LSG Bayern, Urteil vom 12.10.2016 - 12 KA 5055/13
Vorinstanzen: SG München 25.11.2013 S 38 KA 5001/12 , SG München 25.11.2013 S 38 KA 5002/12
Tenor I.
Auf die Berufungen der Klägerin werden die Urteile des Sozialgerichts München vom 25.11.2013, S 38 KA 5001/12 und S 38 KA 5002/12, sowie die Bescheide der Beklagten vom 20.05.2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 02.12.2011 wegen Degressionskürzung
2010, ABE-Nr.014583 und ABE-Nr. 014673, aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über die Degressionskürzung 2010 erneut
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gericht zu entscheiden.
II.
Die Beklagte trägt die Kosten der Verfahren.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Degressionskürzung 2010, bei der die Beklagte keine jahresbezogene, sondern eine hiervon abweichende
Degressionsberechnung für die jeweilige Geltungsdauer einer ABE-Nummer vorgenommen hatte. Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft
(BAG) in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die im Jahr 2010 in wechselnder Zusammensetzung unter sieben
verschiedenen ABE-Nummern an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnahm.
Gegenstand der Berufung L 12 KA 5055/13 ist die Degressionskürzung 2010 (Zeitraum 01.01.2010 bis 28.02.2010) in Höhe von EUR 30.976,67. Die Klägerin betrieb in diesem
Zeitraum eine BAG mit 11 Vertragszahnärzten, 14 angestellten Zahnärzten und 7 Assistenten. Im sich anschließenden Zeitraum
(01.03.2010 bis 14.07.2010), der Gegenstand der Berufung mit dem Az. L 12 KA 5056/13 ist, waren für die BAG 14 Vertragszahnärzte, 17 angestellte Zahnärzte und 8 Assistenten tätig, der Kürzungsbetrag belief
sich auf 24.963,37 EUR. Beide Berufungen wurden am 12. Oktober 2016 unter dem führenden Aktenzeichen L 12 KA 5055/13 verbunden.
Die gegen die Lastschriftanzeigen vom 20.05.2011 gerichteten Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom
02.12.2011 zurück. Sie begründete die Degressionskürzung unter Hinweis auf die Rechtsgrundlage für die Degressionsberechnung
(§ 85 Abs. 4b SGB V) und die hierzu ergangene Rechtsprechung der Obergerichte. Zur Begründung für die Abweichung vom Jahresbezug bezog sich die
Beklagte auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 03.12.1997 (Az. 6 RKa 79/96) und vom 05.05.2010 (Az. B 6 KA 21/09 R). Dort habe das BSG ausgeführt, dass sich bei Teilzeit- oder nicht ganzjähriger Beschäftigung eines Zahnarztes in der Praxis die zusätzlich zu
berücksichtigende Punktmenge entsprechend der Beschäftigungsdauer verringere. Dieser Grundsatz gelte auch für eine nur zeitweise
Tätigkeit eines Partners in einer Gemeinschaftspraxis.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihren Klagen zum SG München, in denen zunächst auf § 85 Abs. 4b SGB V und § 1 Ziff. 1 der Degressionsvereinbarung hingewiesen wurde. Dort sei die Rede von einem "kalenderjahrbezogenen praxisindividuellen
Punktmengenkonto". In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der Klägerin um eine überörtliche BAG in
Form einer GbR mit einer relativ hohen Zahl von Gesellschaftern handle, der im Zusammenhang mit jedem Gesellschafterwechsel
durch die Beklagte eine neue ABE-Nummer zugeteilt werde. Dies habe für die Klägerin, bei der es allein aufgrund der großen
Zahl der Gesellschafter zwangsläufig zu einem überproportional häufigen Gesellschafterwechsel komme, zur Folge, dass während
eines Kalenderjahres mehrere ABE-Nummern vergeben würden, beispielsweise im Jahr 2009 insgesamt 11. Wegen dieser im Vergleich
zu anderen Praxen grundlegend anderen Ausgangssituation würde eine nur auf die Geltungsdauer einer einzelnen ABE-Nummer bezogene
Degressionsberechnung bei der Klägerin praktisch zu keiner Zeit zu einer kalenderjahrbezogenen Degressionsberechnung führen.
Dies hätte zwangsläufig zur Folge, dass ein auf das Kalenderjahr bezogener Ausgleich von nur vorübergehenden Überschreitungen
der für die in § 85 Absatz 4b SGB V festgelegten Punktemengengrenzen nicht stattfinden könne, da die Über- bzw. Unterschreitungen der Punktmengengrenzen nur
an der Geltungsdauer einer einzelnen Abrechnungsnummer orientiert wären. Der Wechsel einer ABE-Nummer im Zusammenhang mit
einem Gesellschafterwechsel könne nicht dazu führen, von einer kalenderjahrbezogenen Degressionsberechnung abzurücken. Die
von der Beklagten zitierten Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 05.05.2010, Az. B 6 KA 21/09 R; BSG, Urteil vom 30.10.2013, B 6 KA 3/13 R) seien auf das vorliegende Verfahren nicht anzuwenden. Denn unabhängig von einem Gesellschafterwechsel bestehe die GbR noch
fort. Es liege somit kein Wechsel in der Rechtspersönlichkeit vor. Die zeitanteilige Degressionsberechnung durch die Beklagte
habe auch zur Folge, dass ein Ausgleich nicht möglich sei. So habe bei der Klägerin in der Zeit vom 15.07.2010 bis 31.12.2010
eine Überschreitung der Punktmengengrenzen nicht vorgelegen, was aber nicht berücksichtigt werde. Bei einem Jahresbezug wäre
es zu keiner Degressionskürzung gekommen.
Das SG hat die Klagen mit Urteilen vom 25. November 2013 abgewiesen. Die Berechnungsweise der Beklagten sei nach Auffassung des
Gerichts rechtlich nicht zu beanstanden, da ein Abrücken vom Jahresbezug aus Sachgründen geboten sei. Dafür sprächen auch
einzelne Passagen des Urteils des BSG vom 05.05.2010. Dort sei ausgeführt, dass eine Gesamtdegressionsberechnung, d.h. eine jahresbezogene Berechnung unter Einbeziehung
sämtlicher Leistungen aller im Laufe des Jahres in der Praxis tätigen Zahnärzte von vornherein nicht durchführbar sei, wenn
auch nur einer der Zahnärzte innerhalb desselben Jahres verschiedenen Gemeinschaftspraxen angehört habe. Wäre er bei den beiden
Gemeinschaftspraxen mit seinem Jahreswert zu berücksichtigen, würde die Degressionsberechnung durch die Mehrfachberücksichtigung
insgesamt verfälscht. Zwar reiche allein eine Änderung der ABE-Nummer nicht aus, um eine Ausnahme vom Jahresbezug aus Sachgründen
zu rechtfertigen. Zudem sei es hier auch nicht zu einem Wechsel der Rechtspersönlichkeit der BAG gekommen, sondern zu einer
Änderung im Gefüge derselben. Die Degressionsregelung gehe aber von einem anderen Ansatz aus. In Anwendung von § 85 Abs. 4b SGB V und der Degressionsvereinbarung auf eine GbR ändere sich nämlich mit jedem zusätzlichen oder ausgeschiedenen Gesellschafter
die ohne Abstaffelungswerte anerkannte Gesamtpunktmenge. Dies habe zur Folge, dass sich ein Jahresbezug nicht herstellen lassen.
Außerdem bestünde die Gefahr, dass die ohne Abstaffelung zuerkannte Gesamtpunktmenge mehrfach in Ansatz komme und so die Ziele
der nicht erreicht werden könnten. Zudem bestünde auch eine Haftungsproblematik, da bei einer kalenderjahresbezogenen Degressionsberechnung
ein später in die GbR eingetretener Gesellschafter gegebenenfalls für die Überschreitungen der Punktmenge ganz oder teilweise
einzustehen hätte, die von ihm nicht verursacht wurden. Außerdem bestünden bei dieser Art der Berechnung nicht nur Nachteile,
sondern auch Vorteile, da ein Ausgleich der Punktmenge zwischen den einzelnen Gesellschaftern stattfinde.
Hiergegen richten sich die Berufungen der Klägerin, die im Wesentlichen ihre Argumente aus dem Klageverfahren wiederholen.
Eine Degressionsberechnung für die Geltungsdauer der ABE-Nummer in Abweichung vom Jahresbezug sei vorliegend rechtswidrig.
Der Wortlaut des § 85 Absatz 4b SGB V sei insoweit eindeutig, als der Degressionsberechnung die gesamte von einer Praxis im Kalenderjahr erzielte Punktmenge zugrunde
zulegen sei. Entsprechendes setze auch die Degressionsvereinbarung in § 1 Ziffer 1 (Führung eines "kalenderjahrbezogenen praxisindividuellen
Punktmengenkontos") um. Sachgründe für eine Abweichung vom Jahresbezug lägen auch unter Zugrundelegung der neueren Urteile
des Bundessozialgerichts nicht vor. Vorliegend ginge es auch nicht um einen Statuswechsel von einer Einzelpraxis zu einer
BAG und umgekehrt mit der Folge der Änderung der Rechtspersönlichkeit. Vielmehr habe im gesamten Kalenderjahr 2010 mit der
GbR durchgehend nur eine Berufsausübungsgemeinschaft bestanden, so dass stets dieselbe Rechtspersönlichkeit gegeben gewesen
sei. Eine Abkehr von der kalenderjahrbezogenen Degressionsberechnung sei in einem solchen Fall nicht gerechtfertigt. Auch
sei entgegen der Auffassung der Vorinstanz eine jahresbezogene Degressionsberechnung durchführbar, wenn auch nur einer der
Zahnärzte innerhalb desselben Jahres verschiedenen Gemeinschaftspraxen angehöre.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts München vom 25.11.2013, S 38 KA 5001/12 und S 38 KA 5002/12, sowie die Bescheide der Beklagten vom 20.05.2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 02.12.2011 wegen Degressionskürzung
2010, ABE-Nr.014583 und ABE-Nr. 014673, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über die Degressionskürzung insoweit
erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gericht zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend und den vorliegenden Sachverhalt durch das Urteil des BSG vom 30.10.2013, B 6 KA 3/13 R, für umfassend geklärt. Die Vergabe einer neuen ABE-Nummer bei Wechsel der Gesellschafter in einer BAG sei zwingend erforderlich,
ansonsten wäre ein neuer Gesellschafter durch eine mögliche Überschreitung der Punktmengengrenzen des bisherigen Gesellschafters
benachteiligt oder aber er hätte durch eine mögliche Punktmengeunterschreitung des bisherigen Gesellschafters einen nicht
gerechtfertigten Vorteil.
Die Beigeladene zu 1. hält das Urteil des SG ebenfalls für zutreffend. Das BSG habe bereits mehrfach entschieden, dass bei nur zeitanteiliger Mitgliedschaft eines Partners in einer Gemeinschaftspraxis
dessen degressionsfreier Betrag dort ebenfalls nur anteilig in Ansatz zu bringen sei. Nichts anderes gelte, wenn ein Vertragszahnarzt
die Praxis wechsle, etwa von einer Einzelpraxis in eine Gemeinschaftspraxis oder zwischen verschiedenen Gemeinschaftspraxen.
Entscheidend sei vorliegend, dass nicht erkennbar sei, ob und in welchem Umfang der einzelne ausgeschiedene Vertragsarzt vor
Eintritt in die Berufsausübungsgemeinschaft der Klägerin oder im Anschluss an sein Ausscheiden tätig gewesen sei. Da sich
aber mit jedem zusätzlichen bzw. ausscheidenden zahnärztlichen Mitglied die zuerkannte Gesamtpunktemenge verändere, sei eine
Gesamtdegression nicht möglich. Für den Fall nämlich, dass auch nur einer der tätigen bzw. ausgeschiedenen Zahnärzte innerhalb
desselben Kalenderjahres verschieden Praxen angehöre, würde die Degressionsberechnung durch die mehrfache Berücksichtigung
im Ergebnis verfälscht.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die gerichtlichen
Akten beider Instanzen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) statthaften und gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegten Berufungen sind zulässig und begründet. Denn die Umsetzung der Vorschriften zur nach §
85 Abs. 4b SGB V durch die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden gegenüber der Klägerin ist in nicht zutreffender Weise erfolgt. Dabei
ist insbesondere zu beanstanden, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Berechnung nicht bezogen auf das gesamte Jahr
2010, sondern bezogen auf die einzelnen ABE-Nummern vorgenommen hat.
Nach § 85 Abs. 4b Satz 1 SGB V (in der hier ab dem 1.1.2007 geltenden Fassung des Vertragsarztrechtsänderungsgesetz vom 22.12.2006 BGBl. I 3439) verringert
sich ab einer bestimmten Gesamtpunktmenge je Vertragszahnarzt aus vertragszahnärztlicher Behandlung einschließlich der kieferorthopädischen
Behandlung je Kalenderjahr der Vergütungsanspruch für die weiteren vertragszahnärztlichen Behandlungen im Sinne des § 73 Abs.
2 Satz 1 Nr. 2 um 20, 30 bzw. 40 v.H. (sog. ). Die Punktmengengrenzen bei Berufsausübungsgemeinschaften richten sich nach
der Zahl der zahnärztlichen Mitglieder, § 85 Abs. 4b Satz 3 SGB V. Bei Teilzeit oder nicht ganzjähriger Beschäftigung verringern sich die Punktmengengrenzen nach Satz 1 oder die zusätzlich
zu berücksichtigende Punktmenge nach Satz 4 entsprechend der Beschäftigungsdauer, § 85 Abs. 4b Satz 5 SGB V. Die Degressionsregelungen des § 85 Abs. 4b bis 4f SGB V sind, wie das BSG und das BVerfG bereits wiederholt entschieden haben, mit Art. 12 Abs. 1 GG und Art 3 Abs. 1 GG sowie mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar (grundlegend BSGE 80, 223 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 22, zuletzt BSG, Urteil vom 05.05.2010, - B 6 KA 21/09 R). In den Entscheidungen wird ausgeführt, dass die mit den Degressionsregelungen verbundene Begrenzung der vertragszahnärztlichen
Vergütung rechtmäßig ist, weil sie wichtigen Gemeinwohlbelangen dient. Ihr Ziel ist es vor allem, Einsparungen bei den Krankenkassen
zu erreichen und die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zu sichern. Die Bestimmungen sollen zusätzlich
Fehlentwicklungen bei der Qualität der zahnärztlichen Versorgung entgegensteuern, indem Zahnärzten mit umsatzstarken Praxen
ein Anreiz gegeben wird, Patienten an andere, die Punktmengengrenzen nicht erreichende Zahnärzte abzugeben und so der Gefahr
von Qualitätsdefiziten infolge übermäßiger Leistungserbringung entgegenzuwirken. Große Umsätze haben im Allgemeinen Rationalisierungsmöglichkeiten
und Kostenvorteile zur Folge. Die Betriebskosten entwickeln sich bei größeren Leistungsmengen degressiv, da die Mitarbeiter
und die Geräte produktiver eingesetzt werden können. Das BVerfG hat ausdrücklich ausgesprochen, dass die eine Punktwertdegression
rechtfertigenden Zwecke, die Qualität vertragszahnärztlicher Leistungen zu verbessern und die Beitragssatzstabilität und damit
die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung zu erhalten, ausreichend gewichtige Gründe des Gemeinwohls sind.
Allerdings hat die Beklagte die Vorschriften über die Punktwertminderung vorliegend nicht zutreffend umgesetzt. Sie hat zwar
die gesetzlichen Vorgaben über die degressionsfreien Beträge und die Degressionsgrenzwerte zutreffend angewandt, sie hat jedoch
nicht berücksichtigt, dass die Degressionsberechnung grundsätzlich jahresbezogen zu erfolgen hat und vorliegend ein Abweichen
von diesem Grundsatz nicht geboten war. Die Höhe der degressionsbedingten Honorarrückforderung ist anhand der gesetzlichen
Vorgaben zu bestimmen. Nach § 85 Abs. 4b Satz 1 SGB V in der hier geltenden Fassung verringert sich ab einer Gesamtpunktmenge je Vertragszahnarzt aus vertragszahnärztlicher Behandlung
einschließlich der kieferorthopädischen Behandlung von 262.500 Punkten je Kalenderjahr der Vergütungsanspruch für die weiteren
vertragszahnärztlichen Behandlungen im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V um 20 v.H., ab einer Punktmenge von 337.500 je Kalenderjahr um 30 v.H. und ab einer Punktmenge von 412.500 im Kalenderjahr
um 40 v.H. (sog. ). Die Degressionsgrenzwerte bei Berufsausübungsgemeinschaften richten sich nach der Zahl der zahnärztlichen
Mitglieder (§ 85 Abs. 4b Satz 3 SGB V); die Degressionsberechnung ist mithin nicht zahnarztbezogen, sondern (grundsätzlich) praxisbezogen durchzuführen. Die Degressionsberechnung
hat grundsätzlich jahresbezogen zu erfolgen; eine zeitanteilige Degressionsberechnung der Art, dass einer in bestimmten Zeitabschnitten
erbrachten Leistungsmenge in Punkten die zeitanteiligen Degressionsgrenzwerte gegenüber gestellt werden, ist im Gesetz nicht
angelegt (vergleiche BSG, Urteil vom 05.05.2010, B 6 KA 21/09, Rn. 26 zur quartalsbezogenen Degressionsberechnung). Das Gesetz geht vielmehr grundsätzlich
von einer jahresbezogen Berechnung aus. Dies bestätigt auch der Umkehrschluss aus § 85 Abs. 4b Satz 5 SGB V, wonach bei nicht ganzjähriger Beschäftigung eine Verringerung der Punktmengengrenzen zu erfolgen hat. Im Übrigen würde eine
zeitabschnittsweise bzw. quartalsbezogene Degressionsberechnung Praxen mit stark schwankenden Umsätzen benachteiligen und
zudem erheblichen Verwaltungsaufwand bedingen. Das BSG hat jedoch Ausnahmen vom Jahresbezug angenommen, wenn in Ausnahmefällen aus Sachgründen Abweichungen geboten sind, wobei
eine bloße Änderung der Abrechnungsnummer keine vom Regelfall abweichende Degressionsberechnung erfordert, weil dieser lediglich
eine Ordnungsfunktion zukommt (Urteil vom 05.05.2010, B 6 KA 21/09 R, [...] Rn. 30). Eine jahresbezogene Degressionsberechnung verbietet sich beispielsweise, wenn die Degressionsvorschriften
nur für einen Teil des Jahres gelten (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 15) oder wenn ein Vertragsarzt im Laufe eines Jahres seine Tätigkeit aufnimmt oder vor Ablauf des Kalenderjahres aufgibt
(BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 57 Rn. 33). Daraus folgt, dass Zahnärzte, die nur für einen Teil des Kalenderjahres Mitglieder einer Gemeinschaftspraxis
sind, bei der Bemessung der Degressionsgrenze nur anteilig in Ansatz zu bringen sind (BSG Urteil vom 03.12.1997 - 6 RKa 79/96 - USK 97155; BSGE 93, 69 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 11, Rn. 10; BSG Urteil vom 08.02.2006 - B 6 KA 27/05 R - USK 2006-88 = GesR 2006, 365 = [...] Rn. 12). Auch wenn ein Zahnarzt von einer Gemeinschaftspraxis in eine andere Gemeinschaftspraxis wechselt, bedarf
es zwingend einer zeitanteiligen sowie nach Praxen getrennten Degressionsberechnung (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 57 Rn. 34). Eine Ausnahme vom Grundsatz der Jahresbezogenheit der Degressionsberechnung hat das BSG ferner als zwingend erforderlich angesehen, wenn ein Zahnarzt, der bisher in Einzelpraxis tätig war, während des laufenden
Kalenderjahres in eine Gemeinschaftspraxis eintritt. Die Notwendigkeit einer Abweichung vom Grundsatz der jahresbezogenen
Degressionsberechnung ergibt sich in diesem Fall daraus, dass eine Honorarrückforderung aus der Zeit der Tätigkeit des Zahnarztes
in Einzelpraxis anderenfalls Forderungen beinhalten würde, für die die Gemeinschaftspraxis keine "Haftung" träfe, weil es
sich um Altschulden handelt. Die Belastung einer Gemeinschaftspraxis mit Altschulden eines ihrer Mitglieder widerspräche der
Rechtsprechung des BSG (vgl. BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 31), nach der Honoraransprüche einer neu gebildeten Gemeinschaftspraxis nicht mit Forderungen verrechnet werden dürfen,
die der K(Z)ÄV gegen einen der Praxispartner aus dessen vorangegangener Tätigkeit in Einzelpraxis zustehen (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 57; vgl. bereits BSG Urteil vom 21.05.2003 - B 6 KA 33/02 R - MedR 2004, 172, [...] Rn. 24).
Hier liegt aber keine der o.g. Ausnahmen oder eine mit ihnen vergleichbare Ausnahmesituation vor. Vielmehr kann die bloße
Änderung der personellen Zusammensetzung einer fortbestehenden Gemeinschaftspraxis eine Abweichung vom Jahresbezug nicht rechtfertigen.
Denn die Klägerin bestand als juristische Person unverändert - wenn auch in unterschiedlicher Besetzung - während des gesamten
Jahres 2010 fort. Insofern trifft schon die Grundkonstellation der genannten Urteile des Bundessozialgerichts aus den Jahren
2010 und 2013 nicht zu, bei denen jeweils eine jahresbezogene Degressionsberechnung durchgeführt wurde, dabei jedoch die Punktmengen
der verschiedenen Rechtssubjekte Einzelpraxis und Gemeinschaftspraxis verrechnet wurden. Soweit sowohl die Beklagte als auch
die Beigeladene zu 1. darauf abstellen, das BSG habe ausgeführt, "wenn ein Zahnarzt von einer Gemeinschaftspraxis in eine andere Gemeinschaftspraxis wechselt, bedarf es
zwingend einer zeitanteiligen, sowie nach Praxen getrennten Degressionsberechnung", ist diese Aussage des BSG (zuletzt Urteil vom 30.10.2013, Rn. 24) im Kontext sehen. Hintergrund der notwendigen getrennten Degressionsberechnung war,
dass der Vertragsarzt in den genannten Urteilen sowohl in seiner alten als auch in der neuen Gemeinschaftspraxis mit dem gesamten
Jahresgrenzwert angesetzt werden sollte. Dies hatte das BSG zutreffend als rechtswidrig eingestuft. Es hat vielmehr gefordert, dass bei nur zeitanteiliger Mitgliedschaft eines Partners
in einer Gemeinschaftspraxis dessen degressionsfreier Betrag dort ebenfalls nur anteilig in Ansatz zu bringen ist (unter Verweis
auf BSG, Urteil vom 03.12.1997, 6 RKa 79/96 und Urteil vom 08.02.2006, B 6 Ka 27/05R). Nichts anderes gelte in den Fällen, in denen ein Vertragszahnarzt im Laufe eines
Kalenderjahres die Praxis wechsle, etwa von einer Einzelpraxis in eine Gemeinschaftspraxis oder zwischen verschiedenen Gemeinschaftspraxen.
In derartigen Fällen bedürfe es zwingend einer zeitanteiligen sowie nach Praxen getrennten Degressionsberechnung. So sei eine
"Gesamtdegressionsberechnung" - d.h. eine jahresbezogene Berechnung unter Einbeziehung sämtlicher Leistungen aller im Laufe
des Jahres in der Praxis tätigen Zahnärzte - von vornherein nicht durchführbar, wenn auch nur einer der Zahnärzte innerhalb
desselben Jahres verschiedenen Gemeinschaftspraxen angehört habe. Wäre er bei beiden Gemeinschaftspraxen mit seinen Jahreswerten
zu berücksichtigen, würde die Degressionsberechnung durch die Mehrfachberücksichtigung insgesamt verfälscht (Urteil vom 05.05.2010,
B 6 KA 21/09, Rn. 34). Vorliegend streiten die Beteiligten aber nicht darum, ob die jeweils der Gemeinschaftspraxis angehörenden
Vertragszahnärzte nur zeitanteilig entsprechend ihrer jeweiligen Mitgliedschaft in der BAG der Berechnung der Jahresgrenzwerte
der Klägerin zu Grunde zulegen sind. Dies ist vielmehr unstreitig. Die Beklagte zieht vielmehr aus der Rechtsprechung des
BSG zur zeitanteiligen Berücksichtigung den - unzutreffenden - Schluss, dass bei einer Änderung der Zusammensetzung der Gemeinschaftspraxis
bzw. BAG zwangsläufig auch eine zeitanteilige Degressionsberechnung abweichend vom Jahresbezug zwingend erforderlich sei.
Hierfür besteht aber kein Anlass. Denn soweit die Klägerin kontinuierlich in Form einer BAG lediglich in wechselnder personeller
Zusammensetzung gearbeitet hat und damit keine Statusänderung vorliegt, stellt sich die in der genannten Entscheidung (BSG, Urteil vom 05.05.2010, B 6 KA 21/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 57) vom BSG hervorgehobene Gefahr einer Mehrfachberücksichtigung der wechselnden Mitglieder nicht, weil schon § 85 Abs. 4b Satz 5 SGB V bei nicht ganzjähriger Tätigkeit der Zahnärzte in der Gemeinschaftspraxis eine jeweils zeitanteilige Berücksichtigung vorgibt.
Auch die jene Entscheidung prägende Problematik, dass eine jahresbezogene Degressionsberechnung zu einer Übertragung der degressionsbedingten
"Altverbindlichkeiten" aus der Einzelpraxis auf die Mitglieder der nachfolgenden Gemeinschaftspraxis geführt hätte - in dem
Sinne, dass die Mitglieder der Gemeinschaftspraxis degressionsbedingte Honorarkürzungen zu tragen gehabt hätten, obwohl die
Überschreitung der Degressionsgrenzen weitgehend auf den Umfang der noch in Einzelpraxis durchgeführten vertragszahnärztlichen
Tätigkeit eines ihrer Mitglieder zurückzuführen war (s. BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 57 Rn. 37 ff) - ist vorliegend nicht gegeben. Denn die Haftungsproblematik des einzelnen Vertrags(zahn)arztes beim Übergang
einer Einzelpraxis in eine BAG besteht nicht bei einem Mitgliederwechsel innerhalb einer kontinuierlich in Form der gleichen
juristischen Person geführten Gemeinschaftspraxis bzw. BAG. Dies folgt bereits daraus, dass nach der Rechtsprechung des BSG eine fortwährende Haftung der Gemeinschaftspraxis - und damit der aktuellen Mitglieder - für gegen sie gerichtete Forderungen
besteht (vgl. BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 57 Rn. 16). Auch ergäbe sich ein Wertungswiderspruch, wenn der Eintritt neuer Gesellschafter in eine Gemeinschaftspraxis
bzw. BAG dazu führte, dass sie im Rahmen der Degressionsberechnung nicht als einheitliche Gemeinschaftspraxis angesehen wird,
obwohl eine durchgängige Haftung der Gemeinschaftspraxis bzw. ihrer Mitglieder für Verpflichtungen der "Vorgänger-Gemeinschaftspraxis"
besteht (vgl. BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 57 Rn. 16).
Das Urteil des SG war daher aufzuheben und wie beantragt zu entscheiden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG iVm. § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 SGG. Die Rechtsfrage ist insbesondere durch das Urteil des BSG vom 19.10.2011, B 6 KA 22/10 R geklärt.
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