Kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe für ein Verfahren einer Erinnerung gegen den Kostenansatz nach § 66 GKG
1. Für das Verfahren der Erinnerung gegen den Kostenansatz nach § 66 GKG ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht möglich, da diese nicht gesetzlich vorgesehen ist.
2. Im Übrigen würde ein vernünftig denkender bemittelter Erinnerungsführer einen Rechtsanwalt auch deshalb nicht beauftragen,
da er dessen Kosten selbst bei einem Erfolg der Erinnerung tragen müsste.
3. Auch der Amtsermittlungsgrundsatz spricht bei einer Erinnerung gegen die Bewilligung von PKH. Ein Vergleich mit einem schwerbehindertenrechtlichen
Klageverfahren, in dem die Ablehnung der Bewilligung von PKH mit der Begründung des geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes ausgeschlossen
ist, ist nicht zulässig
1. Die Bewilligung von PKH ist für Verfahren der Erinnerung gemäß § 66 GKG von Gesetzes wegen nicht vorgesehen.
2. Eine analoge Anwendung der zivilprozessualen Regelungen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe kommt nicht in Betracht.
3. Für eine Analogie besteht keine Notwendigkeit, weil das Verfahren über die Erinnerung gegen den Kostenansatz gemäß § 66 Abs. 8 Satz 1 GKG gerichtsgebührenfrei ist, nicht dem Anwaltszwang unterliegt und für die Abfassung des Rechtsmittels gemäß § 66 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GKG i.V.m. §
129a ZPO Erklärungen vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts abgegeben werden können, welcher durch entsprechende
Nachfragen und Hinweise auf die Wahl des statthaften Rechtsbehelfs, auf die Stellung eines sachdienlichen Antrags und auf
dessen vollständige Begründung hinzuwirken verpflichtet ist.
Gründe
I.
Die Erinnerungsführerin begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Verfahren einer Erinnerung nach § 66 Gerichtskostengesetz (GKG).
Zu Grunde liegt ein vor dem Bayer. Landessozialgericht (LSG) geführtes Klageverfahren zur Durchsetzung eines Anspruchs auf
Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens im Sinn der §§
198 ff.
Gerichtsverfassungsgesetz. In diesem Verfahren macht die dortige Klägerin und jetzige Erinnerungsführerin einen Anspruch auf Entschädigung wegen unangemessener
Dauer eines Gerichtsverfahrens in einer versorgungsrechtlichen Streitsache geltend.
Unter dem Datum des 25.01.2016 wurde der Erinnerungsführerin eine Kostennachricht über 584,- EUR zugesandt.
Dagegen hat die durch ihren Ehemann vertretene Erinnerungsführerin mit Schreiben vom 16.03.2016, bei Gericht eingegangen am
18.03.2016, Erinnerung eingelegt und dafür die Bewilligung von PKH beantragt.
Mit Schreiben des Senats vom 07.06.2016 ist die Erinnerungsführerin darauf hingewiesen worden, dass die Bewilligung von PKH
nach der herrschenden Rechtsprechung für Erinnerungsverfahren nach § 66 GKG nicht vorgesehen sei.
Eine Reaktion der Erinnerungsführerin auf dieses Schreiben ist nicht erfolgt.
Der Senat hat die Akten des Verfahrens der Entschädigungsklage beigezogen.
II.
PKH ist nicht zu bewilligen, da eine solche für Verfahren der Erinnerung gemäß § 66 GKG von Gesetzes wegen nicht vorgesehen ist.
Zur Begründung verweist der Senat auf die überzeugenden Ausführungen des Oberlandesgerichts (OLG) Celle im Beschluss vom 07.08.2012,
Az.: 1 WS 293/12, das in Einklang mit dem Beschluss des OLG Düsseldorf vom 02.07.2012, Az.: III-2 Ws 228/12, 2 Ws 228/12, Folgendes ausgeführt hat:
"Die Bestimmungen über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß §§
114 ff.
ZPO gelten unmittelbar nur für die in der
Zivilprozessordnung geregelten Streitigkeiten einschließlich der Zwangsvollstreckung. Auf andere Verfahren finden diese Regelungen hingegen nur
dann Anwendung, wenn sie ausdrücklich für entsprechend anwendbar erklärt worden sind (vgl. KG NJW-&8203;RR 1993, 69; Zöller-&8203;Geimer,
ZPO 29. Auflage §
114 Rn. 1 m. w. N.). Eine solche Verweisung auf die §§
114 ff.
ZPO findet sich im GKG nicht.
Eine analoge Anwendung der zivilprozessualen Regelungen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe kommt hier nicht in Betracht.
Der Senat schließt sich hierin der Auffassung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 2. Juli 2012 - 2 Ws 228/12, zitiert nach [...]) an. Zum Einen besteht für eine Analogie nach der gegebenen Interessenlage keine Notwendigkeit, weil
das Verfahren über die Erinnerung gegen den Kostenansatz gemäß § 66 Abs. 8 Satz 1 GKG gerichtsgebührenfrei ist, nicht dem Anwaltszwang unterliegt und für die Abfassung des Rechtsmittels gemäß § 66 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GKG i. V. m. §
129a ZPO Erklärungen vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts abgegeben werden können, welcher durch entsprechende
Nachfragen und Hinweise auf die Wahl des statthaften Rechtsbehelfs, auf die Stellung eines sachdienlichen Antrags und auf
dessen vollständige Begründung hinzuwirken verpflichtet ist (vgl. OLG Düsseldorf aaO mit näherer Begründung). Zum anderen
ist die für eine Analogie stets erforderliche planwidrige Regelungslücke im Falle des Verfahrens über die Erinnerung gegen
den Kostenansatz gemäß § 66 GKG nicht gegeben. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich bestimmt, dass eine Kostenerstattung im Verfahren nach § 66 GKG nicht stattfindet (§ 66 Abs. 8 Satz 2 GKG), um zu verhindern, dass Kostenverfahren, die ohnehin nur Anhängsel des jeweiligen Hauptverfahrens sind, ihrerseits wiederum
neue Kostenverfahren erzeugen können (vgl. BGH NJW 2003, 70; OLG Düsseldorf aaO; Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., GKG § 66 Rn. 48). Daher lässt § 66 Abs. 8 GKG bewusst keinen Raum für die Beantragung von Prozesskostenhilfe. An der Verfassungsmäßigkeit dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung
hat der Senat keinen Zweifel (ebenso OLG Düsseldorf aaO; OLG München MDR 1977, 502)."
Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat ergänzend darauf hin, dass selbst dann, wenn nicht von einem Ausschluss
der Bewilligung von PKH für Verfahren der Erinnerung gemäß § 66 GKG ausgegangen würde (so ohne irgendeine Begründung Bayer. Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 15.11.2004, Az.: 24 C 04.2640,
wobei die Bewilligung von PKH dort ohnehin wegen fehlender Erfolgsaussichten mit wenigen Worten abgelehnt worden ist) PKH
vorliegend aus folgenden Gründen nicht zu bewilligen wäre:
Verfahren wegen einer Erinnerung gemäß § 66 GKG sind Verfahren, die nicht nur gebührenfrei sind, sondern in denen Kosten gemäß § 66 Abs. 8 Satz 2 GKG nicht erstattet werden können. Unabhängig vom Ausgang des Erinnerungsverfahrens muss ein Erinnerungsführer immer seine eigenen
Kosten, also auch die Kosten einer anwaltlichen Vertretung, sofern eine solche erfolgt, tragen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur PKH gebietet Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten im Bereich des
Rechtsschutzes. Der Unbemittelte ist demjenigen Bemittelten gleichzustellen, der bei gleichen Prozesschancen vernünftigerweise
den Rechtsweg beschreiten und dazu anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen würde. Dabei stellt das BVerfG regelmäßig auf einen
verständig rechnenden Bemittelten ab, der auch die Tragweite des Kostenrisikos mitberücksichtigt (vgl. z.B. BVerfG, Beschlüsse
vom 13.06.1979, Az.: 1 BvL 97/78, vom 13.03.1990, Az.: 2 BvR 94/88, und vom 02.07.2012, Az.: 2 BvR 2377/10).
Bei einem vom BVerfG als Vergleichsmaßstab vorgegebenen vernünftig und wirtschaftlich denkenden Bemittelten könnte in der
Situation der Erinnerungsführerin nicht davon ausgegangen werden, dass er für das Verfahren der Erinnerung gemäß § 66 GKG einen Anwalt beauftragen würde. Denn die mit der Erinnerung angestrebte Reduzierung der Gerichtskosten, die die Erinnerungsführerin
bislang mangels Bezifferung ihres Klagebegehrens nicht finanziell greifbar gemacht hat, steht in keinem vernünftigen Verhältnis
mit den dadurch verursachten Anwaltskosten, die ein bemittelter Erinnerungsführer - auch bei einem Erfolg der Erinnerung!
- wegen § 66 Abs. 8 Satz 2 GKG selbst tragen müsste. Schon aus wirtschaftlichen Gründen würde daher ein bemittelter Erinnerungsführer einen Anwalt nicht
beauftragen, um nicht das Risiko einzugehen, dass die Erinnerung letztlich auch bei einem positiven Ausgang der Erinnerungsverfahrens
zu einem finanziellen "Verlustgeschäft" für ihn oder der Erfolg weitgehend durch die Anwaltskosten aufgebraucht würde.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass im Verfahren der Erinnerung nicht nur das Vorbringen des Erinnerungsführers geprüft wird,
sondern anlässlich der Erinnerung im Rahmen einer von Amts wegen durchzuführenden Prüfung alle kostenrechtlich maßgeblichen
Gesichtspunkte geprüft werden (ständige Rspr., vgl. z.B. den in Sachen des Ehemanns der Erinnerungsführerin ergangenen Beschluss
des Senats vom 01.08.2014, Az.: L 15 SF 90/14 E). Dies ist ein weiteres Argument dafür, dass ein vernünftig und wirtschaftlich denkender Bemittelter im Erinnerungsverfahren
anwaltliche Hilfe nicht in Anspruch nehmen würde. In dieser Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes bei der Frage
der Prüfung, ob PKH zu gewähren ist, liegt auch kein Widerspruch zu der Rechtsprechung des BVerfG. Sofern dieses "bereits
wiederholt entschieden [hat], dass ein derartiges pauschales Abstellen auf den Amtsermittlungsgrundsatz im sozialgerichtlichen
Verfahren gegen das Prinzip der Rechtsschutzgleichheit verstößt" (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.06.2007, Az.: 1 BvR 681/07), ist dieser, im zitierten Verfahren für ein schwerbehindertenrechtliches Verfahren entwickelte Grundsatz nicht auf das Verfahren
der Erinnerung gemäß § 66 GKG übertragbar. Dies wird deutlich aus dem nachfolgenden Beschluss des BVerfG vom 06.05.2009, Az.: 1 BvR 439/08, in dem das BVerfG herausgearbeitet hat, dass im schwerbehindertenrechtlichen Gerichtsverfahren der Kläger in gleicher Weise
wie die ihm als Prozessgegner gegenüberstehende Behörde das Recht dazu hat, zu medizinischen Ermittlungen des Gerichts und
Äußerungen des Prozessgegners Stellung zu nehmen und auch Anträge auf weitere gerichtliche Ermittlungen, z.B. nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG), zu stellen. Dass dafür Kenntnisse des materiellen und des prozessualen Rechts samt der dazu ergangenen Rechtsprechung von
Nutzen sind, ist unbestreitbar, selbst wenn es Aufgabe des Richters ist, die Vorschriften auszulegen und anzuwenden. Das BVerfG
hat es daher in der vorgenannten Entscheidung als angezeigt erachtet, einem bedürftigen Kläger das Recht, sich in jedem Verfahrensstadium
aktiv zu beteiligen, über das Institut der PKH zu eröffnen. Mit dieser Konstellation im schwerbehindertenrechtlichen Klageverfahren
ist das Erinnerungsverfahren nach § 66 GKG jedoch nicht vergleichbar. Prozessuale Gestaltungsmöglichkeiten wie z.B. §
109 SGG sind im Verfahren der Erinnerung nicht eröffnet. Kenntnisse des Prozessrechts sind daher für dieses Verfahren nicht weiter
erforderlich. Zudem sind im Verfahren der Erinnerung typischerweise keine weitergehenden sachlichen Ermittlungen durchzuführen,
zu denen sich ein Erinnerungsführer nur mit rechtskundiger Unterstützung effektiv äußern könnte.
Da ein bemittelter Erinnerungsführer bei vernünftiger wirtschaftlicher Überlegung einen Anwalt nicht beauftragen würde, kann
einer - möglicherweise - unbemittelten Erinnerungsführerin wie hier für das Verfahren der Erinnerung gemäß § 66 GKG auch keine PKH gewährt werden, da anderenfalls eine verfassungswidrige und dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art.
3 Abs.
1 GG widersprechende Bevorzugung des Unbemittelten die Konsequenz wäre.
Über den Antrag auf Bewilligung von PKH hat das Bayer. LSG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt. Die Besetzung des Senats
folgt der, wie sie im Beschluss über die Erinnerung der Fall sein wird (vgl. OLG Düsseldorf Beschluss vom 02.07.2012, Az.:
III-2 Ws 228/12). Über die Erinnerung wird der Senat gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1, 1. Halbsatz GKG als Einzelrichter zu entscheiden haben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).