Anspruch auf Arbeitslosengeld; Zulässigkeit einer vorläufigen Ablehnung des Leistungsanspruchs
Gründe
I.
Streitig war die vorläufige Ablehnung von Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum vom 27.04.2011 bis 02.07.2011 und die vorläufige
Minderung des Anspruchs für diese Zeit.
Die Klägerin meldete sich am 27.04.2011 bei der Beklagten arbeitslos. Mit Schreiben vom 01.06.2011 teilte die Beklagte mit,
es könne nur vorläufig über die Bewilligung von Alg entschieden werden, da hinsichtlich der Zeit vom 10.04.2011 bis 02.07.2011
eine Sperrzeit zu prüfen und insofern der Ausgang des arbeitsgerichtlichen Verfahrens abzuwarten sei. Mit Bescheid vom 03.06.2011
bewilligte die Beklagte der Klägerin vorläufig Alg für die Zeit vom 27.04.2011 bis 02.07.2011 in Höhe von 0 EUR und für die
Zeit vom 03.07.2011 bis 07.12.2011 in Höhe von 15,31 EUR täglich. Über den Auszahlungsanspruch vom 27.04.2011 bis 02.07.2011
werde gesondert entschieden, hierüber erhalte die Klägerin weitere Nachricht. In diesem Zeitraum werde der Anspruch vorläufig
um 84 Tage gemindert. Dies werde noch abschließend geprüft. Den dagegen eingelegten Widerspruch verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 13.07.2011 als unzulässig. Es fehle eine Entscheidung über den Rechtsanspruch der Klägerin für die Zeit vom 27.04.2011
bis 02.07.2011. Hierüber werde noch eine abschließende Entscheidung getroffen.
Dagegen hat die Klägerin Klage (Az: S 10 AL 135/11) beim Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben und zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Im Hinblick auf einen Änderungsbescheid vom
24.10.2011, mit dem die Beklagte u.a. Alg für die Zeit vom 01.06.2011 bis 30.01.2012 bewilligte und keine Minderung des Anspruchs
vornahm, erklärte die Klägerin das Klageverfahren für erledigt. Mit Beschluss vom 22.02.2012 hat das SG die Bewilligung von PKH abgelehnt. Die Klage wäre nach summarischer Prüfung erfolglos geblieben, da in dem angefochtenen
Bescheid für den Zeitraum vom 27.04.2011 bis 02.07.2011 ausdrücklich keine Regelung getroffen worden sei.
Dagegen hat die Klägerin Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Es sei im Ausgangsbescheid eine Regelung im
Hinblick auf die vorläufige Minderung des Anspruchs in der Zeit vom 27.04.2011 bis 02.07.2011 um 84 Tage getroffen worden.
Tatsächlich habe die Klägerin monatelang kein Alg erhalten.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz
Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-) und auch begründet. Der Klägerin ist für das erstinstanzliche Verfahren PKH zu bewilligen.
Nach §
73a Abs.
1 SGG i.V.m. §
114 Satz 1
Zivilprozessordnung (
ZPO) erhält PKH ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung
nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die
Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit
für sich hat (vgl BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R - [...] - Rn 26 = SozR 3-1500 §
62 Nr. 19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit (vgl Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl, §
73a Rn 7) ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung
und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit
des Obsiegens des PKH-Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechts-
und Tatfragen sind nicht im PKH-Verfahren zu entscheiden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung
zugeführt werden können (vgl BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92 - [...] - Rn 21 = NJW 1994, 241f). PKH muss jedoch nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage
zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung
oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als "schwierig"
erscheint (vgl BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 - Rn 29 - [...] = BVerfGE 81, 347ff). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus,
so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten
ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - [...] - Rn 23 = NJW 2008, 1060ff).
Eine hinreichende Erfolgsaussicht in diesem Sinne bestand vorliegend im Zeitpunkt der Bewilligungsreife (zum maßgeblichen
Zeitpunkt vgl. Beschluss des Senates vom 04.11.2010 - L 11 AS 759/10 B PKH; Leitherer a.a.O. Rn 7d) des erstinstanzlichen PKH-Antrages.
Die Beklagte hat vorliegend im Bescheid vom 03.06.2011 eine (vorläufige) Regelung auch für die Zeit vom 10.04.2011 bis 02.07.2011
getroffen. Zum einen wurde der Leistungsbetrag für diesen Zeitraum vorläufig mit "0 EUR" festgesetzt und im weiteren Verlauf
des Bescheides den Anspruch in dieser Zeit vorläufig um 84 Tage gemindert. Im Ergebnis wurde der Klägerin damit vorläufig
für die Zeit vom 10.04.2011 bis 02.07.2011 die Gewährung von Alg II verweigert. Hiergegen konnte sie sich zulässigerweise
mit einer Anfechtungsklage wehren.
Für die vorläufige Ablehnung des Leistungsanspruchs steht der Beklagten - im Gegensatz zur Ablehnung eines Antrages auf vorläufige
Erbringung von Geldleistungen - keine erkennbare Rechtsgrundlage zur Verfügung. Nach §
328 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB III kann über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entschieden werden, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs
eines Arbeitnehmers auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststehen und der Arbeitnehmer die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung
entgegenstehen, nicht zu vertreten hat. Vorliegend ging es für die Zeit vom 10.04.2011 bis 02.07.2011 aber gerade nicht um
die "Erbringung von Geldleistungen", da die Beklagte insofern den Leistungsanspruch auf 0 EUR festgesetzt hat. Gleiches gilt
für die vorläufige Minderung des Anspruchs um 84 Tage. Die fehlende Möglichkeit, die getroffenen Regelungen unter den Begriff
der "Erbringung von Geldleistungen" subsumieren zu können, ergibt sich nicht zuletzt aus Sinn und Zweck des §
328 SGB III, der primär auf die möglichst schnelle Leistungsgewährung im Interesse des (potentiell) Berechtigten abzielt (LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 28.05.2010 - L 12 AL 4265/09 - m.w.N. - [...]). Die in der (vorläufigen) Nichtgewährung des Alg für die Dauer einer möglichen Sperrzeit liegende negative
Entscheidung ist einer vorläufigen Regelung nach §
328 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB III nicht zugänglich (vgl LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20.05.2008 - L 12 B 28/07 AL - [...]; LSG Baden-Württemberg a.a.O.).
Nach alledem war vom Vorliegen hinreichender Erfolgaussichten auszugehen und der Klägerin PKH für das erstinstanzliche Verfahren
zu bewilligen. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Bewilligung von PKH ohne Ratenzahlung liegen vor.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§
177 SGG).