Vergütung von Sachverständigen im sozialgerichtlichen Verfahren bei Überschreitung der eingereichten Kostenvoranschläge
Gründe:
I. In dem Rechtsstreit B. R. gegen Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege ist der Antragsteller mit
Beweisanordnung des Bayer. Landessozialgerichts (BayLSG) vom 15.10.2004 gemäß §
109 Abs.
1 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt worden.
Das fachorthopädische Gutachten des Antragstellers vom 31.07.2007 ist am 14.08.2007 beim BayLSG eingegangen. Der Antragsteller
hat mit Telefax vom 13.11.2007 um Fristverlängerung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 JVEG gebeten, weil die Rechnungsstellung bis auf
die Position der von ihm unabhängigen beauftragten Hilfskräfte abgeschlossen sei. Vor allem stehe noch eine Rechnung der Technischen
Universität M. über ganganalytische Untersuchungen aus.
Der Antragsteller hat mit Rechnungs-Nr. 20071127 vom 27.11.2007 insgesamt 6.999,38 EUR geltend gemacht, die sich wie folgt
aufschlüsseln:
- 100,5 Std. à 60,- EUR =
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6.030,- EUR
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- Aufwandsentschädigung (Schreibkosten, Farbbilder, Kopien, Überlassung elektronisch gespeicherter Dateien, Assistenztätigkeit,
Ganganalyse, beglaubigte Übersetzung, Telekommunikationskosten und Portokosten) =
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969,38 EUR
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- Summe =
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6.999,38 EUR
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Der Kostenbeamte des BayLSG hat mit Schreiben vom 06.12.2007 die Rechnung des Antragstellers vom 27.11.2007 auf 2.000,- EUR
gekürzt. Das Gutachten umfasse bereits ohne die zahlreichen Anlagen 170 Seiten, wobei es im Endeffekt vorwiegend aus allgemeinen
Überlegungen bestehe, die lehrbuchartigen Charakter hätten. Kostenrechtlich bestehe in Fällen mit solch ungewöhnlich hohem
Aufwand durchaus Veranlassung zu prüfen, welcher Zeitaufwand nach der gefestigten Rechtsprechung des Kostensenats des BayLSG
unter Zugrundelegung eines objektiven Maßstabes "erforderlich" gewesen wäre und dann auch nur diesen zu vergüten. Insbesondere
sei hier zu berücksichtigen, dass der Antragsteller bereits die Privat-Gutachten vom 09.09.1996 und 30.09.1998 gefertigt habe.
Der Antragsteller hat mit Antrag auf Festsetzung seiner Vergütung vom 15.04.2009 hervorgehoben, dass von Seiten des Antragsgegners
die beratende Stellungnahme des Prof. Dr. H. vom 16.10.2007 unkritisch übernommen worden sei, die im Auftrag der Berufsgenossenschaft
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege erstellt worden sei. Die Besonderheit seines Gutachtens liege in der Stellung seltener
Beweisfragen. Es habe sich zweifelsfrei nicht um ein "übliches" oder "normales" Verfahren gehandelt. Auch sei die lehrbuchartige
Aufbereitung einer komplexen Materie für Nichtmediziner hier die einzig sinnvolle Methode für die Abhandlung des Beweisthemas
gewesen. Auf der anderen Seite sei in dieser Arbeit auch ein Teil seiner engeren wissenschaftlichen Interessensgebiete enthalten.
Somit sei er bereit, die Erbringung der Leistung über dem anfangs geschätzten Betrag von 3.000,- EUR als Erfüllung eines "nobile
officium" zu betrachten.
Der Kostenbeamte des BayLSG hat dem Antrag des Antragstellers nicht abgeholfen und den Vorgang dem 15. Senat des BayLSG als
Kostensenat zur Entscheidung vorgelegt.
Von Seiten des 15. Senats wurden die Rentenstreitakten beigezogen. Hierbei fiel auf, dass das Gutachten des Antragstellers
vom 31.07.2007 verlustig gegangen ist. Auf Ersuchen des 15. Senats hat die Bevollmächtigte des Antragstellers das Exemplar
des Prozessbevollmächtigten des Klägers leihweise kurzfristig überlassen. Dieses wird mit Dank wieder zur Verfügung gestellt.
II. Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) durch
gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte dies mit Schriftsatz vom 15.04.2009 beantragt.
Die Vergütung des Antragstellers für sein fachorthopädisches Gutachten vom 31.07.2007 wird gemäß § 4 Abs. 1 JVEG auf 3.000,-
EUR festgesetzt.
Kostenrechtlich ist hier von entscheidender Bedeutung, dass es sich um ein Gutachten nach §
109 Abs.
1 SGG gehandelt hat. Danach muss auf Antrag des Versicherten ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung ist auch
hier davon abhängig gemacht worden, dass der Kläger die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des
Gerichts endgültig trägt. Wegen des hieraus für den Kläger resultierenden Kostenrisikos ist der Antragsteller mit Beweisanordnung
vom 15.10.2004 darauf hingewiesen worden, dass das BayLSG vorläufig von einem geschätzten Betrag von 2.000,- EUR ausgeht.
Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 15.11.2004 geantwortet, dass der genannte Betrag von 2.000,- EUR vermutlich überstiegen
werde und eher im Bereich um 3.000,- EUR anzusiedeln sei.
Der 15. Senat des BayLSG hat als Kostensenat bereits mit Beschluss vom 14.04.2008 - L 15 B 229/03 U KO - entschieden, dass ein gerichtlich bestellter Sachverständiger nicht davon ausgehen dürfe, dass ohne vorherige Erläuterung
und Genehmigung nahezu die doppelte Summe für ein Gutachten in Rechnung gestellt werden könne.
Gleiches gilt auch hier, wenn der Antragsteller mit Rechnung vom 27.11.2007 insgesamt 6.999,38 EUR geltend gemacht hat. Denn
Kläger müssen sich unabhängig von einer etwaig bestehenden Rechtsschutzversichung in Hinblick auf das von ihnen zu tragende
Kostenrisiko vorab darauf einstellen können, wie hoch die voraussichtlichen Kosten einer Begutachtung nach §
109 Abs.
1 SGG sind.
Nachdem der Antragsteller mit Schreiben vom 15.11.2004 einen Betrag im Bereich um 3.000,- EUR geschätzt und seinen Antrag
auf Vergütungsfestsetzung vom 15.04.2009 auf den anfangs geschätzten Betrag von 3.000,- EUR als Erfüllung eines "nobile officium"
beschränkt hat, ist die Vergütung antragsgemäß festzusetzen gewesen.
Auf die Frage des "erforderlichen" oder eines "außergewöhnlichen Umfanges" oder inhaltliche Fragen betreffend das Gutachten
vom 31.07.2007 kommt es kostenrechtlich somit nicht mehr an.
Hierüber hat das BayLSG gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.
Die Entscheidung ist gemäß §
177 SGG endgültig. Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§
4 Abs.
8 JVEG).