entgeltersatzleistungen, wie beispielsweise der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach neuem Recht oder Übergangsgeld
wegen beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen befassen. Die vorliegende Rechtsfrage sei daher höchstrichterlich noch ungeklärt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz
Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat die Bewilligung von PKH zu Recht abgelehnt.
Nach §
73a Abs
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
114 Zivilprozessordnung (
ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht
auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht
nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit
für sich hat (vgl BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R - SozR 3-1500 § 62 Nr 19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt
des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar
hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH- Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein
Unterliegen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl, §
73a Rn 7). Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen sind nicht im PKH- Verfahren zu entscheiden, sondern müssen auch
von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92 - NJW 1994, 241f). PKH muss jedoch nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch
nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die
durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als "schwierig" erscheint
(vgl BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 - BVerfGE 81, 347ff). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem
Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten ihres
Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - NJW 2008, 1060ff).
Eine hinreichende Erfolgsaussicht in diesem Sinne besteht für das Klageverfahren beim SG nicht. Der Bescheid der Beklagten vom 29.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2015, mit dem sie die
Bewilligung von Alg ab dem 01.05.2015 abgelehnt hat, erscheint rechtmäßig.
Ein Anspruch auf Alg setzt nach §
137 Abs
1 SGB III Arbeitslosigkeit (Nr
1), eine Arbeitslosmeldung (Nr
2) und die Erfüllung der Anwartschaftszeit (Nr 3) voraus. Der Kläger hat die für einen Anspruch auf Alg ab 01.05.2015 notwendige
Anwartschaftszeit iSv §
137 Abs
1 Nr
3 SGB III nicht erfüllt.
Nach §
142 Abs
1 Satz 1
SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis
gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gemäß §
143 Abs
1 SGB III zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. In der sich
hieraus ergebenden Rahmenfrist vom 01.05.2013 bis 30.04.2015 hat der Kläger nicht mindestens zwölf Monate in einem versicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnis gestanden. Er war insbesondere in dieser Zeit nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen.
Eine Versicherungspflichtigkeit ergibt sich innerhalb der Rahmenfrist auch nicht aus dem Bezug der Rente (auf Zeit) wegen
voller Erwerbsminderung von der DRV. Nach §
26 Abs
2 Nr
3 SGB III sind zwar versicherungspflichtig Personen in der Zeit, für die sie von einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung eine
Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig waren, eine
laufende Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung
ausgeübt haben, die ein Versicherungspflichtverhältnis oder den Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach dem
SGB III unterbrochen hat. Die Voraussetzungen sind aber vorliegend nicht gegeben, da der Kläger unmittelbar vor dem Bezug der Rente
wegen voller Erwerbsminderung nicht versicherungspflichtig war, eine laufende Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen
oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt hat, die ein Versicherungspflichtverhältnis oder
den Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach dem
SGB III unterbrochen hat. Der Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Sie ist auch nicht einer Rente
wegen voller Erwerbsminderung gleichzustellen, so dass es nicht auf eine Versicherungspflichtigkeit des Klägers vor dem Bezug
der Berufsunfähigkeitsrente ankommt. Der Senat folgt insoweit den Gründen des Beschlusses des SG vom 08.10.2015 und sieht von einer weiteren Begründung seines Beschlusses ab (§
142 Abs
2 Satz 3
SGG).
Ergänzend ist auszuführen, dass §
435 Abs
1 SGB III in der bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung (aF) ausdrücklich zwischen einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und einer Rente
wegen Berufsunfähigkeit differenzierte. Danach sollte bei der Anwendung des §
26 Abs
2 Nr
3 SGB III und des §
345a SGB III die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, deren Beginn vor dem 01.01.2001 lag, als Rente wegen voller Erwerbsminderung gelten,
und zwar auch dann, wenn die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit wegen eines mehr als geringfügigen Hinzuverdienstes als Rente
wegen Berufsunfähigkeit gezahlt wurde. Maßgeblich für die Anwendung des §
26 Abs
2 Nr
3 SGB III ist unmissverständlich, dass es sich um eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gehandelt haben muss. Diese war in § 44
SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (aF) geregelt. Sie setzte u.a. anders als eine Berufsunfähigkeitsrente (§
43 SGB VI aF) voraus, dass Erwerbsunfähigkeit (§ 44 Abs 1 Satz 1 Nr 1
SGB VI aF) und nicht nur eine Berufsunfähigkeit (§
43 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGB VI aF) vorliegt. Nur wenn die Hinzuverdienstgrenze des §
96a Abs
2 Nr
1 SGB VI aF überschritten wurden, war die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Beachtung der Hinzuverdienstgrenzen des § 96a Abs 2 Nr 2
SGB IV aF in Höhe der Rente wegen Berufsunfähigkeit zu leisten, wenn Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Abs 2
SGB VI aF weiterhin vorgelegen hat (§ 44 Abs 5
SGB VI aF). Allein diesen Fall hat §
435 Abs
1 2. Alt
SGB III aF erfassen wollen. Dies folgt schon aus der Systematik, dass in beiden Fällen jeweils eine Erwerbsunfähigkeit iSv § 44 Abs 2
SGB VI vorliegen musste. Allein eine Berufsunfähigkeit und eine darin begründete Rente nach §
43 SGB VI sollte nicht ausreichend sein.
Im Hinblick darauf ist eine Berufsunfähigkeitsrente nicht einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gleichzustellen, so dass
§
26 Abs
2 Nr
3 SGB IV vorliegend nicht zur Anwendung gelangt. Dies lässt sich unzweifelhaft aus dem Gesetz entnehmen, so dass eine Bewilligung
von PKH allein unter dem Hinweis, die Frage sei höchstrichterlich noch nicht geklärt, nicht rechtfertigen lässt.
Mangels hinreichender Erfolgsaussicht war damit eine Bewilligung von PKH für das Klageverfahren beim SG abzulehnen und demzufolge die Beschwerde zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§
177 SGG).